Beurteilung der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Rimexolon im

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Aus der
Orthopädischen Klinik
im St. Josef-Hospital Bochum
Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum
Direktor: Prof. Dr. med. Jürgen Krämer
Beurteilung der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Rimexolon
im Vergleich zu Triamcinolonacetonid nach der epidural-perineuralen
Injektion bei Patienten mit Wurzelreizsyndrom im Rahmen einer
minimal-invasiven Wirbelsäulentherapie
INAUGURAL-DISSERTATION
zur
Erlangung des Doktorgrades der Medizin
einer
Hohen Medizinischen Fakultät
der Ruhr-Universität Bochum
vorgelegt von
SIMONE DRÄGER
aus Hattingen
2006
Dekan:
Prof. Dr. med. G. Muhr
Referent:
Prof. Dr. med. J. Krämer
Koreferent:
Priv. Doz. Dr. med. A. Hedtmann
Tag der mündlichen Prüfung: 30.10.2007
Abstract
Dräger
Simone
Beurteilung der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Rimexolon im Vergleich zu
Triamcinolonacetonid nach der epidural-perineuralen Injektion bei Patienten mit
Wurzelreizsyndrom im Rahmen einer minimal-invasiven Wirbelsäulentherapie
Problem:
Bei dieser Arbeit handelt es sich um eine prospektive, randomisierte Doppelblindstudie mit
der Zielsetzung des direkten, langfristigen Vergleichs der Wirksamkeit und Verträglichkeit
der o.g. Substanzen bei epidural-perineuraler Applikation. Therapiert wurden insgesamt 136
Patienten, die sich aufgrund eines radikulären oder gemischt radikulär-pseudoradikulären
Lumbalsyndroms bedingt durch Postdiskotomiesyndrom, Spinalkanalstenose oder diskogene Ursachen in stationärer Behandlung befanden. Die Datenerhebung erfolgte über den
Zeitraum eines Jahres nach stationärer Therapie.
Methode:
Vor Studienbeginn erfolgte eine stratifizierte Randomisierung in zwei Altersgruppen (20-49
und 50-65 Jahre). Innerhalb dieser Altersgruppen fand eine Blockrandomisierung statt. Aufgrund dieser Einteilung wurden an 67 Patienten epidural-perineurale Injektionen mit 10 mg
Rimexolon und an 69 Patienten mit 10 mg Triamcinolonacetonid vorgenommen. In beiden
Behandlungsgruppen wurden nach Injektion des Steroids je 2 ml 0,9 % NaCl-Lösung nachinjiziert. Ein Proband wurde wegen Nichterfüllung der Einschlusskriterien und zwei weitere
Probanden wegen unvollständiger Aufnahmedatensätze aus der Studie ausgeschlossen.
Die maximal drei Injektionen wurden im Abstand von zwei Tagen vorgenommen.
Zusätzlich erhielten alle Patienten neben lumbaler Spinalnervanalgesie unterschiedliche
Formen physikalischer Therapie.
Ergebnis:
In dieser Studie konnten keine signifikanten Unterschiede der Schmerzreduktion zwischen
den beiden Behandlungsgruppen nachgewiesen werden. Beide Medikamente bewirken im
Mittel eine deutliche Linderung der Schmerzsymptomatik nach Abschluss der stationären
Injektionstherapie. Sechs und zwölf Monate nach stationärer Behandlung zeigte sich im
Vergleich der visuellen Analogskala eine statistische Auffälligkeit für geringere Schmerzsymptomatik nach Rimexolonbehandlung. Der t-Test belegte jedoch lediglich eine Tendenz
für die Schmerzreduktion (pvas 6M = 0.06; pvas 12M = 0,09). Diese ist hauptsächlich in der
Gruppe der jüngeren Studienteilnehmer zu verzeichnen.
Diskussion:
Zusammenfassend demonstriert diese Studie zunächst die komplikationsarme Wirksamkeit
epidural-perineuraler Injektionen in der minimalinvasiven Behandlung des Lumbalsyndroms. Darüber hinaus wurde die gute Verträglichkeit und Schmerzreduktion von Rimexolon in dieser Applikationsart nachgewiesen. Somit stellt das Depotsteroid Rimexolon eine
mindestens gleichwertige Alternative zu dem bisher angewandten Triamcinolonacetonid dar.
GLIEDERUNG
Einleitung und Zielsetzung der Arbeit
7
1.1.
Einleitung
1.2.
Darstellung des Krankheitsbildes
10
1.2.1. Definition
10
1.2.2. Pathogenese
10
1.2.3. Klinik
12
1.2.4. Untersuchung
13
Therapie
15
1.3.
7
1.3.1. Stationäre minimal-invasive Wirbelsäulentherapie
(SMIWT)
15
1.3.2. Injektionsmittel in der minimal-invasiven Wirbelsäulentherapie
16
1.3.2.1. Glukokortikoide
16
1.3.2.2. Triamcinolonacetonid
18
1.3.2.3. Rimexolon
20
1.4.
Ethische Belange
22
1.5.
Technik und Durchführung
23
1.5.1. Technik
23
1.5.2. Durchführung
26
Zielsetzung der Arbeit
31
1.6.
4
2.
Material und Methode
32
2.1.
Krankengut
32
2.1.1. Allgemeines
32
2.1.2. Zielkriterien
33
2.1.3. Randomisierung
33
2.1.4. Alters- und Geschlechtsverteilung
34
2.1.5. Symptomatik
35
2.1.6. Behandlungszeitraum
38
2.1.7. Poststationäre Nachbetreuung
38
2.2.
Ausschlusskriterien
40
2.3.
Mögliche Komplikationen
42
2.4.
Durchführung der Behandlung
43
2.4.1. Vorbereitung
43
2.4.2. Technik und Durchführung
44
2.4.3. Nachbehandlung
44
Auswertung
45
2.5.
2.5.1. Datenerhebung der Patienten während des stationären
Aufenthaltes
45
2.5.2. Nachstationäre Datenerhebung mittels Fragebogen
45
2.5.3. Statistische Auswertung
45
5
3.
Ergebnis
48
3.1.
Allgemeines
48
3.2.
Komplikationen
49
3.3.
Resultate
50
3.3.1. „Rimexel®“-Gruppe
52
3.3.2. „TRIAM INJEKT®“-Gruppe
55
Zusammenfassung der Ergebnisse
57
3.4.1. Vergleich des Oswestry-Scores
57
3.4.2. Vergleich der VAS
58
3.4.3. Vergleich der Anzahl der AU-Wochen
59
3.4.4. Analyse per Protokoll
60
3.4.5. Résumé
60
3.4.
4.
Diskussion
62
5.
Zusammenfassung
72
6.
Literaturverzeichnis
73
Danksagung
76
Curriculum vitae
77
6
1.
Einleitung und Zielsetzung der Arbeit
1.1.
Einleitung
Nach dem „Gesundheitsbericht für Deutschland 1998” sind Rückenschmerzen
und ihre Folgen in der Gesellschaft sehr verbreitet und bedeuten, neben der
erheblichen Einschränkung der Lebensqualität der Patienten, eine hohe
Belastung der Sozialversicherungen.
Durch die hohe Prävalenz und Inzidenz leiden 80-90 % der Bevölkerung mindestens einmal im Leben an Rückenschmerzen. Bei ca. 35 % der Erkrankten
entwickelt sich eine chronische Schmerzsymptomatik.
Die „Volkskrankheit Rückenschmerz” ist verantwortlich für etwa 20 % der
Arbeitsunfähigkeitstage und 50 % aller vorzeitigen Rentenanträge in
Deutschland. Demnach sucht etwa jeder 10. Patient in einer Allgemeinarztpraxis den Arzt wegen bandscheibenbedingter Erkrankungen auf. Sogar jeder
2. Patient, der an einem Bandscheibensyndrom leidet, begibt sich in spezielle
orthopädische Behandlung (Krämer, Grifka, 2005).
Die Dunkelziffer jener Patienten, die unter Rückenschmerzen leiden und diese
ohne ärztliche Hilfe „therapieren“, dürfte jedoch um ein Vielfaches höher sein.
Beim Krankheitsbild des Lumbalsyndroms überwiegt die Anzahl der betroffenen männlichen Patienten (51,3 %). Diese Tendenz verstärkt sich noch
beim stationär zu behandelnden schweren Lumbalsyndrom, welches gegebenenfalls eine Operation nach sich zieht (Krämer, Grifka, 2005). Der Erkrankungsgipfel liegt im Bereich des vierzigsten Lebensjahres.
Die Therapie der Wahl in der Behandlung bandscheibenbedingter Erkrankungen und der Spinalkanalstenose ist zur Zeit die epidural-perineurale Injektion von Triamcinolonacetonid.
7
Um die Schmerzreduktion durch steroidale epidural-perineurale Injektionen
weiter zu verbessern, wurde in dieser Studie ein weiteres Depotglukokortikoid
im Vergleich zu Triamcinolonacetonid bei der o.g. Anwendung getestet.
Die Struktur des nichtfluorierten Glukokortikoids Rimexolon zeichnet sich, im
Vergleich zum Prednisolon, durch den Austausch der Hydroxylgruppen an der
Position 17 und 21 durch Methylgruppen sowie einer zusätzlichen Methylgruppe in 16-Stellung aus (Abrams, Connor, 1996).
Diese Modifikation führt zu einer stärkeren Lipophilie, wodurch Rimexolon
die höchste Verweildauer von allen Depotkortikoiden im Gelenk aufweist
(Bathia, Parikh, 1996; Bell, Rothmann, 1984).
Durch die lange Verweildauer im Gelenk gelangt nur wenig Rimexolon pro
Zeiteinheit in die systemische Zirkulation. Wegen seiner kurzen Halbwertzeit
von einer Stunde wird systemisches Rimexolon schnell abgebaut und bewirkt
auf diesem Weg niedrige Serumspiegel, was die kortikoidtypischen Nebenwirkungen reduziert (Bush, 1991).
Dieser Effekt - und die von der Applikationsart abhängige Wirkung auf
Gelenkentzündungen -
wurde
in
tierexperimentellen
Arbeiten
(Chan,
Leung, 1989) nachgewiesen.
Hier zeigte nur die lokale Injektion von Rimexolon bei durch Kaolin induzierten Pfötchenödemen Wirkung; nach subkutaner Applikation blieb diese,
wie die Pharmakokinetik erwarten lies, aus. Des Weiteren führte topisch auf
die Haut einer Ratte aufgetragenes Rimexolon weder zu einer Reduktion der
Hautdicke noch zur Gewichtsreduktion der Nebenniere. Gleiche Ergebnisse
wurden nach Intrakutangabe verzeichnet.
In einer weiteren tierexperimentellen Arbeit (Cuckler et al., 1985) wird belegt,
dass Glukokortikoide im gesunden Gelenk einen negativen Effekt auf den
Knorpel haben, jedoch wird diese Reaktion in einem entzündeten Gelenk
durch die antiinflammatorische Komponente der Steroide überkompensiert.
8
Darüber hinaus wurde in der Arbeit von Cuckler et al. auch gezeigt, dass die
Wirkung von Rimexolon - im Vergleich zu Triancinolonhexacetonid - auf das
behandelte Gelenk lokal begrenzt ist.
Nach intraartikulärer Injektion von Rimexolon bei Patienten mit rheumatoider
Arthritis konnte eine Verbesserung der Parameter Schmerz, Druckempfindlichkeit, Steifheit, Schwellung, Gehstrecke und Beweglichkeit des Gelenks für
den Zeitraum von 94 Tagen nach Applikation (Untersuchungszeitraum) verzeichnet werden. Nach vier Monaten waren 90 % der intraartikulär applizierten Dosis resorbiert (Dilke et al., 1973).
In einer weiteren Studie (Dougherty, Fraser, 1978) bei Patienten mit entzündlich veränderten Gelenken bei rheumatoider Arthrits wurden Dosierungen von
10, 20, 30 und 40 mg Rimexolon mit Placebo verglichen. Eine signifikante
Verbesserung im Vergleich zum Placebo wiesen die 20 und 40 mg Dosierungen auf.
Durch die erwähnten Attribute wird erwartet, dass Rimexolon nach epiduralperineuraler Injektion im Vergleich zum Triamcinolonacetonid eine längere
Wirkdauer bei vergleichbarer Wirksamkeit aufweist.
Die Nebenwirkungsrate ist unter „Rimexel®“ gering und entspricht der von
Placebo (Dilke et al., 1973; Dougherty, Fraser, 1978).
9
1.2.
1.2.1.
Darstellung des Krankheitsbildes
Definition
Unter dem Begriff Lumbalsyndrom versteht man Krankheitserscheinungen,
die durch Degeneration und Funktionsbeeinträchtigung lumbaler Bewegungssegmente auftreten und deren Problematik im Bereich der Lendenwirbelsäule
liegt.
Die in der Studie behandelten Patienten wiesen folgende Krankheitsbilder auf:
• Radikuläres
Lumbalsyndrom:
Tritt durch Reizung einer oder mehrerer Nervenwurzeln
durch
Bandscheibenprotrusion/
-prolaps auf und verursacht Beschwerden in den
entsprechenden Dermatomen, Myotomen und
Neurotomen.
• Spinalkanalstenose:
Stellt ein Missverhältnis zwischen der Weite des
Spinalkanals und der im selbigen gelegenen
neuralen Strukturen dar.
• Postdiskotomiesyndrom: Bezeichnet andauernde Schmerzzustände im
Bereich der Lendenwirbelsäule nach Bandscheibenoperation. Diese werden vor allem durch
epidurale Narbenbildung erklärt.
1.2.2.
Pathogenese
Die aufrechte Haltung des Menschen bedingt eine anhaltend starke axiale
Druckbelastung der Bandscheiben. So muss auf einer Fläche von wenigen
10
Quadratzentimetern das Gewicht aller höhergelegenen Abschnitte des Organismus getragen werden, wodurch besonders die unteren Abschnitte der
Wirbelsäule starken Belastungen ausgesetzt sind. Der Belastungsdruck der
lumbalen Bandscheiben variiert zwischen 15 kp in entspannter Rückenlage,
100 kp im Stehen und 140 kp im Sitzen. Je nach Körperposition und gegebenenfalls angehobenen Gewichten, kann der Belastungsdruck auf mehrere
hundert kp ansteigen (Krämer, Grifka, 2005).
Diese oben beschriebenen Druckverhältnisse in den Bandscheiben rufen eine
Minderversorgung des Gewebes hervor. Ebenfalls kann es zu druckabhängigen Flüssigkeitsverschiebungen in der Bandscheibe kommen (Krämer et
al., 1985).
Diese Flüssigkeitsschwankungen, die besonders die unteren Bewegungssegmente der Lendenwirbelsäule betreffen, bedingen durch die Höhenminderung eine Einengung der Foramina intervertebralia, eine Reduktion des Reserveraumes des Spinalnervs und hierdurch eine Nervenwurzelkompression.
Eine weitere Ursache frühzeitiger Degenerationserscheinungen stellt die Tatsache dar, dass die lumbalen Bandscheiben das größte zusammenhängende,
nicht vaskularisierte Gewebe bilden. Das - nach dem zweiten Lebensjahr nur
noch durch Osmose und Diffusion versorgte - bradytrophe Bandscheibengewebe besitzt bis zur Adoleszenz im Bereich des Anulus fibrosus genug Widerstandskraft, um Verlagerungen des Gallertkerns zu kompensieren. Die
zwischen dem zwanzigsten und sechzigsten Lebensjahr auftretenden Risse in
den zentral gelegenen Anteilen des Anulus fibrosus sind ein erstes makroskopisches Zeichen der lumbalen Bandscheibendegeneration. Teile des Gallertkerns können bei asymmetrischer Belastung des Zwischenwirbelraumes in
radiär und zirkulär angeordnete Fissuren eindringen und den äußeren Faserring sowie das hintere Längsband unter Zugspannung setzen. Durch diese
Zugspannung werden die sensiblen Fasern des Ramus meningeus des
11
Spinalnervs gereizt. Übergänge zu lumbalen Bandscheibenprotrusionen sind
fließend. Eine Protrusion, bzw. ein Prolaps tritt dann auf, wenn die zunehmende Degeneration des Anulus fibrosus, bedingt durch intradiskale
Sequesterbildung und Massenverschiebung, neben der Lockerung des
Zwischenwirbelabschnittes zu einer Vorwölbung oder einem Vorfall führt
(Krämer, Grifka, 2005).
Ebenso können radikuläre und pseudoradikuläre Lumbalsyndrome entstehen.
In dem gelockerten Bewegungssegment kommt es - neben einer Höhenminderung der Bandscheibe - auch zu geringen Verschiebungen der Lendenwirbel gegeneinander. Gleichzeitig kann es zu einer Retroposition eines Lendenwirbels gegen den darunterliegenden Wirbelkörper kommen.
Beim Postdiskotomiesyndrom (PDS) kommt es im Anschluss an eine Diskotomie zu einer überschießenden oder zumindest die Nervenwurzel komprimierenden Narbenbildung. Der degenerative Prozess des appositionellen
Wachstums an den Wirbelhinterkanten und den Gelenkfacetten ist kennzeichnend für das Krankheitsbild der Spinalkanalstenose. Die durch Narbe
oder Verengung des Wirbelkanals bedingte Kompression der Nervenwurzel
führt in der Regel zu einem Lumbalsyndrom.
1.2.3.
Klinik
Die Beschwerden, die im Rahmen einer Schädigung der lumbalen Bandscheiben auftreten können, sind vielfältig. Die Symptomatik reicht von
leichten Rückenschmerzen bis hin zu typischen neurologischen Ausfällen wie
zum Beispiel Paresen der Muskulatur der unteren Extremitäten, Potenzschwäche und Inkontinenzerscheinungen; die Übergänge sind fließend.
12
Im Fokus der von den Patienten angegebenen Beschwerden steht die
Schmerzsymptomatik. Die Diagnosefindung ist für den behandelnden Arzt
durch genaue Lokalisation typischer Schmerzbänder sowie kennzeichnender
Vorgeschichte auch ohne das Auftreten sensibler Reizerscheinungen zu
stellen.
Die Patienten berichten typischerweise von einem plötzlichen Schmerz, der
nach einem Ereignis, welches oft als „Verheben” oder „Verdrehen des Oberkörpers” angegeben wird, aufgetreten ist.
1.2.4.
Untersuchung
Nach ausführlicher Anamnese erfolgte die körperliche Untersuchung.
Diese umfasste die Inspektion, Palpation, Funktionsprüfung sowie eine
symptomorientierte neurologische Untersuchung.
Die Untersuchung beinhaltete folgende Parameter:
• Überprüfung der aktiven und passiven Beweglichkeit im Bereich des Oberkörpers und der unteren Extremitäten
• Test nach Lasègue
• Pseudolasègue
• Test nach Bragard
• Viererzeichen
• Umgekehrtes Zeichen nach Lasègue (Femoralisdehnungsschmerz)
• Prüfung der Wirbelsäulenstatik und -beweglichkeit
• Prüfung des Beckenstandes
• Überprüfung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule
• Prüfung des Achillessehnenreflexes (ASR)
• Prüfung des Patellarsehnenreflexes (PSR)
13
• Test auf Sensibilitätsstörungen
• Messung des Finger-Boden-Abstandes (FBA)
• Zehenspitzen- und Fersengang
• Überprüfung der paraspinalen Druckschmerzhaftigkeit
• Test auf Paresen der unteren Extremitäten
• Überprüfung des Iliosakralgelenks
Neben der umfassenden körperlichen Untersuchung können - symptomorientiert - einige radiologische Untersuchungsmethoden durchgeführt werden.
Zu diesen gehören:
• Übersichtsaufnahme
der
Lendenwirbelsäule
im
anterior-posterioren
Strahlengang
• konventionelle Seitenaufnahme der Lendenwirbelsäule
• Computertomographie
• Kernspintomographie
• Lumbale Myelographie
• Diskographie
14
1.3.
Therapie
1.3.1.
Stationäre minimal-invasive Wirbelsäulentherapie (SMIWT)
Eine stationäre konservative minimal-invasive Behandlung der Beschwerdesymptomatik ist bei therapieresistenten Wurzelsyndromen und Spinalkanalstenosen indiziert, sofern keine sofortige Operationsbedürftigkeit vorliegt, wie zum Beispiel bei Kaudasymptomen oder Lähmungserscheinungen.
Die konservative Therapie dient in erster Linie der Schmerzbeseitigung durch
Wurzelabschwellung und Förderung des venösen Abflusses aus dem Epiduralraum durch eine lokale epidural–perineurale Injektionstherapie. Diese wird ergänzt durch ein im Folgenden beschriebenes interdisziplinäres Behandlungsschema.
Um die Patienten einer Bewegungstherapie zuführen zu können, muss zunächst die schmerzbedingt eingenommene Schonhaltung durchbrochen
werden. Zu diesem Zweck ist einerseits eine systemische analgetische Behandlung angezeigt. Diese ist symptomatisch orientiert und wird nach dem
WHO-Stufenschema durchgeführt.
Andererseits nehmen die lokalen Injektionen (lumbale Spinalnervanalgesie
[LSPA], epidurale Injektionsformen) die wichtigste Rolle des Behandlungskonzeptes ein. Durch die lokal an den Fokus der Schmerzentstehung applizierten Lokalanästhetika und Depotkortikoide erreicht man eine Schmerzlinderung, ohne dabei - wie bei der systemischen Analgesie - den Patienten durch
eine hohe orale oder parenterale Dosierung zu belasten (Krämer, 2002).
Ergänzt wird diese Behandlung durch Physiotherapie. Sie vermittelt den
Patienten - auch im Rahmen der Rückenschule - eine fachgerechte Schulung
bandscheibenschonender Bewegungsabläufe, sowie eine Muskelkräftigung
15
durch Übungen aus der Entlastungshaltung. Durch gezielte Bewegungen wird
für einen Abtransport der Entzündungsmediatoren im Bereich der Nozizeptoren gesorgt. Die Bewegung fördert ebenfalls die Durchblutungsverhältnisse
und sorgt für einen Abbau der vegetativen und motorischen Reaktion
(Krämer, Nentwig, 1999). Somit stellt die Rückenschule nicht nur eine
sekundär präventive Maßnahme dar, die zur Minderung der Beschwerden
führt, sondern sie ist auch eine Prophylaxe hinsichtlich einer Verschlechterung
der Symptomatik.
Die Patienten lernen das Prinzip der progressiven Muskelentspannung kennen
und werden durch physikalische Therapien (wie z. B. Diadynamik und Fango)
behandelt. Von der manuellen Therapie profitieren am ehesten Patienten mit
akutem Rückenschmerz ohne radikuläre Ausstrahlung.
1.3.2.
Injektionsmittel in der minimal-invasiven Wirbelsäulentherapie
1.3.2.1. Glukokortikoide
Epidural-perineurale Injektionen mit Depotglukokortikoiden weisen im Vergleich zu konventionellen posterioren epiduralen Injektonen eine deutlich
bessere Linderung der Schmerzsymptomatik auf, so dass diese Applikationsart
vorzugsweise zur Anwendung gelangt. Die direkte Gegenüberstellung von
Glukokortikoiden und reiner NaCl-Lösung bei epidural-perineuraler Applikation zeigt die deutliche Überlegenheit der Steroide bei der Schmerzreduktion.
Steroidspezifische Nebenwirkungen waren nicht zu verzeichnen (Krämer et
al., 1997).
Bei der Behandlung werden Kristallsuspensionen verwendet. Die Pharmakodynamik ist bei allen Präparaten gleich, jedoch weisen sie eine unterschiedliche Pharmakokinetik auf. Das Kortikoid sollte in Depotform vorliegen, langsam resorbiert bzw. abtransportiert werden und so lokal langanhaltende, ent-
16
zündungshemmende Wirkung haben, das heißt, es treten praktisch keine
systemischen Wirkungen auf. Des Weiteren weisen Kortikosteroide antiinflammatorische und antiödematöse Wirkungen auf, wirken jedoch nicht
primär analgetisch (Hatz, 1998).
Die in dieser Studie verwendeten Depotglukokortikoide Triamcinolonacetonid
und Rimexolon wurden mangels Zulassung für diese Applikationsart im offlabel-use verabreicht.
Die behandelten Patienten wurden zuvor ausführlich über Vorteile, Risiken
und Nebenwirkungen aufgeklärt.
Kontraindikationen für die pharmakologische Glukokortikoidtherapie stellen
dar (Hatz, 1998):
• Ulkusleiden
• aktive Tuberkulose
• Osteoporose
• Frühschwangerschaft
• schwer einstellbarer Diabetes mellitus
• Glaukom
• schwere Infektion
• akute Virusinfektion
• chronisch aktive infektiöse Hepatitis
• parasitäre Erkrankungen
17
1.3.2.2. Triamcinolonacetonid
69 Patienten sollten im Rahmen der Studiendurchführung während ihres
stationären Aufenthaltes je drei epidural-perineurale Injektionen mit Triamcinolonacetonid erhalten. Es handelt sich hierbei um eine Kristallsuspension
mit einer Korngröße von 5,0 µm. In der Studie wurde das Medikament
„TRIAM INJEKT®“ 40 mg der Firma Lichtenstein Pharmazeutica GmbH &
Co. verwendet.
Pro Injektion wurden 0,25 ml Triamcinolonacetonid, entsprechend 10 mg
Wirkstoff, appliziert; anschließend wurden 2 ml NaCl nachinjiziert.
Aufgrund eines unvollständigen Datensatzes bzgl. der Aufnahmewerte
wurden zwei Patienten nicht in der Abschlussstatistik bewertet. Ein Patient
wurde aufgrund der Nichterfüllung der Einschlusskriterien aus der Studie ausgeschlossen, so dass lediglich 66 mit Triamcinolonacetonid behandelte
Patienten in die Auswertung eingingen.
Folgende Nebenwirkungen können bei der Behandlung
mit „TRIAM INJEKT®“ auftreten:
• Striae rubrae
• Petechien, Ekchymosen
• Steroidakne
• verzögerte Wundheilung
• Osteoporose
• aseptische Knochennekrosen
• Glaukom, Katarakt
• Depressionen, Gereiztheit, Euphorie
• Pseudotumor cerebri
18
• Ulcus ventriculi
• Pankreatitis
• verminderte Glukosetoleranz, Diabetes mellitus
• Hypertonie
• Störung der Sexualhormonsekretion
• Erhöhung des Thromboserisikos
Wechselwirkungen können auftreten mit:
• NSAR
• Herzglykosiden
• Saluretika
• Antidiabetika
• oralen Antikoagulantien
Gegenanzeigen sind:
• akute Virusinfektionen
• HBs-Ag-positive, chronisch aktive Hepatitis
• Lymphknotenerkrankung nach Tuberkuloseimpfung
• Kinderlähmung
19
1.3.2.3. Rimexolon
Insgesamt wurden 67 Studienteilnehmer mit „Rimexel®“ behandelt. Es erfolgten insgesamt drei epidural–perineurale Injektionen während des Klinikaufenthaltes.
Das Depotkortikoid „Rimexel®“ der Firma Celltech Pharma GmbH & Co. KG
wird ebenfalls als Kristallsuspension appliziert. Die Korngröße des
Rimexolons beträgt 1,5 µm.
Auch bei diesem Medikament werden 0,25 ml (10 mg Wirkstoff) injiziert. Um
eine gute perineurale Verteilung zu erhalten, werden wiederum 2 ml NaCl
nachinjiziert.
Folgende Umstände bedürfen besonderer Vorsichtsmaßnahmen bei der
Anwendung von „Rimexel®“
• Akute Virusinfektionen
• HBs-Ag-positive, chronisch aktive Hepatitis
• Osteoporose
• Systemische Mykosen oder Parasitosen
• Ulkusleiden
• Tuberkulose
• Schwer einstellbarer Diabetes mellitus
• Psychiatrische Erkrankungen
• Glaukom
• Schwer einstellbare arterielle Hypertonie
• Cushing-Syndrom
20
• Akute Glomerulonephritis
• Myasthenia gravis
• Hyperthyreose
• Thrombophlebitis
Wechselwirkungen können auftreten mit:
• Herzglykosiden
• Saluretika
• Antidiabetika
• Cumarinderivaten
• Nichtsteroidalen Antiphlogistika/ Antirheumatika
Gegenanzeigen sind:
• Überempfindlichkeit gegenüber Bestandteilen der Substanz
• Infektion
• Schwere Allgemeininfektionen
• Bakteriämie
• Störung der Blutgerinnung
• Periartikuläre Kalzifikation
• Schwerwiegende Gegenanzeigen für eine systemische Kortikoidtherapie
• Absterben von Knochengewebe
• Schwangerschaft
21
1.4.
Ethische Belange
Der Prüfplan und die Patienteninformation wurden vor Studienbeginn der unabhängigen Ethik-Kommission der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt und
von dieser bewilligt. Auf eine Kontrollgruppe innerhalb dieser Studie wird aus
ethischen Gesichtspunkten verzichtet. Als indirekte Placeboarme dienen die in
den Veröffentlichungen zusammengefassten Vorstudien „Lumbar epidural
perineural injection: a new technique“ (Krämer et al., 1997), in welchen die
Wirkung von epidural-perineural applizierten Kortikosteroiden mit der von
NaCl-Lösung als Kontrollgruppe verglichen wird. Des Weiteren wurde eine
Probandenversicherung abgeschlossen.
22
1.5.
Durchführung und Technik
1.5.1.
Technik
1. Epidural-perineurale Injektion
In der Orthopädischen Universitätsklinik im St. Josef-Hospital Bochum
werden Patienten seit 1998 im Rahmen der SMIWT mit epidural-perineuralen
Injektionen therapiert. Diese Behandlung wird ohne Anästhesiebereitschaft
durchgeführt, da durch die verwendeten feinlumigen Kanülen (29G) eventuell
auftretende Duraverletzungen sowie postpunktionelle Kopfschmerzen, bedingt
durch Mikrotraumen, minimiert werden können (Krämer, Grifka, 2005).
Aus diesen Gründen entfällt ebenfalls die Anlage eines i.v.-Zugangs sowie das
EKG-Monitoring; die einzige Kontrolle der vegetativen Parameter erfolgt über
Pulsoxymetrie. Auf CT-gesteuerte Injektionen wird verzichtet; zur Orientierung dient die anterior-posteriore Aufnahme der Lendenwirbelsäule des
Patienten.
Die epidural-perineurale Injektionsbehandlung erfolgt in Zweinadeltechnik.
Der interlaminäre Zugang zum anterolateralen Epiduralraum wird bis zum
Ligamentum flavum mit der Introducerkanüle vorgenommen. Es erfolgt das
Vorschieben der mandrinhaltigen 29G Feinkanüle über die Introducerkanüle
bis zum knöchernen Widerstand. Zur Lagekontrolle der Feinkanüle wird aspiriert. Es erfolgt die therapeutische Injektion.
23
Therapeutische
Injektion
Abb. 1: Schemazeichnung epidural-perineurale Injektionstechnik
(Theodoridis, Krämer, 2005)
24
2. Lumbale Spinalnervanalgesie (LSPA)
Die paravertebralen Injektionen wurden beim Patienten in leichter Vorneigung
sitzend vorgenommen. Einstichstelle und Nadelführung richten sich nach der
zu infiltrierenden Nervenwurzel. Es werden alle drei Äste der Spinalnerven
infiltriert. Der Zugang zu den Foramina intervertebralia der unteren lumbalen
Spinalnerven erfolgt am besten von einer Einstichstelle, die 6–8 cm seitlich
der Medianlinie - etwa in Höhe der Darmbeinkämme - gelegen ist.
Man schiebt die etwa 10 cm lange Injektionsnadel in einem Winkel von
60 Grad auf den Querfortsatz von L5 zu. Will man den Spinalnerv L4 erreichen, führt man die Nadel oberhalb des Querfortsatzes 1–2 cm weiter.
Während des Vorschubs der Nadel sollten ständig Aspirationsversuche vorgenommen werden, um eine Verletzung der Wurzeltasche - und damit eine
Liquorpunktion - ausschließen zu können. Um an das Foramen intervertebrale
der Nervenwurzel S1 zu gelangen, muss die Injektionsnadel zusätzlich um
etwa 45 Grad angehoben werden.
Abb. 2: Schemazeichnung Technik Lumbale Spinalnervanalgesie (LSPA)
(Theodoridis, Krämer, 2005)
25
1.5.2.
Durchführung
Die Wahl des interlaminären Zuganges ist bei der epidural–perineuralen Injektion abhängig von der betroffenen Wurzel. So wird, entsprechend des Beschwerdebildes, der Zugang bei L3/L4, L4/L5 oder L5/S1 gewählt. Um das
interlaminäre Fenster, durch welches die Injektion erfolgen soll, erkennen zu
können, ist es notwendig, die anterior-posteriore Röntgenaufnahme der
Lendenwirbelsäule des Patienten, gegebenenfalls vorhandene CT–Bilder, für
den behandelnden Arzt gut sichtbar zu plazieren. Im Fall einer Überlappung
der Laminae kann der Interlaminarspalt unterschiedliche Konfigurationen
haben, sofern er überhaupt vorhanden ist. Sollte diese Variation eintreten, so
muss ein benachbartes Fenster gewählt werden, damit der Zugang für die
epidural-perineurale Injektion ermöglicht werden kann.
26
Zur Durchführung der Injektion wurden kurz vor der Applikation folgende
Materialien bereitgelegt (Abb. 3):
a
b
c
d
e
f
g
h
i
Abb. 3: Erforderliche Materialien zur epidural-perineuralen Injektion
a)
Mundschutz
b)
29G Feinkanüle
c)
Introducerkanüle
d)
Spritze mit isotoner NaCl-Lösung
e)
Spritze zur therapeutischen Injektion
f)
Leere Spritze zur Aspiration
g)
Pflaster
h)
Sterile Einmalhandschuhe
i)
Sterile Unterlage
j)
Tupfer
k)
Desinfektionsmittel
l)
Anterior-posteriore Aufnahme der Lendenwirbelsäule
(Punkte j – l aus Gründen der besseren Übersicht nicht im Bild)
27
Die Vorbereitung der Injektion besteht
aus der Lokalisation und Markierung des
Zugangspunktes, wobei die Dornfortsatzspitze des betroffenen Bewegungssegmentes ertastet wird. Der genaue Injektionspunkt liegt 1 cm lateral (kontralateral der schmerzenden Seite) und 1 cm
kaudal der Dornfortsatzspitze. Dieser
Punkt wird mit der Spitze eines Kugelschreibers markiert (Abb. 4).
Abb. 4: Markierung der
Einstichstelle
Nach
einer
mindestens
dreiminütigen
Desinfektion der Punktionsstelle legt der
Arzt Mundschutz und sterile Handschuhe
an. Es erfolgt der Einstich der Introducerkanüle unterhalb und lateral des
Dornfortsatzes in Stichrichtung (ca. 15 cm
saggital-cranial) bis in das Ligamentum
flavum (Abb. 5).
Abb. 5: Einstich der
Introducerkanüle
28
Besonders bei schlanken Patienten besteht
die Gefahr, schon beim Vorschub der
Introducer–Nadel den Durasack zu verletzen. Die mandrinhaltige 29G Feinkanüle
wird durch die Introducer–Nadel bis zum
Knochenkontakt vorgeschoben und liegt
nun
im
anterolateralen
Epiduralraum
(Abb. 6).
Abb. 6: Einführen der 29G
mandrinhaltigen Kanüle
Im Anschluss daran wird der Mandrin
zurückgezogen. Zum Ausschluss einer
akzidentiellen Duraverletzung erfolgt ein
Aspirationsversuch
mit
einer
leeren
Insulinspritze. Bei Liquoraspiration wird
die Lage der Feinkanüle durch weiteren
Vorschub korrigiert, bis bei nochmaliger
Aspiration kein weiterer Liquorrückfluss
nachweisbar ist (Abb. 7).
Abb. 7: Aspiration
29
Um die korrekte Lage der Nadel zu überprüfen, wird der Patient nach Injektion der
Hälfte der zu applizierenden Injektionslösung (Abb. 5) nach Sensationen im betroffenen Bein befragt. Um eine intrathekale Injektion auszuschließen, sollte ein
weiterer Aspirationsversuch erfolgen. Nach
Abschluss
der
Injektion
erfolgt
die
Messung des Stichkanalwinkels bei noch
liegender Nadel. Des Weiteren wird zur
Bestimmung der Eindringtiefe die Feinkanüle über der Introducerkanüle abge-
Abb. 8: Therapeutische Injektion
knickt und entfernt.
Die ermittelten Werte, sowie die vom Patienten beschriebenen Sensationen,
werden umgehend in der Krankenakte dokumentiert. Die gemessene Eindringtiefe und der zuvor bestimmte Winkel dienen abermals der Sicherung des
korrekten Injektionsortes im anterolateralen Epiduralraum (Abb. 9-11).
Abb. 9: Messung des
Einstichwinkels
Abb. 10: Abknicken der
29G Feinkanüle
Abb. 11: Messen der
Einstichtiefe
30
1.6.
Zielsetzung der Arbeit
Ziel der Studie ist ein Vergleich der mittelfristigen Wirksamkeit der beiden
Glukokortikoide Rimexolon und Triamcinolonacetonid bei der epiduralperineuralen Injektion. Behandelt wurden Patienten mit radikulärem Lumbalsyndrom als Folge von Protrusion, Prolaps, Spinalkanalstenose und Postdiskotomiesyndrom. Durch die wesentlich längere Wirkdauer des Rimexolons
- bei vergleichbarer Wirksamkeit und gleicher Dosierung - wird eine deutlich
längere Beschwerdebesserung der Schmerzsymptomatik erwartet, so dass das
Rimexolon dem Triamcinolonacetonid bei dieser Applikationsart überlegen
wäre.
Um diesen Nachweis zu erbringen, wurde eine prospektive, randomisierte
Doppelblindstudie an 136 Patienten in der Orthopädischen Universitätsklinik
im St. Josef-Hospital Bochum durchgeführt.
31
2.
Material und Methode
2.1.
Krankengut
2.1.1.
Allgemeines
In die Studie einbezogen wurden 136 Patienten im Alter von 20 – 65 Jahren,
die sich in der Orthopädischen Universitätsklinik im St. Josef-Hospital
Bochum einer stationären minimal-invasiven Wirbelsäulentherapie unterzogen
haben und die Einschlusskriterien erfüllten.
Einschlusskriterien waren: Lumbales Wurzelreizsyndrom bei z. B.
• Dekompensierter Spinalkanalstenose
• Bandscheibenvorfall
• Bandscheibenvorwölbung
• Postdiskotomiesyndrom
Bisherige Therapien, bis auf die systemische oder lokale Gabe von Kortikoiden, sowie die Dauer der Erkrankung, waren für den Einschluss in die
Studie nicht von Bedeutung. Jeder Patient wurde vor Studienteilnahme mit
Hilfe eines standardisierten Aufklärungsbogens eingehend über die Freiwilligkeit der Studienteilnahme sowie die in 2.4. (Durchführung der Behandlung)
näher erläuterten Nebenwirkungen und den weiteren Ablauf informiert. Die
Aufklärungen und Einwilligungserklärungen liegen in schriftlicher Form vor.
Während des gesamten Behandlungszeitraumes stand der Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik im St. Josef-Hospital Bochum, Prof. Dr. med.
J. Krämer, den Patienten als zusätzlicher Ansprechpartner zur Verfügung.
32
2.1.2.
Zielkriterien
Primäres
Zielkriterium:
• Veränderung des Oswestry-Scores sechs Monate nach
Behandlungsbeginn
Sekundäre
• Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage im Folgejahr
Zielkriterien:
• Veränderung des Oswestry-Scores drei und zwölf
Monate nach Behandlungsbeginn
2.1.3.
Randomisierung
Vor Beginn der Studie wurde eine Liste zur stratifizierten Randomisierung erstellt und bei dem Stationsarzt der Station OR3 hinterlegt. Die Stratifizierung
unterscheidet zwei Altersgruppen (20-49 und 50-65 Jahre). Für jede Altersgruppe wurde eine Blockrandomisierung durchgeführt. Pro Altersgruppe gibt
es eine Liste von Studiennummern und anzuwendender Medikation. Allerdings wird aufgrund der besseren Durchführbarkeit nicht unbedingt ein
Gruppenverhältnis von 1:1 angestrebt, sondern Ausgewogenheit innerhalb der
Behandlungsgruppen. Bei Aufnahme eines Patienten in die Studie wurden
seine persönlichen Daten durch den die Studie mitbetreuenden Stationsarzt an
der nächsten freien Stelle der zutreffenden Randomisierungsliste eingetragen
und dem Patienten die im Vorfeld für diese Stelle zufällig bestimmte
Medikation zugeordnet. Alle Studieninformationen wurden unter der so
zugeordneten Studiennummer verwaltet. Um die Verblindung zu gewährleisten, erfolgte eine vollständige Trennung der Randomisierungsliste und der
Tabelle der Studiendaten bis Studienabschluss.
Die Studie umfasste eine Gesamtzahl von 136 Patienten, die sich im Rahmen
eines radikulären Lumbalsyndroms der minimal-invasiven Wirbelsäulentherapie unterzogen haben.
Durch einen Randomisierungsfehler des zuständigen Stationsarztes erhielten
69 Patienten Triamcinolonacetonid, 67 Probanden wurden mit Rimexolon
33
behandelt. Da ein Patient der Triam-Gruppe die Einschlusskriterien nicht erfüllte, wurde dieser Proband nachträglich aus der Studie ausgeschlossen. Ein
unvollständiger Datensatz der Aufnahmewerte führte zu einer Nichtberücksichtigung zweier mit Triamcinolonacetonid behandelten Patienten in der Abschlussauswertung, so dass diese mit nur 66 Probanden erfolgte.
2.1.4.
Alters- und Geschlechtsverteilung
Die Alters- und Geschlechtsverteilung in den beiden Behandlungsgruppen
setzte sich wie folgt zusammen:
Tab. 1: Verteilung des Patientenguts der Behandlungsgruppe Triam
gesamt
gesamt
jung
jung
weibl.
jung
männl.
gesamt
alt
alt
weibl.
alt
männl.
66
37
17
20
29
15
14
Triam Probandenverteilung
Männer alt
21,21%
Frauen jung
25,76%
Frauen jung
Männer jung
Frauen alt
Männer alt
Frauen alt
22,73%
Männer jung
30,30%
Abb. 12: Graphische Darstellung des Patientenguts der Behandlungsgruppe Triam
34
Tab. 2: Verteilung des Patientenguts der Behandlungsgruppe „Rimexel®“
gesamt
gesamt
jung
jung
weibl.
jung
männl.
gesamt
alt
alt
weibl.
alt
männl.
67
36
14
22
31
18
13
Rimexel Probandenverteilung
Männer alt
19,40%
Frauen jung
20,90%
Frauen jung
Männer jung
Frauen alt
Männer alt
Frauen alt
26,87%
Männer jung
32,84%
Abb. 13: Graphische Darstellung des Patientenguts der
Behandlungsgruppe „Rimexel®“
Eine statistische Auswertung der unterschiedlichen demographischen Daten
erfolgte. Im Vergleich der Geschlechter auf die Behandlungsgruppen erwies
sich der p-Wert als nicht signifikant (p = 0,93). Ebenfalls nicht signifikant war
die Untersuchung der Altersverteilung der Probanden innerhalb der Behandlungsgruppen (p = 0,79). Bei der Betrachtung beider Kriterien ergab sich ein
Wert von p = 0,88.
2.1.5.
Symptomatik
Das Mittel der Wahl zur Behandlung bandscheibenbedingter Erkrankungen,
der Spinalkanalstenose und des Postdiskotomiesyndroms ist auf Grund der
geringen Invasivität und der guten Schmerzlinderung die epidural-perineurale
35
Injektion. Das Diagnosespektrum des Patientenguts der beiden Behandlungsgruppen unterteilte sich wie folgt:
Tab. 3: Verteilung Diagnosespektrum Behandlungsgruppe Triam
Mehrfachnennungen möglich
SKS
Protrusion
Prolaps
PDS
Rad. LWSSyndrom
unkl. Genese
9
19
24
9
12
Verteilung Diagnosespektrum Behandlungsgruppe
Triamcinolonacetonid
Mehrfachnennungen möglich
n = 66
Prolaps
32,88%
PDS
12,33%
rad. LWS-Syndrom
unkl.Genese
16,44%
SKS
Protrusion
Prolaps
PDS
Protrusion
26,03%
SKS
12,33%
rad. LWS-Syndrom
unkl.Genese
Abb. 14: Prozentuale Verteilung des Diagnosespektrums
Behandlungsgruppe Triamcinolonacetonid
36
Tab.4: Verteilung Diagnosespektrum Behandlungsgruppe Rimexolon
Mehrfachnennungen möglich
SKS
Protrusion
Prolaps
PDS
Listhese
Rad. LWSSyndrom
unkl. Genese
12
17
17
10
1
14
V e r te ilu n g D ia g n o s e s p e k tr u m B e h a n d lu n g s g r u p p e
R im e x o lo n
M e h rfa c h n e n n u n g e n m ö g lic h
n=67
SKS
P ro la p s
2 3 ,9 4 %
L is th e s e
1 ,4 1 %
PDS
1 4 ,0 8 %
ra d . L W S S y n d ro m u n k l.
G enese
1 9 ,7 2 %
P ro trus ion
P ro la ps
L is th e s e
PDS
ra d . L W S -S yn d rom
u n k l.G e ne s e
P ro tru s io n
2 3 ,9 4 %
SKS
1 6 ,9 0 %
Abb. 15: Prozentuale Verteilung des Diagnosespektrums
Behandlungsgruppe Rimexolon
Die statistische Auswertung der Diagnoseverteilung zwischen den beiden Behandlungsgruppen konnte keine signifikanten Unterschiede aufzeigen
(p=0,71).
37
2.1.6.
Behandlungszeitraum
Nach der Indikationsstellung für eine epidural-perineurale Injektion durch
Prof. Dr. med. J. Krämer erhielt jeder Proband während der SMIWT maximal
3 Injektionen im Abstand von 2 Tagen. Die Injektionen erfolgten montags,
mittwochs und freitags. Während des stationären Aufenthaltes wurden die
Patienten zusätzlich mit LSPA’s behandelt und einem Behandlungsprogramm,
bestehend aus physikalischer und physiotherapeutischer Therapie, Entspannungstraining sowie Rückenschule, zugeführt. Um Behandlungsunterschiede zu minimieren, wurden alle Studienteilnehmer bezüglich der epiduralperineuralen Injektionen von einem Therapeuten betreut.
Patienten, die bereits nach der ersten oder zweiten Injektion eine vollständige
Remission der Symptomatik aufwiesen, wurden - die Nebenwirkungen berücksichtigend - von weiteren epiduralen Injektionen ausgenommen. Sie
nahmen aber weiterhin zur Stabilisierung des Therapieerfolges am normalen
Behandlungsplan teil.
In diesem Zeitraum wurden die ersten studienrelevanten Daten aufgenommen.
Zur Erfassung wurde der „Oswestry–Score“ nach Fairbank (et al., 1980), der
die schmerzbedingte Beeinträchtigung im täglichen Leben der Patienten
erfasst, und die visuelle Analogskala eingesetzt. Diese misst den subjektiv
empfundenen
Schmerz.
Beide
Parameter
werden
vor
Beginn
der
Spritzentherapie, das heißt bei Aufnahme und vor der Entlassung, ermittelt.
Sie
dienen
als
Ausgangswert
zur
Beurteilung
des
langfristigen
Therapieerfolges.
2.1.7.
Poststationäre Nachbetreuung
Nach Beendigung des stationären Aufenthaltes erhielten die Patienten im
Rahmen der Nachbetreuung nach drei, sechs und zwölf Monaten die Frage-
38
bögen zur weiteren Datenerhebung zugeschickt. Diese Fragebögen beinhalteten den Oswestry-Score, die VAS sowie die Anzahl der seit der letzten
Befragung aufgetretenen Arbeitsunfähigkeitstage. Des Weiteren wurde die
Frage nach erneuten Kortikoidapplikationen im Intervall des Beobachtungszeitraumes gestellt, um so das Ausschlusskriterium zu überwachen.
39
2.2.
Ausschlusskriterien
Die Ausschlusskriterien ergeben sich aus den allgemeinen Kontraindikationen
für Kortisonapplikation (S. 1.3.2.1. Glukokortikoide) sowie die Compliancebereitschaft, Praktikabilität und Vermeidung störender Einflüsse auf die
Studienergebnisse.
Die Ausschlusskriterien waren:
1) Kortisonphobie
2) Idiopathische Erkrankungen der Nervenwurzel
3) Infektiöse Erkrankungen des ZNS
4) Neurologische Erkrankungen wie Epilepsie, postmeningitische Zustände,
posttraumatische Zustände, Polyneuropathie, Tetra-/Paraplegie
5) Psychiatrische Vorerkrankungen
6) Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenabusus
7) Schwangerschaft und Stillzeit
8) Schäden der peripheren Nerven, z.B. posttraumatisch, entzündlich
9) Tuberkulose
10) Tumorleiden
11) Schwere chronische oder terminale Erkrankungen
12) Schwere Hypertonie, (dekompensierte) Herzinsuffizienz
13) Kontraindikationen gegen Behandlung mit Kortison (Hatz, 1998)
14) Bekannte Unverträglichkeit/Überempfindlichkeit gegen Rimexolon oder
Triamcinolonacetonid
15) Jede chronische Erkrankung, die Resorption, Metabolismus oder Ausscheidung des Präparates beeinflussen kann
16) Permanente Hämodialyse
17) Bekannte Blutgerinnungsstörungen
18) Berentung oder laufendes Rentenverfahren
19) Einnahme oder Gabe von Kortikoiden (systematisch oder lokal) innerhalb der letzten drei Monate
40
20) Relevante orthopädische Erkrankungen der unteren Extremitäten
21) Feststellung von Kontraindikationen durch einen Facharzt für Innere
Medizin
22) Teilnahme an einer klinischen Studie innerhalb der letzten 30 Tage
23) Gleichzeitige Teilnahme an einer anderen klinischen Prüfung
24) Nichterfüllung der Einschlusskriterien
41
2.3.
Mögliche Komplikationen
Bei epidural-perineuralen Injektionen können neben dem Symptom des
„postpunktionellen Kopfschmerzes” weitere gravierende Komplikationen auftreten. Benannt werden infektiöse Komplikation wie Meningitis, Arachnoiditis
und das Konus medullaris-Syndrom. Durch eine vorübergehende Druckerhöhung im Epiduralraum nach der Injektion kann es kurzzeitig zu einer Verstärkung der Schmerzsymptomatik kommen. Des Weiteren wird - insbesondere bei intrathekaler Applikation von Kortikosteroiden - von epiduralen Abszessen und einem Fall von aseptischer Meningitis berichtet (Abrams et al.,
1996).
42
2.4.
Durchführung der Behandlung
2.4.1.
Vorbereitung
Im Vorfeld wurden alle für die Studie in Frage kommenden Patienten von den
Stationsärzten eingehend untersucht und anamnestisch befragt. Alle Patienten,
auf die ein oder mehrere der unter 2.2. (Ausschlusskriterien) genannten Ausschlusskriterien zutrafen, wurden aus der Studie ausgeschlossen.
Nach einem ausführlichen Aufklärungsgespräch und der Bereitschaft der
Patienten an der Studie teilzunehmen, erfolgte zunächst die Einteilung in die
jeweilige Behandlungsgruppe durch Randomisierung.
Um den späteren Behandlungserfolg beurteilen zu können, wurden bei Aufnahme der Patienten die objektivierbaren Parameter (Finger-Boden-Abstand
[FBA], Zeichen nach Lasègue, Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule,
visuelle Analogskala, Oswestry-Score) schriftlich festgehalten. Die Patienten
sollten während der stationären Behandlung im Rahmen der minimalinvasiven Wirbelsäulentherapie drei epidural-perineurale Injektionen im
Abstand von jeweils zwei Tagen erhalten. Die Spritzen wurden morgens
- etwa eine halbe Stunde vor Beginn der Sprechstunde - mit dem jeweiligen
Medikament steril aufgezogen und mit der, dem Patienten zugehörigen
fortlaufenden Nummer versehen. Auf das Abkleben der Spritzen zur
Verblindung konnte verzichtet werden, da sich beide Suspensionen optisch
nicht unterscheiden lassen. Um die Verblindung der Studie nicht zu gefährden,
wusste lediglich der die Studie mitbetreuende Stationsarzt, welcher Patient
welcher Medikation unterlag. Dieser Arzt nahm die Randomisierung sowie
das Aufziehen der Spritzen vor, hatte aber keinen weiteren Kontakt zu den
Probanden, so dass die Durchführung als Doppelblindstudie möglich war. Die
für die Studie relevanten Injektionen wurden ausschließlich von einem
43
Therapeuten vorgenommen.
Die aufgezogenen Spritzen wurden bis zur Verwendung mit einem sterilen
Tuch bedeckt, um Kontaminierung zu vermeiden.
2.4.2.
Technik und Durchführung
Ausführliche Erläuterungen über Technik und Durchführung wurden bereits
im Kapitel 1.5. (Durchführung und Technik) benannt.
2.4.3.
Nachbehandlung
Die Patienten wurden wiederholt auf mögliche Nebenwirkungen der Injektionen hingewiesen. Weiterhin wurden sie aufgefordert, nach jeder Injektion für
mindestens eine Stunde auf der betroffenen Seite zu liegen, um das lokale Behandlungsergebnis zu maximieren. Diese Seitenlage sollten die Patienten auch
während der Behandlungspausen einnehmen. Ebenfalls wurde auf die therapeutische Relevanz der übrigen Therapien (z. B. Krankengymnastik und
Rückenschule) mit der Bitte um kontinuierliche Teilnahme hingewiesen.
Kurz vor Abschluss der stationären Behandlung fand eine erneute Untersuchung der Patienten statt. Diese umfaßte die unter 1.2.4. (Untersuchung) bereits beschriebenen Parameter, sowie die Erfassung der visuellen Analogskala
und des Oswestry-Scores.
44
2.5.
Auswertung
Die Auswertung der Studie erfolgte durch:
2.5.1.
Datenerhebung
der
Patienten
während
des
stationären
Aufenthaltes
Vor Beginn der therapeutischen Maßnahmen sowie nach den drei epiduralperineuralen Injektionen wurden die unter 1.2.4. (Untersuchung) bereits erläuterten Parameter erfasst und bei den restlichen Studiendaten hinterlegt.
2.5.2.
Nachstationäre Datenerhebung mittels Fragebogen
Nach Entlassung erhielten alle Patienten zur weiteren Datenerfassung im Abstand von drei, sechs und zwölf Monaten per Post einen Fragebogen, sowie
den Oswestry-Score.
Mit Hilfe des Fragebogens wurde die visuelle Analogskala (VAS), die Anzahl
der seit der letzten Befragung aufgetretenen Arbeitsunfähigkeitstage und eine
gegebenenfalls weitere Behandlung mit Kortikosteroiden abgefragt.
2.5.3.
Statistische Auswertung
Die statistische Datenverarbeitung wurde mit dem Programm SAS, Version
8.02., durchgeführt.
Hypothese dieser Arbeit ist die bessere mittelfristige Wirksamkeit des
Rimexolons im Vergleich zum Triamcinolonacetonid bei der epidural-perineuralen Injektion. Betrachtet wird dies anhand des Oswestry-Scores zum Zeitpunkt 6 Monate nach Behandlungsbeginn. Verglichen wird die Veränderung
45
des Scores mit dem Ausgangswert vor Behandlungsbeginn.
Durch die Bildung der Differenzen zum jeweiligen Ausgangswert
dR6=OR6 - OR0 und dT6=OT6 - OT0,
werden Unterschiede in der anfänglichen Höhe des Scores zwischen den
Probanden berücksichtigt.
Anhand der berechneten Differenzen wird mit einem Zweistichproben-t-Test
die Nullhypothese H0 gegenüber der Alternative H1 zum Niveau von 0,05 getestet.
H0: dR6 ≥ dT6
H1: dR6 < dT6.
Der Score kann Werte zwischen 0 und 100 annehmen. In der Literatur finden
sich Hinweise auf eine Standardabweichung (im Folgenden „Std“ genannt)
von 5,8 und 23,6 (Fairbank et al., 1980). Die Daten wurden Mittels eines tTests ermittelt und miteinander verglichen. Dieser Test erlaubt eine Aussage
darüber, ob die Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen zufallsbedingt sind. Das Signifikanzniveau wurde auf 0,05 gesetzt. Aufgrund der
großen Patientenanzahl wurde die Normverteilung für den t-Test als gegeben
angenommen.
Die Parameter der jeweiligen Behandlungsgruppe, welche im t-Test miteinander verglichen wurden, waren folgende:
• Oswestry-Score
• Visuelle Analogskala (VAS)
Dieser Vergleich wurde zunächst in der „Intention-to-treat“-Analyse, im Anschluss daran als „per Protokoll“-Analyse durchgeführt.
Bei der Analyse nach „Intention-to-treat“ wurde für alle Studienabbrecher der
zuletzt nach Studienplan erhobene Messwert fortgeschrieben. Damit wurde
angenommen, dass die jeweilige Therapie die Befindlichkeit nicht weiter
46
verbessern konnte, als dies bis zum letzten gültigen Messzeitpunkt geschehen
war. Verbesserungen und auch weitere Verschlechterungen unter weiteren
Therapien wurden hiermit ignoriert.
Der Vergleich der Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage (im Folgenden „AU“
genannt) umgerechnet in Wochen, erfolgte mit einem verteilungsfreien
(nichtparametrischen) Test. Verwendet wurde der Wilcoxon-Rangsummentest
zum Niveau von α= 0,05 zur Überprüfung der Hypothese
H0: AUR = AUT
gegen
H1: AUR ≠ AUT
47
3.
Ergebnis
3.1.
Allgemeines
Insgesamt nahmen 136 Probanden an dieser Studie teil. 67 Patienten wurden
mit „Rimexel®“-Injektionen und 69 mit Triamcinolon–Injektionen behandelt.
Ein unvollständiger Datensatz der Aufnahmewerte führte zu einer
Nichtberücksichtigung
zweier
mit
Triamcinolonacetonid
behandelten
Patienten in der Abschlussauswertung. Da ein Patient aus der o.g. Gruppe die
Einschlusskriterien nicht erfüllte, wurde dieser ebenfalls aus der Studie
ausgeschlossen. Die Abschlussauswertung wurde demnach mit den Daten von
67 Patienten der „Rimexel®“-Gruppe und 66 Probanden der Triam-Gruppe
durchgeführt.
48
3.2.
Komplikationen
Eine in der Literatur angeführte infektiöse Komplikation nach epiduraler Injektion ist in diesem Probandenpool - aufgrund der vorbeugenden Maßnahmen
wie z.B. ausgiebiger Desinfektion der Punktionsstelle, Tragen steriler Handschuhe und Mundschutz durch den behandelnden Arzt, sowie steriler Abdeckung der Spritzen - nicht aufgetreten. Diese infektiösen Komplikationen
scheinen gehäuft nach multiplen Injektionen, welche über einen langen Zeitraum erfolgt sind, aufzutreten (Abrams, O`Connor, 1996). Bei sechs Patienten
traten nach epidural-perineuraler Injektion Kreislaufprobleme auf, 13 Patienten klagten über postpunktionellen Kopfschmerz, davon litt ein Proband zusätzlich unter Miktionsbeschwerden. Eine Beschwerdezunahme nach Injektion
gaben zwei Patienten an. Trotz der angeführten Komplikationen führten diese
bei keinem Patienten zum Abbruch der stationären Therapie.
Komplikationen nach Therapie
Anzahl der Fälle
12
10
Triam
8
Rimexel
6
4
2
0
Kreislauf
probleme
Kopf
schmerzen
Kreislaufprobleme u. Miktionsstörungen
Schmerzzunahme
Triam
4
5
1
1
Rimexel
2
7
0
1
Abb. 16: Komplikationen der beiden Behandlungsgruppen
49
3.3.
Resultate
Die insgesamt drei epidural-perineuralen Injektionen wurden den Patienten im
Zeitraum einer Woche, im Abstand von zwei Tagen, appliziert. Im Fall einer
deutlichen Schmerzlinderung bzw. Schmerzfreiheit vor der dritten Injektion
wurde mit Rücksicht auf die möglichen Nebenwirkungen auf weitere epiduralperineurale Injektionen verzichtet. Diese Probanden erhielten dann lediglich
noch LSPA-Injektionen und weitere physiotherapeutische Betreuung.
Ziel war es ebenso, die Behandlung durch das Erlernen der progressiven
Muskelentspannung nach Jakobson und durch die in der „Rückenschule“ vermittelten Übungen zu unterstützen. Mit diesen nichtinvasiven Maßnahmen
sollte den Patienten die Möglichkeit der eigenständigen Rezidiv- und Beschwerdeprophylaxe gegeben werden. Des Weiteren wurde durch das Erlernen
der Muskelrelaxation der bessere Umgang mit Schmerzwahrnehmung und
-verarbeitung gefördert.
Insgesamt haben 47 Studienteilnehmer die Studie vorzeitig abgebrochen, so
dass es nicht möglich war, die vollständigen Studiendaten zu erheben. Von
diesen 47 Teilnehmern erhielten 29 eine Injektion mit Triamcinolonacetinid
und 18 eine mit „Rimexel®“. Sechs Studienabbrecher der Triam-Gruppe erhielten erst gar nicht die vollständige Therapie mit drei epidural-perineuralen
Injektionen. Bei zwei Probanden lag ein unvollständiger Eingangsdatensatz
vor, so dass sie in der Abschlussauswertung nicht berücksichtigt werden
konnten. In gleicher Weise wurde mit einer weiteren Patientin verfahren,
welche aufgrund ihres fortgeschrittenen Lebensalters die Altersobergrenze der
Einschlusskriterien nicht erfüllte und gerade das Teilnehmeralter als möglicher Störfaktor für einen zügigen Heilungsprozess betrachtet wurde sowie
als Schichtfaktor bei der Rekrutierung funktionierte. Diese drei o.g. Abbrecher erscheinen in Abb. 17 (Vergleich des Zeitpunktes des Studienabbruchs der
Behandlungsgruppen) unter tx.
In der „Rimexel®“-Gruppe erhielten drei Probanden nicht die vorgesehene Behandlung. In den ersten drei Monaten schieden 13 Probanden der Triam-
50
Gruppe und 10 Probanden der „Rimexel®“-Gruppe aus.
Im zweiten Quartal waren es einer unter Triam und vier unter „Rimexel®“; im
letzten halben Jahr noch einmal sechs unter Triam und nur einer unter
„Rimexel®“.
Die Gründe des Studienausschlusses sind jeweils unter den Punkten
3.3.1. („Rimexel®“-Gruppe) und 3.3.2. („TRIAM INJEKT®“-Gruppe) dargestellt. Die unterschiedliche Verteilung der Studienabbrüche in den beiden Behandlungsgruppen ist nicht signifikant (p=0,14). Auffällig ist lediglich ein
höherer Aufnahmewert im Oswestry-Score und der VAS im Kollektiv der
Studienabbrecher; dieser ist jedoch nicht signifikant.
Schwierigkeiten ergaben sich bei der Erhebung der Daten zur Anzahl der AUTage aus eigener Angabe. Hier zeigte die wiederholte Angabe von 90 Tagen
in den ersten 3 Monaten, dass offenbar häufig mit einer 7-Tage-Kalenderwoche gearbeitet wurde. Gleichzeitig gab es oft Angaben (z.B. 20 Tage), die
auf eine Kalkulation mit einer 5-Tage-Arbeitwoche schließen ließen.
Um diese Messungenauigkeiten aufzufangen, erfolgte die Umrechnung der
AU-Tage in AU-Wochen. In vielen Fällen war dies plausibel zu übertragen, in
16 Ausnahmefällen erfolgte eine telefonische Kontrolle.
51
Zeitpunkt Studienabbruch Rimexel/Triam
25
20
Anzahl 15
Probanden 10
Rimexel
Triam
5
0
t0
t1
t2
t3
tx
Rimexel
3
10
4
1
0
Triam
6
13
1
6
3
Zeitpunkt drop out
t0=
Ausscheiden während stationärer Behandlung
t1=
Ausscheiden zwischen Entlassung und 3 Monaten
t2=
Ausscheiden zwischen 3 Monaten und 6 Monaten
t3=
Ausscheiden zwischen 6 Monaten und 12 Monaten
tx=
Ausscheiden aufgrund fehlender Eingangsdaten/Nichterfüllung
Einschlusskriterien
Abb. 17: Vergleich des Zeitpunktes des Studienabbruchs der Behandlungsgruppen
3.3.1.
„Rimexel®“-Gruppe
In dem mit „Rimexel®“ behandelten Patientenkollektiv, bestehend aus 67
Probanden, wurden folgende Ergebnisse erhoben:
18 Patienten wurden vorzeitig als Studienabbrecher verzeichnet. Der Zeitpunkt des Studienabbruchs wurde bereits unter Abb. 16 (Vergleich des
Zeitpunktes des Studienabbruchs der Behandlungsgruppen) dargestellt. Die
Gründe des vorzeitigen Ausscheidens veranschaulicht das folgende Diagramm.
52
Gründe Drop out Behandlungsgruppe Rimexel
n = 18
weitere epidurale Injektion
44,44%
11,11%
im Verlauf OP
andere Steroidapplikation
Dispositionsänderung:
episakrale Injektion
27,78%
11,11%
5,56%
keine weitere
Teilnahme erwünscht
Abb. 18: Gründe des vorzeitigen Studienabbruches
der Behandlungsgruppe mit „Rimexel®“
Im Verlauf der Behandlung kam es zu einer deutlichen Abnahme der
Schmerzsymptomatik der mit „Rimexel®“ behandelten Patienten. Dieses ist
deutlich bei der Differenz zwischen den Aufnahme- und Entlassungswerten im
Oswestry-Score und der VAS erkennbar. Im weiteren Beobachtungszeitraum
ist eine solche Reduktion nicht wieder zu verzeichnen.
53
Wert Oswestry-Score
Rimexel Verlauf Oswestry Score
n = 67
100
80
plus Std
minus Std
Mean
60
40
20
0
Aufn.
Entl.
3 Monate 6 Monate 12 Monate
plus Std
50,691
41,800
39,735
39,106
36,349
minus Std
17,735
10,256
7,907
6,540
4,811
Mean
34,213
26,028
23,821
22,823
20,580
Zeitpunkt Datenerhebung
Abb. 19: Verlauf Oswestry-Score Behandlungsgruppe „Rimexel®“
Rimexel Verlauf VAS
n = 67
Wert VAS
100
80
60
plus Std
minus Std
Mean
40
20
0
Aufn.
Entl.
3 Monate
6 Monate 12 Monate
plus Std
78,729
49,612
55,167
53,264
53,572
minus Std
32,149
11,388
6,197
7,008
5,792
Mean
55,439
30,500
30,682
30,136
29,682
Zeitpunkt Datenerhebung
Abb. 20: Verlauf VAS Behandlungsgruppe „Rimexel®“
54
3.3.2.
„TRIAM INJEKT®“-Gruppe
Von den ursprünglich 69 der Triam-Gruppe zugeordneten Patienten beendeten
29 Probanden die Studie vorzeitig. Ein Proband war bei Studienbeginn älter
als 65 Jahre und erfüllte somit die Einschlusskriterien nicht. Zwei weitere
Teilnehmer wurden wegen eines unvollständigen Datensatzes bzgl. der
Eingangswerte aus der Studie ausgeschlossen, da bei diesen somit keine
Vergleichswerte gegeben waren.
Die Gründe für den Studienabbruch werden in nachfolgender Abbildung
graphisch dargestellt. Der Zeitpunkt des Ausscheidens wurde bereits in 3.3.
(Resultate) erläutert.
Gründe Drop out Behandlungsgruppe Triam
n = 29
weitere epidurale Injektion
27,59%
17,24%
im Verlauf OP
andere Steroidapplikation
24,14%
10,34%
10,34%
3,45%
6,90%
keine weitere
Teilnahme erwünscht
durch Beschwerdefreiheit
vor dritter Injektion
Dispositionsänderung:
episakrale Injektion
Nichterfüllen der
Einschlusskriterien/
unvollständiger Datensatz
Abb. 21: Gründe des vorzeitigen Studienabbruches der Behandlungsgruppe Triam
Auch im Kollektiv der mit Triamcinolonacetonid behandelten Patienten lässt
sich eine deutliche Linderung der Schmerzsymptomatik anhand der Verlaufswerte von Oswestry-Score und VAS verzeichnen. Der größte Effekt ist
zwischen der Situation vor Behandlungsbeginn und stationärer Entlassung
darstellbar.
55
Triam Verlauf Oswestry Score
Wert Ostwstry-Score
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
n = 66
plus Std
minus Std
Mean
Aufn.
Entl.
3 Monate
6 Monate
12 Monate
plus Std
48,768
39,298
40,412
41,743
40,520
minus Std
20,790
10,048
7,940
9,921
8,796
Mean
34,779
24,673
24,176
25,832
24,658
Zeitpunkt Datenerhebung
Abb. 22: Verlauf Oswestry-Score Behandlungsgruppe Triam
Triam Verlauf VAS
n = 66
100
Wert VAS
80
60
40
plus Std
minus Std
20
Mean
0
Aufn.
Entl.
3 Monate
6 Monate
12 Monate
plus Std
81,764
58,379
62,024
66,844
63,264
minus Std
37,600
9,955
9,642
10,216
11,008
Mean
59,682
34,167
35,833
38,530
37,136
Zeitpunkt Datenerhebung
Abb. 23: Verlauf VAS Behandlungsgruppe Triam
56
3.4.
Zusammenfassung der Ergebnisse
3.4.1.
Vergleich der Oswestry-Scores
In der vergleichenden Auswertung der Verläufe der Oswestry-Scores zeigen
Wert Oswestry-Score
sich keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Behandlungsgruppen.
Vergleich Verlauf Oswestry-Score
40
35
30
25
20
15
10
5
0
Mean
Triam
Mean
Rimexel
3 Monate 6 Monate
12
Monate
Aufn.
Entl.
Mean Triam
34,779
24,673
24,176
25,832
24,658
Mean Rimexel
34,213
26,028
23,821
22,823
20,580
Zeitpunkt der Datenerhebung
Abb. 24: Verlaufsbeobachtung des Oswestry-Scores
der beiden Behandlungsgruppen
Tab. 5: Intention-to-treat Analyse; t-Test :Verlauf Oswestry-Score
Variable
p-Wert
Score Aufnahme
0,8315
Score Entlassung
0,6083
Score 3 Monate
0,8989
Score 6 Monate
0,2832
Score 12 Monate
0,1396
57
3.4.2.
Vergleich der VAS
Im Vergleich der VAS zeigten sich tendenziell geringere Schmerzwerte unter
der Medikation mit „Rimexel®“ gegenüber der mit Triam. Diese sind nach 6
und 12 Monaten auffällig, weisen aber keine Signifikanz auf.
Vergleich Verlauf VAS
100
Wert VAS
80
Mean
Traim
60
40
Mean
Rimexel
20
0
Aufn.
Entl.
3 Monate
6 Monate
12 Monate
Mean Traim
59,682
34,167
35,833
38,530
37,136
Mean Rimexel
55,439
30,500
30,682
30,136
29,682
Zeitpunkt Datenerhebung
Abb. 25: Verlaufsbeobachtung der VAS der beiden Behandlungsgruppen
Tab. 6: Intention-to-treat Analyse; t-Test :Verlauf VAS
Variable
p-Wert
VAS Aufnahme
0,2849
VAS Entlassung
0,3360
VAS 3 Monate
0,2452
VAS 6 Monate
0,0644
VAS 12 Monate
0,0895
58
3.4.3.
Vergleich der Anzahl der AU-Wochen
Bei der Analyse der AU-Dauer in Wochen zeigen sich keine signifikanten
Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen.
AU-Zeit in Wochen
Verlauf AU-Zeit in Wochen
10
8
Mean
Rimexel
6
Mean
Triam
4
2
0
3 Monate
6 Monate
12 Monate
AU Wochen
Gesamt
Mean Rimexel
3,7736
1,7925
2,2885
7,6923
Mean Triam
2,5435
1,5957
3,1333
7,1136
Zeitpunkt Datenerhebung
Abb. 26: Verlaufsbeobachtung der AU-Dauer der beiden Behandlungsgruppen
Tab. 7: Intention-to-treat Analyse; t-Test :Verlauf AU-Dauer
Variable
p-Wert
AU
3 Monate
0,1904
AU
6 Monate
0,7800
AU 12 Monate
0,5043
59
3.4.4.
Analyse per Protokoll
Nach Protokoll haben 89 Patienten die Studie durchgeführt, 40 davon unter
der Therapie mit „TRIAM INJEKT® sowie 49 mit „Rimexel®“. Die
Probanden dieser beiden Gruppen hatten bei Aufnahme ein ähnliches
Schmerzniveau, was sich anhand ähnlicher Werte im Oswestry-Score und in
der visuellen Analogskala erkennen lässt. Jedoch veränderte sich der
Oswestry-Score durch die Behandlungen signifikant unterschiedlich (p=0,03),
indem er durch die Triam-Behandlung deutlich stärker gesenkt wird. Eine
ähnliche Tendenz zeigt sich auch für die VAS-Werte.
Dieser unterschiedliche Effekt kann im späteren Verlauf der Studie nicht mehr
nachgewiesen werden, vielmehr gleichen sich die Ergebnisse der beiden
Therapien immer stärker einander an.
Es sind keine signifikanten Unterschiede in den langfristigen Therapieeffekten
festzustellen.
3.4.5.
Résumé
In den Vergleichen der Oswestry-Scores, der VAS-Verläufe und der AUZeiten konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Ebenso
nicht statistisch auffällig ist die Verteilung des Zeitpunktes der Studienabrecher beider Behandlungsgruppen (Chi-Quadrat-Test: p=0,14). Die Auffälligkeit der OP-Indikation (Abb. 27: Gründe des vorzeitigen Studienabbruches der
Behandlungsgruppe mit „Rimexel®“, Abb. 21: Gründe des vorzeitigen
Studienabbruches der Behandlungsgruppe Triam) während der Studiendauer
ist mit p= 0,13 ebenfalls nicht signifikant.
Insgesamt ist mit dieser Studie in der „Intention-to-treat“-Analyse und der
„per Protokoll“-Auswertung eine Überlegenheit von „Rimexel®“ gegenüber
Triamcinolonacetonid bei der epidural-perineuralen Injektion im Rahmen der
Behandlung von Wurzelreizsyndromen nicht zu belegen; die beiden Medika-
60
mente weisen vielmehr eine vergleichbare Schmerzreduktion auf; demnach
kann „Rimexel®“ als ebenfalls gut verträgliche Alternative zu Triamcinolonacetonid bewertet werden.
Die Studie lässt somit den Schluss zu, dass sowohl „Rimexel®“ als auch
Triamcinolonacetonid in der epidural-perineuralen Anwendung von der Verträglichkeit her identisch sind und somit „Rimexel®“ als equivalente
Medikationsalternative einsetzbar wäre.
Demnach wäre die Zulassung für beide Medikamente erstrebenswert.
61
4.
Diskussion
Zu Beginn der Diskussion möchte ich noch einmal kurz die Wirkung von epidural-perineural applizierten Steroiden zusammenfassen:
Durch die epidural-perineurale Injektionsform gelangt man an den Ort der
Schmerzentstehung des lumbalen Wurzelreizsyndroms. Hierbei kann die
eigentliche Wurzelreizung mehrere Ursachen haben, wie z.B. Prolaps / Protrusion, Spinalkanalstenose oder vermehrte Narbenbildung nach Diskotomie.
Alle diese Ursachen führen - entweder durch mechanische Reizung oder ödematöse Schwellung - zu einer Verstärkung des Druckes, bedingt durch zusätzliche Enge auf die umliegenden Nervenwurzeln.
Dieser Circulus vitiosus kann durch die o.g. Injektionen durchbrochen werden,
indem die relative Raumenge um die betroffenen Nervenwurzeln beseitigt
wird. Dies geschieht durch die allgemeine Wurzelabschwellung, die Verminderung der Abflussstauung der gestauten Epiduralvenen sowie durch die
Reduktion des perineuralen Ödems.
Dunbar et al. (2000) belegen einen Druckabfall innerhalb des Epiduralraumes
nach epidural applizierten Steroiden für einen Zeitraum von 3 Wochen nach
Injektion und erklären durch diese unterschiedlichen Druckverhältnisse die
Schmerzreduktion.
In der Literatur werden Therapieformen mit epiduralen Injektionsformen
unterschiedlich eingeschätzt.
Laut der Arbeit von Zimmermann (1996) reduziert Kortison die Bildung
algetisch wirkender Substanzen. Kortison hemmt die Synthese von Arachidonsäure aus Phospholipiden und senkt somit die Konzentration von
Prostaglandin E2, welches sensibilisierend und stimulierend auf die nozizeptiven Nervenendigungen wirkt.
62
Marshall und Trethewie (1977) stellen die chemische Radikulitis als einen
entzündlichen Prozess der Nervenwurzel dar, hervorgerufen durch die
austretende Bandscheibenflüssigkeit nach Ruptur des Anulus fibrosus.
Das in der Flüssigkeit befindliche Glycoprotein wirkt als Antigen und löst eine
Autoimmunreaktion aus, welche die entzündliche Reaktion des umliegenden
Gewebes auslöst. Kortison lindert diesen Prozess durch seine antiinflammatorische Wirkung.
Buttermann (2004a) beschreibt hingegen den Benefit von epidural und
intradiscal verabreichten Steroiden nur bei einem bestimmten Patientenkollektiv, deren Beschwerdeursache in der im MRT nachweisbaren Entzündungsreaktion des die Bandscheiben umgebenden Gewebes liegt und somit
die Genese der Nervenkompression darstellt.
Neben den oben beschriebenen Arbeiten, die die epidurale Injektion als
wirkungsvoll beschreiben, finden sich jedoch ebenso Publikationen, die diese
Wirkung anzweifeln.
Ridley (et al., 1988) und Dilke (et al., 1973) verzeichnen im Vergleich zur
Kontrollgruppe z.B. keine signifikante Besserung der Beschwerdesymptomatik nach Kortisonbehandlung.
In einer anderen Studie von Dilke (et al., 1973) erhielt die Vergleichsgruppe
lediglich NaCl-Injektionen in das Lig. flavum, und hat dem zu Folge keine
adäquate Therapie erhalten.
Valat (et al., 2003) kann den positiven Effekt von epidural verabreichter
isotoner NaCl-Lösung auf die Schmerzsymptomatik nicht ausschliessen,
belegt aber keinen zusätzlichen Nutzen von epidural applizierten Steroiden im
Vergleich zur reinen NaCl-Lösung.
Die Bedeutung der Selektion nach Beschwerdeausmaß in der Patientenauswahl wird durch die Arbeiten von Cuckler (et al., 1985) und Snoek (et al.,
1977) deutlich. Diese konnten keinen signifikanten Unterschied zwischen der
63
Vergleichsgruppe und der Experimentalgruppe verzeichnen. In diese Studien
wurden jedoch nur Patienten aufgenommen, die nach zweiwöchiger konservativer Therapie mit Bettruhe und oralen nichtsteroidalen Antiphlogistika keine
Beschwerdebesserung erzielten. Die berechtigte Kritik von Shelokov und
Rashbaum (1989) zielt hier auf die Selektion zugunsten einer schwereren
Beschwerdesymptomatik in den Einschlusskriterien.
Bush (1991) propagiert, dass in Studien mit negativem Ausgang die
Selektionskriterien darauf hindeuten, dass alle Patienten sowohl einen signifikanten myelographischen Defekt als auch ein neurologisches Defizit aufwiesen.
Als weiteren möglichen Grund für diese unterschiedlichen Studienergebnisse
gibt Krämer (et al., 1997) die Applikationsart an. Durch die herkömmlichen
kaudalen oder posterioren Injektionstechniken scheinen die Steroide nicht in
ausreichender Konzentration an die betroffene Nervenwurzel zu gelangen, so
dass der Beschwerderückgang bei den Patienten, die in epidural-perineuraler
Technik behandelt wurden, deutlich größer war als der in der mit konventionell-epiduralen Injektionen behandelten Gruppe.
Ng (et al., 2005) geben zu bedenken, dass bei epidural-perineuralen
Injektionen als Mittel der Wahl in der nicht operativen Behandlung des
Lumbalsyndroms bis dato noch keine Langzeitergebnisse vorliegen. In dieser
Arbeit wird vielmehr die Alternative der periradikulären Injektion mit
Buvicain propagiert. Die Behandlungsgruppe, deren Injektionen neben
Buvicain zusätzlich als Steroidkomponente Methylprednisolon enthielten,
hatten keine weitere Verbesserung in Bezug auf die visuelle Analogskala
sowie den Oswestry-Score drei Monate nach Injektionszeitpunkt.
Eine weitere Therapiealternative in der epiduralen-perineuralen Behandlung
von lumbalen Nervenwurzelkompressionssyndromen bei Patienten, bei denen
eine Kortisonbehandlung kontraindiziert ist, stellt die Gabe von IL1-Ra
64
(Orthokin®) dar. Diese Therapieform bewirkt, ebenso wie die Kortisonbehandlung, eine signifikante Verbesserung des Gesundheitszustandes. Dieser
Effekt tritt besonders im Vergleich der VAS drei Monate nach Injektion auf;
die Schmerzreduktion hielt auch nach Behandlung mit „Orthokin®“ über den
Beobachtungszeitraum von 6 Monaten an (Becker et al., 2004).
Die exakte Injektionstechnik in den Epiduralraum ist ein ausschlaggebender
Faktor. Etwa 25 % der durchgeführten epiduralen Injektionen gelangen, laut
einer Arbeit von White (1983), nicht in den Epiduralraum. Um diese
Fehlerquote möglichst zu minimieren, wurden die Injektionen in dieser Studie
alle von einem erfahrenen Therapeuten durchgeführt. Eine Reduktion dieser
Fehlerquelle bietet die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Orthopädie mit
der Radiologie. Bei computertomographisch gesteuerten Injektionen kann vor
Applikation die genaue Lage kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert
werden. Diese Präzision bedingt jedoch eine nicht zu unterschätzende
Strahlenbelastung für den Patienten und den Therapeuten.
Dennoch ist die computertomographisch gesteuerte Injektionstechnik gerade
für den noch nicht so routinierten Arzt zur Lagekontrolle der Nadel sowie für
die individuelle Lernkurve von Vorteil. Ebenfalls kann so auch die medizinische Dokumentation über die Bildgebung erfolgen (Aprill, 1999).
Price et al. (2000) belegen jedoch die ausreichende Präzision epiduraler
Injektionen durch geübte Therapeuten bei nicht übergewichtigen Patienten
auch ohne bildgebende Kontrolle während der Applikation. Lediglich caudale
epidurale Injektionen sollten, unabhängig vom Gewicht der Patienten, stets zu
Gunsten der besseren Genauigkeit der Platzierung unter Bildwandler-/CTKontrolle erfolgen.
Die Strahlenbelastung kann in naher Zukunft durch den Austausch des bildgebenden Verfahrens von CT auf MRT entfallen. Dennoch müssen - gerade in
der heutigen Zeit - der nicht zu vernachlässigende Zeitfaktor und die erheb-
65
lichen zusätzlichen Kosten bedacht werden, welche dazu beitragen, dass diese
wirksame Therapieform seltener zur Anwendung kommen würde. Ein
Therapeut mit langjähriger Erfahrung reduziert die Applikationsungenauigkeit
auch ohne Bildgebung und minimiert auf Grund seiner Routine die möglichen
Nebenwirkungen.
Der postpunktionale Kopfschmerz ist eine nicht schwerwiegende, aber für den
Patienten höchst unangenehme Komplikation. Dieser Schmerz entsteht durch
Verlust von Liquor cerebrospinalis während oder nach der Punktion. Um den
Liquorverlust zu minimieren, wurden die therapeutischen Injektionen in
Zweinadeltechnik durchgeführt. Durch eine im Lig. flavum plazierte Introducernadel wurde mit einer 29G–Nadel der Epiduralraum punktiert.
Von schwerwiegenden Nebenwirkungen - wie z.B. epiduralen Abszessen nach
epiduralen Injektionen - wird in der Literatur ebenfalls berichtet (Chan,
Leung, 1989; Dougherty, Fraser, 1978; Plumb, Dismukes, 1977; Roberts et al.,
1967).
Diese Abszesse können sowohl bakterieller als auch abakterieller Genese sein
(Abrams, O`Connor, 1996). Die Anzahl dieser Nebenwirkungen ist jedoch
gering und tritt vermehrt durch unsterile Verhältnisse bzw. mehrfache
subarachnoidale Injektionen auf. Daher ist die Anzahl der Injektionen auf das
erforderliche Minimum zu beschränken sowie sterile Arbeitstechniken
unabdingbar.
Eine retrospektive Studie, die die Nebenwirkungen und Komplikationen der
Injektionsbehandlung bei degenerativen Behandlungen der Wirbelsäule untersuchte, zeigte jedoch, dass lediglich 0,3 % der Patienten nach unterschiedlichen Injektionen im Bereich der Wirbelsäule unerwünschte Nebenwirkungen
beschrieben haben. Häufigstes Ereignis waren der postpunktionale Kopfschmerz und Kreislaufdysregulationen nach epidural-perineuralen Injektionen.
Insgesamt kann die orthopädische Injektionsbehandlung als komplikationsarm
angesehen werden (Willburger et al., 2005).
66
In dieser Studie sind weder nach Applikation von Rimexolon noch von
Triamconolonacetonid schwerwiegende Nebenwirkungen aufgetreten. In Einzelfällen berichteten die Probanden von leichten Kopfschmerzen nach Injektion. Studienabbrüche aus diesem Grund gab es jedoch nicht. Abszesse,
bzw. Infektionen der Injektionsstellen traten nicht auf.
Neben der Diskussion um die Applikationsart und die zu vermeidenden
Nebenwirkungen steht natürlich die Wahl der injizierten Substanz im Fokus
der Aufmerksamkeit.
Bell und Rothman (1984) verglichen in einer Studie epidurale Steroidinjektionen mit ebenfalls epidural verabreichter Kochsalzlösung. In dieser
Arbeit ließ sich kein signifikanter Unterschied in den beiden Behandlungsgruppen aufzeigen.
Dieses Ergebnis wurde in der Studie von Krämer et al. (1997) nicht reproduziert. Krämer et al. verglichen in dieser Studie epidural-perineural verabreichtes Kortison mit Kochsalzlösung. Um den Einfluss systemischer Steroidwirkungen auf die Schmerzsymptomatik auszuschließen, wurde den Probanden in der NaCl-Gruppe zusätzlich intramuskulär Kortison verabreicht. Hier
zeigte sich deutlich die Überlegenheit der epidural-perineuralen Injektionen
mit Steroiden im Vergleich zu reiner Kochsalzlösung.
Aufgrund der beschriebenen Therapievorteile der steroidhaltigen epiduralen
Injektionen wurde in dieser Studie bewusst auf einen Placeboarm - zugunsten
des Therapieeffektes im Sinne der Patienten - verzichtet.
Einen direkten Vergleich zweier epidural applizierter Steroide bezüglich der
Effektivität in der Behandlung des Lumbalsyndroms führten Stanczak et al.
(2003) durch. In dieser Studie wurden die Auswirkungen auf die
Schmerzreduktion von Kenalog (Triamcinolonacetonid) mit denen von
Celestone
Soluspan
(Betamethason)
verglichen.
Beide
Medikamente
bewirkten nach epiduraler Injektion einen Rückgang der Rückenschmerzen
sowie der radikulären Schmerzsymptomatik bei mehr als der Hälfte der
behandelten Patienten. Die mit Triamcinolonacetonid therapierten Probanden
67
wiesen jedoch – im Vergleich zum Celestone Soluspan Kollektiv eine
signifikant überlegene Schmerzreduktion zum Zeitpunkt eine und zwei
Wochen
nach
Injektion
auf.
Diese
Unterschiede
werden
mit
der
unterschiedlichen Wasserlöslichkeit beider Substanzen erklärt; Triamcinolon
hätte dann durch die wesentlich schlechtere Hydrophilie einen größeren
Depoteffekt im Gewebe.
Nach einer Arbeit von Derendorf (et al., 1990) scheint eine - im Vergleich
zum Triamcinolonacetonid - in der Molekülstruktur leicht veränderte Substanz, das Rimexolon eine verbesserte Alternative darzustellen. Verglichen
wurde die mittlere Verweildauer mehrerer Depotkortikoide nach intraartikulärer Injektion. Der gemessene Parameter, die „Mean Residence Time“
(MRT), stellt ein Maß für die mittlere Verweildauer der jeweiligen Substanzen
im Organismus dar, welches mit der klinischen Wirkdauer korreliert.
Rimexolon weist von allen gegenübergestellten Depotsteroiden die höchste
MRT von 25 Tagen auf. Die MRT von Triamcinolonhexacetonid liegt mit 6
Tagen deutlich dahinter. Da Rimexolon und Triamcinolonacetonid, anders als
andere Steroide, keine Prodrugs sind, ist die Auflösungsgeschwindigkeit in der
Synovia der geschwindigkeitsbestimmende Schritt für die systemische
Resorption. Durch die lange MRT sind systemische Nebenwirkungen
praktisch zu vernachlässigen und die erwünschte antiinflammatorische
Wirkung verbleibt hauptsächlich in der Umgebung des Applikationsortes.
Die in dieser Studie - im Vergleich zum Triamcinolonacetonid - erwartete
längere Schmerzreduktion bei den mit Rimexolon behandelten Patienten
konnte anhand der erhobenen Daten nicht verifiziert werden. Allerdings waren
die primären Zielkriterien (Visuelle Analogskala, Oswestry-Score) subjektive
- von der Gesamtbefindlichkeit der Patienten abhängige - Parameter.
Des Weiteren stellt sich die Frage, ob die bestätigte längere intraartikuläre
Verweildauer von Rimexolon im Vergleich zu Triamcinolonacetonid - bedingt
durch höhere Lipophilie - auch außerhalb geschlossener Gelenke diesen für
68
die längere Schmerzreduktion wichtigen ortsständigen Depot-Effekt aufweist.
Diese Fragestellung kann mit den in dieser Studie erhobenen Daten und
Ergebnissen nicht abschließend beantwortet werden. Ebenfalls könnten die
Zeitpunkte der Patientenbefragungen, die auf den mittel- und langfristigen
Vergleich (drei, sechs und zwölf Monate nach Injektion) der Medikamente
ausgelegt waren, ungünstig gewählt worden sein, da mögliche kurzfristig nach
Injektion auftretende, ggf. signifikante Unterschiede nicht erfasst worden sind.
Die ebenfalls erhobene Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage im Folgejahr nach
Therapie kann nur richtungsweisend sein, da nicht zwischen selbständigen,
angestellten und gegebenenfalls zur Zeit nicht berufstätigen Probanden
unterschieden wurde.
Ein weiteres Problem bei der Endauswertung stellen die Zahlen der
Studienabbrecher dar.
Die Probanden, welche aufgrund einer operativen Intervention aus der Studie
ausgeschieden sind, machten in der „Triam“-Gruppe 27,59% und in der
„Rimexel®“-Gruppe 11,11% der jeweiligen Studienabbrecher aus. Dieser
Unterschied erscheint groß, ist aber statistisch nicht signifikant (p=0,13). Zu
bedenken ist jedoch die geringe Fallzahl, wonach diese Auswertung nur bedingt Aussagekraft aufweist. Demnach ist die Reduktion einer operativen
Behandlungsnotwendigkeit nach „Rimexel®“-Injektionen bei statistisch ähnlichem Diagnosespektrum im Vergleich zur „Triam“-Gruppe nur als relative
Tendenz zu werten.
Bei den Studienabbrechern beider Behandlungsgruppen, welche unter dem
Abbruchgrund „andere Steroidapplikationen“ in Abb. 18 (Gründe des vorzeitigen Studienabbruches der Behandlungsgruppe mit „Rimexel®“) und Abb.
21 (Gründe des vorzeitigen Studienabbruches der Behandlungsgruppe Triam)
aufgeführt sind, konnte aufgrund der vorhandenen Daten nicht geklärt werden,
aus welchem Grund und in welcher Applikationsart die Steroidtherapie
erfolgte. Diese Ungenauigkeit in der Datenerhebung könnte zu hypothetischen
69
Erklärungsversuchen in der „intention-to-treat“-Analyse führen und somit
einen spekulativen Vorteil des Triam belegen. Dieser Parameter kann jedoch
im Endergebnis dieser Studie vernachlässigt werden, da auch die
„per Protokoll“-Analyse, in welcher die Messwerte der Studienabbrecher nicht
berücksichtig worden sind, im langfristigen Therapieeffekt keine relevanten
Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Behandlungsgruppen aufzeigt.
Eine statistisch belegbare Überlegenheit in der langfristigen Schmerzreduktion
und weiterer therapeutischer Interventionsnotwendigkeit konnte für keines der
beiden Medikamente nachgewiesen werden.
Mangels Kontrollgruppe kann abschließend auch keine Aussage darüber getroffen werden, ob die erlangte Beschwerdebesserung auch ohne therapeutische Intervention oder nach nur einer epidural-perineuralen Injektion eingetreten wäre.
Arden et al. (2005) berichten über keinen zusätzlichen Nutzen hinsichtlich
wiederholter epiduraler Injektionen mit Triamconolonacetonid. Vielmehr sei
eine für den Zeitraum von 3 Wochen nach Injektion nachgewiesene, vorübergehende Verbesserung der Mobilität sowie der Schmerzlinderung auch nicht
durch die erneute Applikation zu steigern. Ebenfalls konnten keine anhaltenden positiven Wirkungen bezüglich der Schmerzlinderung, Funktion oder
späterer OP-Notwendigkeit festgestellt werden.
Im Gegensatz dazu äußern sich Wang et al (2002). Sie untersuchten in ihrer
Arbeit Patienten mit bestehender OP-Indikation bei Prolaps im Bereich der
LWS, um durch epidurale injizierte Steroide die operative Behandlungsnotwendigkeit zu vermeiden oder zu verschieben. Das Ergebnis zeigt eine
durch die epidurale Steroidapplikation erreichte angemessene Linderung der
radikulären Schmerzsymptomatik über einen Zeitraum von 12 bis hin zu 27
Monaten nach Therapie. Die so behandelten Patienten könnten demnach eine
ggf. notwendige chirurgische Intervention in dieser Zeitspanne vermeiden.
Buttermann (2004b) gibt zu bedenken, dass hinsichtlich der Reduktion der
70
Beschwerden, deren Ursachen in ausgeprägten Bandscheibenvorfällen der
LWS liegen, die operative Behandlung durch Diskotomie der epiduralen
Injektionstherapie mit Steroiden überlegen ist.
Steroidhaltige epidurale Injektionen bewirken zwar keine Heilung der eigentlichen Erkrankung aber bewirken durch die Linderung der Beschwerdesymptomatik ein zumindest teilweise schmerzfreies Intervall, in welchem die
Patienten durch physiotherapeutische Maßnahmen selbst am aktiven Genesungsprozess teilnehmen können und sogar müssen.
Der positive Effekt der Kombination aus epiduraler Injektionstherapie und
zeitgleicher Physiotherapie wird auch von Nelson et al (1997) belegt. Demnach stellen steroidhaltige epidurale Injektionen, als minimalinvasive
Therapieform nach Ausreizung nichtinvasiver Maßnahmen, die nächste wirksame Option im Gesamttherapiekonzept der Behandlung radikulärer Schmerzsymptomatik - vor der manchmal dennoch nicht vermeidbaren Operation - dar.
71
5.
Zusammenfassung
Zusammenfassend bestätigt sich in dieser Studie zunächst die gute
Verträglichkeit von Rimexolon bei epidural-perineuraler Injektion. Hier findet
sich kein Unterschied zu Triamcinolonacetonid. Die Patienten beider
Behandlungsgruppen erfahren im Mittel eine deutliche Linderung der
Schmerzsymptomatik nach Abschluss der stationären Injektionstherapie.
Diese Verringerung der Schmerzangabe spiegelt sich in den Verläufen der
Mittelwerte der VAS und im Oswestry-Score wider; in deren Auswertung
imponiert
eine
Tendenz
zu
geringeren
Schmerzwerten
nach
Rimexolonbehandlung. Statistisch auffällig, aber nicht signifikant, werden
diese Unterschiede im Vergleich der visuellen Analogskala nach sechs und
zwölf Monaten. Dieser Unterschied trifft hauptsächlich auf die jüngeren
Studienteilnehmer zu.
Rimexolon stellt somit also eine ebenbürtige Alternative hinsichtlich
Schmerzreduktion und Verträglichkeit zum Triamcinolonacetonid in der
Therapie des Lumbalsyndroms dar.
Wünschenswert wären weitere ausgiebige Untersuchungen im größeren
Kollektiv - speziell bei unter 50jährigen Patienten – um den in dieser Studie
ermittelten tendenziell größeren Benefit bei der Injektionsbehandlung mit
„Rimexel®“ bei jüngeren Patienten gegebenenfalls signifikant zu verifizieren.
72
6.
LITERATURVERZEICHNIS
Abrams, S.E., O`Connor, T.C. (1996). Complications associated with epidural
steroid injections. Reg. Anesth., 21, 2, 149-162
Aprill, C.N. (1999): Epidural/perineural injection. Eur Spine J, 8, 81
Arden, N.K., Cooper, C., Dunne, C., Hazelgroce, J., Michel, M., Price, C.,
Reading, I., Rogers, P. Stubbing, J. (2005). A multicentre randomized
controlled trial of epidural corticosteroid injections for sciatica: the
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Danksagung
Ganz herzlich möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. med. Jürgen Krämer für
die freundliche Überlassung des Themas sowie die umfassende Betreuung
bedanken.
Der Station OR3 und den beteiligten Stationsärzten des St. Josef-Hospitals in
Bochum gilt mein Dank für die Unterstützung bei der Durchführung dieser
Arbeit.
Besonderer Dank gilt Frau Anika Hüsing und Herrn Tim Holland-Letz vom
Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie der RuhrUniversität Bochum für die ausführliche Beratung und Unterstützung in allen
statistischen Belangen.
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CURRICULUM VITAE
Persönliche Daten
Name:
Simone Dräger
Geburtsdatum:
30. Juni 1979
Geburtsort:
Hattingen
Familienstand:
ledig
Schulbildung
08/1985 – 07/1989
Städt. Grundschule Erik–Nölting, Hattingen
08/1989 – 06/1998
Städt. Gymnasium im Schulzentrum
Holthausen, Hattingen;
Abschluss: Allgemeine Hochschulreife
Studium
10/1998
Beginn des Medizinstudiums
an der Ruhr-Universität Bochum
08/2000
Ärztliche Vorprüfung (Physikum)
08/2001
Erstes Staatsexamen
08/2003
Zweites Staatsexamen
11/2004
Drittes Staatsexamen
Beruflicher Werdegang
seit 12/2004
in Ausbildung
zur Fachärztin für Gynäkologie und
Geburtshilfe, Gynäkologische Abteilung
St. Anna-Hospital, Herne,
Leitung: Dr. med. Joachim Neuerburg
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