Chemie für Biologen WS 2005/6 Arne Lützen Institut für Organische Chemie der Universität Duisburg-Essen (Teil 5: 23.11.2005) Kovalente Bindung Atome können sich Valenzelektronen unter Ausbildung von Bindungen auch teilen. Elektronenpaar-Bindung H + H H H ≡ H H m o le k u la re r W a s s e r s t o ff H 2 Triebkraft der Bindungsbildung ist das Erreichen der Edelgaskonfiguration. H H jedes H-Atom im H2-Molekül besitzt zwei Valenzelektronen ⇒ He E H +H BE rBindungsabstand BDE – Bindungsdissoziationsenergie ≈ Bindungsenergie BE BDE = 436 kJ/mol r 74pm H H r Beispiele für kovalente Bindungen, Valenzstrichformeln C H H C H + 4H H H ≡ H C H H Elektronenkonfiguration des C-Atoms im Methan ≡ N + 3H O + 2H H N H ≡ H ≡ H O H F + H H F ≡ CH 4 Methan Ne , der H-Atome im Methan ≡ He H N H NH 3 Ammoniak H H O H H F H2 O Wasser HF Fluorwasserstoff N-Atom ≡ Ne , H-Atome ≡ He O-Atom ≡ Ne , H-Atome ≡ He F-Atom ≡ Ne , H-Atom ≡ He Nur die Elektronen der äußersten Schale (Valenzelektronen) werden berücksichtigt. Jeder Valenzstrich symbolisiert ein Elektronenpaar. Lewis-Strukturen. Moleküle mit Mehrfachbindungen Molekularer Stickstoff N2 .. N. .. Molekularer Sauerstoff O2 .. O: .. + .. .N .. : N :..: N : + .. :O .. .. .. O .. : : O .. N N _ _ O _ O_ (Diese Formel ist falsch!) Kohlendioxid CO2 Ethin C2H2 .. .. : : : O .. + C + : O .. H. + .C : . + . : C. + .H .. .. : : :: O .. .. C O H.. C : .. : C .. H _ _ O _ C O_ H C C H Fragen, auf die die einfache Valenztheorie keine Antwort gibt a. Einfach- und Mehrfachbindungen Wie unterscheiden sich Einfach-, Doppel- und Dreifachbindungen? Warum gibt es keine Vierfachbindung? b. Bindungswinkel H H O H H S O H C2 O C O C::::C ist unbekannt. H NH H S H H 104° c. dreidimensionale Struktur H O C O 90° 180° H H H H C H H H N H H H 107° Warum ist Methan CH4 nicht planar sondern tetraedrisch? Warum ist Ethen C2H4 planar und nicht verdrillt? H H C C H H C H 109° H H C C H H Fragen, auf die die einfache Valenztheorie keine Antwort gibt d. magnetische Eigenschaften von molekularem Sauerstoff O2 erwartet wird eine O=O-Doppelbindung mit abgeschlossenen Valenzschalen (alle Elektronen sind gepaart) ⇒ diamagnetisch. O + O O Experimentell findet man jedoch: Paramagnetismus: Es gibt ungepaarte Elektronen. O ≡ O O O O (Diradikal-Struktur) Auch diese Formel ist falsch. O2 besitzt eine Doppelbindung Molekülorbitale des Methans CH4 z 2 H H 1 y x C 4 3 a1 t2x t2y t2z H H Orbitaldiagramme von Molekülen Molekularer Wasserstoff H2 (stabil) und dimeres Helium He2 (instabil) antibindend 2 Elektronen stabil 4 Elektronen instabil bindend H2 He2 E In Molekülen befinden sich die Elektronen in Molekülorbitalen (MOs). MOs können aus AOs konstruiert werden. MOs können bindend, nichtbindend oder antibindend sein. Orbital-Modell der kovalenten Bindung Löschung der Elektronendichte H H H H + Knotenfläche H H σ* (MO) Verstärkung der Elektronendichte H 1s Atomorbital (AO) + H 1s Atomorbital (AO) H H H ≡ H σ Molekülorbital von H2 (MO) r - Bindungsabstand Überlappung von AOs Das Wasserstoff-Molekül H2 Orbitaldiagramme von Molekülen Fluor F2 2F Fluorwasserstoff H-F F2 H +F σ*-MO HF σ*-MO 2pz-AO von F 2pz-AO 2pz-AO σ-MO 1s-AO von H σ-MO MO-Diagramm der π-Bindung E π∗-MO antibindend 2py-AO 2py-AO π-MO bindend Eine Doppelbindung besteht aus einer σ- und einer π-Bindung. Eine Dreifachbindung besteht aus einer σ- und zwei π-Bindungen. MO-Schema von molekularem Sauerstoff O2 O-Atom O 2-Molekül O-Atom σ *p + 95 kJ/mol 2px,y,z πx* πy* πx πy 2px,y,z Triplett-Sauerstoff 3Σ g- -Zustand r o-o = 120,7 pm Singulett-Sauerstoff 1 Δg-Zustand r o-o = 121,6 pm + 63 kJ/mol σp Energie Singulett-Sauerstoff 1Σ g+ -Zustand ro-o = 122,8 pm σs* 2s 2s σs O2 ist ein Diradikal mit einem Triplett-Grundzustand. Es besitzt zwei ungepaarte Elektronen mit parallelen Spin. Singulett-O2 ist hochreaktiv. Sonderfälle der chemischen Bindung 1.) Polare kovalente Bindung Zwischenform zwischen ionischer A+B− und kovalenter Bindung A−B. Das Bindungselektronenpaar ist nicht gleichmäßig auf die Bindungspartner verteilt. Dies tritt immer bei Bindungen zwischen Atomen mit stark unterschiedlicher Elektronegativität auf. A B oder Beispiele: δ+ H δ+ δA B δF δ+ δH Cl δ+ H δ+ H O δ- Diese Moleküle besitzen eine unsymmetrische Ladungsverteilung und ein elektrisches Dipolmoment. Sonderfälle der chemischen Bindung 2.) Koordinative Bindung Kovalente Bindung, in der ein Partner beide Elektronen liefert. + :B A Akzeptor A B Donor Beispiele: H+ + :NH3 Proton Ammoniak H3B + : HBoran Hydrid-Ion H+ + .. H2O: NH4+ Ammonium-Ion BH4- ..+ H3O Borhydrid-Ion Hydronium-Ion Sonderfälle der chemischen Bindung 3.) Komplexverbindungen Koordinative Bindung in Metall-Komplexen. Viele sind biologisch wichtig, z. B. Chlorophyll (Mg), Hämoglobin (Fe), Vitamin B12 (Co). Zentralatom Cu2+ + 4 :NH3 Ammoniak 2+ NH3 H3N Cu NH3 oder [Cu(NH3)4]2+ NH3 Kupfertetrammin-Komplex Ligand Sonderfälle der chemischen Bindung 4.) Mesomerie Für bestimmte Moleküle und Ionen kann man verschiedene Formeln angeben. Die tatsächliche Struktur entspricht dem Mittelwert. Carbonat-Ion: CO32- (Dianion der Kohlensäure) O O O C O O C O O C O O Nitrat-Ion: NO3- (Anion der Salpetersäure) O O O N O O N O O N O O Acetat-Anion: CH3CO2- (Anion der Essigsäure) O H3 C C O H3 C O Alle drei C−O- bzw. N−OBindungen sind gleich lang. Die negative Ladung ist gleichmäßig verteilt. C O Beide C−O-Bindungen sind gleich lang und gleich stark. Sonderfälle der chemischen Bindung 5.) Wasserstoffbrücken Die Wechselwirkung zwischen den Wassermolekülen führt zu einer Assoziation. Dies bedingt den relativ hohen Schmelz- und Siedepunkt des Wassers. Analoge Wechselwirkungen gibt es auch bei Hydroxy-Gruppen (in Alkoholen R−OH, Carbonsäuren R−CO2H, Kohlenhydraten) und Amino-Gruppen (in Aminen, Aminosäuren und Nucleinsäuren: R−NH2 u.a.). H Dipol + - - δO δ+ H H O H H O + H H H Dipol O H Zwischenmolekulare Kräfte: Hauptsächlich Dipol-Dipol-Wechselwirkung H O H O H Wasserstoffbrücken Siedepunkte von assoziierten und nicht-assoziierten Molekülen Sdp. [°C] H–F H−Cl H2O H2S H3N H3P +19.5 -84.9 +100.0 +19.5 -33.4 -87.4 140° F H F H F 140° H Assoziation von füssigem Fluorwasserstoff H-Brücken in Protein-Strukturen α-Helix, z. B. Haar, Wolle z.B. Seide β-Faltblatt,Faltblattstruktur, z. B. Seide