Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 19.6 $Id: reihen.tex,v 1.10 2012/06/19 11:26:28 hk Exp $ $Id: preihen.tex,v 1.5 2012/06/19 11:30:51 hk Exp $ §7 Reihen 7.4 Konvergenzkriterien für Reihen Am Ende der letzten SitzungP hatten wir das sogenannte Wurzelkriterium besprochen, dieses besagt das eine Reihe ∞ n=1 an die die Bedingung p ∃(0 ≤ q < 1)∃(n0 ∈ N)∀(n ≥ n0 ) : n |an | ≤ q erfüllt bereits absolut konvergent ist, genauer wurde die Reihe dann durch eine konvergente geometrische Reihe majorisiert. Als ein einfaches Beispiel P hatten nwir das Wurzelkriterium dann verwendet die absolute Konvergenz der Reihe ∞ n=1 1/n nachzuweisen. Während in diesem Beispiel p durch das Bilden der n-ten Wurzel alles vereinfacht wird, kann die Berechnung von n |an | im Allgemeinen oft recht unangenehm werden. Oftmals ist es dann einfacher das sogenannte Quotientenkriterium zu verwenden. Korollar 7.16 (Quotientenkriterium) ∞ P Sei an eine reelle Reihe mit an 6= 0 für alle n ∈ N. Es gebe eine Konstante 0 < q < 1 n=1 und einen Index n0 ∈ N mit an+1 an ≤ q für alle n ≥ n0 . Dann ist ∞ P an absolut konvergent. n=1 Beweis: Lese die Bedingung |an+1 /an | = |an+1 |/|an | ≤ q als |an+1 | ≤ q|an |. Für jedes k ∈ N ergibt sich dann auch |an0 +k | ≤ q|an0 +k−1 | ≤ q 2 |an0 +k−2 | ≤ . . . ≤ q k |an0 | = q n0 +k |an0 | , q n0 d.h. mit C := |an0 |/q n0 ≥ 0 ist |an | ≤ Cq n =⇒ p n |an | ≤ √ n C · q für alle n ≥ n0 . Wegen 0 < q < 1 ist q + 1 > 2q > 0 also auch (q + 1)/(2q) > 1. Wie bereits oben √ n eingesehen ist lim C ∈ {0, 1}, und somit existiert ein n1 ∈ N mit n→∞ √ n C< q+1 für alle n ≥ n1 . 2q 18-1 Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 19.6 Ist schließlich n2 := max{n0 , n1 }, so gilt für jedes n ∈ N mit n ≥ n2 auch p n |an | ≤ √ n C ·q < q+1 q+1 ·q = < 1. 2q 2 Nach dem Wurzelkriterium Korollar 15 ist ∞ P an damit absolut konvergent. n=1 Wie der Beweis zeigt ist das Quotientenkriterium ein Spezialfall des Wurzelkriteriums. Als ein Beispiel wollen wir uns einmal überlegen, dass die Reihe ∞ X n=1 (−1)n−1 n2 n q n+1 für jedes q ∈ R mit |q| < 1 absolut konvergiert. Die Quotienten aufeinanderfolgender Glieder ergeben sich als (−1)n (n+1)2 q n+1 (n + 1)3 n+2 = |q|, n2 (−1)n−1 n+1 q n n2 (n + 2) und wie in §6.5 gesehen gilt n3 + 3n2 + 3n + 1 (n + 1)3 |q| = |q| < 1. |q| = lim lim n→∞ n→∞ n2 (n + 2) n3 + 2n2 Das Quotientenkriterium Korollar 16 ergibt damit die absolute Konvergenz der Reihe ∞ X (−1)n−1 n2 q n /(n + 1) n=1 für |q| < 1. Das übliche Vorgehen die absolute Konvergenz einer Reihe einzusehen, zumindest im Rahmen von Übungs- oder Klausuraufgaben, läuft in den folgenden Schritten ab: 1. Schaue ob es sich um eine schon bekannte Reihe handelt, oder um eine Reihe die sich in einfacher Weise durch eine schon bekannte Reihe majorisieren läßt. Eventuell braucht man hierzu eine kleine algebraische Umformung um die bekannte Reihe sichtbar zu machen. 2. Probiere das Quotientenkriterium. Meistens existiert der Grenzwert an+1 q := lim n→∞ an und man muss nur schauen ob q < 1 ist. 18-2 Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 19.6 3. Probiere das Wurzelkriterium. Meistens existiert der Grenzwert p q := lim n |an | n→∞ und man muss nur schauen ob q < 1 ist. 4. Hier kommt man bei Übungsaufgaben in der Regel gar nicht hin. Was man in diesem Fall tun kann, wollen wir in dieser Vorlesung nicht behandeln. §8 Vollständige Körper In §6.Satz 18 hatten wir gesehen, dass jede reelle Cauchyfolge konvergiert, eine Eigenschaft die man auch als die Vollständigkeit der reellen Zahlen bezeichnet. Bewiesen wurde diese Eigenschaft der reellen Zahlen mit Hilfe der ordnungstheoretischen Vollständigkeit der reellen Zahlen gemäß §4.Satz 15. In den rationalen Zahlen gibt es dagegen nicht konvergente Cauchyfolgen, man kann beispielsweise eine rationale Folge nehmen die in R gegen eine irrationale Zahl konvergiert. Die reellen Zahlen sind die sogenannte Vervollständigung der rationalen Zahlen, d.h. derjenige Körper der aus Q durch Hinzunehmen all der fehlenden Grenzwerte nicht konvergenter Cauchyfolgen entsteht. Um dies einzusehen, muss man sich nur überlegen das jede reelle Zahl als ein solcher Grenzwert vorkommt, dass also jede reelle Zahl sich beliebig genau durch rationale Zahlen approximieren läßt. Satz 8.1: Die Menge Q ist dicht in R. Beweis: Sei x ∈ R. Wir müssen zeigen das x ∈ Q im Abschluß von Q in R liegt und wie in §5 gezeigt, bedeutet dies das es für jedes > 0 eine rationale Zahl q ∈ Q mit |x − q| < gibt. Sei also > 0. Nach der archimedischen Eigenschaft von R, §4.Lemma 16, gibt es ein n ∈ N∗ mit 1/n < . Dann können wir R in Intervalle der Länge 1/n einteilen, also [ k k + 1 R= , . n n k∈Z Die reelle Zahl x muss in einem dieser Intervalle liegen, es gibt also ein m ∈ Z mit m m+1 ≤x< . n n Wir erhalten die rationale Zahl q := m/n ∈ Q mit m m m+1 m 1 |x − q| = x − = x − < − = < . n n n n n Damit ist der Satz bewiesen. 18-3 Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 19.6 Alternativ könnte man auch die Dezimaldarstellung der Zahl x heranziehen, brechen wir die Nachkommastellen nach ausreichend vielen Gliedern ab, so erhält man die gesuchte Näherung q ∈ Q an x. Ist (X, d) ein beliebiger metrischer Raum, so ist nach §5.Satz 8 jede konvergente Folge auch eine Cauchyfolge. Wie das Beispiel X = Q in der euklidischen Metrik zeigt, kann es aber auch nicht konvergente Cauchyfolgen in X geben. Die guten“ metrischen ” Räume, in denen so etwas nicht vorkommt, kriegen jetzt einen eigenen Namen. Definition 8.2: Ein metrischer Raum (X, d) heißt vollständig, wenn jede Cauchyfolge (xn )n∈N in X auch in X konvergent ist. Also sind beispielsweise die reellen Zahlen nach §6.Satz 18 vollständig, die rationalen Zahlen aber nicht. Man kann sich überlegen das man jeden metrischen Raum zu einem vollständigen metrischen Raum ergänzen kann, der sogenannten Vervollständigung. In dem Sinne ist dann R die Vervollständigung von Q. Wir wollen uns jetzt überlegen, dass auch die komplexen Zahlen C in der euklidischen Metrik vollständig sind. Sei also (zn )n∈N eine komplexe Cauchyfolge. Nach unseren Überlegungen aus §6.6 wissen wir das eine komplexe Folge genau dann konvergiert wenn die Folgen ihrer Real- und Imaginärteile beide konvergieren. Daher wollen wir zunächst zeigen, dass diese beiden Folgen reelle Cauchyfolgen sind. Hierzu erinnern wir uns an die schon aus Aufgabe (37) bekannte Ungleichung | Re(z) − Re(w)| ≤ |z − w| und | Im(z) − Im(w)| ≤ |z − w| für alle z, w ∈ C. Ist also ein > 0 gegeben, so haben wir ein n0 ∈ N mit |zn − zm | < für alle n, m ≥ n0 , da (zn )n∈N ja als Cauchyfolge vorausgesetzt ist, und damit ist für alle n, m ∈ N mit n, m ≥ n0 auch | Re(zn ) − Re(zm )| ≤ |zn − zm | < und | Im(zn ) − Im(zm )| ≤ |zn − zm | < , d.h. (Re(zn ))n∈N und (Im(zn ))n∈N sind beides Cauchyfolgen. Jetzt wissen wir bereits das die reellen Zahlen vollständig sind, und damit sind beide Folgen (Re(zn ))n∈N und (Im(zn ))n∈N konvergent. Nach §6.6 ist auch (zn )n∈N konvergent. Dies beweist die Vollständigkeit von C. Damit müssen auch alle aus der Vollständigkeit folgenden Aussagen in C genauso wie in R gelten. Insbesondere ist jede absolut konvergente, komplexe Reihe auch konvergent. Dies hatten wir für reelle Reihen in §7.Lemma 11 durch Zurückführung auf Aufgabe (49) bewiesen, die ihrerseits wieder auf der metrischen Vollständigkeit von R beruhte. Weiter gelten damit Majoranten-, Wurzel- und Quotientenkriterium auch für komplexe Reihen. 8.1 Potenzreihen Eine der wichtigsten Typen von Reihen sind die sogenannten Potenzreihen. Dies sind sozusagen Polynome von Grad ∞“. ” 18-4 Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 19.6 Definition 8.3: Eine Potenzreihe ist eine Reihe der Form f (z) = ∞ X an z n n=0 mit z ∈ C wobei (an )n∈N eine komplexe Folge ist. Man nennt an für n ∈ N dann auch den n-ten Koeffizienten der Potenzreihe. Polynome sind dann spezielle Potenzreihen, nämlich diejenigen bei denen die Koeffizienten an ab einem gewissen Index n0 = grad(f ) alle Null sind, d.h. an = 0 für n > n0 . Ist (an )n∈N eine reelle Folge, so spricht man auch von einer reellen Potenzreihe. In diesem Fall kann man sich auf reelle Werte von z beschränken, also f (x) = ∞ X an x n n=0 für x ∈ R betrachten, muss dies aber nicht tun. Wenn Sie in Bücher schauen finden Sie gelegentlich auch den etwas allgemeineren Begriff einer Potenzreihe mit einem Entwicklungspunkt z0 ∈ C, dies meint f (z) = ∞ X an (z − z0 )n . n=0 Die Potenzreihen in unserem Sinne entsprechen dann dem Entwicklungspunkt z0 = 0. Da diese allgemeineren Potenzreihen nur etwas mehr Schreibarbeit, aber keine weiteren Erkenntnisse, bringen, wollen wir hier nur z0 = 0 betrachten. P den Fall n Haben wir eine Potenzreihe f (z) = ∞ a z , so wollen wir diese als eine Funkn=0 n tion in z ∈ C auffassen. Allerdings muss die Reihe nicht für jede komplexe Zahl z konvergieren. Als Definitionsbereich unserer Funktion muss man die Menge ( ) ∞ X Mf := M := z ∈ C an z n konvergiert n=0 verwenden. Dann können wir uns f (z) als eine Funktion f : M → C denken. Offenbar ist immer 0 ∈ M mit f (0) = a0 . Wir wollen uns überlegen wie die Menge M prinzipiell aussieht. Es stellt sich heraus, dass M im wesentlichen ein Kreis mit Mittelpunkt im Nullpunkt ist. Dabei muss man allerdings auch einen Kreis von Radius 0 für M = {0}, und einen Kreis von Radius ∞ für M = C zulassen. Der Radius unseres Kreises ist der sogenannte Konvergenzradius der Potenzreihe. Da wir aber noch nicht bewiesen haben, dass M wirklich ein Kreis ist, müssen wir zur exakten Definition des Konvergenzradius eine gewisse Umschreibung verwenden. Definition 8.4: Der Konvergenzradius R(f ) einer Potenzreihe f (z) = ∞ X n=0 18-5 an z n Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 19.6 ist die Zahl R(f ) := sup{|z| : z ∈ Mf } ∈ R≥0 ∪ {∞}. Das Supremum war dabei die kleinste obere Schranke der rechts stehenden Menge. Leider gibt es auch den Fall das die Menge gar nicht nach oben beschränkt ist, etwa wenn M = C ist, und dann interpretieren wir das Supremum als ∞. Wir wollen uns jetzt überlegen, dass Mf wirklich im wesentlichen ein Kreis mit Radius R(f ) ist, wobei die Randfälle R(f ) = 0 und R(f ) = ∞ wie oben als Mf = {0} beziehungsweise Mf = C interpretiert werden. Wir werden zeigen das mit jedem z ∈ Mf auch jedes z 0 ∈ C das näher an 0 liegt, also mit |z 0 | < |z|, in Mf ist. P n Lemma 8.5: Sei fP(z) = ∞ n=0 an z eine in z0 ∈ C konvergente Potenzreihe. Dann ist ∞ n die Reihe f (z) = n=0 an z in jedem z ∈ C mit |z| < |z0 | absolut konvergent. P∞ n n Beweis: Da n=0 an z0 konvergiert, ist die Folge (an z0 )n∈N nach §7.Lemma 2 eine Nullfolge. Insbesondere ist diese Folge nach §6.Lemma 10 beschränkt, es gibt also eine Konstante M ≥ 0 mit |an z0n | ≤ M für alle n ∈ N. Wegen |z| < |z0 | ist ∞ X z z n = |z| < 1, also ist z0 |z0 | z0 n=0 nach §7.Lemma 7 konvergent. Für jedes n ∈ N ist nun n n n z n z z n n |an z | = an z0 · = |an z0 | · ≤ M , z0 z0 z0 d.h. die Reihe ∞ ∞ X X z n ist eine Majorante von an z n . z0 n=0 n=0 Nach dem Majorantenkriterium §7.Satz 14 ist P∞ n=0 an z n absolut konvergent. P n Beachte das der Beweis sogar zeigt, dass ∞ n=0 an z durch eine konvergente, geometrische Reihe majorisiert wird. Jetzt ist es leicht unseren Konvergenzkreis herzuleiten. Satz 8.6 (Der einer Potenzreihe) P∞Konvergenzkreis n Sei f (z) = n=0 an z eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R. Dann ist f (z) für jedes z ∈ C mit |z| < R absolut konvergent, und für jedes z ∈ C mit |z| > R divergent. Beweis: Direkt nach Definition des Konvergenzradius impliziert die Konvergenz von f (z) für ein z ∈ C auch |z| ≤ R, d.h. für z ∈ C mit |z| > R muss f (z) divergieren. 18-6 Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 19.6 Nun sei z ∈ C mit |z| < R gegeben. Dann ist |z| keine obere Schranke der Menge {|u| : u ∈ Mf }, also muss ein z0 ∈ Mf mit |z| < |z0 | existieren. Dann ist f (z) aber nach Lemma 5 absolut konvergent. Was auf dem Rand des Konvergenzkreises geschieht, also für die z ∈ C mit |z| = R := R(f ), wird durch den Satz nicht beschrieben. Dies ist auch ein recht kompliziertes Thema, Divergenz r das für uns glücklicherweise keine Rolle spielen wird. Innerhalb des Kreises mit Radius R x0 um den Entwicklungspunkt x0 = 0 liegt da(absolute) Konvergenz bei absolute Konvergenz von f (z) vor und außerhalb des Kreises divergiert f (z). Man bezeichnet den offenen Kreis mit Radius R auch als den Konvergenzkreis der Potenzreihe f (z). Dabei wird dieser Kreis im Fall R = ∞ als die gesamte Ebene interpretiert. Wir wollen jetzt einige Beispiele von Potenzreihen durchgehen. P 1. Wir hatten schon früher bemerkt das jedes Polynom p(z) = nk=0 ak z k auch als Potenzreihe interpretiert werden kann, indem ak = 0 für k > n interpretiert wird. Dann konvergiert p(z) für überhaupt jedes z ∈ C und somit ist der Konvergenzradius R = ∞. 2. Die Potenzreihe f (z) = ∞ X zn n=0 ist eine geometrische Reihe, also nach §7.Lemma 7 genau dann konvergent wenn |z| < 1 ist. Als Konvergenzradius ergibt sich damit R = 1. In diesem Beispiel können wir die Reihe nach §7.Lemma 7 auch explizit berechnen ∞ X zn = n=0 1 , |z| < 1. 1−z 3. Nun betrachten die recht ähnlich aussehende Potenzreihe f (z) = ∞ X (−1)n z n . n=0 Für jedes z ∈ C ist dann f (z) = ∞ X (−1)n z n = n=0 18-7 ∞ X n=0 (−z)n Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 19.6 und wie im vorigen Beispiel ist dies genau dann konvergent wenn |z| = | − z| < 1 ist, d.h. der Konvergenzradius ist wieder R = 1. Als Wert ergibt sich f (z) = ∞ X 1 1 = . 1 − (−z) 1+z (−1)n z n = n=0 4. Als nächstes Beispiel betrachten wir die Potenzreihe ∞ X f (z) = (−1)n z 2n . n=0 Für z ∈ C ist dann f (z) = ∞ X n 2n (−1) z = n=0 ∞ X (−1)n (z 2 )n , n=0 und nach dem vorigen Beispiel ist dies genau dann konvergent wenn |z|2 = |z 2 | < 1 ist. Dies ist gleichwertig zu |z| < 1 also haben wir erneut den Konvergenzradius R = 1. Als Wert der Reihe ergibt sich f (z) = 1 . 1 + z2 An diesem Beispiel zeigt sich übrigens auch, dass es auch bei reellen Potenzreihen sinnvoll P istn komplexe Argumente zu betrachten. Für die geometrische Reihe f (z) = ∞ n=0 z = 1/(1 − z) ist der Konvergenzradius R = 1 nicht überraschend da 1/(1 − z) nur bis z = 1 existiert. Es gibt hier sozusagen einen P Grund dafür 2n das die Reihe nicht mehr konvergiert. Dagegen gibt es f (x) = ∞ = n=0 (−1)x 2 1/(1 + x ) für alle reellen x ∈ R und trotzdem konvergiert die Reihe nicht überall. Sehen wir uns dagegen komplexe Argumente an, so wird dies klar denn der Nenner 1 + z 2 wird bei z = ±1 zu Null, die Konvergenz kann also nicht über ±1 hinausgehen und wir haben den Konvergenzradius R = 1. 5. Als unser letztes Beispiel behandeln wir die Potenzreihe f (z) = ∞ X nn z n , n=0 und behaupten das diese den Konvergenzradius R = 0 ist. Hierzu muss man zeigen, dass f (z) für jedes z ∈ C mit z 6= 0 divergiert. Sei also 0 6= z ∈ C gegeben. Dann gibt es ein n0 ∈ N mit |nz| > 1 für alle n ≥ n0 , also ist auch |(nz)n | = |nz|n > 1 für alle n ≥ n0 . Folglich ist (nn z n )n∈N = ((nz)n )n∈N keine Nullfolgt, und damit ist die Reihe f (z) = ∞ X n n n z = n=0 tatsächlich divergent. 18-8 ∞ X n=0 (nz)n Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 19.6 Wir hatten bereits bemerkt das Potenzreihen so etwas wie Polynome von Grad ∞ sind. Dies ist tatsächlich mehr als nur eine rein oberflächliche Analogie, und als ein Beispiel hierfür wollen wir uns einmal Produkte von Potenzreihen anschauen. In §3.Lemma 9 hatten wir das Produkt von Polynomen als ! ! n+m " k # n m X X X X ak z k · bk z k = al bk−l · z k k=0 k=0 k=0 l=0 berechnet. Für Potenzreihen gilt genau dieselbe Multiplikationsformel, sind also f (z) = ∞ X n an z , g(z) = n=0 ∞ X bn z n n=0 zwei Potenzreihen mit Konvergenzradien R(f ) und R(g), so ist das Produkt wieder eine Potenzreihe # " n ∞ X X ak bn−k · z n , f (z)g(z) = n=0 k=0 deren Konvergenzradius R(f g) mindestens so groß wie der kleinere der beiden Konvergenzradien R(f ) und R(g) ist, also R(f g) ≥ min{R(f ), R(g)}. Aus Zeitgründen wollen wir diese Tatsache jetzt nicht beweisen, aber zumindest ein Beispiel rechnen. Wir starten mit der geometrischen Reihe ∞ X n=0 zn = 1 |z| < 1. 1−z Multiplizieren wir diese mittels der Produktformel mit sich selbst, so ergibt sich " n # 2 X ∞ ∞ ∞ ∞ ∞ X X X X X 1 1 n n n n 1 z = (n + 1)z = z + nz = nz n = + 1−z 1 − z n=0 k=0 n=0 n=0 n=1 n=1 für |z| < 1. Damit ist weiter ∞ X n=1 nz n = 1 1 − (1 − z) 1 z = − = für |z| < 1. 2 2 (1 − z) 1−z (1 − z) (1 − z)2 Setzen wir hier beispielsweise z = 1/2 ein, so wird ∞ X n 1 2 3 = + + + · · · = 2. n 2 2 4 8 n=1 18-9 Mathematik für Informatiker B, SS 2012 8.1.1 Dienstag 19.6 Die Exponentialfunktion Eine besonders wichtige Potenzreihe ist die Exponentialfunktion exp(z) = ∞ X zn n=0 n! . Für jedes 0 6= z ∈ C haben wir n+1 z /(n + 1)! = lim |z| = 0, lim n→∞ n + 1 n→∞ z n /n! und nach dem Quotientenkriterium §7.Korollar 16 konvergiert exp(z). Damit hat die Exponentialfunktion den Konvergenzradius R = ∞, definiert also eine auf ganz C erklärte Funktion ∞ X zn ez := exp(z) = . n! n=0 Dass es sich hier wirklich um ez handelt werden wir später noch etwas begründen. Den Wert ∞ X 1 e = exp(1) = n! n=0 hatten wir schon in §7.3 behandelt. Wir wollen die Grundeigenschaft der Exponentialfunktion jetzt ohne Beweis einfach angeben: Satz 8.7 (Funktionalgleichung der Exponentialfunktion) Für alle z, w ∈ C gilt exp(z + w) = exp(z) · exp(w). Denken wir uns ez = exp(z) so wird die Funktionalgleichung zum Potenzgesetz ez+w = ez · ew , der Satz ist also ein Hinweis darauf das exp(z) wirklich eine Potenzfunktion ist. 8.1.2 Die trigonometrischen Funktionen Über die Exponentialfunktion kann man die vertraute reelle Funktion ex auch auf komplexe Argumente ausdehnen. Dies ist auch für andere Grundfunktionen möglich und insbesondere gibt es auch komplexe Sinus- und Cosinusfunktionen. Diese werden durch die folgenden Potenzreihen definiert: ∞ X z3 z5 (−1)n 2n+1 sin z = z =z− + − ··· , (2n + 1)! 6 120 n=0 cos z = ∞ X (−1)n n=0 (2n)! z 2n = 1 − 18-10 z2 z4 + − ··· 2 24 Mathematik für Informatiker B, SS 2012 Dienstag 19.6 Da diese Potenzreihen beide von der konvergenten Reihe exp(|z|) = ∞ X |z|n n=0 n! majorisiert werden, haben sie nach §7.Lemma 14 beide den Konvergenzradius R = ∞. Dass es sich wirklich für reelles z ∈ R um den normalen Sinus und den normalen Cosinus handelt, kann man an dieser Stelle leider nicht direkt begründen. Wir werden später bei der Behandlung der Taylorentwicklung dazu kommen. 18-11