Funktionentheorie Prof. Dr. M. Rost Übungen — Blatt 1 (WS 2016/17)1 Abgabetermin: Freitag, 4. November http://www.math.uni-bielefeld.de/~rost/fun Erinnerungen an die Vorlesung: Im Folgenden werden manchmal einige Definitionen und Bemerkungen aus der Vorlesung zusammengefaßt. Man kann die meisten Dinge auch in Büchern oder auf den auf der Homepage angegebenen Links nachlesen. Anmerkungen und Hinweise sind ausdrücklich erwünscht (per Email oder in der Vorlesung). Vorbemerkung Der Text diese Woche enthält leider noch nicht alles, was bisher in der Vorlesung besprochen wurde. Dafür gibt es etwas mehr zu Potenzreihen. Potenzreihen, Konvergenz Eine (komplexe) Potenzreihe ist ein Ausdruck der Form ∞ X P (z) = an z n n=0 mit an ∈ C. Dabei handelt es sich zunächst lediglich um eine Folge (an )n≥0 (an ∈ C) von komplexen Zahlen. Formale Potenzreihen Ist man an Konvergenz-Fragen nicht weiter interessiert, kann man beliebige solche Potenzreihen betrachten. Man spricht dann von formalen Potenzreihen. Formale Potenzreihen kann man auf die bekannte Weise addieren, multiplizieren und differenzieren. Für das Produkt hat man etwa ! ! ! ∞ ∞ ∞ X X X X ak bl z n an z n · bn z n = n=0 1 n=0 n=0 k+l=n Fassung vom 29. Oktober; 31.10 – kleine Umformulierung von Lemma 2 2 Definition 1. Der so entstehende Ring heißt der Ring der formalen Potenzreihen. Notation: ) ( ∞ X C[[z]] = an z n an ∈ C n=0 Dieser Begriff hat mit dem Körper C nicht viel zu tun, man kann für jeden Ring R (zum Beispiel für den Ring der ganzen Zahlen Z oder die endlichen Ringe Z/nZ) den Ring ( ∞ ) X R[[T ]] = an T n an ∈ R n=0 der formalen Potenzreihen über R betrachten. Schließlich braucht für die elementaren Ring-Operationen (+, −, ·) nur endliche Summen der an . Die (formale) Ableitung einer Potenzreihe ist ∞ ∞ X X dP ′ n−1 := P (z) := nan z = (n + 1)an+1 z n dz n=1 n=0 Das folgende Lemma ist trivial: Lemma 2. Es sei P eine komplexe Potenzreihe. Ist P ′ = 0 (als Reihe, alle Koeffizienten verschwinden), so ist P konstant (P = a0 ). Konvergente Potenzreihen Will man Konvergenz von Potenzreihen betrachten, braucht man auf dem zugrunde liegenden Körper K eine Metrik oder eine Norm. Ich setze die Theorie der reellen Potenzreihen (K = R) voraus und mache nur einige Anmerkungen für den komplexen Fall (K = C). Die Metrik auf C ist dabei der bekannte AbsolutBetrag |z| definiert durch |z|2 = zz p |x + iy| = x2 + y 2 Man sagt, die Reihe P (z) = ∞ X an z n n=0 konvergiert im Punkt z0 , wenn die Folge der Partialsummen sN = N X an z0n n=0 gegen einen Grenzwert konvergiert, den man dann mit P (z0 ) bezeichnet: lim sN = P (z0 ) N →∞ ∀ǫ ∃M : |P (z0 ) − sN | < ǫ (N ≥ M) 3 Die geometrische Reihe Siehe Vorlesung. Die geometrische Reihe P (z) = ∞ X zn n=0 konvergiert für |z| < 1 gegen die rationale Funktion 1 1−z Weil diese Reihe so wichtig ist, sei hier der Beweis skizziert. Man erinnere sich zunächst an die rein algebraische Formel P (z) = T n+1 − 1 T −1 Daraus ergibt sich (bei festem z) für die Partialsummen 1 + T + ··· + Tn = sN = N X zn = n=0 1 z n+1 1 − z n+1 = − 1−z 1−z 1−z Für |z| < 1 konvergiert der Rest-Term z n+1 1−z gegen 0 (siehe Aufgabe 1) und die Konvergenz ist bewiesen. Konvergenzradius Nehmen wir an, die Potenzreihe P (z) = ∞ X an z n n=0 konvergiert in einem Punkt z0 6= 0. Dann sind die Folgenglieder an z0n sicherlich beschränkt, also etwa |an z0n | < M Damit kann man die Potenzreihe P (z) durch die geometrische Reihe majorisieren und nach dem Majorantenkriterium (bitte wiederholen!) ergibt sich die absolute Konvergenz von P (z) für |z| < |z0 |. Einige Details hierzu: Es sei δ ∈ R mit 0 ≤ δ < 1. Dann ist die Reihe ∞ ∞ X X 1 n δn = M Mδ = M 1−δ n=0 n=0 4 konvergent (siehe oben). Für |z| < δ|z0 | ergibt sich n z n n < Mδ n |an z | = an z0 z0 Nach dem Majoranten-Kriterium (die komplexe Variante beweist man wie für R) P∞ ist n=0 an z n absolut konvergent. Man erhält so wie im Reellen: Satz 3. Es sei P (z) = ∞ X an z n n=0 eine komplexe Potenzreihe. Dann gibt es ein R (der Konvergenzradius der Potenzreihe) mit 0≤R≤∞ so daß P (z) in der offenen Scheibe (“Konvergenzkreis”) UR (0) = { z ∈ C | |z| < R } absolut konvergiert. Konvergiert die Reihe P (z) in einem Punkt z0 , so gilt R ≥ |z0 | Die Reihe P (z) konvergiert nicht für |z| > R. Für den Konvergenzradius gibt es den Satz von Cauchy-Hadamard: Satz 4 (Cauchy-Hadamard). Es gilt p 1 = lim sup n |an | R n→∞ Ist R = 0, so konvergiert die Reihe nirgends (außer für z = 0). Im Fall R > 0 spricht man von einer konvergenten Potenzreihe. Die konvergenten Potenzreihen bilden einen Ring (ein Unterring der formalen Potenzreihen C[[z]]). Dieser Ring wird oft mit ) ( ∞ X C{z} = P (z) = an z n P hat Konvergenzradius > 0 n=0 bezeichnet. Wie im Reellen gilt auch dies: Lemma 5. Die (formale) Ableitung P ′ einer Potenzreihe P hat den gleichen Konvergenz-Radius wie P . 5 Komplexe Differenzierbarkeit, Holomorphie Definition 6. Es sei U ⊂ C eine offene Teilmenge. Eine Funktion f: U → C heißt komplex differenzierbar in z0 ∈ U, wenn f (z) − f (z0 ) lim =: f ′ (z0 ) z→z0 z − z0 existiert. f ′ (z0 ) heißt die Ableitung von f in z0 . Man schreibt auch df (z0 ) f ′ (z0 ) = dz f heißt holomorph (in U) falls f in jedem Punkt z0 ∈ U komplex differenzierbar ist. Eine Stammfunktion von F ist eine Funktion F: U →C mit F ′ (z) = f (z) (z ∈ U) Nun zur Holomorphie von Potenzreihen (wurde noch nicht im Detail in der Vorlesung besprochen). Lemma 7. Eine Potenzreihe mit positivem Konvergenz-Radius R > 0 ist in ihrem Konvergenz-Kreis UR (0) = { z ∈ C | |z| < R } holomorph. Genauer: Es sei ∞ X an z n n=0 eine Potenzreihe mit Konvergenz-Radius R > 0. Dann ist die Funktion f : UR (0) → C f (z) = lim N →∞ holomorph. N X an z n n=0 Die komplexe Ableitung von f stimmt mit der formalen Ableitung der Potenzreihe (gliedweises Differenzieren) überein: ′ f (z) = lim N →∞ N X n=1 nan z n−1 6 Beweis. Wird nachgetragen (oder zumindest in der Vorlesung besprochen). Korollar 8. Bei positivem Konvergenz-Radius kann man die Koeffizienten an der Reihe ∞ X P (z) = an z n n=0 durch Ableiten der Funktion P (z) erhalten aus der n-ten Ableitung mittels der aus dem reellen bekannten Formel 1 an = P (n) (0) n! Hier bezeichnet P (n) = (P (n−1) )′ die n-te Ableitung. Beweis. Die Ableitung einer konvergenten Reihe ist nach Lemma 5 wieder eine konvergente Reihe. Man erhält induktiv ∞ X (k) P (z) = n(n − 1) · · · (n − k + 1)an z n−k n=k und damit P (k) (0) = k!ak Einige Reihenentwicklungen Zur Referenz seien hier einige klassische Potenzreihen definiert: ∞ X zn z e := exp z := n! n=0 sin z := ∞ X z 2n+1 (−1)n (2n + 1)! n=0 ∞ X z 2n cos z := (−1)n (2n)! n=0 ∞ X zn ln(1 + z) := (−1)n n n=0 Ich gehe davon aus, daß Sie diese Reihen im Reellen kennen. Nach dem letzten Abschnitt ist klar, daß diese Reihen auf ganz C konvergieren. Man beachte, daß sich aus den angegebenen Formeln die Beziehung eiz = cos z + i sin z ergibt. 7 Bemerkung: In der Vorlesung hatte ich die komplexe Exponentialfunktion behelfsweise definiert mittels der reellen Funktionen exp, cos, sin durch exp(x + iy) = exp(x)(cos y + i sin y) In diesem Text werden exp, cos, sin zunächst als komplexe Potenzreihen eingeführt und die Formel für exp(x + iy) wird später bewiesen. 8 Aufgabe 1. Man zeige für komplexe Zahlen mit |z| < 1 n+1 z =0 lim n→∞ 1 − z Hinweis. Diese Aufgabe dient zur Auffrischung Ihrer ǫ-δ-Fähigkeiten. Aufgabe 2. (a) Man zeige, daß f: C→ C f (z) = z f (x + iy) = x − iy in z0 = 0 nicht komplex differenzierbar ist. (b) Man zeige, daß g: C → C g(z) = z 2 in z0 = 0 komplex differenzierbar ist, aber nicht in z0 = 1. Anmerkung. Tatsächlich ist g(z) nur in 0 komplex differenzierbar. Aufgabe 3. Diese Aufgabe ist rein algebraisch. (1) Es sei ∞ X an z n ∈ C[[z]] P (z) = n=0 eine (formale) Potenzreihe mit a0 6= 0. Man zeige, daß P im Ring C[[z]] invertierbar ist (es gibt ein Q(z) mit P (z)Q(z) = 1.) (2) Eine (formale) Laurent-Reihe (mit endlichem Nebenteil) ist eine Reihe der Form ∞ X an z n n=−N (endlich viele negative Terme erlaubt). Man zeige, daß die Menge der Laurent-Reihen einen Körper bilden. Hinweis. Jede Laurent-Reihe 6= 0 ist von der Form z −N P (z) wobei P (z) = P∞ n=0 an z n mit a0 6= 0. 9 Aufgabe 4. Es sei P (z) = ∞ X an z n n=0 eine komplexe Potenzreihe mit positivem Konvergenz-Radius R. Man zeige: Nimmt P in ihrem Konvergenz-Kreis nur reelle Werte an, so ist P konstant (an = 0 für n > 0). Hinweis. Sicherlich ist a0 = P (0) reell, und damit hat P (z) − a0 ebenfalls nur reelle Werte. Man kann also a0 = 0 annehmen. Ist P nicht konstant, so sei k > 0 minimal mit ak 6= 0. Man hat dann P (z) = z k (ak + zf (z))