Einführung in die Naturschutzethik Fortbildungsreihe Klugheit – Glück – Gerechtigkeit Vilm, 8.-11.10.2012 Uta Eser Koordinationsstelle Wirtschaft und Umwelt, HfWU © U. Eser, HfWU 1 Übersicht Teil I: Grundlagen Was ist Naturschutzethik? Was ist ein Argument? Teil II: Klugheit – Glück – Gerechtigkeit Einführung in die Typologie Teil III: Klugheitsargumente Unterschiedliche Typen Ethische Voraussetzungen © U. Eser, HfWU 2 TeiI I. Was ist Naturschutzethik? © U. Eser, HfWU Übersicht Teil I Was ist Ethik? Was ist Naturschutzethik? Unterschied von Tatsachen, Werten und Normen Was ist ein (gutes) Argument? Prinzipien für Kommunikation © U. Eser, HfWU 4 1. Was ist Ethik? Die Geschichte vom Blumentopf und den Bieren.... .... und die Moral von der Geschicht‘: Umgang mit Begrenztheit erfordert Prioritätensetzung „Was ist wirklich wichtig?“ als Grundfrage der Ethik: Individuell: für mein persönliches Leben Strebensethik, Ethik des Guten Lebens Kollektiv: für unser aller Leben Sollensethik, Normative Ethik © U. Eser, HfWU 5 Aufgabe der Ethik Ermittlung des guten und richtigen Handelns unter gegebenen Bedingungen und Handlungsmöglichkeiten © U. Eser, HfWU Aufgabe der Ethik Ermittlung des guten und richtigen Handelns unter gegebenen Bedingungen und Handlungsmöglichkeiten Strebensethik © U. Eser, HfWU Sollensethik 2. Was ist Naturschutzethik? Was ist gutes und richtiges Handeln im Hinblick auf den Naturschutz? Naturschutzethik: Teilbereich der Umweltethik, in dem es um Naturschutzfragen geht Umweltethik (auch Naturethik, Ökologische Ethik): Anwendungsbereich, nicht Begründungsprogramm Gegenstand: Beziehung von Menschen zu ihrer natürlichen Umwelt © U. Eser, HfWU 8 Aufgabe der Naturschutzethik „Beinahe weg“ – Na und? Warum ist das Artensterben schlecht? Warum sind Handlungen zum Schutz von Arten gut und richtig? Aufgabe der Ethik: Angabe von Gründen Begründungen umfassen alle Aspekte: ökologische, ökonomische, soziale, anthropologische, kulturelle, naturphilosophische, psychologische etc. © U. Eser, HfWU 9 Ethik ist kein Zusatzargument! „Neben den genannten ökologischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Gründen für die Erhaltung der biologischen Vielfalt gibt es auch ethische Gründe“ (NBS 2007:15). Gleichsetzung von „ethisch“ mit „ohne Bezug zu menschlichen Interessen“ „Ethik“ im Naturschutz umfasst weit mehr als die Frage nach dem moralischen Eigenwert der Natur © U. Eser, HfWU 10 3. Tatsachen, Werte, Normen „Tatsachen sprechen für sich“ Beschränkung der Kommunikation auf Fakten Beispiel: A: Biologische Vielfalt ist eine existentielle Grundlage für menschliches Leben. B: Die biologische Vielfalt muss erhalten werden. Aber: Wer A sagt muss nicht B sagen Wie kommt man von Tatsachen zu Normen? © U. Eser, HfWU 11 3. Tatsachen, Werte, Normen Stillschweigende Voraussetzungen: A: Biologische Vielfalt ist eine existentielle Grundlage für menschliches Leben. Das menschliche Leben ist wertvoll. Das menschliche Leben muss erhalten werden! B: Die biologische Vielfalt muss erhalten werden! Tatsachen, Werte und Normen unterscheiden © U. Eser, HfWU 12 3. Tatsachen, Werte, Normen Sachebene: "Welche Auswirkungen hat eine Handlung auf Ökosysteme und Lebensgemeinschaften?" Wertebene: "Sind diese Auswirkungen gut oder schlecht und aus welchen Gründen?" Normebene: "Soll diesen unerwünschten Auswirkungen durch geeignete Maßnahmen entgegengewirkt werden?“ Und, wenn ja, wie? Sachebene © U. Eser, HfWU 13 4. Was ist ein (gutes) Argument? Tatsachen sprechen nicht für sich! Erst ihre Verknüpfung mit Werten oder Normen erlaubt die Formulierung von Bewertungen oder Handlungsanweisungen Die Verknüpfung von Tatsachen und Normen folgt den Regeln eines logischen Schlusses Eine Tatsache wird als konkreter Fall einer allgemeinen (moralischen) Regel untergeordnet © U. Eser, HfWU 14 Logischer Schluss Prämisse 1: “Alle Menschen sind sterblich.” Prämisse 2: “Sokrates ist ein Mensch.” Schluss: “Sokrates ist sterblich.” Prämisse 1: allgemein Prämisse 2: spezieller Fall von P 1 Wenn Prämisse 1 wahr ist und wenn Prämisse 2 wahr ist, dann und nur dann! - ist auch der Schluss 3 wahr. © U. Eser, HfWU 15 Praktischer Schluss Hat formal die selbe Struktur wie die logische. Aber: P1 ist normativ oder wertend, das bedeutet, enthält ein Gebot/ Verbot oder ein Werturteil. P2 beschreibt eine Handlung, die ein Fall von 1 ist P1: Tiere quälen ist verboten. P2: Die Haltung von Hennen in Legebatterien ist Quälerei. S: Die Haltung von Hennen in Legebatterien ist verboten Im Alltag beschränken wir uns oft auf die Benennung der Tatsachen. Dabei bleiben die ethische Vorannahmen verborgen. © U. Eser, HfWU 16 Unvollständiges Argument Prämisse 1: “Was man geliehen hat, muss man zurückgeben” Prämisse 2: “Wir haben die Erde von unseren Kindern geliehen” Logischer Schluss: “Wir müssen die Erde unseren Kindern zurückgeben” © U. Eser, HfWU 17 Warum ist Rekonstruktion wichtig? In Konfliktfällen kann entweder die Geltung der Regel (P1) strittig sein oder die Richtigkeit der Tatsache (P2), oder auch die Unterordnung des Falls unter die Regel. Zur Klärung von Umweltkonflikten ist es hilfreich zu unterscheiden: Liegt der Dissens auf der Sachebene, d.h. ist der vorausgesetzte Sachverhalt wahr oder falsch? Liegt der Dissens auf der Normebene, d.h. ist die normative Prämisse richtig oder falsch? © U. Eser, HfWU 18 Wer entscheidet? In der idealen Welt der Ethik, die den moralischen Maßstab für die reale Welt enthält, entscheidet im Diskurs einzig und allein die Kraft des besseren Arguments. Kommunikation dient dem Austausch von Gründen Ziel ist es, Regelungen zu finden, denen alle zustimmen können. Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein © U. Eser, HfWU 19 5. Regeln für gelingende Kommunikation Anerkennung Das Gegenüber als gleichberechtigt anerkennen Wahrhaftigkeit Nur Argumente verwenden, die man für richtig hält Aufrichtigkeit Unangenehme Wahrheiten nicht verschweigen Glaubwürdigkeit Aussagen müssen sich an der Realität bewähren © U. Eser, HfWU 20 Ziel: Einverständnis Das Ziel „Einverständnis“ setzt wirkliche Verständigung voraus. Dies beschränkt die „strategische“ Ausrichtung von Argumenten Sehr „erfolgreiche“ Kommunikationsstrategien wie Drohungen Versprechungen Verschweigen unangenehmer Konsequenzen Beschönigungen ... sind Mittel der Überredung oder gar Manipulation, aber keine guten Argumente © U. Eser, HfWU 21 Fazit Ethik dient der Ermittlung des guten und richtigen Handelns Ethik im Naturschutz umfasst weit mehr als die Eigenwertfrage Liegen die Dissense auf der faktischen oder der normativen Ebene? Klärung von Dissensen erfolgt im Diskurs In diesem gilt lediglich die Kraft des besseren Arguments © U. Eser, HfWU 22