42 GRAFIK 9. Juni 2011 DIE ZEIT No 24 No 104 Die Anatomie des Keims Das Ehec-Bakterium: Wie es funktioniert, wie es Menschen infiziert und was es im Körper anrichtet Kapsel Äußere Zellwand Innere Zellwand THEMA: MEDIZIN Die Themen der letzten Grafiken: 103 Zucker und Fett sind der Schlüssel Beleuchtung Die Hunderte verschiedener Escherichia-coli-Stämme unterscheiden sich in den Zucker-Fett-Molekülen an ihrer Oberfläche, den sogenannten Lipopolysacchariden, und in der Art ihrer Flagellen. Die verschiedenen Typen sind gekennzeichnet mit den Buchstaben O und H und jeweils einer Zahl. Der derzeit in Deutschland aktive Stamm ist vom Typ O104:H4. 102 Doktorgrad 101 Windkraft Rezeptoren Mithilfe bestimmter Fortsätze docken die EhecBakterien an die Darmwand an. Die Rezeptoren der aktuellen Variante sind besonders auf die menschlichen Darmzellen zugeschnitten. Der Code Die DNA von Bakterien wie Ehec befindet sich nicht wie die des Menschen in einem Zellkern, sondern sie schwimmt frei in der Zelle. Die Produktion der gefährlichen Ehec-Gifte ist in DNA-Abschnitten des Bakteriums codiert (gelb markiert), die aus dem Erbgut von Viren stammen. Weitere Grafiken im Internet: www.zeit.de/grafik Giftfabrik Die von den Bakterien produzierten Giftstoffe, auch Shiga-Toxine genannt, schädigen die menschlichen Blutzellen (siehe unten). Flagellen Mithilfe dieser langen Fortsätze bewegt sich Ehec selbst aktiv fort. Klebefäden Über kurze Fortsätze, Pili genannt, heften sich die Keime an Oberflächen – oder an andere Bakterien, etwa um Erbmaterial auszutauschen. Die Infektion Angriff auf die Organe Wie Ehec von der Kuh zum Menschen gelangt Wie der Ehec-Keim Darm, Nieren und Gehirn schädigt 4. Gehirn Wenn die Nieren ausfallen (siehe 3.), können die Schadstoffe im Blut auch Hirnschäden verursachen: Krampfanfälle, Bewusstseinsstörungen oder Koma drohen. Das Gift der aktuellen Ehec-Variante greift zudem wohl direkt Gefäße und Zellen im Gehirn an. 1. Darmwand Ursprung Mithilfe ihrer Rezeptoren docken die Bakterien an die Darmwand an und geben ihr Gift ab. Das führt dazu, dass mehr Flüssigkeit in den Darm wandert. Durchfall ist die Folge. Außerdem gelangt das Gift in den Blutkreislauf. Das Hauptreservoir von Ehec sind Wiederkäuer, darunter Schafe und Ziegen, besonders aber Rinder. Im Darm der Tiere richten die Keime keinen Schaden an. Aber den Menschen machen sie krank. 3. Nieren Rohkost Milch Rohes Fleisch 2. Blutgefäße Bei Anbau, Transport und Verarbeitung können Obst und Gemüse mit Gülle von Nutztieren in Berührung kommen – und dabei mit Ehec kontaminiert werden. Beim Melken kann Kot mit Bakterien ans Euter gelangen – und vom Euter der Kuh aus in die Milch. Erst durch Erhitzen (»Pasteurisieren«) wird der Ehec-Erreger sicher abgetötet. Rohe Wurst, unhygienische Schlachtung: Um EhecErreger aus dem Darm eines Tieres abzutöten, muss das Fleisch kurzzeitig auf 70 Grad Celsius erhitzt werden. Die Toxine zerstören rote Blutkörperchen und greifen die Gefäßwand an. Das aktiviert das Immunsystem, Blutplättchen lagern sich an – und fehlen woanders. Dort kommt es dann zu Blutungen. In den Nieren werden Abfallstoffe aus dem Blut gefiltert und in den Harn abgegeben. Dafür sind in den sogenannten Nierenkörperchen besonders feine Gefäße nötig. Werden sie durch das Toxin beschädigt, droht ein Nierenversagen. Zusammen mit der abnehmenden Zahl gesunder Blutzellen kann das zum lebensgefährlichen hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) führen. Illustration: Helen Gruber Recherche: Christian Heinrich, Ulrich Bahnsen Quellen: RobertKoch-Institut, Deutsche Gesellschaft für Infektiologie, Uniklinik Freiburg, Universität Köln, TU München