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Struktur, Wirkung und Anwendung
des Lysergsäurediethylamid
Unter Berücksichtigung der Anwendung als
Therapeutikum in der Psychotherapie
Fachbereichsarbeit aus Biologie
vorgelegt von:
Gabriel MARESCH
8C, Schuljahr 1997/98
im September 2000
Betreut von:
Mag. Günther MAUTZ
Vorwort
“Eine Droge ist eine Substanz, die, wenn man sie einer
Ratte injiziert, ein wissenschaftliches Papier zur Folge hat.”
Egerton Davis1
In der hier vorliegenden Arbeit behandle ich eine Substanz, die man sich bei oberflächlicher
Betrachtung wohl nur kaum als Gegenstand einer (vor)wissenschaftlichen Arbeit vorstellen
kann. Als Verfasser einer Arbeit über eine illegale Droge, begibt man sich a priori in die Gefahr mißverstanden zu werden. Zu leicht können Aussagen fehlinterpretiert und man in ein
Eck gedrängt werden, dem man sich nun überhaupt nicht zugehörig fühlt. Deshalb möchte ich
– noch vor dem eigentlichen Vorwort – klarstellen, daß weder ich, noch, soweit ich davon
Kenntnis habe, irgendeine Person, die mir beim Fortgang meiner Arbeit behilflich gewesen
ist, illegalen Umgang mit einer der hier beschriebenen Drogen, namentlich LSD, hatte.
Daß eine solche Klarstellung überhaupt notwendig ist, ist bezeichnend für das, einer gewissen
Skurilität nicht entbehrende, heutige Verhältnis zu Drogen wie LSD. Daß das Wissen um
Psychedelika nicht sehr groß ist, war mir bewußt (die Informationen die einem Gymnasiasten
darüber im Chemie- und Biologieunterricht zugedacht sind, beschränken sich zusammen auf
ca. eine halbe Lehrbuchseite – und nicht einmal diese ist frei von Fehlern); folgende Mitteilung ließ mir aber der Primarius einer großen österreichischen Klinik zukommen:
Es wird ihnen wohl bekannt sein, daß es sich bei LSD um eine illegale Droge
handelt, die zudem ein hohes Suchtpotential aufweist. Gerade in der Zeit der
Designerdrogen, hielte ich es verantwortungslos eine Arbeit, wie die von ihnen
geplante durchzuführen oder zu unterstützen.2
Zum einen ist es bedenklich, wie ein leitender Mediziner über eine Substanz mit potentiellen
Einsatzmöglichkeiten in der Psychotherapie ein de facto Publikations- und Forschungsverbot
ausspricht, ungeachtet dessen, daß die Begriffe Suchtpotential und Designerdrogen im Zusammenhang mit LSD vollkommen unsinnig sind; zum anderen verwundert es mich welche
Bedeutung, der ich mich mir selbst offenbar gar nicht bewußt war, meiner Arbeit beigemessen
wird, obgleich ich nicht recht weiß, ob ich dies als Ehre auffassen soll oder nicht
Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt, wie schon aus der Zuordnung zum Fach Biologie
ersichtlich ist, auf physiologischen, pharmakologischen, neurologischen Aspekten. Darauf
bezieht sich auch das vorangestellte Zitat: daß die Aufarbeitung einer Substanz oft nur mit
naturwissenschaftlichen Methoden geschieht und andere Gesichtspunkte außer acht gelassen
werden. Auch bei mir sind es die Ergebnisse, die durch die Verabreichung einer Droge an
Ratten gewonnen, eine (vor)wissenschaftliche Arbeit zur Folge hatten. Doch glaube ich nicht,
daß diese Ergebnisse den Blick auf das Ganze trüben sollten. Ich habe ihnen dennoch in vierten Kapitel und dem Anhang breiten Raum zugebilligt, gleichzeitig aber auch anderen Betrachtungsweisen Platz eingeräumt.
Dem von mir gewählte Thema kann man mit den verschiedensten Perspektiven begegnen, sei
es nun die Sichtweise eines Chemikers, Botanikers, Biologen, Physiologen, Psychologen,
Psychiaters, Philosophen, Soziologen, Ethnologen oder Mystikers. Daraus folgt aber auch, daß
man sich notwendigerweise einschränken muß, stets aber des über das Eigentlich über die
Aufgabenstellung Hinausgehenden gewahr zu sein hat, um sicherzustellen, daß das Thema in
seiner Gesamtheit mehr zu bieten hat, als die Summe seiner Teilgebiete erahnen läßt. Diese
Überlegung habe ich auch dem formalen Aufbau meiner Arbeit zugrunde gelegt: Jedes Kapitel ist zwar auch eigenständig lesbar – darauf gründet sich meine Hoffnung, daß diese Arbeit
auch anderen, etwa als Grundlage für ein Referat oder Spezialgebiet, nützlich sein könnte –
fügt sich aber erst im Kontext mit den übrigen Abschnitten zu einem Ganzen.
2
Ein großer Mangel meiner Arbeit ist, daß sie hauptsächlich auf der Bearbeitung von Fachliteratur beruht und eigene Erkenntnisse nur in sehr geringem Maße beinhaltet. Daß Versuche
und Experimente bei diesem Thema ausscheiden würden, war mir klar; leider ergaben sich
aber auch keine Möglichkeiten Interviews zu führen. Man muß also stets bedenken, daß ich
über Dinge schreibe, die ich selbst nicht erlebt, sondern quasi aus zweiter Hand erfahren habe.
Das bedeutet zwangsläufig ein Defizit, welches auch durch eine noch so gewissenhafte
Literatursammlung und -sichtung nicht wettgemacht werden kann, oder um es durch den
ständigen Kritiker Thomas Bernhard auszudrücken:
Die Wahrheit, denke ich, kennt nur der Betroffene, will er sie mitteilen, wird er
automatisch zum Lügner. Alles Mitgeteilte kann nur Fälschung und Verfälschung
sein, also sind immer nur Fälschungen und Verfälschungen mitgeteilt worden. Der
Wille zur Wahrheit ist, wie jeder andere, der rascheste Weg zur Fälschung und
Verfälschung eines Sachverhalts.3
Doch trotz dieser vernichtenden Erkenntnis – und gerade das Eingestehen dieser Erkenntnis
ist unabdingbar, um die Aufrichtigkeit vor sich selbst und dem potentiellen Leser zu wahren –
ist vielleicht genau diese Distanz von den Dingen für eine wissenschaftliche Bearbeitung unerläßlich, denn:
Was hier beschrieben ist, ist die Wahrheit und ist doch nicht die Wahrheit, weil es
nicht die Wahrheit sein kann. Es kommt darauf an, ob wir lügen wollen oder die
Wahrheit sagen und schreiben, auch wenn es niemals die Wahrheit sein kann,
niemals die Wahrheit ist.4
Ich hoffe, daß dieser Wille zur Wahrheit in meiner Arbeit deutlich wird, auch wenn seine
Konsequenzen, wie in den letzten beiden Kapiteln ausgeführt, vielleicht ungewöhnlich oder
unangenehm erscheinen mögen.
Obwohl ich mich nun in den vergangenen zwölf Monaten dem Thema LSD von den verschiedensten Richtungen genähert, dabei viele Hundert Seiten gelesen, teils Publikationen obskurer
Autoren, teils englische Fachliteratur durchgearbeitet habe, bleibt mir doch nur zu bekennen:
scio me nescire und, daß ich, obgleich ich die quantitativen Grenzen, die im Rahmen
einer FBA möglich sind, voll ausgeschöpft habe, doch nur an der Oberfläche kratze und von
einer wirklich umfassenden Aufarbeitung sehr weit entfernt bin. Aus dem Unvermögen, das
ich stellenweise der Wissenschaft anlaste, wenn sie nur punktuell beschränkt agiert, darf ich
mich selbst nicht ausnehmen, da ich doch in meinem eigenen Versuch, das Ganze zu erfassen
ebenso gescheitert bin. Ich bin mir dessen jedenfalls bewußt und werde wohl auch über diese
FBA hinausgehend versuchen, das Bekannte besser zu ergründen und das Neues zu
erschließen.
Gabriel Maresch, 4. Februar 1998
Dank
Bedanken möchte ich mich bei Dr. Günther Schaller und Prim. Dr. Franz Thalhammer für die
Bereitstellung von Literatur, weiters bei meinem Betreuer Prof. Mag. Günther Mautz, dem ich
etliche wichtige Impulse verdanke. Besonderen Dank auch Dr. Torsten Passie für sein Interesse an meiner Arbeit und sein Schreiben, durch das er mich motivierte.
1
aus: Die Zeit, Nr 1/53. Jahrgang vom 2. Jänner 1998
Persönliche Korrespondenz
3
aus: Thomas Bernhard, Der Keller, S. 37
2
3
4
aus: Thomas Bernhard, Der Keller, S. 39
4
Inhalt
KAPITEL 1: ENTDECKUNG
MUTTERKORN
BOTANIK
GESCHICHTE
ALKALOIDE
MUTTERKORNALKALOIDE
VERSUCHSREIHEN DER SANDOZ AG
ENTDECKUNG DER PSYCHEDELISCHEN FÄHIGKEITEN
6
6
6
6
7
7
8
8
KAPITEL 2: STRUKTUR
CHEMIE
FORMEL UND AUFBAU
SYNTHESE
PHARMAKOLOGIE
PHARMAKOKINETIK
METABOLISIERUNG
TOLERANZ
PFLANZLICHE VERWANDTE DES LSD
12
12
12
13
14
14
15
15
15
KAPITEL 3: KENNZEICHEN DER LSD-INTOXIKATION
PHYSISCHE ASPEKTE
MOTORISCHE STÖRUNGEN
VEGETATIVE SYMPTOME
VERÄNDERUNGEN DER WAHRNEHMUNG
PHYSIOLOGISCHE ABWEICHUNGEN
PSYCHISCHE ASPEKTE
VERÄNDERUNG DES ZEITERLEBENS
VERÄNDERUNG DES ICHBEWUßTSEINS
FLASHBACKS
ARIABLEN
UND VERLAUF
V
SET UND SETTING
EINTEILUNG IN PHASEN
18
18
18
19
19
20
21
21
22
22
23
23
23
KAPITEL 4: MÖGLICHE WIRKMECHANISMEN
BISHERIGE ÜBERLEGUNGEN
PRAESYNAPTISCHE HYPOTHESE
POSTSYNAPTISCHE HYPOTHESE
LSD UND TRAUM
AKTUELLER FORSCHUNGSSTAND
BETEILIGTE REZEPTOREN
DAS SEROTONINSYNDROM
DISKRIMINATIONSEXPERIMENTE
AGONIST ODER ANTAGONIST
MODULIERUNG DER WIRKUNG
26
26
27
27
27
29
29
30
31
31
32
KAPITEL 5: DIE LSD-PSYCHOTHERAPIE
FORMEN
GRUNDLAGEN
INDIKATION
RAHMENBEDINGUNGEN UND VERLAUF
35
35
36
38
39
KAPITEL 6: GESELLSCHAFTLICHE SITUATION
BEGRIFFSBILDUNG
MEDIZINISCHE ANWENDUNG
NICHT MEDIZINISCHE ANWENDUNG
MIßBRAUCHSPOTENTIAL
AUSBLICK
41
41
41
42
43
44
ANHANG A: DAS SEROTONINSYSTEM
STRUKTURVERWANDTSCHAFT MIT LSD
SEROTONINSYNTHESE UND -STOFFWECHSEL
DAS SEROTONINERGE SYSTEM DES MENSCHEN
ANATOMIE
SEROTONINERGE BAHNEN
NATÜRLICHE WIRKUNG
REZEPTOREN
SEROTONIN UND GEISTESKRANKHEIT
BIOCHEMISCHE ASPEKTE DER DEPRESSION
SEROTONINMODULIERENDE PSYCHOPHARMAKA
46
46
47
47
47
48
49
50
52
52
53
ANHANG B: CHEMISCHE FORMELSAMMLUNG
SEROTONINKREISLAUF - SYNTHESE UND ABBAU
INDOLKERN IN SEROTONIN UND LSD
ALKALOIDE DER LYSERGSÄURE-GRUPPE
PARITELLE SYNTHESE DES D-LSD
VERWANDTE PSYCHEDELIKA
55
55
55
2
55
56
ANHANG C: ZUR PHYSIOLOGIE DES GEHIRNS
ANATOMIE DES ZNS
RÜCKENMARK
RAUTENHIRN
MITTELHIRN
KLEINHIRN
ZWISCHENHIRN
GROßHIRN
DAS NEURON ALS FUNKTIONELLE EINHEIT
DER ZELLKÖRPER
DAS AXON
SYNAPTISCHE TERMINALS
DIE DENDRITEN
DIE GLIAZELLEN
SIGNALÜBERTRAGUNG IM GEHIRN
DAS NEURON IM RUHEZUSTAND
ENTSTEHUNG EINES AKTIONSPOTENTIALES
KOMMUNIKATION VIA NEUROTRANSMITTER
57
57
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58
59
59
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ANHANG D: BEILAGEN
ERKLÄRUNG
QUELLENNACHWEIS
INDEX
62
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Kapitel 1: Entdeckung
Mutterkorn
Die natürliche Komponente des halbsynthetischen LSD ist die Lysergsäure. Dieser Stoff
kommt zusammen mit einigen seiner Derivate im sogenannten Mutterkorn vor. Das Mutterkorn ist ein parasitärer Pilz, dessen Existenz dem Menschen schon lange bekannt ist und
dessen Wirkungen eng mit der Geschichte der menschlichen Zivilisation, bereits seit der Antike, verflochten sind. Dieser Aspekt soll nur gestreift werden, hat er doch nur indirekt mit
dem LSD zu tun. Dennoch scheint es mir wichtig, auf die mannigfaltige Bedeutung des
Mutterkorns, sei es nun als Bestandteil von mystischen Tränken, als Auslöser schrecklicher
Krankheiten oder als Ausgangsprodukt von Arzneimitteln, hinzuweisen.
Botanik
Bereits seit dem klassischen Altertum sind schmarotzende Schlauchpilze
bekannt, die verschiedene Gräser und Getreide befallen und welche meist
als Gift betrachtet wurden. Diese Schmarotzerpilze gehören zur ClavicepsGruppe, deren wichtigster von ca. sechs verschiedenen Vertretern der
Mutterkornpilz Claviceps purpurea ist. Er befällt meist Roggen oder
Wildgräser und bildet auf seiner Wirtspflanze durch die Aufzehrung des
Fruchtknotengewebes ein Dauermycel, das sogenannte Sklerotium. Es
entwickeln sich anstatt der Getreidekörner schwarz-violette keulenförmige
Gebilde, die etwas größer als diese sind. Bei einem Querschnitt zeigt sich
ein Scheingewebe mit einer Vielzahl von stark verflochtenen Zellen
(Pilzhyphen). Die Entwicklung der Pilze der Claviceps-Gruppe umfaßt
zwei Lebenszyklen: eine Wachstumsperiode und eine Ruheperiode. Das
Mutterkorn ist dabei ausschließlich die überwinternde Form des Sklerotiums in der Ruheperiode.1,2
Abbildung 1:
Mutterkorn
Geschichte
Der Mutterkornpilz ist in den gemäßigten Zonen Europas, Asiens, Nordafrikas und Nordamerikas verbreitet. Ausführlich dokumentiert ist aber nur sein Vorkommen in Mitteleuropa,
meist im Zusammenhang mit Massenvergiftungen. Es gibt aber auch Hinweise, daß Mutterkorn in der Kultur des Altertums bewußt als Halluzinogen eingesetzt wurde.∗
Im frühen Mittelalter traten in besonders feuchten und regenreichen Sommern, Bedingungen
die die Entwicklung der Schmarotzerpilze fördern, oft epidemieartige Erscheinungen, infolge
einer Verseuchung des Brotes durch Mutterkorn auf. Die Krankheit trat in zwei Formen auf:
der Brandseuche (Ergotismus gangraenosus) und Krampfseuche (Ergotismus convulsivus).
Die Erkrankung äußerte sich zunächst in Form von starker Hitze, Kribbeln,
Ameisenlaufen, Pelzigkeit und Taubheitsgefühl an den Fingern und Zehen. […] Im
weiteren Verlauf traten am ganzen Körper Blasen auf, die sich infizierten und zum
∗
Albert Hofmann meint in [3] dazu:
“Es ist überliefert, daß den [in den eleusischen Mythos] Einzuweihenden vor der letzten Zeremonie ein Trank, der
κυκεον, verabreicht wurde. Man weiß auch, daß Gerstensaft und Minze Bestandteile des κυκεον waren.
Religionswissenschaftler und Mythenforscher […] sind der Meinung, daß dem κυκεον eine halluzinogene Droge
beigemischt war.” Und weiter: “In der Publikation ¸Der Weg nach Eleusis’ wird die Möglichkeit erwogen, daß es
sich dabei um ein Präparat aus Mutterkorn gehandelt haben könnte.”
Leider war es mir trotz intensiver Bemühungen nicht möglich, Zugang zu diesem Werk zu
erhalten, so daß dieser sicherlich überaus interessante Aspekt der Geschichte des
Mutterkorns in dieser Arbeit leider nicht gebührend berücksichtigt werden kann.
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trockenen Gewebstod (schwarzer Brand) der betroffenen Körperteile führten. Als
Folge fielen Finger, Zehen, Nasenspitzen, Ohren und in schweren Fällen ganze
Gliedmaßen ab. […] Häufige Symptome der Vergiftung, die oft tödlich verlief,
waren Delirien und Halluzinationen. 3, 4
Die Bezeichnungen “ignis sacer”, heiliges Feuer, und “Antoniusfeuer” verweisen auf die im
Mittelalter weit verbreitete religiöse Einstellung zu Krankheiten als Strafe Gottes. Tatsächlich
nahm sich nur der Orden des Heiligen Antonius der am Ergotismus Erkrankten an. Als im 17.
Jahrhundert der Zusammenhang zwischen mutterkornhaltigem Brot und den Vergiftungserscheinungen erkannt wurde, konnte die Seuche rasch durch bessere Kontrolle der Getreideverarbeitung vermieden werden. Dennoch trat der letzte bekannte Fall von Ergotismus noch
in den Jahren 1926/27 in Rußland auf.5
Obwohl vorher schon von Hebammen angewandt, fand das Mutterkorn erst etwa zu Beginn
des vorigen Jahrhunderts Eingang in die Schulmedizin. Auf die Verwendung in der Geburtshilfe deutet ja bereits der Name Mutterkorn hin. Anwendung fand es zuerst als Mittel zur Beschleunigung der Geburt, da es gebärmutterkontrahierend wirkt. Wegen der Gefahren die eine
unzuverlässige Dosierung mit sich bringt, werden Mutterkornpräparate heute nur mehr zur
Stillung von Blutungen herangezogen. Grund dafür sind die gefäßverengenden Wirkungen der
Inhaltsstoffe des Mutterkorns, die bei zu hoher Dosierung zu Durchblutungsstörungen und
Gewebstod, ähnlich wie beim Ergotismus, führen können.6, 7
Alkaloide
Die Wirksubstanzen einer Vielzahl von Pflanzen, so auch des Mutterkorns, gehören zur
Gruppe der Alkaloide. Es sind dies stickstoffhaltige Naturstoffe, die teils komplexe Ringsysteme bilden, aufgrund derer man sie chemisch näher klassifizieren kann. Viele dieser
Alkaloide können heute, da ihre Struktur geklärt ist, auch synthetisch hergestellt werden. Sie
zeigen meist schon bei kleinen und kleinsten Dosen massive Wirkung, so daß es nicht verwundert, wenn auch viele Drogen zu den Alkaloiden gerechnet werden.
Alkaloid
Ringstruktur Verwendung
Nikotin
Pyridin
Genußmittel
Coniin
Pyridin
Gift des Schierlings
Cocain
Tropan
Rauschgift, Lokalanästhetikum
Atropin
Tropan
Gift der Tollkirsche
Morphin, Codein
Ergot-Gruppe
Chinin, Coffein
Isochinol
Indol
–
teils in der Medizin, jedoch Suchtgefahr
vorwiegend in der Geburtshilfe
anregende Genußmittel
Tabelle 1: Einige bekannte Alkaloide
Mutterkornalkaloide
Die Wirkung des Mutterkorns läßt sich nicht einem einzigen Stoff zuordnen, so daß es immer
wieder gelang verschiedene Alkaloide zu beschreiben, die alle in der Ergot- bzw. MutterkornGruppe zusammengefaßt sind. Auch innerhalb der Mutterkorngruppe gibt es eine Unterscheidung in Lysergsäure-Alkaloide und Clavine-Alkaloide; in dieser Arbeit werden aber ausschließlich die verschieden Verbindungen der Lysergsäure besprochen.
Im Jahre 1875 wurde vom Franzosen Charles Tanret ein erstes Extrakt hergestellt, das er
Ergotinin nannte. Es darf eigentlich noch nicht zu den Alkaloiden gezählt werden, da es eine
nach heutigen Maßstäben ziemlich unreine Substanz war. Auch das 1907 entdeckte Ergotoxin
ist kein einheitliches Präparat. Der Wortstamm toxin deutet bereits darauf hin, daß es mehr die
giftigen, denn die erwünschten Wirkungen aufwies. Erst mit der Isolierung von Ergotamin,
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dem ersten reinen Mutterkornalkaloid durch Arthur Stoll 1918, begann der Höhepunkt der
Mutterkornforschung. Dadurch konnte nämlich die Lysergsäure als gemeinsamer und
zugrunde liegender struktureller Baustein der pharmakologisch wirksamen Mutterkornalkaloide identifiziert werden. Innerhalb der nächsten 25 Jahre wurden alle weiteren bisher
bekannten Alkaloide entdeckt.8,9
Name
Zugehörigkeit
Entdeckung
Ergotamin/Ergotaminin
Ergotamin-Gruppe
1918
dto.
1936
Ergometrin/Ergometrinin
Ergometrin-Gruppe
1935
Ergokristin/Ergokristinin
Ergotoxin-Gruppe
1937
[α,β] Ergokryptin/Ergokryptinin
dto.
1943
Ergocornin/Ergocorninin
dto.
1943
Ergostin/Ergostinin
dto.
—
Ergosin/Ergosinin
Tabelle 2: Natürlichen Mutterkornalkaloide der Lysergsäuregruppe10
Sämtliche Mutterkornalkaloide weisen eine tetracyclische (aus vier Ringen bestehende)
Struktur auf, die man als Ergolin bezeichnet. Diese komplex aufgebaute Gruppe besteht aus
Lysergsäure-Tripeptiden, in denen stets Prolin vorhanden ist, das mit anderen Aminosäure
(derivate)n wie (α-Hydroxy-)Valin verbunden ist.∗ Neben den Alkaloiden mit der Endung -in
gibt es auch deren Isomere mit der Endung -inin, die in der Regel aber unwirksam sind.11 Ist
z.B. von Ergocornin die Rede, ist der wirksame Bestandteil gemeint, während bei Ergocorninin sämtliche acht möglichen, aber ineffektiven Stereoisomere gemeint sind.
Versuchsreihen der Sandoz AG
1935 begann in den Laboratorien des Schweizer Pharmakonzerns Sandoz ein Projekt, das sich
ausführlich mit der Mutterkornchemie beschäftigte. Der Leiter dieses Projektes war Dr. Albert
Hofmann. Es gelang die Lysergsäure als gemeinsamen Baustein der Alkaloide zu
identifizieren und isolieren. Ziel war es, durch die Verknüpfung der Lysergsäure mit basischen
Resten, Substanzen zu synthetisieren, die gezielt therapeutische Wirkungen aufweisen sollten.
Zu diesem Zweck wurde eine Vielzahl von Lysergsäureverbindungen hergestellt.
Die Verbindung mit Propanolamin ergab eine mit dem natürlichen Mutterkornalkaloid Ergometrin (synonym die Bezeichnungen Ergobasin und Ergonovin) identische Verbindung,
während die Verbindung mit Butanolamin eine noch wirksamere Substanz (Methergin) ergab.
Die insgesamt 25. Substanz in dieser Versuchsreihe war die Verknüpfung mit Diethylamid.
Man erwartete sich davon eine kreislaufstärkende Wirkung, da das damals bekannte
Analeptikum Coramin ebenfalls eine Diethylamidgruppe aufwies. 1938 erstmals synthetisiert,
entsprach LSD-25, so die Laboratoriumsbezeichnung, aber nicht den pharmakologischen Erwartungen, so daß man dieser Substanz keine weitere Aufmerksamkeit schenkte.12
Entdeckung der psychedelischen Fähigkeiten
Im Frühjahr 1943 führte Dr. Hofmann erneut eine Synthese des LSD durch. Bei der Überführung des äußerst instabilen Stoffs in ein stabileres weinsaures Salz (Tartrat) muß ein
Bruchteil der Substanz unbeabsichtigt über die Haut resorbiert oder eingeatmet worden sein.
Dr. Hofmann bemerkte nach kurzer Zeit eigenartige Veränderungen, wie folgendem Bericht
zu entnehmen ist:
Vergangenen Freitag, 16. April 1943, mußte ich mitten am Nachmittag meine
Arbeit im Laboratorium unterbrechen und mich nach Hause begeben, da ich von
∗
siehe auch die Strukturformel in Anhang B
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einer merkwürdigen Unruhe, verbunden mit einem leichten Schwindelgefühl,
befallen wurde. Zu Hause legte ich mich nieder und versank in einen nicht
unangenehmen rauschartigen Zustand, der sich durch eine äußerst angeregte
Phantasie kennzeichnete. Im Dämmerzustand bei geschlossenen Augen – das
Tageslicht empfand ich als unangenehm grell – drangen ununterbrochen
phantastische Bilder von außerordentlicher Plastizität und mit intensivem,
kaleidoskopartigem Farbenspiel auf mich ein.13
Ob dieser Wirkung erstaunt, beschloß er drei Tage später einen gezielten Selbstversuch durchzuführen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Unerklärlich schien, wie eine Substanz, die
nur in Mikrogramm hergestellt wurde, solche Auswirkungen haben konnte. Die verabreichte
Dosis betrug 250 µg, was im Vergleich zu anderen Mutterkornpräparaten äußerst gering war,
nach heutigem Wissen aber eine drei- bis fünffache Überdosierung darstellt. Der folgende
Bericht Dr. Hofmanns ist sehr bekannt und wird in beinahe jeder im Literaturverzeichnis
angegebenen Publikation wiedergegeben. Aus Gründen der inhaltlichen Geschlossenheit sei er
auch hier nicht vorenthalten:
1620: 0,5 cc. von ½-promilliger wäßriger Tartrat v. Diethylamid peroral = 0,25 mg
Tartrat
1700: Beginnender Schwindel, Angstgefühl. Sehstörungen. Lähmungen, Lachreiz. […]
siehe Spezialbericht
Hier hören die Aufzeichnungen im Laborjournal auf. Die letzten Worte konnten nur
noch mit Mühe niedergeschrieben werden. Ich bat meine Laborantin, mich nach
Hause zu begleiten, da ich glaubte, die Sache nehme den selben Verlauf wie die
Störung am Freitag. Aber schon auf dem Heimweg per Rad zeigte es sich, daß alle
Symptome stärker waren als das erste Mal. Ich hatte bereits größte Mühe klar zu
sprechen und mein Gesichtsfeld schwankte und war verzerrt wie ein Bild in einem
verkrümmten Spiegel. Auch hatte ich das Gefühl, nicht vom Fleck zu kommen,
während mir nachher meine Laborantin sagte, daß wir ein scharfes Tempo gefahren
seien. […]
Aber schlimmer als diese Verwandlungen der Außenwelt ins Groteske waren die
Veränderungen, die ich in mir selbst, an meinem Innersten Wesen spürte. Alle
Anstrengungen meines Willens, den Zerfall der äußeren Welt und die Auflösung
meines Ich aufzuhalten, schienen vergeblich. […]
Soweit ich mich erinnern kann, waren während dem Höhepunkt der Krise, der
bereits überschritten war, als der Arzt ankam, folgende Symptome am
ausgeprägtesten: Schwindel, Sehstörungen; die Gesichter der Anwesenden
erschienen mir wie farbige Fratzen, starke motorische Unruhe, wechselnd mit
Lähmungen, … abwechselnd betäubt, dann wieder klares Erkennen der Lage, wobei
ich zeitweise als außenstehender neutraler Beobachter feststellte, wie ich halb
wahnsinnig schrie oder unklares Zeug schwatzte … Sechs Stunden nach der
Einnahme hatte sich mein Zustand weitgehend gebessert. Ausgeprägt waren noch
die Sehstörungen. […]
Bei geschlossenen Augen drangen ständig farbige, sehr plastische und phantastische
Gebilde auf mich ein. Besonders merkwürdig war, wie alle akustischen
Wahrnehmungen, etwa das Geräusch eines vorbeifahrenden Autos, in optische
Empfindungen transponiert wurden, so daß durch jeden Ton und jedes Geräusch ein
entsprechendes farbiges Bild, in Form und Farbe kaleidoskopartig wechselnd,
ausgelöst wurde. Erschöpft schlief ich dann ein und erwachte am nächsten Morgen
erfrischt mit klarem Kopf, wenn auch körperlich noch etwas müde.14
Diese Beschreibung der ersten LSD-Intoxikation am 19. April 1943 beschreibt die auftretenden Symptome schon äußerst klar. Dieser Bericht bildete die Grundlage für die weiteren
Untersuchungen, die zuerst innerhalb des Sandoz-Konzerns durchgeführt wurden, ehe die Ent-
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deckung von LSD-25 bekanntgegeben wurde. 1947 wurde eine Beschreibung der ersten Versuche des Psychiaters W. Stoll, auf die in Kapitel 3: Kennzeichen der LSD-Intoxikation noch
näher eingegangen wird, veröffentlicht, der noch weitere Untersuchungen anderer Forschergruppen folgten.
Zusammenfassung
Die natürliche Komponente des LSD ist die Lysergsäure; Sie ist Hauptinhaltsstoff vieler
Alkaloide des schmarotzenden Mutterkornpilzes. Mutterkornvergiftungen sind geschichtlich
belegt, stehen aber mit Ausnahme des eleusischen Trankes nicht in Verbindung mit bewußter
Hervorrufung von Halluzinationen. Die Aufklärung der chemischen Struktur dieser Alkaloide
führte zu vermehrter Forschung auf diesem Gebiet. Die Synthese des Lysergsäure-Diethylamids war Teil eines von Dr. Albert Hofmann geleiteten Projektes der Schweizerischen
Sandoz AG. Die psychedelischen Eigenschaften des LSD wurden erst fünf Jahre später durch
eine versehentliche Intoxikation entdeckt und durch Selbstversuche verifiziert. Erst ab diesem
Zeitpunkt kann man von einer wissenschaftlichen Untersuchung dieser Substanz sprechen.
Datum
Ereignis
1500 v. Chr.
Eleusischer Kult
600 v. Chr.
Aufzeichnungen über von Mutterkorn befallenen Roggen
590
Auftreten der “St. Antonius Krankheit” (Mutterkornvergiftung)
1582
Erste Erwägung der medizinischen Anwendbarkeit von Mutterkornpräparaten in Kräuterbüchern
1676
Erkennen des Zusammenhangs zwischen Mutterkorn und dem
Auftreten von Ergotismus
19 Jhdt.
Wissenschaftliche Abhandlungen über Einsatz in der Medizin
1918
Isolierung des ersten reinen Mutterkornalkaloids
1938
Erstmalige Synthese von Lysergsäure und Diethylamid zu LSD
1943
Entdeckung der psychedelischen Fähigkeiten des LSD
Tabelle 3: Zeittafel der Geschichte des Mutterkorns und seiner Alkaloide15
Literaturverzeichnis
[1] Die Pflanzen der Götter, Albert Hofmann/Richard E. Schultes
AT Verlag Aarau. Schweiz 1996
[2] Giftpflanzen, Fröhne/Pfänder
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft. Stuttgart 1981
[3] LSD – Mein Sorgenkind, Albert Hofmann
Klett-Cotta/dt Verlag. München 1979
[4] Gifte in unserer Umwelt, Otfried Strubelt
Deutsche Verlags Anstalt. Stuttgart 1989
[5] Introduction – Early History of LSD, in: LSD a Total Study, D.V. Sivar Sankar
PJD Publications Westbury. New York 1975
Unkorrigierte Fassung – Nur zur Durchsicht bestimmt
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Error! Style not defined.
[1] Römpps Chemie Lexikon, Otto-Albrecht Neumüller
Frank’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1983
1
vgl. [1], S. 39
vgl. [2], S. 193 p.
3
cit. [4], S. 197
4
cit. [1], S. 103
5
vgl. [1], S. 102 p.
6
vgl. [3], S. 18
7
vgl. [4], S. 198
8
vgl. [3], S. 19 pp.
9
vgl. [5], S. 43 pp.
10
leicht verändert nach [5], S. 52
11
vgl. [6], Stichwort “Ergot-Alkaloide”
12
vgl. [3], S. 22 pp.
13
cit. [3], S. 27
14
cit. part. [3], S. 29 pp.
15
einige Daten aus [1], S. 102
2
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Kapitel 2: Struktur
Chemie
Die Struktur des LSD, auch die räumliche, ist weitgehend gesichert. Obwohl heute die Formel
dieser Substanz in jedem Lexikon zu finden ist, beruhte der Weg zu dieser Erkenntnis vor
allem auf komplizierten Experimenten. Dieser Abschnitt sollte darauf hinweisen, ohne Anspruch auf vollständige Erläuterung, und die wichtigsten dabei angewandten Methoden
nennen. Die im Literaturverzeichnis angeführten Publikationen sind allerdings wahrscheinlich
nur für Chemiker ganz verständlich.∗
Formel und Aufbau
LSD ist ein komplexes organisches Molekül, so daß die Anwendung einer Summenformel∗∗ nicht sinnvoll ist. Statt
dessen findet man in der Literatur fast ausschließlich die
vereinfachte Strukturformel. Gebräuchlich ist dabei die Einteilung in vier Ringsysteme und vier Reste. Ring A und C
sind homocylische, Ring B und D heterocylische Verbindungen, wobei das Heteroatom stets Stickstoff ist. An den Positionen (15,16) des Benzolringes A geht dieser eine Bindung
mit Ring B ein, einem stickstoffhaltigen 5-Ring. Ring B entspricht dem Pyrrol, weist aber nur eine Doppelbindung auf
(Dihydropyrrol). Ring C ist ein Cyclohexan, also ein BenzolAbbildung 2: Bezeichnungen der
ring ohne Doppelbindungen, und steht über Position (11,16)
Ringe, Reste und Atome bei LSD
mit Ring A bzw. mit (3,16) mit Ring B in Verbindung. Ring
D ist wieder heterocyclisch, ähnelt dem Pyridin besitzt aber
wie Ring B nur eine Doppelbindung (Tetrahydropyridin).
Ring D ist nur mit einem Ring, nämlich Ring B über die Positionen (5,10) verbunden. Die Reste R1 und R2 an Ring B
bestehen im Falle des LSD nur aus H-Atomen, R3 am heterogenen Stickstoffatom in Ring D aus Methyl (CH3) und R4 besteht aus der für die Bezeichnung charakteristischen Diethyl1
amidgruppe (CH2CH3)2.
R:H
Beim LSD-Molekül existieren zwei Asymmetriezentren,
R2: H
nämlich an den Atomen C5 und C8. Jedes AsymmetriezenR3: CH3
R4: (CH2CH3)2 trum steht für zwei mögliche stereoisomere Formen, so daß
Abbildung 3: Strukturformel des LSD
insgesamt vier Möglichkeiten zur Verfügung stehen: zwei
mit den angegebenen Resten.
rechtsdrehende Formen (d-LSD und d-Iso-LSD) und zwei
linksdrehende (l-LSD und l-Iso-LSD). Die einzige pharmakologisch signifikant wirksame
Substanz ist das korrekt so bezeichnete d[exter]-L[yserg]S[äure] D[iethylamid]. Wenn
verkürzt von LSD die Rede ist, meint man dabei immer diese Form.
Durch gezielte Verändern des Moleküls können Derivate hergestellt und Zusammenhänge
zwischen Struktur und Wirkung gewonnen werden. Diese Veränderungen beziehen sich meist
auf den Amidrest R4, das Überführen der Doppel- in Dreierbindungen und Substitution an
verschiedenen Positionen der Ringsysteme.1 Solche Überlegungen sind allerdings nur von
∗
In Ermangelung allgemein verständlicher Artikel zur Chemie des LSD, mußte ich diesen
Abschnitt auf jene Bereiche kürzen, die in Kenntnis des Oberstufen-Chemiestoffes
nachvollziehbar sind.
∗∗
sie lautet C20H27ON3 und weist ein Molekulargewicht von 325,4 aus.
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theoretischem Interesse, höchst spezifisch und nur schwer verständlich, da sie hohes Wissen
speziell auf dem Gebiet der organischen Chemie voraussetzen.∗
Von Bedeutung ist auch die dreidimensionalen Struktur des LSD, die nur auf experimentellem
Wege ermittelt werden konnte.
Die dabei angewandte Methode
ist die Röntgen-KristallStrukturanalyse, bei der das
Lysergsäurediethylamid durch
Neutralisiation in ein Salz übergeführt wird. Anschließend können anhand der Beugungsmuster
die Atomschwerpunkte ausgemacht und ein räumliches Modell
erstellt werden. Daneben gibt es
noch die Möglichkeit mittels
Orbital- bzw. Hybridmethoden
(PCILO, EHT, INDO) Energieniveaukarten anzulegen, um so
auf die Lage und Beziehung der
Atome zueinander im Raum
schließen zu können.2 Diese Methoden sind aber ebenfalls zu
speziell und komplex, um sie hier
behandeln zu können.
Interessant ist aber das Ergebnis,
Abbildung 4: Dreidimensionale Struktur des LSD-Moleküls [in pm]
daß nämlich unter allen vorhandenen möglichen Varianten, die Winkel des LSD-Moleküls so gewählt sind, daß sie dem
Serotoninmolekül am nächsten kommen. Außerdem existiert das sogenannte Synder-Modell,
das besagt, daß unter der Annahme, daß LSD das höchst wirksame Halluzinogen ist, alle
anderen Halluzinogene Ähnlichkeiten mit dessen Struktur aufweisen müßten. Tatsächlich läßt
sich zeigen, daß Stoffe die zur Gruppe der Indolalkylamine oder Phenylethylamine (z.B.
Mescalin) gehören, mit der räumlichen Struktur des B und C Rings des LSD übereinstimmen.3
Synthese∗∗
Die klassische Synthese, nach der auch Albert Hofmann LSD erzeugte, basiert auf der
Curtius’schen Reaktion. Dabei werden Carbonsäuren durch Einwirkung von stickstoffhaltigen
Säuren zu Amiden abgebaut. Im ersten Schritt muß dabei ein Lysergsäureradikal vom Ausgangsstoff, meist einem Mutterkornalkaloid, abgespalten und anschließend stabilisiert werden.
Danach wird die so gewonnene Verbindung gemäß der Curtius-Reaktion in eine DiethylamidVerbindung umgewandelt und im dritten Teil in gelöster Form in ein Tartrat übergeführt. Dies
geschieht vereinfacht nach folgendem Schema.
∗
Tatsächlich beruhen diese Untersuchungen hauptsächlich auf den Arbeiten von Dr. Albert
Hofmann, der ja der Entdecker des LSD ist.
∗∗
Es sei angemerkt, daß aufgrund dieser Beschreibung niemand im Stande sein kann, LSD
anzufertigen, da nur der reaktionsmäßige Verlauf wiedergegeben ist. Angaben über Art,
Menge und Konzentration der Lösungsmittel, sowie Hinweise die Arbeitstechnik oder
Zeitangaben betreffend, wurden bewußt ausgelassen. Im übrigen glaube ich kaum, daß die
nötigen Ausgangsmaterialen ohne besondere Befähigung überhaupt zu beschaffen sind.
Wenn jemand also unbedingt an LSD gelangen möchte, so geschieht dies sicherlich nicht
durch die hier beschriebene Synthese .
Unkorrigierte Fassung – Nur zur Durchsicht bestimmt
13
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1. Ein Alkaloid wird mittels Hydrazid gespalten.
Es kommt dabei durch Erhitzen zur Isomerisation und Entstehung einer Lösung aus
Isolysergsäurehydrazid. Dann werden sie in
Salze der rechts- bzw. linksdrehenden Weinsäure übergeführt und danach in die entsprechende Form der Lysergsäure konvertiert.
2. Das Gemisch aus Lysergsäurehydrazid bzw.
Iso-Lysergsäurehydrazid wird wiederum gelöst und Diethylether beigegeben. Dabei bindet ein Ethylrest an das erste Stickstoffatom,
der andere durch Absprengen der restlichen
Aminogruppe (NH2). Nach Extrahieren und
Filtrieren können d-LSD und d-Iso-LSD getrennt werden.
3. Nach dem Mischen des äußerst instabilen
reinen d-LSD mit Weinsäure und Methanol∗
setzen sich große, weiße nadelförmige
Kristalle ab. Diese stabile Form wird
gelegentlich die Laborbezeichnung LSD-25
zum Ausdruck gebracht.4
Später wurden auch andere Verfahren zur Synthese entwickelt, unter ihnen eines, bei dem
selbst die an sich natürliche Lysergsäure im
Labor synthetisiert wird.
Pharmakologie
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MUTTERKORNALKALOID
↓
HYDRAZID
NH2NH2
↓
D,L-ISOLYSERSÄURE HYDRAZID
d,l-R’ CONHNH2
↓
D,L-LYSERGSÄURE HYDRAZID
d,l-R CONHNH2
↓
DIETHYLETHER
C4H10O
↓
d,l-R [Ethylamid] NH2 + CH3CH2OH
d,l-R [Diethylamid] + NH2OH
d-Lysergsäure-Diethylamid
↓
WEINSÄURE, METHANOL
C4H6O6, CH3OH
↓
LSD-25 TARTRAT
R=Lysergsäure
R’=Iso-Lysersäure
Graphik 1: Syntheseschema
Pharmakologische Untersuchungen mit LSD wurden an einer Vielzahl von Tierarten und, soweit dies möglich war auch am Menschen durchgeführt. Da die pharmakologisch wirksame
Menge von LSD sehr gering ist, sind alle Angabe nur von bedingter Genauigkeit, zumal sie
von Individuum zu Individuum variieren können. Pharmakodynamische Aspekte, also die
Wechselwirkung zwischen Ligand und Rezeptor betreffend, werden hier nicht behandelt,
sondern werden, in einem eigenen Kapitel (siehe Seite 26 pp.) gesondert besprochen.∗∗
Pharmakokinetik
LSD wird üblicherweise oral appliziert und über den Magen resorbiert. Bei dieser Verabreichung liegt die Latenzzeit, also jene Zeit, die verstreicht bis erste Symptome bemerkbar
sind, bei ca. 20-30 Minuten. Will man die Resorption im Magen-Darm-Trakt umgehen und
injiziert LSD intravenös, tritt die Wirkung sofort bzw. maximal nach etwa 10 Minuten ein.
LSD ist sehr gut fettlöslich und überwindet rasch die Blut-Hirn Schranke. Obwohl das ZNS
rasch mit LSD-Molekülen überflutet wird, verlagert sich nach kurzer Zeit (etwa 10 Minuten)
die höchste Konzentration zur Leber hin. Das bedeutet, daß schon nach weniger als einer
Viertelstunde nach Erreichen das Gehirn kein neues LSD mehr erhält und nur eine verhältnismäßig noch viel geringere Menge der ursprünglichen Substanz die psychischen Veränderungen auslöst.5
Die Dosierung liegt beim Menschen unter normalen Umständen bei ca. 50 - 500 µg.∗∗∗ Geht
∗
Ein Lösen ist nur in organischen Verbindungen möglich, in Wasser sind alle LSD-Isomere
nahezu unlöslich.
∗∗
siehe Kapitel 4: Mögliche Wirkmechanismen bzw. Anhang A: Das Serotoninsystem
∗∗∗
Das entspricht etwa 1/1.000 - 5/1.000 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht
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man von einer letalen Dosis von 15.000 µg aus, dann ergibt sich eine “therapeutische Breite”
von 300, das heißt erst eine 300fache Überdosierung hätte eine tödliche Wirkung zur Folge.6
Vergleicht man diesen Wert (bei Antidepressiva etwa im Bereich von 30 bis 50), so ist LSD
eine sehr sichere Substanz.∗
Metabolisierung
Die Eliminationshalbwertszeit, also jene Zeitspanne, in der die Hälfte eines Stoffes abgebaut
wird, beträgt beim Menschen etwa 175 Minuten. Der Abbau findet hauptsächlich in Leber und
Galle statt, wo sich auch die höchste Konzentration im Körper findet. Die Wirkung hält etwa
acht Stunden an, der Abbau ist aber erst nach acht Halbwertszeiten abgeschlossen, was ungefähr 24 Stunden entspricht. Etwa bis zu diesem Zeitpunkt kann man den LSD-Konsum auch
noch mittels hochempfindlichen Radio-Immun-Assay nachweisen.
Nur ca. 1% des LSD wird unverändert wieder ausgeschieden, der Rest wird metabolisiert und
über Urin (ca. 15%) und Fäzes (ca. 80%) abgegeben. Es gibt vermutlich drei wasserlösliche
Hauptmetaboliten: 2- ,12- und 13-Hydroxy-LSD.∗∗ Außerdem müssen noch Abbauprodukte
vorhanden sein, die C-Atome abspalten, da bei Experimenten mit radioaktivem LSD in gerin14
gen Spuren CO2 in der Atemluft gefunden wurde.7
Toleranz
Zunahme der
Phosphate
In der Fachliteratur wird übereinstimmend die Meinung vertreten, daß die Verabreichung von
LSD nicht zu körperlicher Abhängigkeit führt. Dafür spricht zum einen das Fehlen von Entzugserscheinungen und zum anderen die nicht vorhandene Selbstverabreichung bei Labortieren.8,9 Wohl aber kann man eine starke Gewöhnung gegenüber der Substanz feststellen.
Eine Toleranz kann innerhalb weniger Tage, in
1,00
Toleranz
Extremfällen auch schon nach einer Verabrei0,80
chung, auftreten. Ein mögliches Maß dafür ist die
Zunahme von anorganischen Phosphaten im
0,60
Serum, die nach jeder LSD-Applikation auftritt. Je
0,40
öfter die Verabreichung, desto geringer die Zu0,20
nahme, und der Effekt. Die Art dieses Zusammenhangs ist aber ebenso wie die tatsächlichen Vor0,00
1
3
5
7
9 11 13 15
gänge an den Rezeptoren noch unbekannt. Die
Anzahl der Verabreichunge n
Rückbildung der Toleranz geht ebenso rasch vor
sich wie ihre Entstehung. Daneben gilt auch die
Graphik 2: Toleranzentwicklung
Kreuztoleranz. Ist ein Individuum gegen LSD resistent, bleibt auch bei Verabreichung von
Mescalin eine Wirkung aus, da gegen LSD aber offensichtlich eine höhere Toleranz notwendig ist, verhindert im umgekehrten Fall eine Toleranz gegenüber Mescalin nicht die Wirkungen des LSD. Grundsätzlich gilt zwischen LSD und anderen Psychedelika, insbesondere serotoninergen, Kreuztoleranz. Definitiv ausgeschlossen ist diese wechselseitige Toleranz aber
gegenüber Amphetaminen und Cannabinoiden.10
Pflanzliche Verwandte des LSD
Obwohl LSD eine künstliche Substanz ist, gibt es Pflanzen, die Stoffe produzieren, die ihm in
Struktur oder Wirkung so ähnlich sind, daß man sie als “natürliche Verwandte” bezeichnen
kann. Zwei möchte ich hier anführen, ansonsten sei auf das Literaturverzeichnis verwiesen.
∗
Nicht berücksichtigt sind natürlich Todesfälle, deren Ursache zwar im Einfluß von LSD
liegt (Suizid), aber nicht direkt auf die toxische Wirkung zurückzuführen sind.
∗∗
Das bedeutet, daß sich an Positon 2, 12 bzw. 13 am LSD-Molekül eine OH-Gruppe
befindet.
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Ololiqui: Die Wirkstoffe der Samen dieser Windengewächse (Convolvulaceae) sind Lysergsäureamid und Lysergsäurehydroxyethylamid und damit der Struktur des LSD sehr ähnlich.
Dennoch sind sie etwa um ein Zehntel weniger wirksam. Ololiqui ist hauptsächlich in
indianischen Kulturen verbreitet und war schon in vorkolumbianischer Zeit bekannt. Eingesetzt wird es vor allem in Form verschiedener Zauber- bzw. Heiltränke.
Psilocybe-Pilze: Eine Reihe verschiedener, teilweise auch in unseren Breiten heimischer, Pilze
bildet die psychoaktiven Substanzen Psilocybin bzw. dessen Abbauprodukt Psilocin. Wie
LSD und Ololiqui gehören sie zu den serotoninergen Psychedelika und weisen strukturelle
Gemeinsamkeiten auf. Eingenommen werden die Pilze in frischem oder getrockneten Zustand, was Einfluß auf den Wirkstoffgehalt hat.11
Substanz
effektive Dosis
tödliche Dosis
Breite Potenz
LysergsäureDiethlyamid
LysergsäureAmid
Psilocybin/Psilocin
0,05 mg
0,50 mg
5,00 mg
15 mg
—
1.500 - 2.000 mg
x 300
—
x 400
100 %
10 %
1%
Tabelle 4: Pharmakologische Daten von LSD und verwandten Substanzen12
Zusammenfassung
LSD ist ein komplexes organisches Molekül, dessen räumliche Struktur nur langwierig auf
experimentellem Wege ermittelt werden konnte. Die Synthese basiert auf der Curtius’schen
Reaktion und geht von Mutterkornalkaloiden aus. Die beim Menschen wirksame Dosis beträgt etwa 1/20.000 Gramm. Obwohl sich rasch eine Toleranz bildet, kommt es zu keiner Abhängigkeit. Die Halbwertszeit ist mit knapp drei Stunden relativ lange. LSD wird zu 99% metabolisiert, vor allem in Hydroxy-LSD. Neben LSD existieren auch verwandte natürliche Substanzen. Am ähnlichsten ist der Wirkstoff des Ololiqui, das Lysergsäureamid (LA-111).
Literaturverzeichnis
[1] The Chemistry of LSD (A. Hofmann), in: LSD a Total Study, D.V. Sivar Sankar
PJD Publications Westbury. New York 1975
[2] Stereoelectronic Characteristics of LSD (C. Johnson), in: LSD a Total Study, D.V. Sivar
Sankar PJD Publications Westbury. New York 1975
[3] Metabolism of LSD, in: LSD a Total Study, D.V. Sivar Sankar
PJD Publications Westbury. New York 1975
[4] Pharmacological Aspects, in: LSD a Total Study, D.V. Sivar Sankar
PJD Publications Westbury. New York 1975
[5] Drogen und Psychopharmaka, Robert M. Julien
Spektrum Akademischer Verlag. Heidelberg, Berlin, Oxford 1997
[1] Die Pflanzen der Götter, Albert Hofmann/Richard E. Schultes
AT Verlag Aarau. Schweiz 1996
1
vgl. [1], S. 126 p.
vgl. [2], S. 201 pp.
3
ibd.
4
vgl. [1], S. 115 pp.
5
vgl. [3], S. 261
6
vgl. [5], S. 335 p.
7
vgl. [3], S. 255 pp.
8
vgl. [5], S. 337
9
vgl. [4], S. 565 pp.
10
ibd.
2
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11
12
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vgl. [6], S. 66 pp.
einige Daten aus [5], S. 339 p.
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Kapitel 3: Kennzeichen der LSD-Intoxikation
Vorbedingung für eine LSD-Intoxikation ist logischerweise die Einnahme der Droge. Um mit
den außerordentlich kleinen Dosierungen, die im Mikrogrammbereich liegen, besser umgehen
zu können, bedient man sich der Einnahme per os, meist in Form einer wäßrigen Lösung. Die
Reaktionen können von Individuum zu Individuum stark schwanken. So können bei einer
Person schon geringe Mengen dramatische Wirkungen zur Folge haben, während bei einer
anderen selbst eine massive Überdosierung nahezu wirkungslos ist.∗ Außerdem spielen zahlreiche außerpharmakolgische Faktoren, wie etwa die Einstellung zur Droge, die Erwartungen
und die Umgebung eine entscheidende Rolle.1 Sie werden an anderer Stelle noch genauer behandelt. Der Begriff Kennzeichen in der Überschrift soll zum Ausdruck bringen, daß der Verlauf einer LSD-Intoxikation nicht als konstanter Ablauf drogenspezifischer Wirkungen (wie
z.B. die Analgesie bei Morphinen) verstanden werden darf. Es gibt jedoch eine Zahl
verschiedener Symptome, die von LSD besonders massiv hervorgerufen zu werden scheinen
und hier, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, besprochen werden.
Physische Aspekte
Der LSD-Rausch ist zwar in erster Linie von psychischen Veränderungen bestimmt, dennoch
treten meist auch bestimmte körperliche Symptome auf. Sie sind zwar mit einer gewissen
Häufigkeit, jedoch nicht zwangsläufig vorhanden. Man kann also von keinen konstanten
Symptomen sprechen, die unabhängig von anderen Einflüssen nur durch pharmakologische
Werte beeinflußt werden. Der Psychiater S. Grof kommt dabei gar zu folgender Erkenntnis:
Bei der Auswertung von fast fünftausend Protokollen von LSD-Sitzungen fand ich
nicht ein einziges Symptom, das in allen Fällen absolut konstant aufgetreten wäre
und damit als tatsächlich invariant hätte betrachtet werden können2
Außerdem ist festzuhalten, daß zwischen verabreichter Dosis, sofern sie im üblichen Bereich
liegt∗∗ , und Häufigkeit bzw. Stärke der Symptome kein nachweisbarer Zusammenhang besteht. Es muß daher auch in Betracht gezogen werden, daß einige körperliche Symptome
vielleicht nur Reaktionen auf psychische Veränderungen darstellen. Nichts desto trotz gilt
beispielsweise die Veränderung der Pupillen als zuverlässiges Anzeichen für noch bestehenden Drogeneinfluß.3 Auch darf die Ähnlichkeit von LSD zu Serotonin, das ja muskelkontrahierend wirkt, bei Veränderungen besonders im vegetativen Bereich nicht außer Acht
gelassen werden.
Motorische Störungen
Veränderungen der Muskel von völliger Lockerung und Entspannung bis hin zu starken
Krämpfen und Verspannungen wurden beobachtet. Komplizierte Verrenkungen sind möglich,
aber selten. Meist sind die Symptome auf leichtes Zittern und Beeinträchtigungen
verschiedener Bewegungen beschränkt. Der Gang wird breit und ausgreifend. Zeige- und
Greifversuche mißlingen, wie überhaupt die Koordinationsfähigkeit und Feinmotorik
herabgesetzt scheinen. Die Sprache wird undeutlich, auch das Schriftbild verändert sich und
wird fahrig.4,5
∗
Ein berühmtes Beispiel gibt ein Bericht, demzufolge ein indischer Guru auf zwei extrem
hohe Dosen LSD, nämlich 900 bzw. 1200 µg nicht ansprach. Auch gibt es unter
Psychiatrie-Patienten einige, die bis zu einer Dosis von gar 1500 µg resistent bleiben.
∗∗
Bei Tierversuchen werden ungleich höher Dosen, bezogen auf µg LSD pro kg
Körpergewicht, verwendet, so daß hier meist sehrwohl eine Korrelation vorliegt.
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Abbildung 5: Veränderung der Handschrift unter LSD-Einfluß
Vegetative Symptome
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links: nach 45 Minuten
mitte: nach 125 Minuten
rechts: normale Handschrift
Vegetative Beschwerden treten vornehmlich kurz nach Einnahme des LSD auf und äußern
sich zumeist in Übelkeit und allgemeinem Unwohlsein. Diese Anzeichen können entweder
dem sympathetischen oder parasympathetischen System zugeordnet werden.
Sympathetische Symptome: beschleunigter Puls, erhöhter Blutdruck, starkes Schwitzen,
Kältegefühl, Sträuben der Körperhaare, Speichelabsonderung, Verschwimmen der
Seheindrücke.
Parasympathetische Symptome: verlangsamter Puls, abgesenkter Blutdruck, Tränenfluß, teils
heftiges Erbrechen, abwechselndes Frieren und Hitzegefühl, Erschöpfung.6
Veränderungen der Wahrnehmung
Änderungen die sinnliche Wahrnehmung betreffend gehören zu den häufigsten Symptomen
während einer LSD-Intoxikation. Am stärksten sind dabei visuelle Erscheinungen, wobei man
zwischen dem Zustand, in dem die Versuchspersonen die Augen geschlossen halten oder sich
in dunklen Räumen aufhalten, und dem in welchem sie die Augen geöffnet haben und Gegenstände fixieren. Bei Dunkelversuchen treten vor allem Elemantarhalluzinationen auf. Charakteristisch ist eine Vielzahl bunter, sich ständig wiederholender und in Bewegung befindlicher
Objekte, die oft geometrisch gegliedert sind. Folgende Bilder nennt W. Stoll:
Flackern, Flirren, Glitzern, Sprühen, Regnen, schnelles und langsames Fließen,
wandernde Punkte; Grüne und rote Nebel, gelbe Streifen, Strahlen, Schlieren,
Schleier, Bögen, Ringe, bunte Kreise, Ellipsen, rasende Strudel, Spiralen, Gitter,
Netze, glänzende Vakuolen∗ , Ornamente; Buchstaben, Spinnetze, Schneeflocken,
Muscheln, Uhrfedern, sich teilende Chromosomen; Benzolringe, Schmetterlinge,
Pfauengefieder, Fensterreihen, Dünenlandschaften, Dächermeere, Fratzen, Buddhas,
Blütenkelche.7
Kennzeichnend sind Bewegung, Farbe und Mehrzahl der Gebilde, so daß häufig der Vergleich
mit einem Kaleidoskop gezogen wird. Eine Änderung des intraokulären Drucks vermag Form
und Farbe∗∗ der Halluzinationen zu verändern, etwa durch Druck auf die Augäpfel oder
längeres Anhalten des Atems.8Beim Wechsel von offenen zu geschlossenen Augen können
Nachbilder auftreten, die mehrere Minuten lang anhalten können und dann verwischen.
Auch bei Erscheinungen im Hellen treten Elementarhalluzinationen auf, allerdings nur beim
Betrachten gleichmäßiger bzw. diffuser Flächen und Gegenstände und ungleich schwächer als
∗
Das Erkennen von Formen als Vakuolen, Chromosomen oder Benzolringen geht wohl auf
die naturwissen-schaftliche Beobachtungsweise der Versuchsperson zurück.
∗∗
In [4] findet sich ein interessanter Verweis des Autors auf Johann Wolfgang von Goethes
Farbenlehre, gemäß der “die Farben Gelb, Gelbrot, Zinnober zur Plusseite gehören, Blau,
Rotblau, Blutrot aber zur Minusseite”. In der Tat kann man einigen Erfahrungsberichten
eine Verbindung zwischen Farben und Gefühlslage entnehmen.
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im Dunkeln. Ansonsten erfolgt auch hier eine starke Geometrisierung und Ornamentalisierung
des Gesichtsfeldes. Menschen und Dinge erscheinen wie kubistische oder impressionistische
Gemälde, auch erscheinen Farben und Kontraste ungleich stärker. Die Wahrnehmung ist
infolge der ständig auftretenden Nachbilder verschwommen, so daß verschiedene Stadien ein
und derselben Bewegung gleichzeitig gesehen werden können. Wird der Blick auf unbelebte
oder weiter entfernte Gegenstände gelenkt, werden diese illusorisch verkannt. So können
Flecken am Boden als Tiere oder Gesichter gesehen werden, Gruben zu Bergen. Durch
perspektivische Fehlleistungen erscheinen Raum und eigener Körper bizarr verzerrt und
unproportioniert. Am häufigsten sind Mikropsie bzw. Makropsie, bei denen die Umwelt als
riesen- oder zwergenhaft wahrgenommen wird.9,10
Viel weniger spezifisch sind die Veränderungen bei anderen sensorischen Reizen. Geräusche
werden mitunter mißgedeutet und als subjektiv lauter empfunden. Monotones Rauschen kann
als Musik wahrgenommen werden. Viel stärker als die perzeptuelle Veränderung von Tönen
ist aber die emotionelle, so daß manche Versuchspersonen von einem tieferen Verständnis für
Musik im Zustand der LSD-Wirkung sprechen. Dieses Phänomen ist aber eindeutig nicht
physischen Aspekten zuzuordnen. Gelegentlich treten auch Störungen im Bereich des Geschmacks- oder Geruchssinnes auf, wobei meist eine herabgesetzte Unterscheidungsfähigkeit
oder das Vorherrschen eines bestimmten Geruches auftritt. Im Bereich des Tastsinns kann
mitunter eine teilweise Gefühllosigkeit vorhanden sein.11
Viel häufiger werden sogenannte Synästhesien beobachtet, d.h. ein eingehender sensorischer
Reiz wird mit der Reaktion eines anderen Sinnesorgans beantwortet. Schon Albert Hofmann
fiel auf, daß akustische Reize in optische Empfindungen umgewandelt werden konnten (siehe
Seite 8). Die Art der Synästhesien kann verschiedene Formen annehmen und ist nicht festgelegt, so daß es nicht nur möglich ist Töne zu sehen, sondern auch Farben zu schmecken oder
Schmerzen zu hören. Auf welche Weise LSD und andere Psychedelika wie Mescalin diese
Phänomene genau erzeugen, kann jedoch noch nicht schlüssig gezeigt werden.12
Die Zuordnung von Wahrnehmungsveränderungen zu den physischen Aspekten ist zwar
grundsätzlich problematisch, da man zurecht einwenden kann, daß insbesondere bei der
Wahrnehmung psychische Faktoren eine gewichtige Rolle spielen.∗,13 Ich habe mich dennoch
dazu entschlossen, da elementare Trugbilder auch durch mechanischen Druck auf die Bulbi,
durch Einatmen eines Gemischs aus Sauerstoff und Kohlensäure oder durch stroboskopisches
Licht hervorgerufen werden können. Des weiteren kann nicht von eigentlichen Visionen oder
Halluzinationen gesprochen werden, da die Versuchspersonen in dieser Phase fast immer um
die Unwirklichkeit der Erscheinungen wissen.
Aus den bunten, zufälligen Tischflecken wurden springende, flüchtende
Salamander auf dunklem Grund und prachtvoll schillernde Schmetterlinge. Ich fand
es nicht einmal grotesk, obwohl ich wußte, daß es nur eine armselige Tischplatte
mit Flecken war.14
Solche Pseudohalluzinationen lassen sich zumeist durch chemische Reizung der jeweiligen
Sinnesorgane erklären und beruhen auf deren besonderen physiologischen Eigenschaften.15
Für gewöhnlich sind unter ihnen optische Erscheinungen vorherrschend.
Physiologische Abweichungen
Manchmal wird die Vermutung geäußert, LSD könne zu Änderungen im Chromosomenbestand, insbesondere zum Chromosomenbruch und zu Mutationen führen, wenn es über einen
längeren Zeitraum eingenommen werde. LSD würde die Phosphationen neutralisieren und so
die DNA-Helix zerstören. Tatsächlich ergaben Experimente, daß für das Binden von LSD an
DNA bzw. RNA eine Temperatur von mindestens 100° F oder 38° C notwendig ist.
∗
So ist für das Auftreten von visuellen Halluzinationen eine funktionierene Retina nicht
zwangsläufig notwendig, wie Versuche mit blinden Probanden ergaben.
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Mutationen wurden erst bei einer Konzentration von 2-10 mg LSD pro ml Blut beobachtet.
Das entspricht einer Gesamtdosis von 12-60 g pro Person, was etwa der 1.000fachen tödlichen
Dosis gleichkommt.16 Wenn dennoch Chromosomenanomalien beobachtet werden können,
liegt das vermutlich an der Zusammensetzung des verwendeten LSD, welches am illegalen
Markt oft stark, mit zum Teil hochgiftigen Substanzen wie Strychnin, verunreinigt ist, so daß
L.L. Judd et.al. zu folgendem Schluß kommen:
They could not find significant differences in chromosome breakage rates among
heavy users of LSD who discontinued the drug, heavy users of LSD who have
continued to use it, and drugfree control subjects.17
Einen gewissen Einfluß übt LSD auch auf die Schlafphasen aus. So wird zwar das Einsetzten
von Träumen verzögert, die Gesamtdauer der REM-Phasen aber über einen Zeitraum von
einigen Tagen nach Einnahme des LSD verlängert. Auch kann in nicht paradoxen Schlafphasen kurzzeitig REM-Aktivität auftreten. Veränderungen im Schlafmuster sind jedoch individuell zu unterschiedlich, um sie als einheitliches Symptom auffassen zu können.18
Psychische Aspekte
Eine Beschreibung der psychischen Faktoren muß zwangsläufig Einschränkungen vornehmen,
da jeder unter LSD-Einfluß erlebte Zustand, stärker noch als die körperlichen Wirkungen,
individuell variiert. Grundsätzlich treten diese Phänomene bei höherer Dosierung vermehrt
auf. Geht man davon aus, daß Wahrnehmungsveränderungen nur die oberste Schicht des unter
LSD-Einwirkung Erlebten ausmachen, sind Veränderungen die Zeit bzw. die Persönlichkeit
betreffend die nächsten Stufen. Ein geeignetes System zur Klassifizierung und Erklärung der
auftretenden Erscheinungen kann aber nur die Theorie der LSD-Psychotherapie, wie sie etwa
von S. Grof vertreten wird, bringen.
Veränderung des Zeiterlebens
Eine der tiefgreifendsten Erfahrungen, die während einer LSD-Intoxikation auftreten können
ist ein verändertes Erleben der Zeit, das bis hin zu deren Verschwinden gehen kann. Meist erfolgt eine Dehnung der Zeit, so daß Sekunden subjektiv als Minuten oder Stunden erlebt
werden können. Eine mögliche Erklärung ist, daß durch die Überfülle der eingehenden Reize
das psychische Moment verringert wird, um alle Empfindungen noch verarbeiten zu können.
Damit geht eine subjektive Verlängerung der Zeitspanne einher. Psychologische Testverfahren
ergaben aber, daß solcherart eine maximale Veränderung nur etwa um den Faktor 4 möglich
ist.19 Andererseits finden sich in Versuchsprotokollen Situationen beschrieben, in denen die
Zeit vollkommen aufgehört hat zu existieren.
Es wird so still! – aber anders als sonst – so unheimlich still. Die Zeit steht still …
die Zeit ist weg. Es gibt keine Bewegung. Die Ewigkeit – nein – das ist etwas
Grauenhaftes! Man muß ein Ende sehen.20
Da diese extremen Phänomene auch auftreten, wenn etwa durch Augenschirme und Ohrenschützer äußere Reize vermieden werden, kann eine Veränderung des psychischen Moments
hier nicht mehr ausschließlich als Erklärung herangezogen werden. Solche Erlebnisse entziehen sich weitgehend einer zufriedenstellenden psychologischen Ableitung. Sie werden
meist mit Stillstand und Apathie in Zusammenhang gebracht, in welchen eine Überschreitung
der Zeitlichkeit möglich ist.
Ich habe gar nicht das Gefühl, es komme ein nächster Moment … wie wenn alles zu
gleicher Zeit in einem Punkt wäre. So anspruchslos … es dünkt mich, der letzte
Moment sei anderswo. Nein, Angst habe ich nicht. Angst hat man vor etwas das
kommt … aber es ist kein Moment hinter dem andern.21
Dennoch treten auch Veränderungen in die entgegengesetzte Richtung auf, wenn also eine
Zeitspanne kürzer als objektiv gemessen erlebt wird. Im Vergleich zur Zeitdilatation tritt die
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Zeitkontraktion aber seltener auf. Auch fallen diese Abweichungen nicht so stark aus und bewegen sich in einem mit oben angeführter Theorie vereinbaren Rahmen.
Veränderung des Ichbewußtseins
Eine Veränderung der Persönlichkeit wird meist als äußerst unangenehm erlebt. Versuchspersonen berichten von einem Verlust sowohl der Körperlichkeit als auch der Seele. Oft ist
dieser Zustand auch verbunden mit Störungen des Körperschemas. Begriffe wie Leblosigkeit,
Entfremdung oder Leere werden assoziiert, die Umwelt und Mitmenschen als automatenhaft
und wie von selbst ablaufend angesehen.
Ich kann mich wie in einem Spiegel ständig kontrollieren, sehe meine Fehler und
die Störungen ein, habe aber nicht die Möglichkeit zu korrigieren.22 Grenzenlose
Gleichgültigkeit und Leere … Gefühl als ob ich nicht selber redete, sondern eine
andere Person.23 Ich bin zwei und schaue mir selbst zu – ich höre eine Stimme, aber
sie ist fremd.24
Gleichzeitig wird von einem Schwinden des Kontaktes zur Außenwelt und einer emotionalen
Entleerung, die bis zum völlig Verlust der Persönlichkeit geht, berichtet. Oft geäußerte Bilder
sind leblose Körper, Hampelmänner, Marionetten und Pappfiguren, welche an die Stelle von
Menschen getreten sind. Der Zustand des Vegetieren und Siechens scheint unabänderlich, wie
auch ein Weiterleben als sinnlos erachtet wird. In dieser Situation können Selbstmordgedanken entstehen, die insbesondere dann gefährlich werden, wenn der Proband nicht mehr gewahr ist, daß er noch unter LSD-Einfluß steht.∗
Ich habe nicht mehr das Gefühl, unter Lysergwirkung zu stehen … das ist nicht das
LSD, das bleibt so, das ändert sich nicht.25
Der Suicid eines Schizophrenen in der Depersonalisation ist ohne weiteres
einfühlbar, insbesondere, wenn der Zustand Vergleiche mit der früheren
Persönlichkeit erlaubt.26
Auffallend während einer LSD-Intoxikation sind auch die dabei auftretenden teilweise beträchtlichen Stimmungsschwankungen. So können klar depressive Phasen plötzlich in von
Hochgefühlen geprägte Stimmungen umschlagen, wenngleich Wechsel von einem Extrem ins
andere eher selten sind. Euphorie im Zusammenhang mit Persönlichkeitswandel und Depersonalisation tritt dann in mystischen Dimensionen auf, etwa als Manifestation der Vereinigung
von Individuum und dem Weltganzen oder als Wiedergeburtserlebnis. Solche Erlebnisse
werden aufgrund ihrer therapeutischen Wirksamkeit zum Teil in der LSD-Psychotherapie angestrebt. Wie bereits erwähnt, ist es aber wahrscheinlich nur mit Hilfe psychotherapeutischer
bzw. psychoanalytischer Methoden möglich, solche Phänomene zu erklären.
Flashbacks
In einigen Fällen können Wochen oder Monate, mitunter sogar noch Jahre nach der eigentlichen Intoxikation sogenannte Rückblenden auftreten, in denen das Erlebte meist in negativer
Form wiedererlebt wird. Erklärbar ist dieses Phänomen nur mittels psychischer Abwehrmechanismen, die zwar oberflächlich stark genug sind um ein Erlebnis im Unbewußten zu
halten, bei einer Schwächung aber die Episode wieder ins Bewußtsein dringen läßt.
Das Erleben setzt sich nun fort, nicht aufgrund einer anhaltenden
pharmakologischen Wirkung des LSD, sondern wegen der emotionalen Besetztheit
des freigewordenen unbewußten Materials.27
Faktoren, die Flashbacks provozieren sind neben der Einnahme anderer psychoaktiver Stoffe
wie Alkohol, Marihuana oder Antidepressiva Zustände körperlicher Schwächung wie z.B. an∗
Sämtliche LSD-Versuche, aus deren Protokollen hier zitiert wird, fanden unter ärztlicher
Aufsicht statt. In [4] schreibt W.A. Stoll ausdrücklich:
Von Bedeutung ist die Tatsache, daß recht merkbare Anklänge von Suizidalität bestanden; die ärztliche Überwachung
der Versuche ist daher unbedingt notwendig!
Unkorrigierte Fassung – Nur zur Durchsicht bestimmt
22
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haltender Schlaf- oder Nahrungsentzug. Stadien physischer Ermüdung, besonders die Perioden zwischen Wachen und Schlafen begünstigen weniger dramatische Flashbacks. Besonders aber Alltagssituationen, in denen ähnliche Elemente vorkommen, wie sie während des
LSD-Erlebens aufgetaucht sind (z.B. das Betreten dunkler Räume) können Rückblenden
hervorrufen.28
Variablen und Verlauf
Art und Verlauf einer LSD-Intoxikation hängen neben der Dosierung noch von anderen Faktoren ab, die im wesentlichen in der Persönlichkeit des Probanden begründet liegen. Dennoch
kann man die LSD-Intoxikation in gewisse Phasen einteilen.
Set und Setting
Bestimmende außerpharmakologische Faktoren sind die Persönlichkeitsstruktur und geistige
Gesundheit. So ist das LSD-Erleben von Psychiatriepatienten deutlich von deren unterbewußten Konflikten geprägt. Während bei Menschen mit hysterischer Persönlichkeit sehr
schnell Halluzinationen auftreten, erweisen sich etwa Neurotiker als extrem resistent.29
Weiters sind die Einstellung zu LSD und die daran geknüpften Erwartungen entscheidend.
Ebenso spielen Zielsetzung (etwa im Rahmen einer Therapie oder eines nichtmedizinischen
Selbstversuches) und Kenntnis um die Situation∗ und nicht zuletzt Fachwissen eine Rolle. All
diese Aspekte faßt man unter dem Begriff Erwartungsrahmen oder set zusammen.
Als Einnahmesituation oder setting versteht man die unmittelbare Umgebung und die konkreten Umstände, wie sie zur Zeit der Verabreichung vorherrschen.30 Dazu gehören vor allem
äußere Umweltreize akustischer und visueller Natur, da sie zum Ausgangsmaterial der Illusionen und Halluzinationen werden.
Einteilung in Phasen
Unter Wahrung individueller Unterschiede erscheint folgendes Schema den zeitlichen Verlauf
einer LSD-Intoxikation zu beschreiben am zweckmäßigsten:
1. Somatische Phase: Sie beginnt mit der Verabreichung des LSD. Sie ist gekennzeichnet von
vegetativen Symptome und dauert bis zum Einsetzen der vollen Wirkung an.
2. Perzeptuelle Phase: Pseudohalluzinationen und Wahrnehmungsveränderungen treten auf.
3. Psychische Phase: Sie umfaßt den Höhepunkt der Wirkung und dauert zusammen mit der
perzeptuellen Phase bis zu acht Stunden. Sie schließt Stimmungsschwankungen von Depression zu Euphorie, echte Halluzinationen und Auflösung von Zeit und Persönlichkeit ein.
4. Rekurrente Phase: Das normale Erleben dringt wieder ins Bewußtsein vor.31,32
Zusammenfassung
Der Einfluß von LSD äußert sich in massiven Veränderungen von Psyche, aber auch Physis.
Zu eindeutig körperlichen Symptomen gehören neben motorischen Fehlleistungen vor allem
vegetative Störungen. Wahrnehmungsveränderungen oder Pseudohalluzinationen, die insbesondere im visuellen Bereich auftreten, nehmen eine Mittelstellung ein, da sie zwar physiologisch bedingt, aber von psychischen Faktoren abhängig sind. Psychische Aspekte des LSDErlebens differieren bei jedem Individuum. Kennzeichnend sind allerdings dramatische Veränderung im Bereich der Zeit und Persönlichkeit, die bis hin zu deren Verschwinden gehen
können. Negative Nachwirkungen eines bad trip können Rückblenden darstellen, in welchen
∗
S. Grof bezeichnet das Verabreichen von LSD an eine Person ohne deren Wissen und
Einverständnis, wie dies etwa bei frühen psychologischen Untersuchungen oder während
der Hippie-Kultur gang und gäbe war, aber auch von Geheimdiensten als Mittel zur
Gehirnwäsche erwogen wurde, als kriminellen Erwartungsrahmen, da er die geistige und
körperliche Gesundheit der betroffenen Person nachhaltig schädigen kann.
Unkorrigierte Fassung – Nur zur Durchsicht bestimmt
23
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mitunter Monate später, das ursprünglich Erlebte wieder unvermittelt ins Bewußtsein rückt.
Schließlich können noch außerpharmakologische Variablen den Charakter der LSD-Wirkung
vor allem über den Erwartungsrahmen und die Einnahmesituation entscheiden beeinflussen.
Unkorrigierte Fassung – Nur zur Durchsicht bestimmt
24
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Error! Style not defined.
Literaturverzeichnis
[1] Topographie des Unbewußten, Stanislav Grof
Klett-Cotta. Stuttgart 1993
[2] LSD-Psychotherapie, Stanislav Grof
Klett-Cotta. Stuttgart 1983
[3] Drogen und Psychopharmaka, Robert M. Julien
Spektrum Akademischer Verlag. Heidelberg, Berlin, Oxford 1997
[4] LSD - Ein Phantastikum aus der Mutterkorngruppe, W.A. Stoll
in: Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie, Nummer 60
[5] Physiological and Genetic Investigations, in: LSD a Total Study, D.V. Sivar Sankar
PJD Publications Westbury. New York 1975
[6] General Effects of the Use of LSD, in: LSD a Total Study, D.V. Sivar Sankar
PJD Publications Westbury. New York 1975
[7] Manipulation of Time and Space (R. Fischer), in: LSD a Total Study, D.V. Sivar Sankar
PJD Publications Westbury. New York 1975
[1] Zur Psychopathologie der Lysergsäurediethylamidwirkung, A.M. Becker
in: Wiener Zeitschrift der Nervenheilkunde, Nummer 2
1
vgl. [2], S. 64 p.
cit. [2], S. 61
3
vgl. [2], S. 62 p.
4
vgl. [4], S. 285
5
vgl. [1], S. 30
6
ibd.
7
cit. part. [4], S. 287
8
vgl. [1], S. 55 pp.
9
ibd.
10
vgl. [4], S. 289 p.
11
ibd.
12
vgl. [2], S. 263
13
vgl. [6], S. 297
14
cit. [4], S. 289
15
vgl. [1], S. 61
16
vgl. [5], S. 486 pp.
17
cit. [5], S. 478
18
vgl. [5], S. 464 p.
19
vgl. [7], S. 364 pp.
20
cit. [8], S. 434
21
cit. [4], S. 293 p.
22
cit. ibd.
23
cit. [8], S. 427
24
cit. [8], S. 432
25
cit. [8], S. 426
26
cit. [8], S. 431
27
cit. [2], S. 251
28
vgl. [2], S. 252 p.
29
vgl. [2], S. 72
30
vgl. [2], S. 132
31
vgl. [3], S. 336
32
vgl. [6], S. 287
2
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25
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Kapitel 4: Mögliche Wirkmechanismen
Schon relativ bald nach Veröffentlichung der endgültigen Strukturformel des LSD fiel die
Ähnlichkeit dieser Droge mit dem gerade erst als Neurotransmitter identifizierten Hormon
Serotonin auf. Forscher in England und Amerika∗ sahen einen Zusammenhang zwischen der
Wirkung des Serotonins, oder besser gesagt dessen Fehlens, und den für LSD typischen
Symptomen, was zur Aufstellung erster Vermutungen und zu einer näheren Untersuchung der
LSD-Serotonin Wechselwirkung führte. Da heute nach allgemein anerkannter Auffassung die
kritische Wirkung über die Serotoninrezeptoren ausgeübt wird1, werden auch in den meisten
neueren Veröffentlichungen auf die Serotoninwirkung beschränkte Hypothesen besprochen.
Wie später gezeigt werden soll, ist diese Reduktion auf die serotoninerge Komponente der
Wirkung von Psychedelika zwar immer noch nicht frei von Ungereimtheiten, aber dennoch
ein durchaus brauchbarer Ansatz, um die Drogenwirkung zu erklären
In den über fünfzig Jahren, in denen LSD nun Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen
gewesen ist, ist es nicht gelungen, schlüssig zu erklären wie es seine Wirkung entfaltet. Es
wurden zwar unzählige Vermutungen geäußert, doch gibt es bis heute keine in sich
geschlossene, widerspruchsfreie Theorie, die alle Phänomene zu erklären imstande wäre.
Die heute vorliegenden Veröffentlichungen fallen in zwei Gruppen. Die einen können zwar
relativ anschaulich und überzeugend erklären wie die halluzinogene Wirkung entstehen
könnte, basieren in wesentlichen Teilen aber auf Vermutungen und Spekulationen, die
experimentell nicht ausreichend verifiziert werden können. Außerdem bergen sie die Gefahr
von nicht zulässigen Simplifikationen in sich, so daß sie zwar als Modelle durchaus tragbar
sind, den Ansprüchen, die an eine exakte Erklärung gerichtet werden, aber nicht in allen
Punkten gerecht werden können. Die andere Gruppe, und das ist die heutige Tendenz,
konzentriert sich auf Forschungen auf molekularer Ebene, und versucht so, geändertes
Verhalten infolge der Applikation von LSD bei Labortieren zu erklären. Diese
Veröffentlichungen sind aber aufgrund der strengen naturwissenschaftlichen Vorgangsweise
nur in der Lage ein einzelnes Phänomen, ein kleines Detail, das womöglich nur unter
bestimmten Voraussetzungen auftritt, zu erklären. Obwohl viele einzelne Studien vorliegen,
ist es nahezu unmöglich diese alle zu überblicken, um daraus eine gesamte widerspruchsfreie
Theorie zu formen. Dieses Versteifen der Forschergruppen auf Details, bei gleichzeitigem
Fehlen eines großen Ganzen, deutet für mich auch auf eine gewisse Hilflosigkeit der
Wissenschaft bei diesem Thema hin.
Bisherige Überlegungen
Bereits diesen älteren Hypothesen liegt die Annahme zugrunde, daß aufgrund der
Strukturverwandtschaft das LSD auf irgendeine Weise mit dem Serotonin im Gehirn
interagiert. Man nahm an, daß aufgrund der blockierenden Wirkung von LSD im peripheren
Gewebe, auch die zentralnervöse eine inhibierende sein müsse und formulierte eine Theorie,
gemäß der LSD psychotische Zustände auslöse. Daß die Serotoninblockade aber keinesfalls
der Grund für die Wirkung des LSD sein konnte, zeigten die Experimente mit Brom-LSD
(BOL), einem LSD-Molekül, dem ein einzelnes Brom-Atom angehängt wurde. Brom-LSD ist
nämlich in Gewebsproben nicht von normalem LSD zu unterscheiden, hat aber keine
halluzinogenen Effekte. Der Grund dafür könnte vielleicht in der mangelnden Affinität von
Brom-LSD für die Serotoninrezeptorsubtypen im Gehirn liegen; verläßliche Arbeiten zu
diesem Thema liegen allerdings nicht vor. Diese Entdeckung machte jedenfalls auf
dramatische Weise klar, wie unzulässig der Schluß von Periphere auf Gehirn ist, so daß die in
anfänglicher Euphorie veröffentlichten Erklärungen beträchtlich modifiziert werden mußten.
∗
J.H. Gaddum et.al. und D.W. Wooley et.al.
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26
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Praesynaptische Hypothese
Dieser Hypothese liegen erstmals Untersuchungen am Gehirn selbst zugrunde. Bei
Verabreichung von LSD wurde dabei ein um ca. 24 % erhöhter Serotoninspiegel festgestellt
während Brom-LSD nicht in der Lage war, Änderungen herbeizuführen. Gleichzeitig sank die
Konzentration des Serotoninabbauproduktes 5-HIAA, was auf eine Hemmung der
serotoninergen Neurotransmission hindeutet. Bei Versuchen mit narkotisierten Ratten konnte
dann gezeigt werden, daß nach einer LSD-Injektion im Bereich der Raphe Nuclei tatsächlich
die Serotoninneuronen, und nur diese, ihr sonst periodisches Feuern stoppen. Als
Wirkmechanismus wurde eine Blockade der Serotoninneuronen direkt am Zellkörper oder
Axon angenommen. Das würde die geringere Menge des Metaboliten und die höhere
Konzentration des Botenstoffes, der sich infolge der Blockade innerhalb des Neurons
angesammelt hätte, erklären.2
Leider hat diese Hypothese einige gewichtige Nachteile. Wenn nämlich LSD seine Wirkung
ausschließlich praesynaptisch entfalten würde, dann dürften keine Effekte feststellbar sein,
wenn die Serotoninneuronen vorher zerstört worden sind (Depletion). Genau das Gegenteil ist
aber der Fall, wie im Tierversuch gezeigt wurde. Ebenfalls gegen die praesynaptische
Hypothese spricht, daß viele LSD-induzierte Verhaltensweisen die Hemmung der
Serotoninneuronen überdauern und die gedämpfte Aktivität der Neuronen auch dann noch
nachweisbar ist, wenn infolge einer Toleranzentwicklung überhaupt kein Effekt mehr
beobachtet werden kann.
Postsynaptische Hypothese
Diese Hypothese klärt einige der entstanden Ungereimtheiten. Wenn LSD nämlich auch über
postsynaptische Rezeptoren wirkt, stellt ein Zerstören der serotoninergen Neuronen keinen
Widerspruch mehr dar. In einem solchen Fall, bilden sich nämlich auf den Dendriten des
nachgeschalteten Neurons vermehrt Rezeptoren (Proliferation), die zudem empfindlicher für
Serotonin sind, quasi um einen Ausgleich herzustellen. Auch die Toleranzerscheinungen sind
mit dieser Hypothese erklärbar, da bei häufiger Verabreichung von LSD aufgrund des
Überangebotes die Zahl der Rezeptoren automatisch sinkt, was auch durch Studien mit
radioaktiv markierten Partikeln bewiesen werden konnte.
LSD und Traum
Die Überlegung, daß die Effekte des LSD mit traumhaften Erleben in Verbindung stehen,
wurde 1979 publiziert und stellt, da die Vermutungen auch experimentell untermauert werden
konnten, einen überaus spannenden Aspekt der LSD-Forschung dar.
Das Serotoninsystem mit seinen vielen Verzweigungen ist geradezu prädestiniert dafür, Schlaf
und Wachheit zu steuern. So wirken diese periodisch feuernden Neuronen auch als eine Art
Regler des Wachheitsgrades. Gerade diese Periodizität vermag aber in beide Richtungen
verändert zu werden. Eine Modulierung nach oben hat gesteigerte Aufmerksamkeit zur Folge,
während eine Depression der Neuronen mit den verschiedenen Schlafphasen einher geht.
Wenn die Neuronen ganz zu feuern aufgehört haben, befindet sich das Individuum im
REM-Schlaf, jener Phase in der Träume entstehen und Unbewußtes ins Bewußtsein aufsteigt.
Eine spezielle Apparatur, die die Entladungen einzelner Neuronen über längere Zeit aufzeichnet und auch an wachen und ansonsten sich frei bewegenden Tieren angebracht werden
kann, wurde herangezogen, um zuerst diese Korrelation von Schlaf und Feuern der
serotoninergen Neuronen zu verifizieren. Anschließend wurde den Versuchstieren LSD
appliziert und wiederum die Neuronentätigkeit aufgezeichnet. Es konnte gezeigt werden, daß
LSD ähnliche Muster im Feuern der Neuronen bewirkt, wie sie in der REM-Phase auftreten.
Beginn und Höhepunkt der Drogenwirkung stimmten dabei weitgehend mit der neuronalen
Änderung überein.3 Das Stoppen des Feuerns der Serotoninneuronen setzt sofort nach
Applikation der Droge ein und erreicht nach etwa einer Stunde den Tiefstwert mit ca. 20-25%
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27
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Aktivität
der ursprünglichen Stärke. Dann setzt das Feuern wieder langsam ein. Der Ausgangszustand
ist nach frühestens sechs bis acht Stunden wieder hergestellt – zu diesem Zeitpunkt sind die
Symptome der LSD-Wirkung aber
immer noch feststellbar. Die folgenden
Depression der Serotoninneuronen
beiden Fragen können dadurch aber
100%
dennoch nicht beantwortet werden:
1. Warum die LSD-induzierte
80%
Depression der serotoninergen
Neuronen im Schnitt nur sechs
60%
Stunden dauert, die
Verhaltensänderungen bei den
40%
Impulsstärke
Versuchstieren aber bedeutend
länger.
20%
2. Warum eine erneute Gabe von LSD
zwar die gleichen Effekt auf die
0%
0
1
2
3
4
5
6
serotoninergen Neuronen ausübt,
Ze it in h
aber keine Verhaltensänderung zur
Graphik 3: Hemmung der Neuronenaktivität4
Folge hat.
Die postsynaptische Hypothese bietet
auch hier einleuchtende Erklärungsansätze. Wenn das Serotoninsystem nur als Auslöser
fungiert und die eigentliche Wirkung erst an den nachgeschalteten Neuronen zum Tragen
kommt, bedeutet die Aufhebung der Blockade an den Serotoninneuronen nur, daß der
Botenstoff wieder ausgeschüttet werden kann und sich das Gleichgewicht an den einzelnen
Rezeptoren wieder herstellen kann. Erst ab diesem Zeitpunkt wäre also ein echtes Abklingen
der Drogenwirkung zu erwarten. Auch die verhältnismäßig lange Zeitspanne, die zwischen
dem Ende dieser Blockade und dem völligen Aussetzten der Symptome, kann erklärt werden,
wenn man bedenkt, daß LSD ein hochaffiner Stoff ist, dessen Verdrängen von den
postsynaptischen Rezeptoren durch den körpereigenen Neurotransmitter einige Zeit dauern
kann, bis das ursprüngliche Gleichgewicht wieder hergestellt ist. Auch das Phänomen
Toleranz kann mit der postsynaptischen Hypothese gut verstanden werden, da infolge des
hochpotenten LSD die Sensibilität der postsynatischen Neuronen schnell und stark
herabgesetzt wird.∗ Nach einigen Tagen ohne LSD-Gabe verliert sich diese Toleranz aber
ebenso rasch wieder.
Dieses Modell kann auch dahin erweitert werden, daß man die Rolle des Serotoninsystems als
Umschaltstelle für eingehende Reize genauer beleuchtet. In jedem Fall bewirkt nämlich die
Aufhebung der inhibitatorischen Serotoninnetzwerke ein Einströmen verschiedenster Eindrücke, wie sie unter “gewöhnlichen” Umständen selten oder nie auftreten, da sie die verschiedenen physiologischen und psychischen Filterinstanzen hier nicht passieren können.
Eine der spekulativen Vorstellungen über Art und Weise, wie Halluzinogene die
eindrucksvolle Änderung von Stimmung, Wahrnehmung und Denken bewirken, ist
die, daß die Raphe [Mittellinie] der Brückenregion im Hirnstamm, ein
Hauptzentrum der Serotoninaktivität im Gehirn, gleichsam als Filterinstanz für
einströmende sensorische Stimuli dient. Sie durchmustert die Flut der
Empfindungen und Wahrnehmungen und unterdrückt solche, die unwichtig,
belanglos oder stets wiederkehrend sind. Eine Droge wie LSD kann diesen
Auswahlvorgang beeinträchtigen, so daß eine Menge sensorischer Information ins
Bewußtsein dringt und die neuronalen Schaltkreise im Gehirn überlädt.
Deshabituation, also der Zustand, in dem das eigentlich vertraute völlig neuartig
erscheint, ist eine typische LSD-Wirkung. Auch sie kann dadurch verursacht
∗
vergleiche dazu auch den Begriff Depletion auf Seite 27
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28
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werden, daß über eine Hemmung der Raphe-Aktivität die sensorischen Schranken
durchlässiger werden.5
Verblüffenderweise entspricht dieses Zitat, das einer neuen Publikation entnommene wurde,
im wesentlichen jener Erklärung, die der britische Philosoph und Schriftsteller Aldous Huxley
in seinem berühmten Essay “Die Pforten der Wahrnehmung” bereits in den 50er Jahren allein
aufgrund seiner Selbsterfahrungen abgegeben hatte.∗ Das hier vorgestellte Modell, ist im
Grunde das einzige, das die LSD-Wirkung einheitlich erklären kann. Es ist zwar nicht
imstande innerzelluläre und innerneuronale Vorgänge zu beschreiben, bietet dafür aber
sowohl Erklärungsansätze für die veränderte Wahrnehmung als auch für das Auftreten von
unbewußten Erlebnisinhalten ins Bewußtsein, ein Vorgang der vor allem in der LSD
unterstützten Psychotherapie zum Tragen kommt. Abschließend kann gesagt werden, daß
diese Theorie tatsächlich wichtige Punkte des psychedelischen Erlebens schlüssig zu erklären
vermag.
Aktueller Forschungsstand
In diesem Abschnitt werden vor allem einzelne, teilweise widersprüchliche Experimente
beschrieben und kurz die Möglichkeiten erörtert, wie sie sich in das Bild einer einheitlichen
Theorie fügen würden.
Beteiligte Rezeptoren
Um zu bestimmen an welche Rezeptoren und mit welcher Affinität LSD und andere
Psychedelika binden, bedient man sich einer Technik, die in der Literatur als ReceptorBinding-Assay bezeichnet wird. Dabei wird ein für einen bestimmten Rezeptor als Inhibitor
definierter Stoff radioaktiv markiert und verabreicht. Nach einiger Zeit, in der die Liganden an
die Rezeptorkomplexe binden, kann die Radioaktivität der gebundenen Moleküle gemessen
werden. Nun wird die zu untersuchende Substanz appliziert und die nun festellbare
Radioaktivität in einem Diagramm gegen die Konzentration des neuen Liganden aufgetragen.
Jene Konzentration, die nötig ist, um die Hälfte der radioaktiven Inhibitormoleküle von ihren
Bindestellen zu verdrängen, ist charakteristisch für eine Substanz und wird durch den
sogenannten KI -Wert angegeben.
Substanz
Potenz [mg]∗∗
ED 50∗∗∗ [mg/kg] KI-Wert [nM]
1 LSD (+)
0,1
0,05
2,5
2 DOB (-)
0,5
0,1
60
3 DOM (-)
1,75
0,21
60
4 N-Me DOM (+)
–
1,22
390
5 TMA (+) - 2 ,4 ,5
20
3,59
1.650
nicht halluzinogen
–
33.600
6 PMA
6
Tabelle 5: Pharmakologische Werte ausgewählter Substanzen
∗
Huxley wußte dabei natürlich nicht von der Rolle des Serotoninsystems und den Raphe
Nuclei, sprach aber von einem Ventil, das eingehende Reize, die für das Überleben nicht
wichtig wären abhalten würden und psychedelische Substanzen dieses Ventil zu offnen im
Stande wären.
∗∗
Potenz angeben für den Menschen, in absoluten Werten (mg)
∗∗∗
ED50 gibt jene Menge an, die nötig ist um bei der Hälfte einer Population signifikante
Wirkungen zu erzeugen
Unkorrigierte Fassung – Nur zur Durchsicht bestimmt
29
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log (1/KI-Wert)
In einer im Jahr 1984 durchgeführten Messung, bei der [3H]Ketanserin∗ als Inhibitor für den
5-HT2 Rezeptor verwendet wurde, fand man einen engen Zusammenhang zwischen der
Affinität von Psychedelika für diese Bindestelle, und ihrer halluzinogenen Potenz. 7
Die tatsächlichen Ergebnisse liegen mit hoher Korrelation (r = 0,924) um den gezeichneten
Graphen. Ein großer Wert auf der Abszisse bedeutet, daß eine geringe Menge des Stoffes für
eine halluzinogene Wirkung genügt (hohe Potenz). Ein hoher Wert auf der Ordinate weist auf
eine hohe Affinität (kleiner KI -Wert) für 5-HT2 Rezeptoren hin. LSD kommt in diesem
Graphen ganz rechts oben zu liegen, da es affiner und potenter als jeder andere bekannte Stoff
ist. Nichthalluzinogene Stoffe wie
PMA erreichen so negative Werte, daß
Potenz - Affinität
sie gar nicht mehr dargestellt werden
können.
-3
-2
-1
0
1
In der Tat scheint also die außerge0
1!
wöhnlich hohe Affinität des LSD für
2!
3!
5-HT2 Rezeptoren ein Schlüssel für
-1
den Wirkmechanismus zu sein, so daß
-2
die Folge dieser Studie sein könnte,
!
4
die LSD-Wirkung auf diesen Re-3
!
zeptorsubtyp zu reduzieren. Dem ent5
gegen steht, daß in dieser Veröffent-4
lichung nur die 5-HT1 und 5-HT2 Sublog (1/Potenz) mM
typen untersucht wurden, und innerhalb der Klassen keine UnterscheiGraphik 4: Halluzinogne Potenz8
dungen vorgenommen wurden.
Außerdem kann man Zweifel an der ausschließlichen Affinität des Inhibitors für 5-HT2
hegen. Es wäre also durchaus möglich, daß LSD auch an andere Rezeptoren, wie etwa den
5-HT1C Rezeptor bindet, was aber in diesem Versuch nicht als eigene Bindestelle identifiziert
hätte werden können. Auch muß man sich vor Augen halten, daß eine Bindestelle nicht
gleichbedeutend mit einem Rezeptor sein muß, da auch Enzyme und Proteine die Liganden
aufnehmen können.
Das Serotoninsyndrom
Eine grundsätzliche Schwierigkeit besteht darin, daß bei vielen LSD-Forschungsreihen
Tierversuche durchgeführt werden müssen und somit das Auftreten von Halluzinationen nicht
mehr gesichert bestimmt werden kann. Es existieren allerdings eine Reihe von verschiedenen
Verhaltensweisen die bei den Versuchstieren (meist Katzen) nur dann auftreten, wenn ihnen
Serotonin oder bestimmte verwandte Substanzen verabreicht
werden. Neben allgemeinen Anzeichen von Unruhe und
Verwirrung wird vor allem ein abnorm häufiges Putzen der Pfoten
(limb flick) beobachtet. Serotoninerge Psychedelika wie LSD, aber
auch DOM lösen dieses Syndrom ebenfalls aus, während
cannabinoide Stoffe wie THC∗∗ oder ausschließlich dopaminerge
Substanzen keine Wirkung zeigen. Die Anzahl der limb flicks kann
auch quantitativ zur Bestimmung der Potenz des Psychedelikums
herangezogen werden, wobei bei Applikation von LSD die
Abbildung 6: Limb flick
höchsten Werte gemessen wurden.9
∗
Es ist üblich das radioaktive Atom in eckigen Klammern anzugeben. Bei den meisten,
relativ einfachen, organischen Molekülen kommt dafür nur das Tritium in Frage.
∗∗
THC, kurz für ∆-TetraHydroCannabinol, ist der Wirkstoff des Marijuana.
Unkorrigierte Fassung – Nur zur Durchsicht bestimmt
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Wie dieses Syndrom auf molekularer Ebene zu erklären ist, ist noch nicht vollständig geklärt.
Es tritt auch bei Tieren auf, deren serotoninerge Neuronen durch Neurotoxine (Nervengifte)
zerstört worden sind (meist sogar verstärkt), so daß man eine postsynaptische Wirkung
folgern muß. Die Tatsache, daß bei einer vorherigen Inhibition der Serotoninsynthese
ebenfalls die Verhaltenseffekt verstärkt werden, ließe sich damit erklären, daß an bestimmten
Subtypen durch das fehlende Serotonin nun Bindestellen LSD frei werden. Die Blockierung
dieses Syndroms durch Serotonin-Antagonisten mußte sich eines ähnlichen Mechanismus
bedienen. Warum aber ausgerechnet die weniger affinen Antagonistenmoleküle die
hochaffinen Psychedelika von den Rezeptoren verdrängen sollten, kann nicht schlüssig
gezeigt werden. Zweifel, ob das Serotoninsyndrom auch wirklich nur mit halluzinogenem
Erleben in Zusammenhang steht sind bei solchen Untersuchungen aber stets in Betracht zu
ziehen.10,11
Diskriminationsexperimente
Dieser Art von Versuchen werden benutzt, um die Gemeinsamkeiten oder Unterschiede von
bestimmten Substanzen zu bestimmen. Dabei wird Labortieren (meist Ratten) eine bestimmte
Verhaltensweise, zum Beispiel das Drücken eines Hebels, um Futter zu erhalten antrainiert.
Anschließend wird den Tieren die training drug verabreicht, die im Falle eines Halluzinogens
eine etwa 20minütige Pause im Drücken des Hebels bewirkt. Wird aber eine Salzlösung
appliziert bleibt diese halluzinogene Pause aus, das Tier kann also diese beiden Stoffe
unterscheiden. Jetzt wird je eine der training drug ähnliche Substanz gegeben; aufgrund der
Reaktion im Verhalten können infolge der unterschiedlichen Spezifitäten der
Anfangssubstanzen Rückschlüsse auf gemeinsame Wirkmechanismen gewonnen werden.12,13
Training Drug Testsubstanz
Antwort
5-HT Agonist LSD, DOM, …
positiv
5-HT2 Agonist LSD, DOM, …
positiv
LSD
nichtselektive 5-HT Agonisten
positiv
LSD
THC
negativ
Tabelle 6: Generaliserungseffekt zwischen verschiedenen Halluzinogenen
Die in Tabelle 6 aufgeführten Ergebnisse entsprechen also auch im wesentlichen den andern
in diesem Kapitel beschrieben Erkenntnissen.
Agonist oder Antagonist
Eine sehr kontroversielle Frage ist, ob LSD als Agonist oder Antagonist an den
Serotoninrezeptoren wirkt. Daß eine rein antagonistische Wirkung eher unwahrscheinlich ist,
zeigen ja bereits die Erkenntnisse mit Brom-LSD, dennoch scheinen einige Punkte, wie z.B.
die Depression der Serotoninneuronen nur mit einer blockierenden Wirkung erklärbar. Eine
Untersuchung aus dem Jahre 1990 versuchte diese Widersprüche zu klären und kam zu dem
Schluß LSD müsse als partieller Agonist wirken, was in manchen Fällen die antagonistische
Reaktion erklären könnte.14 Es wurden dabei verschiedene, bereits bekannte 5-HT2 induzierte
Ereignisse nochmals im Tierversuch nachvollzogen, um die These des partiellen Agonismus
testen zu können. Es ergaben sich dabei folgende pharmakologische Erkenntnisse:
1. Der Agonismus des LSD ist nur etwa 25% so stark wie der des Serotonins. Dieser Wert
stimmt sehr gut mit der maximalen Depression der serotoninergen Neuronen überein. Zu
bedenken ist allerdings, daß bei dieser Depression eher Autorezeptoren und nicht 5-HT2
Rezeptoren beteiligt sind, was gegen eine nur einen Subtyp umfassende Theorie spricht
(siehe auch Graphik 3). Außerdem besitzt LSD die Fähigkeit alle als durch 5-HT2
Agonisten induzierbaren klassifizierten Ereignisse zu inhibieren.
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2. Trotz seiner geringeren Effektivität ist LSD einige hundert Mal potenter als Serotonin, was
bedeutet daß LSD mit einer ungleich höhereren Affinität und somit größeren
Nachhaltigkeit an die kritischen Rezeptoren binden muß.
3. LSD ist eine schwach-selektive Substanz, die an alle Serotoninrezeptoren bindet, aber nur
an einigen Subtypen signifikante Wirkungen entfaltet. Fehlt ein weiterer Agonist, scheint
LSD als Agonist zu wirken, ist aber ein Agonist mit höherer Effektivität vorhanden, scheint
die Wirkung antagonistisch zu sein.15
Wie bei allen Forschungen, die auf Tierversuchen und Ergebnissen auf molekularer Ebene
basieren, ist auch hier große Vorsicht geboten, wenn es daran geht halluzinogene Effekte zu
erklären. Es gibt kein gültiges Mittel, um festzustellen ob die LSD-Wirkung bei Tieren mit
jener beim Menschen überhaupt vergleichbar ist. So könnte es auch sein, daß nur vegetative
Symptome oder Nebenwirkungen untersucht worden sind, die mit den psychedelischen
Effekten nichts zu tun haben. Diese Untersuchung zeigt vor allem, daß allem Anschein nach
mehrere Subtypen beteiligt sind und die Serotonin-LSD Wechselwirkung zu komplex ist, um
sie mit den heutigen Mitteln gänzlich zu erfassen.
Modulierung der Wirkung
Durch eine vorangehende oder nachfolgende Gabe verschiedener Psychopharmaka kann die
Art der LSD-Wirkung beeinflußt werden. Die meisten dieser Erkenntnisse stammen aber aus
Tierversuchen, so daß man keine verläßlichen Angaben über die Qualität der Änderung geben
kann. Nur die Neuroleptika werden gelegentlich bei Menschen angewandt, um sogenannte
bad trips infolge einer LSD-Intoxikation abzuschwächen.
1. Verstärkend wirken Stoffe die eine zusätzliche Blockade am serotoninergen Zellkörper
auslösen und/oder die Synthese hemmen. Der Wirkmechanismus beruht wahrscheinlich auf
einer erhöhten Verfügbarkeit von jenen Rezeptor-Subtypen, an die LSD bevorzugt bindet.
Auch das Fehlen von Schlaf verstärkt im allgemeinen die Wirkungen. Welcher
Mechanismus diesem Phänomen zugrunde liegt ist aber nicht bekannt.
2. Hemmend wirken alle Serotoninantagonisten, besonders 5-HT2 Antagonisten. Sie besetzen
die Bindestellen, so daß weniger LSD-Moleküle binden können. Auch eine hohe Menge
von MAO-Hemmern setzt die Drogenwirkung merklich herab und kann bei entsprechend
langer Vorbehandlung nahezu zur Immunität gegenüber LSD-Wirkungen führen.
Ausführlich untersucht wurde dieses Phänomen anhand des Antidepressivums Niamid.16
Zusammenfassung
LSD und verwandte Stoffe wirken wahrscheinlich über die Rezeptoren des Neurotransmitters
Serotonin und entfalten ihre Wirkung postsynaptisch. Das Serotoninsystem dient dabei nur als
Auslöser und setzt Prozeße in vielen unterschiedlichen Gehirnarealen in Gang. Die Erklärung
der LSD-Wirkung auf molekularer Ebene ist problematisch, da sie nur in Tierversuchen überprüfbar und in der Regel sehr speziell ist. Hieraus gewonnene Erkenntnisse beschränken sich
auf die Korrelation zwischen Affinität und Potenz an den Serotoninrezeptoren, sowie
Wirkungen einzelner Rezeptorsubtypen und Versuchen mit radioaktiv markierten Stoffen.
Eine umfaßende Erklärung vermag das Modell von LSD und Traum zu geben, in welchem der
Zustand der LSD-Wirkung mit den REM-Phasen verglichen wird. Allerdings muß darauf
hingewiesen werden, daß es gegen diese Gleichsetzung Vorbehalte gibt, die sich vor allem auf
Unterschiede im EEG beziehen. Dennoch können auch Übereinstimmungen im Experiment
gezeigt werden. Durch die Hemmung ansonsten aktiver Auswahlmechanismen steigert sich
die Menge der eingehenden Reize enorm, so daß diese nicht mehr normal verarbeitet werden
können, und es zu einer Art Tagtraum kommt. Schwachpunkte solcher Überlegungen liegen
vor allem in der Beweisbarkeit. Auch auf die Beteiligung der einzelnen Rezeptorsubtyopen
kann noch keine zufriedenstellende Antwort gegeben werden. Als Modellvorstellung ist diese
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Hypothese aber durchaus haltbar und auch einleuchtend. Nachfolgend seien noch die
vorkommenden pharmakologischen Fachbegriffe erläutert:
Agonismus bedeutet, daß eine Substanz sich an einen Rezeptor bindet und dort Wirkungen
hervorruft, die mit denen des körpereigenen Liganden (meistens eines Neurotransmitters)
vergleichbar ist. Ist die Wirkung zwar von der gleichen Qualität, jedoch signifikant
schwächer, so spricht man von partiellem Agonismus. Bindet eine Substanz zwar an den
Rezeptor, hat aber keine Wirkung zur Folge, spricht man von Antagonismus.
Potenz gibt das Verhältnis von Dosis und (meßbarer) Wirkung eines bestimmten Stoffes an. Je
geringer die Menge ist, um eine bestimmte Reaktion hervorzurufen, desto höher ist die Potenz.
Ein gebräuchliches Maß zur Festlegung der Potenz ist die ED50, jene Menge, bei der die Hälfte
einer Population Wirkung zeigt. Der Begriff der Potenz sagt aber nichts über die Art der
Wechselwirkung des betreffenden Stoffes mit Rezeptoren im Gehirn oder Peripherie aus.
Affinität gibt an, wie stark ein Ligand an einen bestimmten Rezeptor(subtyp) bindet. Ein Maß
für die Stärke dieser Bindung ist der KI -Wert. Die Affinität gibt nur dann über die Wirkung
Auskunft, wenn sie, wie bei den hier besprochenen Substanzen, mit der Potenz korreliert.
Spezifität gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Ligand an einen bestimmten Rezeptor
bindet. Bei schwach-spezifischen Substanzen ist die Spezifität, nicht aber damit auch die
Effektivität, für jeden Subtyp annähernd gleich.
Effektivität ist ein Maß für die Reaktion, welche ein Ligand an einem Rezeporkomplex
hervorruft. Wird die Wirkung des körpereigenen Liganden übertroffen, spricht man von
Agonismus, wird sie unterschritten, von einem Antagonismus. Als partiellen Agonist bzw.
Antagonisten bezeichnet man Stoffe, die am Rezepor gebundnen, nur schwach agonistisch
bzw. antagonistisch wirken, jedoch wirksamerer (effektivere) Stoffe aufgrund ihrer höheren
Affinität verdrängen.17
Literaturverzeichnis
[1] Drogen und Psychopharmaka, Robert M. Julien
Spektrum Akademischer Verlag. Heidelberg, Berlin, Oxford 1997
[2] Mechanisms of Action of LSD, Barry L. Jacobs
in: American Scientist, Volume 67
[3] How Hallucinogenic Drugs Works, Barry L. Jacobs
in: American Scientist, Volume 75
[4] Evidence for 5-HT2 Involvement in Action of Hallucinogens, Richard A. Glennon
in: Life Sciences, Volume 35
[5] Do Classical Hallucinogens Act As 5-HT2 Agonists, Richard A. Glennon
in: Neuropsyhopharmacology, Volume 3, Nr. 5/6
[1] Topographie des Unbewußten, Stanislav Grof
Klett-Cotta. Stuttgart 1993
1
vgl. [1], S. 325 p.
vgl. [2], S. 398 pp.
3
ibd.
4
Basisdaten aus [2], S. 402
5
cit. [1], S. 331
6
alle Daten aus [4], S. 2507
7
vgl. [4], S. 2505 pp.
8
leicht verändert nach [4], S. 2509
9
vgl. [2], S. 400 p.
10
ibd.
11
vgl. [5], S. 514
2
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12
vgl. [3], S. 390
vgl. [5], S. 513
14
vgl. [5], S. 509
15
vgl. [5], S. 511 pp.
16
vgl. [6], S. 239
17
vgl. [1], S. 523 pp.
13
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Kapitel 5: Die LSD-Psychotherapie
Der Einsatz von LSD in der psychiatrischen Praxis wurde bereits in den ersten Publikationen
erwogen. Jedoch wurde in den wenigsten Fällen den besonderen Eigenschaften dieser Substanz Rechnung getragen, bestand die “Therapie” doch nur aus der bloßen Verabreichung von
LSD, ohne begleitende oder vorbereitende psychotherapeutische Sitzungen. Die Forschungen
konzentrierten sich dabei fast ausschließlich auf schizophrene Patienten, da man an einen Zusammenhang zwischen LSD-Intoxikation und Schizophrenie glaubte. Bedenkt man, wie
schwierig es ist, korrekte Diagnosen, schizoide Störungen betreffend, abzugeben, erscheinen
Protokolle wie folgendes aus einer Untersuchungsreihe von F. Jost et.al. mehr als bedenklich:
Fall 9 (Prot.-Nr. 569): 39jährige Hausfrau. Diagnose: Chronische Schizophrenie.
Therapie: Zwei LSD-Applikationen; anschließend mehrere Elektroschocks: keine
Wirkung
Tatsächlich kann man solche Behandlungsweisen allenthalben als Schocktherapie, ähnlich wie
etwa Elektro- oder Insulinschockkur bezeichnen, und waren daher auch ähnlich wirkungslos.
Von einer Psychotherapie kann in der Anfangsphase der LSD-Forschung daher nicht die Rede
sein. Erst in den 60er Jahren wurden geeignete Behandlungsformen gefunden, die auch
psychotherapeutischen Ansprüchen genügten und somit mehr Hoffnung auf Erfolg zuließen.
Formen
Gemeinsam ist den ernstzunehmenden Formen der LSD-Psychotherapie, daß LSD nicht mehr
als Pharmakon∗, das ohne Zutun und per se wirkt, gesehen wird, sondern als Hilfsmittel im
Verlauf eines therapeutischen Prozesses. Als Pioniere auf diesem neuen Gebiet der Psychiatrie
wirkten Persönlichkeiten wie Humphrey Osmond, Hans Carl Leuner oder Stanislav Grof. Auf
ihren Arbeiten und Ergebnissen beruht auch dieses Kapitel.
Psycholytische Therapie: Die Grundlage dieser Form basiert auf den Kernaussagen der
Freudschen Theorie der Psychoanalyse. Die Therapie besteht fast ausschließlich aus
LSD-Sitzungen im zeitlichen Abstand von etwa jeweils Woche. Die Dosierung ist allerdings
eher niedrig gehalten. Der therapeutische Prozeß ähnelt im wesentlichen der klassischen
Psychoanalyse, mit dem Unterschied, daß traumatische Kindheitserlebnisse vollständig und
systematisch wiedererlebt werden. Dadurch kommt es viel schneller zu Resultaten.∗∗ Die Besonderheiten der LSD-Wirkung bringen jedoch mit sich, daß eine viel direktere Beziehung
zwischen Patient und Therapeut als sie sonst in der Psychoanalyse erlaubt ist, notwendig wird.
Grundlegendes Problem bei dieser Form ist aber, daß nicht alle auftretenden Phänomene mit
Freudschen Mitteln erklärt werden können, und deren Dimensionen sprengen, insbesondere
wenn es sich um transpersonale Erlebnisse oder transzendentale Zustände handelt, die das
psychoanalytische System nicht zuläßt.1
Anaklitische Therapie: Ist eine Erweiterung der psycholytischen Therapie, in der die Distanzierung zwischen Patient und Therapeut aufgehoben wird, und insbesondere auch Körperkontakt in dramatischen Phasen der LSD-Wirkung gestattet wird. Diese Therapieform basiert
∗
∗∗
Bevor die Sandoz AG 1963 die Abgabe von LSD sperrte, wurde es unter dem
Markennamen Delysid (LSD-25) an Ärzte abgegeben. Auf dem Beipacktext finden sich
folgende Indikationen:
a)Zur seelischen Auflockerung bei analytischer Psychotherapie, besonders bei Angst- und Zwangsneurosen
b)Experimentelle Untersuchungen über das Wesen der Psychosen
Die Verkürzung beträgt nach einer Schätzung H.C. Leuners etwa zwei Drittel im Vergleich
zur sonst benötigten Zeit. Allerdings muß man bedenken, daß sich die klassische
Psychoanalyse Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinziehen kann, bis sie zu Ergebnissen
kommt.
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auf der Überlegung, rückwirkend in Kindheitserlebnisse einzugreifen und diese, nachdem sie
nacherlebt wurden, positiv aufzulösen. Die Dosierung entspricht in etwa der, die in der
psycholytischen Therapie angewandt wird. Der theoretische Rahmen wird dabei auch um
archetypische und mystische Elemente ausgebaut. Meist stehen diese Elemente mit Bildern
des Verschmelzens und Einsseins in Zusammenhang, daher auch die synonyme Bezeichnung
Fusionstechnik.2
Psychedelische Therapie: Diese Technik unterscheidet sich von beiden oben genannten insofern, als daß in ihr psychopathologische oder -analytische Aspekte nur eine untergeordnete
Rolle spielen. Die Therapie besteht meist nur aus einer einzigen, höchstens zwei oder drei
Sitzungen, in denen eine sehr hohe Dosis verabreicht wird.∗ Ziel ist es, ein psychedelisches
Gipfelerlebnis beim Patienten zu erzielen, das sich als therapeutisch sehr wirksam erwiesen
hat. Dementsprechend spielen ästhetische, spirituelle und mystische Aspekte, verschiedener
geistiger Orientierungen eine entscheidende Rolle. Im Gegensatz zur psycholytischen
Therapie wird nicht versucht unbewußte Strukturen kontinuierlich zu verändern, um so eine
tiefgreifenden Heilung zu erreichen, sondern in einer relativ kurzen Zeit einen radikalen
Wandel zu vollziehen. Allerdings ist das Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen
minimal, so daß die “Alles-oder-nichts”-Philosophie3 der psychedelischen Therapie trotz ihrer
großen Erfolge oft kritisiert wird. Die Anwendung dieser Therapie blieb vor allem auf
Amerika konzentriert, allerdings sorgten auch hier nicht-medizinische LSD-Selbstversuche,
die u.a. von Timothey Leary initiiert wurden, und mit psychedelisch bezeichnet wurden, dafür,
daß diese Art der Therapie teils zu Unrecht in Verruf kam.4
Daneben gibt es auch andere Formen, wie etwa die hypnodelische Therapie, in der Hypnosetechniken zum Einsatz kommen, oder die Gruppentherapie. Diese Formen sind entweder zu
speziell oder mit gravierenden Mängeln behaftet, so daß sie nicht von großer Bedeutung sind.
Grundlagen
Spannend ist nun, wie die in einer LSD-Sitzung auftretenden Phänomene mittels einer
Theorie∗∗ in einen sinnvollen Kontext gebracht werden können. Selbstverständlich ist es
illusorisch zu glauben, diese komplexen Mechanismen auf wenigen Seiten erläutern zu
können. Daher möchte ich mich auf eine relativ oberflächliche Beschreibung beschränken,
auch um den Schwerpunkt auf den naturwissenschaftlichen Aspekten zu belassen. Für tiefergehende Studien sei auf die Veröffentlichungen S. Grofs verwiesen, die einen Großteil des
Spektrum psychotherapeutischer und allgemeiner LSD-Forschung abdecken.
Das Erleben unter LSD-Einfluß kann in verschiedene Schichten eingeteilt werden. Diese
Schichten werden nacheinander im Verlaufe der Therapie in den einzelnen Sitzungen durchlaufen, wobei die Abfolge bei entsprechend hoher Dosierung und Persönlichkeit des Patienten
teilweise aber auch schon in einer einzigen Sitzung erfolgen kann.
Abstrakte und ästhetische Erfahrungen bilden die oberflächlichste Schicht. Sie entsprechen
den schon in Kapitel 3 beschriebenen Wahrnehmungsveränderungen. Ein literarisches
Exempel für eine Sitzung die zum Großteil unter dem Einfluß dieser Schicht steht, ist die Beschreibung von Aldous Huxleys Selbstversuch mit Mescalin, die unter dem Titel Die Pforten
der Wahrnehmung publiziert wurde.
Psychodynamische Erfahrungen manifestieren sich als traumähnliches Erleben traumatischer
Episoden, die in der Persönlichkeit des Patienten bedingt sind. Man kann diese Beobachtungen mit der klassischen Psychoanalyse erklären, ja sie sogar als “Laboratoriumsbeweis der
Grundprämissen Freuds”5 betrachten. Darüberhinausgehendes kann man mit spezifischen
∗
eine solche einmalig überwältigende Dosis (overwhelming single dose) beträgt laut
Stansilav Grof für LSD zwischen 300 und 1.500 µg.
∗∗
Im fogenden beziehe ich mich ausdrücklich auf das theoretische Gebäude S. Grofs, das in
wesentlichen Punkten auch mit anderen, wie etwa dem H. C. Leuners übereinstimmt.
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Erinnerungskonstellationen des Patienten erklären. Grof führt dafür den Begriff der
COEX-Systeme∗ ein. Ein solches System entsteht durch eine erste Erfahrung, die Kernerfahrung. Je nachdem ob diese Erfahrung traumatischer oder lustvoller Art ist, spricht man
auch von positiven oder negativen Systemen. Ähnliche Erfahrungen, Gefühle oder Assoziationen, auch wenn sie weit hergeholt sind, werden nun in diesem System gespeichert, das
Quelle einer Vielzahl symbolischer Metaphern ist. Solche Systeme sind stark emotionell beladen, da sie die Summe aller Emotionen eines bestimmten Typs darstellen. Grof schätzt die
Gesamtzahl dieser Systeme auf 20 bis 30, von denen allerdings die Mehrzahl negativ ist.6
COEX-Systeme sind nicht notwendigerweise auf LSD-Wirkung beschränkt, treten dann aber
besonders leicht zutage. Steht nun ein solches System verdichteten Erlebens im Mittelpunkt,
wird alles unter seinem Einfluß wahrgenommen. Das heißt, bei geöffneten Augen verändert
sich die Wahrnehmung im Sinne des Systems, während bei geschlossenen Augen Szenen
nacherlebt werden. Meist erfolgt dabei die Regression in die Kindheit, da die Erinnerungen
auch aus späteren Lebensabschnitten oft auf Kernerfahrungen aus der Kindheit zurückgehen.7
In der LSD-Psychotherapie ist es wichtig, das Erleben solcher Systeme gut aufzulösen, da der
Patient anderenfalls auch nach Nachlassen der Wirkung noch unter deren Einfluß steht. Laut
Grof sind unaufgelöste Erlebnisse auch der Grund für spätere Flashbacks (siehe Seite 22). Er
führt auch in einigen bemerkenswerten Fallbeispielen eindeutig daraus resultierende, teils dramatische, psychosomatische Symptome an.8
Perinatale∗∗ Erfahrungen bilden die nächst tiefere Schicht des Unbewußten und übersteigen
die klassische Psychoanalyse, so daß mit Freudschen Methoden keine Deutung möglich ist.
Statt dessen bieten die Theorien Otto Ranks eine, welche die Bedeutung der Geburt hervorheben, Anhaltspunkte. Auch Erscheinungen auf dieser Ebene lassen sich in Systeme einteilen,
hier sind es vier perinatalen Grundmatrizen (PM I-IV). Es sind dies, ebenso wie die
COEX-System, hypothetische dynamische Steuerungsmechanismen, die sowohl geistige als
auch körperliche Elemente aufweisen. Ein tatsächlicher Zusammenhang mit der Geburt muß
zwar nicht gegeben sein, jedoch weist jede Matrix Ähnlichkeit mit je einem Stadium der
biologischen Geburt auf.9
In PM I steht die Erfahrung der Einheit mit der Mutter im Mittelpunkt, das biologische Gegenstück ist also die intrauterine Existenz. Die Erfahrungen können entweder positiver Art
sein oder, wenn die pränatale Existenz gestört wurde, negativer Art. Häufige Assoziationen
sind Ozeane, Meere, Paradiese im ersten, bösartige Dämonen, Schmutz und Ekel im zweiten
Fall. PM II repräsentiert das Einsetzten von Uteruskontraktionen, ohne daß die Geburt schon
unmittelbar bevorsteht. Korrespondierende Gefühle sind physisches und psychisches Leid, das
Wissen um Ausweglosigkeit und Sinnlosigkeit der Situation. Assoziationen sind etwa die
Leiden des Tantalos, Sisyphos, Prometheus oder Ixion. Im Gegensatz zu dieser Passivität ist
die PM III aktiv. Die biologische Situation entspricht der Vorwärtsbewegung durch den Geburtskanal. Die Leiden intensivieren sich. Visionen von grausamen Schlachten und Blutopfern
repräsentieren die aktiven Elemente. Zunehmend manifestiert sich auch eine ekstatische und
sexuelle Komponente. PM IV bedeutet schließlich die Trennung von der Mutter. In diese
Phase fällt die Auflösung der Persönlichkeit, auch als Ich-Tod bezeichnet. Diese Erfahrung ist
so dramatisch, daß sie oft mit dem wirklichen Sterben verwechselt wird. Auf die Auslöschung
als Individuum folgt die Wiedergeburt. Kosmische Einheit, reine Existenz und Seligkeit
stellen das therapeutisch verwertbare psychedelische Gipfelerlebnis dar. Schließlich lassen
sich auch wie bei den COEX-Systeme für jede Matrix klinische Symptome und Entsprechungen finden.10
∗
∗∗
COEX = systems of condensed experience (Systeme verdichteter Erfahrung)
perinatal ist eine Wortneuschöpfung aus περι (= um etwas herum) und natus (= geboren)
und bedeutet daher in etwa die Geburt betreffend .
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Transpersonale Erfahrungen sind beherrschend nachdem alle vorhergehenden Schichten gut
aufgelöst wurden, und die Erfahrung von Tod und Wiedergeburt integriert wurde. Transpersonale Erscheinungen treten nicht einheitlich, und zuweilen auch schon in früheren Phasen auf
(siehe S. 21/22). In ihnen werden entweder räumliche, zeitliche oder geistige Grenzen transzendiert. Darauf basierend, schlägt Grof folgende Klassifizierung vor.
1. Zeitliche Bewußtseinserweiterung (Ahnen-Erfahrungen, kollektive, rassische und phylogenetische Erfahrungen, frühere Inkarnationen, Präkognition etc.)
2. Räumliche Bewußtseinserweiterung (Ich-Transzendenz, Einssein mit der Schöpfung, etc.)
3. Geistige Bewußtseinserweiterung (spiritistische, mediale und archetypische Erfahrungen,
Verstehen universaler Symbole, supra- und metakosmische Leere, etc.)11
Indikation
Da LSD nur als Hilfsmittel im psychotherapeutischen Prozeß∗ eingesetzt wird, gibt es im wesentlichen keine Einschränkungen, was die Einsatzmöglichkeiten betrifft, wenn die Störung
psychogen bedingt ist. Obwohl dies theoretisch auch ausschließlich psychosomatische Indikationen einschließt, liegen auf diesem Gebiet wenig Erfahrungen vor. Gründe die eine Behandlung ausschließen, wie etwa Neigung zu epileptischen Anfällen oder Infarkte, liegen in den zu
erwartenden heftigen Emotionen begründet. Die Droge per se wirkt weder heilsam noch
schädlich. Bei folgenden klinischen Zuständen hat sich eine LSD-Therapie besonders bewährt.
Depressionen und Neurosen: Depression, insbesondere die noogene Depression im Sinne
Viktor Frankls lassen sich meist schon durch wenige Sitzungen zerstreuen, obschon in den
seltensten Fällen die ästhetische Ebene verlassen wird. Zur Heilung bei Psychoneurosen ist ein
ungleich größerer Aufwand nötig, da das gesamte psychodynamische Material aufgelöst
werden muß. Besonders empfänglich für eine solche Behandlung scheinen Hysterien, während
Zwangsneurosen laut Grof als nur schwer heilbar gelten.
Alkoholismus und Charakterstörungen: In großen Untersuchungen konnte gezeigt werden,
daß bei fachkundiger und entsprechend umfangreicher Behandlung Alkohol- und Betäubungsmittelabhängige in signifikantem Ausmaß rehabilitiert werden können.
Borderline-Syndrom und endogene Psychosen: Die Behandlung solcherart schwer gestörter
Patienten ist sehr umstritten. Verallgemeinerungen sind in diesen Fällen nicht zulässig, die
Behandlung muß individuell erfolgen. Dennoch konnten in einigen Fällen Erfolge erzielt
werden und eine zumindest klinische Besserung erzielt werden, nachdem andere Therapierungsversuche fehlgeschlagen waren.
Emotionales und körperliches Leid Sterbender∗∗: Die Linderung von Schmerzen unheilbar
kranker Menschen, die dem nahenden Tod entgegensehen gehört zu den aussichtsreichsten
und am wenigsten umstrittenen Indikationen. Insbesondere das Erlebnis von Tod und
Wiedergeburt und LSD-Einfluß vermag die Angst vor dem Tod zu nehmen. Auch können
durch Erfahrungen auf der ästhetischen Ebene Depressionen zerstreut werden.12
Obwohl die LSD-Psychotherapie teils faszinierende Möglichkeiten eröffnet, darf man nicht
den Fehler begehen und sie undifferenziert als Allheilmittel bar jeder Risiken und Kontraindikationen sehen. Wesentlich ist auch, daß das Hauptaugenmerk auf der Psychotherapie und
nicht auf der Droge zu basieren hat. Im Gegenzug beraubt aber sich die Psychiatrie eines viel∗
∗∗
Grof definiert die Rolle des LSD so:
Ein hochwirksamer unspezifischer Verstärker oder Katalysator der biochemischen und neurophysiologischen Vorgänge im Gehirn. Es scheint einen Zustand allgemeiner undifferenzierter Aktivierung zu bewirken, der das Auf-tauchen
unbewußten Materials aus den verschiedenen Schichten der Persönlichkeit begünstigt.
Auf diesen Aspekt der LSD-Forschung wird im Buch “Die Begegnung mit dem Tod” von
Joan Halifax und Stanislav Grof, in dem die Sterbebegleitung von Krebspatienten
beschrieben wird ausführlich eingegangen.
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versprechenden Aspektes, wenn sie diese Form der Therapie vollkommen außer acht läßt. Zu
den Problemen, die die heutige Situation mit sich bringt sei in Kapitel 6 näher eingegangen.
Rahmenbedingungen und Verlauf
Obwohl die verschiedenen Formen der LSD-Psychotherapie naturgemäß jeweils einen anderen Verlauf nehmen, gibt es doch wesentliche Gemeinsamkeiten. Deshalb sei auch nur auf
einige allgemeine Aspekte eingegangen. Voraussetzung für jede LSD-Behandlung ist eine
ausreichende Zahl drogenfreier Sitzungen. Auch das Anfertigen von Protokollen ist für allgemeine Folgerungen unerläßlich. Die Veränderungen umfassen Veränderungen im Inhalt der
Sitzungen, abhängig davon welche COEX-Systeme bzw. perinatale Matrizen bereits aufgelöst
wurden. Emotionale und psychodynamische Veränderungen zwischen den Sitzungen, vom
Inhalt, welcher die vorhergehende Sitzung geprägt hat. Hierbei sind sowohl psychische als
auch psychosomatische Symptome möglich. Langfristige Veränderungen in der Persönlichkeitsstruktur, der Werthierarchie und der Weltanschauung, nachdem alle Konflikte gelöst und
das Erlebnis von Ich-Tod und Wiedergeburt integriert wurde. Während bei der psycholytischen Methode die verschiedenen Ebenen nach und nach erschlossen werden, können bei
der psychedelischen Behandlungsweise die Phänomene aller Kategorien gleichzeitig auftreten.
Die Intensivierung kann nicht nur durch eine höhere Dosierung, sondern auch durch ein
entsprechendes setting (Augenschirme, Musik, u.ä.) erreicht werden.13
Zusammenfassung
Die vorgestellten Hypothesen wurden von S. Grof aufgrund klinischer Erfahrungen entwickelt. Das Modell erklärt die in LSD-Sitzungen auftretenden Phänomene aufgrund unbewußter
dynamischer Strukturen und vermag so ein homogenes theoretisches Gebäude zu bieten, das
aber keinen Anspruch auf Universalität erhebt. Die Überlegungen basieren auf vier Phasen,
die nacheinander durchlaufen werden: einer oberflächlichen perzeptuell geprägten, den tieferliegenden psychodynamischen und perinatalen, sowie einer archetypisch transpersonalen.∗
Literaturverzeichnis
[1]LSD-Psychotherapie, Stanislav Grof
Klett-Cotta. Stuttgart 1983
[1] Topographie des Unbewußten, Stanislav Grof
Klett-Cotta. Stuttgart 1993
1
vgl. [1], S. 39 p.
vgl. [1], S. 48 p.
3
vgl. [1], S. 161
4
vgl. [1], S. 42 pp.
5
cit. [2], S. 66
6
vgl. [2], S. 67 pp.
7
ibd.
8
vgl. [1], S. 308, 360
9
vgl. [2], S. 120 p.
10
vgl. [2], S. 125 pp.
11
vgl. [2], S. 176 p.
12
vgl. [1], S. 304 pp.
2
∗
Möchte man die Ebenen jeweils einer bestimmten Schule zuordnen so wäre dies die
Psychoanalyse Sigmund Freuds, das von Otto Rank beschriebene “Trauma der Geburt”
und C.G. Jungs Lehre der Archetypen.
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13
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vgl. [1], S. 260 p.
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Kapitel 6: Gesellschaftliche Situation
In der Tat stellt die rein wissenschaftliche Auseinandersetzung mit LSD nur einen verhältnismäßig kleinen Aspekt dar. Eine breite Öffentlichkeit hat, und wird auch heute noch, mit
dem Begriff LSD etwas ganz anderes verbinden als etwa ein Molekularbiologe oder ein
Psychotherapeut. Auch vermochte LSD eine ganze Generation zu beeinflussen; es wird immer
noch mit einer ganz bestimmten Zeit und der in ihr stattfindenden Bewegung in Verbindung
gebracht und bewirkte das Entstehen einer Kultur auf verschiedensten Ebenen, über deren
Wert oder Unwert auch heute noch die Meinungen weit auseinandergehen.
Begriffsbildung
In den ersten Jahren seit seiner Entdeckung war LSD allerdings nur in Forscherkreisen bekannt und wurde kaum als mehr denn ein Kuriosum angesehen, ähnlich wie Mescalin ein paar
Jahrzehnte zuvor. Auch der zuerst verwendete Begriff Phantastikum geht auf die schon für
das Mescalin vorgeschlagene Bezeichnung zurück. In der Phase der psychiatrischen Untersuchungen wurde LSD auch als Psychodysileptikum (ein die Seele verstörender Stoff) oder
Psychotomimetikum (ein Psychosen hervorrufender Stoff) bezeichnet, was in der heutigen
Literatur allerdings kaum noch zu finden ist. Der gebräuchlichste Begriff, an den auch ich
mich gehalten habe ist das Psychedelikum, vom Psychiater Humphrey Osmond geprägt und in
der Übersetzung gleichbedeutend mit: die Seele aufschließend. Neben der wissenschaftlichen
Terminologie, die sich an einer die Ursachen und Wirkung beschreibenden Namensgebung
orientiert, gibt es auch eine Reihe englischer Jargonbegriffe, die sich hauptsächlich während
der Zeit des verbreiteten LSD-Konsums in den 60er Jahren gebildet haben. Synonyma für
LSD sind hier unter anderem Acid, Chief, Deeda oder L.
Natürlich ist LSD eine auch Droge, dennoch habe ich versucht diesen Begriff weitgehend zu
vermeiden. Nicht etwa weil ich die offensichtlichen und außergewöhnlichen Wirkungen auf
Geist und Körper leugnen möchte, sondern weil der Begriff Droge sofort landläufige
Assoziationen zur Folge hat, die dem Charakter dieser Substanz in keiner Weise gerecht
werden. Bevor ich aber eine weitere Abgrenzung vornehme, möchte ich kurz die Entwicklung
der gesellschaftlichen Akzeptanz und öffentlichen Meinung am Beispiel medizinischer und
nicht medizinischer Versuche erläutern.
Medizinische Anwendung
Die Art seiner Wirkung schränkte die medizinische Nutzung des LSD notwendigerweise auf
den psychiatrischen Bereich ein, wenn man von anfänglichen, etwas kurios anmutenden Versuchen, es als Narkosemittel einzusetzen einmal absieht. Bevor allerdings die Möglichkeiten
einer Psychotherapie erkannt wurden, vertrat man den Standpunkt der “Modell-Psychose”,
welcher teilweise fälschlicherweise auch noch heute vorherrscht, und konzentrierte sich auf
die Schizophrenieforschung. Über ein Jahrzehnt lang war in keiner Weise vorherzusehen,
welche Verbreitung LSD im außermedizinischen Sektor erfahren würde, da es wie viele
andere Stoffe auch, ausschließlich wissenschaftlichen Kreisen vorbehalten war. Es wäre also
unzulässig den damaligen Umgang mir LSD als fahrlässig oder unverantwortlich zu bezeichnen. Bis zur Sperrung der Abgabe durch die Sandoz AG im Jahre 1966 war LSD in Form des
Präparats Delysid für Ärzte frei zugänglich. Auch war es Laien möglich als Versuchspersonen
in Forschungsreihen mitzuwirken. Solche Versuche waren damals im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung nichts außergewöhnliches, zumal es für das Verständnis dieser Substanz unabdingbar war und begrenzte Humanexperimenten als Methode der Erkenntnissfindung unbedenklich schienen. Dies alles fand ohne große Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit statt. In der Tat kann man die Art und Weise, wie sich LSD vom Gegenstand wissen-
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schaftlicher Untersuchungen zur Massendroge wandelte, als eine Verkettung unglückseliger
Umstände mit plötzlicher übermächtiger medialer Präsenz sehen.
Nicht medizinische Anwendung
Neben der medizinischen LSD-Forschung, gab es eine durchaus ernsthafte Parallelbewegung.
Intellektuelle, Künstler, Schriftsteller und Geisteswissenschaftler nutzen die Möglichkeiten
die ihnen LSD bot, was jedoch hauptsächlich im Einklang mit der seriösen Forschung im
Rahmen von Freiwilligenversuchen von statten ging. Gewiß ist nicht auszuschließen, daß
einige auch unbeaufsichtigte Versuche durchführten. Dies geschah aber mit Sicherheit in
keinem solchen Ausmaß, daß man es als Anlaß zur Sorge hätte nehmen müssen, zumal ja
LSD zu diesem Zeitpunkt noch keine illegale Substanz war.
Ende der 50er Jahre gelangte LSD allerdings zusehends in unautorisierte Kreise. Als eine Ursache ist sicherlich die Art der Berichterstattung in der Presse auszumachen. Massive Sensationsmeldungen wie etwa der legendäre Bericht des Magazins “Look”, in dem der berühmte
Schauspieler Cary Grant medienwirksam erklärte, wie er durch LSD zu innerem Frieden gefunden habe, trugen erheblich zu einer völlig übersteigerten Meinungsbildung bei.1 LSD
schien als Wunderdroge, die die Ideale der gerade entstehend Hippie-Bewegung geradezu
schicksalhaft zu verinnerlichen versprach. Damit setzte sich ein Prozeß in Gang, den aufzuhalten nicht mehr möglich war. Das Gleichgewicht zwischen psychiatrischer Forschung und
autorisierten, beaufsichtigten Selbstversuchen verschob sich unaufhaltsam hin zu einer unkontrollierbaren und fahrlässigen Massenbewegung, deren einziges Ergebnis in Bezug auf
LSD es war, daß diese Substanz verboten und somit jegliche ernsthafte Forschung bis zum
heutigen Tag verhindert wurde.
Besonders umstritten ist in diesem Zusammenhang das Verhalten des erst unlängst verstorbenen Psychiaters und ehemaligen Harvard-Professors Timothey Leary. Zweifelsfrei spielte er
eine entschiedene Rolle bei der Verbreitung illegalen LSD-Konsums und der Entwicklung des
Drogengebrauchs innerhalb der Jugendbewegung in den 60er Jahren. In wieweit der Gebrauch
von LSD seinerseits die Hippie-Bewegung zur Folge hatte oder umgekehrt, kann nicht leicht
beantwortet werden. Fest steht nur, daß, als LSD frei verfügbar zu werden begann, dies zu
einem sehr sensiblen Zeitpunkt erfolgte und sich die Geschehnisse wahrscheinlich gegenseitig
bedingten. Leary, der sich selbst als LSD-Apostel bezeichnete, propagierte den Ausspruch
“Turn on. Tune in. Drop out.” und praktizierte bezeichnenderweise anfangs eine Form der
Psychotherapie, bei der nicht nur der Patient, sondern gleichzeitig auch der Therapeut die
Droge einnahm. Seine in diesem Zeitraum veröffentlichten Schriften∗ haben mit wissenschaftlicher Seriosität eigentlich nichts mehr zu tun, obwohl sie das zu versprechen scheinen.
Im besten Falle sind sie im wesentlichen aussagenlos und beinhalten nur immer neue
Variationen des oben genannten Slogans. Im Grunde genommen aber stellen sie Propagandaschriften dar, die mittels aus dem Zusammenhang gerissener biologischer Fakten Wissenschaftlichkeit vorspielen und quasi ein ideologisches Fundament bilden, das einfache Antworten auf schwierige Fragen bietet und LSD einzig als Schlüssel dazu anerkennt.
Leary sorgte zwar für die weltweite Bekanntheit des LSD und seinem Charisma konnte weder
sein Ausschluß von der Universität noch seine zeitweilige Inhaftierung etwas anhaben, aus
heutiger Sicht gesehen, hat er der LSD-Forschung aber einen schlechten Dienst erwiesen. Es
wäre sicherlich ungerechtfertigt ihn als einzigen für die Verbreitung von LSD innerhalb der
Hippie-Gemeinde verantwortlich machen, auch darf man ihn nicht einfach als Fanatiker abtun
und seine akademischen Qualifikationen außer acht lassen. Vielmehr scheint es, daß er,
durchaus in gutem Glauben, eine Bewegung in Gang setzte, die nicht mehr zu stoppen war,
auch wenn er ihre Gefahren erkannt hätte. Auf ihn paßt wohl folgende Zeile aus einem Ge∗
u. a. NeuroLogic, Über die Kriminalisierung des Natürlichen oder Höhere Intelligenz und
Kreativität
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dicht Walter Vogts besonders gut: “Hatten wir / etwas ernst genommen / mit dem man nur
spielen darf / oder / im Gegenteil ...” 2
Mißbrauchspotential
Angesichts dieser Tatsachen stellt sich natürlich die Frage wie der Mißbrauch von LSD zu
definieren ist. Es scheint zwar klar, daß der Massenkonsum eindeutig als Fehlgebrauch zu
sehen ist, ein moralisierender Standpunkt wird aber dennoch schwer zu vertreten sein. Denn
wenn man es sich zu einfach macht, und wissenschaftliche Forschung pauschal als gut und
gerechtfertigt, nicht medizinische als von vornherein schlecht darstellt, wird man Probleme
bekommen, wenn man einige Experimente – ich denke hier speziell an die Schizophrenieforschung oder psychiatrische “Blindversuche” (siehe Zitat S. 35) – rechtfertigen möchte.
Gemeinsam ist beiden Fehlanwendungen, daß die Personen die der LSD-Wirkung ausgesetzt
wurden, sich offensichtlich nicht über deren Tragweite im Klaren sein können. Entweder weil
sie nur wußten, daß ihnen “ein neuartiges Medikament” verabreicht wird, oder weil sie LSD
als Sakrament und Wunderdroge erachteten, die keiner genaueren kritischen Auseinandersetzung mehr bedurfte.
Der Begriff Mißbrauch impliziert, daß eine Substanz zu einem ganz bestimmten, obschon
verfehlten Zweck eingenommen wurde. Während bei anderen Drogen dieser Zweck meist klar
umrissen werden kann, ist dies im Falle des LSD ungleich schwieriger. Auch wenn man unter
Mißbrauch versteht, daß man sich selbst oder einem anderen Schaden zufügt, wird die Sache
nicht einfacher. Physiologische Schäden sind, wie gezeigt wurde, nicht zu erwarten, wohl aber
seelische, denn “nur ein vorbereiteter Geist findet”3. Nun hängen aber die seelischen
Wirkungen von LSD nicht von objektiv meßbaren Variablen ab, sondern von der Persönlichkeit jedes einzelnen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, daß LSD keine körperliche Abhängigkeit erzeugt, und sich in dieser Hinsicht von allen anderen Drogen, einschließlich dem legalen
Alkohol und Nikotin, unterscheidet. Der fatale Fehler liegt darin, daß das LSD als
“Unterhaltungs- und Genußdroge” gesehen wird, und nicht als seelisches Werkzeug.
Ohne zunächst auf das Problem einzugehen, unter welchen Umständen der LSD-Konsum
überhaupt gerechtfertigt wäre, könnte in Kenntnis dieser Tatsachen eine Definition des Mißbrauchs, die notwendigerweise von der juristischen differiert, folgendermaßen lauten:
Als Mißbrauch muß man bezeichnen, wenn hochpotente Halluzinogene wie LSD in
Situationen verabreicht werden, in denen sich der potentielle Konsument nicht seines Tuns
voll bewußt ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn LSD unsachgemäß eingenommen
wird, um etwa dem Alltag zu entfliehen oder allfällige Depressionen zu zerstreuen, oder wenn
man bewußt oder unbewußt den besonderen Wirkungen des LSD nicht Rechnung trägt, indem
man sich einer ausführlichen Auseinandersetzung mit Gefahren und Mängeln entzieht.
Diese Definition würde eine Abgrenzung von psychotherapeutischem Einsatz und autorisierten, kontrollierbaren Versuchen unter ärztlicher Aufsicht, in welchen LSD als Mittel zum
Zweck verwendet wird, einerseits, gegenüber unmotivierten und gefährlichen Selbstversuchen, wie sie im Zuge von Massenbewegungen auftreten, andererseits, erlauben.∗
Rechtliche Situation
Das österreichische Suchtgiftgesetz von 1951 wurde bis dato zwar etliche Male abgeändert,
am rechtlichen Status des LSD hat aber auch die jüngste Novelle nichts verändert. Es besteht
keine Unterscheidung zwischen Psychedelika, Narkotika und Amphetaminen. Auch findet die
Tatsache, daß der Begriff Sucht nicht ohne weiteres haltbar ist, keine entsprechende Berücksichtigung. Wohl verändert hat sich aber die Auslegung des Paragraphen der dem Umgang mit
suchtgifthaltige Arzneien regelt und besagt:
∗
vgl. dazu auch den Begriff krimineller Erwartungsrahmen in der Fußnote auf S. 23
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Suchtgifthaltige Arzneien dürfen nur dann verschrieben werden, wenn ihre
Anwendung nach den Grundsätzen der ärztlichen oder tierärztlichen Wissenschaft
begründet ist und mit anderen Arzneien das Auslangen nicht gefunden werden
kann.4
Der Umschwung der öffentlichen Meinung ließ also eine wissenschaftliche Rechtfertigung
des medizinischen LSD-Gebrauchs nicht mehr zu, so daß dieser zwar theoretisch mit aufwendigen Ausnahmegenehmigungen möglich wäre, praktisch aber nicht durchzuführen ist.
Meines Wissens gibt es heute kein Land, in dem die Situation erwähnenswert anders wäre.
Ausblick
Die Zukunft der LSD-Forschung ist wohl kaum als rosig einzuschätzen. Auf der einen Seite
ist man von einer Erklärung der Wirkung auf molekularer Ebene noch ziemlich weit entfernt.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn es ausgerechnet Labortiere sind, denen als einzigen Lebewesen LSD legal verabreicht werden darf. Auf der anderen Seite herrscht in der
Psychiatrie de facto ein Forschungsverbot. Offenbar ist man nicht gewillt, mehr über diese in
vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Substanz herauszufinden, vielleicht auch weil man dann
gezwungen wäre, bisherige Denkschemata zurechtzurücken.
Es geht gar nicht in erster Linie darum, ob LSD ein Wundermittel ist, das der Psychiatrie vorenthalten wird, denn die Erfahrung hat gezeigt, daß auch einiges dagegen spricht und LSD bestenfalls ein Hilfsmittel im psychotherapeutischen Prozeß darstellt. Zur Zeit gibt es, noch sehr
vereinzelt Bestrebungen Therapieprojekte mit Psychedelikaunterstützung wieder aufzubauen:
In der Schweiz wird ein Projekt mit Psilocybin eingerichtet und auch in den USA laufen Genehmigungsverfahren.5 Vielmehr ist aber bedenklich, wie eine Substanz in sämtlichen Bereichen mit teils bereits widerlegten, Argumenten, wie z.B. der Abhängigkeit, so lange
kriminalisiert werden kann. Denn die Forderung endlich wieder ernsthafte Forschung durchzuführen hat doch nichts mit dem Aufruf zu Drogenkonsum zu tun.
Eine Frage, die ich bereits zuvor gestreift habe, möchte ich an den Schluß meiner Ausführungen stellen; nämlich unter welchen Umständen der Konsum von LSD gerechtfertigt wäre und
dabei die Positionen des Drogenapostels Timothey Leary, des Schriftstellers und Philosophen
Aldous Huxley und des Pharmakologen Alexander Shulgin gegenüberstellen.
Letzterer vertritt die Ansicht, daß die Drogenpolitik die Freiheit des Bürgers nicht in seinen
Grundrechten einschränken darf und letztlich jeder selbst Verantwortung trägt. Um Mißverständnissen vorzubeugen, füge ich hinzu, daß Gesetze, so sie einmal beschlossen sind,
natürlich anerkannt und befolgt werden müssen. Was innerhalb des eigenen Körpers, insbesondere im Kopf, geschieht entzieht sich der Maßregelung des Staates.6 Wieder schränke
ich ein: so lange nicht die Gefahr besteht, mittelbar oder unmittelbar für sich selbst oder
andere zur Bedrohung zu werden. Folgeschäden, insbesondere aber Abhängigkeit stellen eine
mittelbare Bedrohung dar, da eine Person im Stadium des Entzuges möglicherweise zu
Handlungen fähig ist, die sie sonst nicht setzten würde. Unmittelbare Bedrohung bedeutet, daß
jemand noch unter Einfluß einer Droge stehend, in gefährlicher Weise die Kontrolle über sich
verliert. Dies ist nicht notwendigerweise auf eine bestimmte Substanzgruppe beschränkt.
Während Leary den Massenkonsum von LSD forderte – und auch vollzog – vertrat Huxley die
Meinung, solche Substanzen sollten nur einer Elite vorbehalten bleiben, die sie auch sinnvoll
zu nutzten verstünde. Bemerkenswerterweise werden beide Publikationen Huxleys∗, die auf
Erfahrungsberichten mit Mescalin basieren, auch von Kritikern, als Ergebnisse solch gerechtfertigten Gebrauchs eines Künstlers akzeptiert. Huxley vertritt, ähnlich wie Albert Hofmann,
die Meinung, daß, sofern eine intensive Auseinandersetzung mit philosophischen und metaphysischen Fragen erfolgt ist, diese vielleicht mit Hilfe einer psychedelischen Substanz gelöst
∗
die Essays The Doors of Perception (Die Pforten der Wahrnehmung) und Heaven or Hell
(Himmel oder Hölle)
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werden können. Je gefestigter und offener der Geist ist, desto tieferen Einblick wird ihm
dieses Erleben, der Vorstoß zu den “Antipoden der Psyche”7, wie Huxley es nennt, ermöglichen. Insofern ist LSD eine “intellektuelle” Droge, da sich nur Wenigen fruchtbringende Erkenntnisse eröffnen werden, anstatt nur bei puren Ästhetizismen zu verharren. In diesem Zusammenhang ist auch folgendes Zitat Ernst Jüngers zu betrachten:
Die Drogen sind Schlüssel – sie werden freilich nicht mehr erschließen, als unser
Innerstes verbirgt.8
Was umgekehrt geschieht, wenn solche Drogen nur dazu dienen Langeweile und Unlustgefühle zu beseitigen, schildert Huxley in seinem visionären Roman Brave New World, in
welchem unter anderem der Massengebrauch einer halluzinogenen Droge, Soma genannt, zur
oberflächlichen Glückseligkeit einer Gesellschaft führt, die doch nichts anderes als dumpfes
Vegetieren bietet. Dies war auch die Illusion, der sich Leary hingab, so das Glück vieler erreichen zu können. Vielleicht hätte er das Glück weniger erreichen können. wenn er schon
viel früher gescheitert wäre; und wenn der LSD-Forschung die Möglichkeit nicht genommen
worden wären, beständig weiterzuschreiten, gäbe es vielleicht so manchen der, wie Huxley,
die Droge zu nutzen verstanden hätte und sich – durch sie – Erkenntnisse hätte entlocken
können, denen er so nie gewahr werden kann.
Literaturverzeichnis
[1] LSD – Mein Sorgenkind, Albert Hofmann
Klett-Cotta/dt Verlag. München 1979
[2] Torsten Passie, persönliche Mitteilung
[1] Drogenpolitik, Alexander Shulgin
Nachtschatten Verlag. Solothum 1991
1
vgl. [1], S. 64 p.
cit. [1], S. 189
3
cit. nach Albert Hofmann
4
Österreichisches Suchtgiftgesetzt, § 11
5
vgl. [2]
6
vgl. [3]
7
cit. nach Aldous Huxley
8
cit. nach Ernst Jünger, aus dem Roman Heliopolis
2
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Anhang A: Das Serotoninsystem
Die offensichtliche Bedeutung des Serotonins macht es notwendig eine kurze Beschreibung
dieses Stoffes zu geben, wobei aber immer die Beziehung zu LSD und die Wechselwirkungen
mit Psychedelika im Vordergrund stehen.
Strukturverwandtschaft mit LSD
Das strukturelle Bindeglied zwischen dem Serotonin und dem Lysergsäurediethylamid ist das
Indol (Benzo[b]pyrrol).∗ Da sowohl der Struktur des Serotonin als auch der des LSD ein
Indolkern zugrunde liegt, bezeichnet man beide als Indolderivate. Die Verwandtschaft der
beiden Stoffe geht aber so weit, daß das bei weitem größere LSD-Molekül fast das gesamte
Serotoninmolekül in sich trägt. Ebenso sind etliche weitere Psychedelika, wie etwa die Inhaltsstoffe der mexikanischen Zauberpilze, Psilocin und Psilocybin, aufgrund ihres Indolkerns
serotoninverwandte Substanzen. Dem steht entgegen, daß es weitere Psychedelika gibt, die
durchaus zu anderen chemischen Gruppen gehören können, deren Struktur wieder anderen
Neurotransmittern entspricht, aber eine ähnliche Wirkung wie LSD auslösen. Die Ähnlichkeit
dieser Stoffe mit einem natürlichen Neurotransmitter legt nahe, daß sie ihre Wirkung über
dessen Rezeptoren entfalten, indem sie seine Fähigkeiten entweder steigern oder senken.
Stoff
Neurotransmitter
Chemische Gruppe
Atropin (Tollkirschengift)
Acetylcholin
—
Scopolamin
Acetylcholin
—
MDMA (Ecstasy)
Catecholamine∗∗
Mescalin
Catecholamine
Phenylethylaminderivat
DOM
Catecholamine
Phenylethylaminderivat
LSD
Serotonin
Lysergsäurederivat
Ololiqui
Serotonin
Lysergsäurederivat
DMT
Serotonin
Tryptaminderivat
Bufotenin
Serotonin
Tryptaminderivat
Psilocin/Psilocybin
Serotonin
Tryptaminderivat
Amphetaminderivat
Tabelle 7: Psychedelika und verwandte Neurotransmitter
Diese Vielfalt der am psychedelischen Erleben beteiligten Neurotransmitter schränkt die
Hoffnung auf eine einfache Erklärung ihrer Wirkung ein. Die Catecholamine Dopamin und
Noradrenalin sowie das Indolamin Serotonin gehören zur Gruppe der Monoamine, deren
Stoffwechsel im Gehirn im wesentlichen gleich ist. Es ist also zu bedenken, daß es auch
innerhalb der Monoamine ein einheitliches System gibt, und ihre Synthese und Metabolisierung in vergleichbaren Schritten durch ähnliche oder gar gleiche Enzyme geschieht.
Obwohl also etliche Substanzen ihre Wirkung durch ihre Verwandtschaft mit anderen Neurotransmitter zu entfalten scheinen, wird in der Fachliteratur vor allem die Einflußnahme über
Serotonin untersucht. Aber auch im Falle des LSD wird manchmal die Vermutung geäußert,
daß es zusätzlich noch anticholinerge und catecholaminerge Bahnen beeinflussen könnte.
∗
∗∗
siehe auch die Strukturformel in Anhang B
Die Transmitterstoffe Adrenalin (Epinephrine), Noradrenalin (Norepinephrine) und
Dopamin werden gewöhnlich zur Gruppe der Catecholamine zusammengefaßt.
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Serotoninsynthese und -stoffwechsel*
Für das Serotonin ebenso wie für die anderen Monoamine ist es nicht möglich direkt ins Gehirn zu gelangen, da sie aufgrund ihrer Struktur die Blut-HirnSchranke nicht passieren können. Nur die Vorläufersubstanz, die essentielle Aminosäure Tryptophan∗∗
kann die Schranke durchdringen und sich via eines
biochemischen Aufnahmesystems in den Nervenzellen anreichern. An dieser Stelle setzt nun der
Synthetisierungsprozeß ein. Das Enzym Tryptophan
Hydroxylase hydroxyliert die Aminosäure (d.h. sie
fügt eine Hydroxyl-Gruppe am fünften C-Atom des
Benzolringes hinzu). Da dieses Enzym nur in beschränktem Ausmaß vorhanden ist, ist es zusammen
mit der Verfügbarkeit von Tryptophan die bestimmende Größe, die die Menge der Transmittermoleküle regelt. Dieses Zwischenprodukt wird nun von
der 5-Hydroxytryptophan Decarboxylase unter
CO2-Abspaltung von der sauren Carboxylgruppe zum
endgültigen Transmitterstoff 5-Hydroxytryptamin,
Abbildung 7: Schema des Serotoninkreislaufs
das den Trivialnamen Serotonin trägt.∗∗∗ Bei einer
Erregung des Neurons wird dann dieses Serotonin,
das in Folge in die synaptischen Terminals transportiert wird, als Botenstoff ausgeschüttet.
Nachdem die Serotoninmoleküle von Transporterproteinen wieder ins Innere der
Endknöpfchen gebracht werden, erfolgt der Abbau mittels des Enzyms Monoaminoxydase
(MAO), das die Aminogruppe durch ein Sauerstoffatom ersetzt, zum Hauptmetaboliten
Hydroxindolessigsäure (5-HIAA). Infolge der weiteren Metabolisierung wird auch noch der
Indolring abgesprengt, bevor der Rest ausgeschieden wird.1, 2
Das serotoninerge System des Menschen
Das Serotoninsystem vereint zwei widersprüchliche Eigenschaften in sich. Zum einen ist es
das größte chemische System innerhalb des Gehirns, und zum anderen besteht es nur aus
einigen Tausend Neuronen. Dieses System steht aber über weitverzweigte Axone mit fast
allen andern Bereichen des ZNS in Kontakt und ist an so grundlegenden Dingen wie Schlaf,
Aggression, Sexualtrieb, Lernfähigkeit und Gedächtnis beteiligt.3
Anatomie
Alle serotoninergen Neuronen im menschlichen Gehirn gehen von einem Areal im Bereich
des Hirnstammes an dessen Mittellinie aus. Dort bilden sie neun größere Nuclei, die sich in
ein oberes System mit vier und ein unteres System mit drei Kernen einteilen lassen.
∗
siehe auch die Strukturformeln in Anhang B
Aminosäuren die Vorstufen für Neurotransmitter oder -hormone sind werden in der
Literatur auch als biogene Amine bezeichnet.
∗∗∗
Eine gebräuchliche Abkürzung für Serotonin ist 5-HT, was sich von seinem chemisch
korrekten Namen ableitet.
∗∗
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Die obere Gruppe setzt sich aus folgenden vier Kernen zusammen:
1. Nucleus caudalis linearis, der am weitesten rostral (d.h. oberhalb) liegt.
2. Nucleus Raphe medialis, dessen Seiten eine primitive aufsteigende Bahn umschließen und
der in seinem unteren Teil noch eine Anhäufung von als B5 bezeichneten Neuronen trägt.
3. Nucleus Raphe dorsalis, der hinter beiden oben genannten liegt und dessen mittlere, seitliche und untere Komponenten noch in etliche kleinere Strukturen unterteilt werden.
4. Die B9 Neuronen, die die obere Gruppe ventral (auf der Vorderseite) abschließen.
Die untere Gruppe
Nucleus
dagegen besteht aus
caudalis
fünf Kernen:
Nucleus
1. Nucleus Raphe obRaphe
scurus, der sich am
tiefsten befindet
und dessen Neuronen genau auf der
Mittellinie liegen.
Kleine Verbände
Nucleus
von Nervenzellen
Nucleus
Raphe
finden sich außerRaphe
halb des Nucleus
Medulla
B9
und reichen hinab
ventralis
bis zum SpinalNucleus
lateralis und
ganglion.
Raphe
2. Nucleus Raphe
Nucleus Raphe
Abbildung 8: Lage des serotoninergen Systems beim Menschen
pallidus, der sich
mittig zwischen den
pyramidalen Bahnen befindet und dessen Somata außerordentlich dicht beieinander liegen
3. Nucleus Raphe magnus, der sich ebenfalls auf der Mittellinie befindet und das untere
System nach oben hin abgrenzt, während seine Ausläufer lose mit den unteren Kernen verbunden sind.
4. Medulla ventralis lateralis, die aus zwei kleineren Strukturen (Nucleus paragigantcellularis
lateralis und Nucleus reticularis intermedialis) besteht. Sie macht einen verhältnismäßig
großen Teil der serotoninergen Neuronen aus und reicht bis zur retikularen Formation.
5. Area postrema, in der sich neben kleinen und dichten Serotoninneuronen auch noch Nervenzellen anderer Transmitter befinden4
Serotoninerge Bahnen
Von diesen Nuclei führen nun verschiedene Bündel zu anderen Teilen des Körpers. Entweder
über aufsteigende Bahnen zu höheren Gehirnzentren oder über absteigende zum Rückenmark
und den Motoneuronen. Absteigende Bahnen gehen vor allem von den Nuclei des unteren
Systems aus, wobei es zwei Hauptrouten gibt: eine direkte zum Spinalganglion und eine zu
den Vorder- bzw. Hinterhörnern, wo unter anderem auch die Modulierung von Schmerzempfindungen stattfindet.5
Aufsteigende Bahnen gehen dagegen vom oberen System aus. Ein dichtes Geflecht von
Fasern zieht zu Hippocampus, Teilen des Hypothalamus, der Substantia Nigra und dem
Mandelkern, wobei zu jedem dieser Ziele ein eigener Strang führt. Aber auch in jedem
anderen Teil des Gehirns, lassen sich, in freilich geringerer Menge, serotoninerge Ausläufer
feststellen. Besonders stark ist die Verknüpfung mit limbischen und sensorischen Arealen. In
der Großhirnrinde sind die Nervenfasern im sensorischen Feld zu finden. Die serotoninergen
Neuronen umgeben dabei meist Zellkörper oder Dendriten von Neuronen mit hemmenden
Eigenschaften. Deshalb wird vermutet, das Serotoninsystem könnte über sogenannte negative
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Rückkopplungsschleifen seine Wirkung im Neocortex entfalten. Außerdem steht das Serotoninsystem mit bestimmten Klassen von Gliazellen und den Blutgefäßen im Gehirn in Zusammenhang.6 Trotz allem vermögen diese Kenntnisse alleine nicht zu erklären, wie serotoninerge Psychedelika nun ihre Wirkung über diese Bahnen entfalten können:
However, the precise role of the serotonergic pathways remains obscure. Serotonin
has been implicated in the regulation of sleep and ,vigilance’, and it is widely
believed that hallucinogenic drugs such as lysergic acid diethylamid may produce
their effects by interacting with serotonin pathways.7
Die Funktion des serotoninerge System ist in den Teilen,
in denen die beiden Transmitter die selben Zielneuronen haben, dem des
dopaminergen entgegengesetzt. Die beiden Neurotransmitter interagieren funktionell, indem sich z.B. bei
einem Sinken der Konzentration des Dopamins, die des
Serotonins erhöht. Auch bei
einigen anticholinergen
Fasern im Großhirn finden
sich funktionelle Verbindungen zum Serotoninsystem.8
Vermutlich stören jene, in
Tabelle 7 aufgeführten Stoffe
Abbildung 9: Wichtige Serotoninerge Bahnen im menschlichen Gehirn
dieses Gleichgewicht und
führen so zu ihren typischen Wirkungen.
Natürliche Wirkung
Da Serotonin nicht nur ein Neurotransmitter, sondern auch ein Gewebshormon ist, hat es
starke periphere Wirkungen. Es erregt die glatte Muskulatur und wirkt besonders im MagenDarm-Bereich kontrahierend, ist an der Blutgerinnung beteiligt und findet sich in hoher Konzentration im Serum∗ und in Blutplättchen bestimmter Zellen.9
Bestimmend in dieser Arbeit sind aber natürlich die zentralnervösen Eigenschaften des Serotonins. Die scheinbar einfache Frage, ob Serotonin einen exzitatorischer oder einen inhibitorischer Transmitter darstellt, führt schon auf Schwierigkeiten Die Wirkung, die Serotonin an
seinen Rezeptoren ausübt, kann nämlich sowohl hemmend, als auch erregend sein10, abhängig
in welchem Teil des Gehirns. Meist befinden sich die serotoninergen Neuronen in einem, der
bereits erwähnten negativ rückgekoppelten Netzwerke, so daß man sie etwas vereinfachend
als inhibitatorisch bezeichnen kann.
∗
Der Name “Serotonin” setzt sich ja aus den Bestandteilen serum und tonus (=
Muskelspannung) zusammen.
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Rezeptoren
Für das Serotonin existieren außergewöhnlich viele unterschiedliche Rezeptoren, also Bindestellen für die Transmittermoleküle. 1957 wurde die erste Rezeptorklasse entdeckt. Bis heute
sind mindestens vier verschiedene Klassen mit etlichen Subtypen bekannt. Vermutlich steht
diese Vielfalt an Rezeptoren mit der großen Ausbreitung des Serotoninsystems in Zusammenhang, so daß an jedem Zielgebiet der serotoninergen Neuronen ein anderer Rezeptortyp vorherrscht, um eine eindeutige funktionelle Zuordnung zu ermöglichen.
Subtyp Funktionsweise
Vorkommen
Selekt. Substanzen∗
5-HT1A
Second messenger∗∗
prae-/postsynaptisch 8-OH-DPAT
5-HT1B/D Second messenger
praesynaptisch
Metergoline, LSD
5-HT1C
Second messenger
postsynaptisch
Minaserin, Cianserin
5-HT2
Second messenger
postsynaptisch
Spiroperidol, LSD
5-HT3
Ionenkanalgekoppelt
postsynaptisch
2-Me-5 HT, MDL 72222
5-HT4
Second messenger ?
?
?
Tabelle 8: Subtypen der Serotoninrezeptoren
Der 5-HT1A-Rezeptor: Durch radioaktive Markierung könnten jene Areale bestimmt werden
in denen dieser Subtyp besonders häufig auftritt. Es sind dies das Hinterhorn, der Nucleus
Raphe dorsalis, der Hippocampus und der frontale Cortex. Im Bereich der Raphe Nuclei befindet sich gut die Hälfte aller Rezeptoren dieses Typs, allerdings befinden sie sich direkt an
Zellkörper oder Endknöpfchen der eigenen Neuronen. Hier fungieren sie als Autorezeptoren.
In den höheren Zentren ist dies nicht der Fall: im Hippocampus herrscht ein ausgeglichenes
Verhältnis zwischen praesynaptischen Rezeptoren auf serotoninergen und postsynaptischen
auf fremden Neuronen. Auffallend an diesem Rezeptortyp ist seine Trägheit: die Induktion des
intrazellulären second-messenger Prozesses ebenso wie dessen Stoppen benötigt eine so starke Änderung der Serotoninkonzentration, wie sonst bei keinem
anderen Rezeptor. Der 5-HT1A Rezeptor
ist auch am sogenannten Serotoninsyndrom beteiligt.11 Das ist eine relativ
neue Erkenntnis, denn in den meisten vorliegenden Veröffentlichungen, in welchen
das Serotoninsyndrom als Instrument zur
Bestimmung der LSD-Wirkung benutzt
wird, ordnet man dieses Phänomen ausschließlich dem 5-HT2 Typ zu. Auf die
Bedeutung des Serotoninsyndroms wird in
Abbildung 10: Schematischer Aufbau des 5-HT1A-Rezeptors
Kapitel 4 näher eingegangen.
Der 5-HT1B/D Rezeptor: Der 5-HT1B Subtyp ist nur bei einigen Spezies vorzufinden, beim
Menschen fehlt er gänzlich. An seiner Statt verfügen wir über den 5-HT1D Rezeptor, der sich
∗
Es sind sowohl Agonisten, als auch Antagonisten aufgeführt. Es sind nach Möglichkeit
jene Substanzen aufgeführt, die eine sehr hohe Affinität für den jeweiligen Subtyp
aufweisen.
∗∗
Der 5-HT1A-Subtyp stellt den strukturell am besten erforschten Serotoninrezeptor dar. Bei
ihm ist als einzigen auch die molekulare Größe bekannt. Sie beträgt 60 kD für den
eigentlichen Rezeptorkomplex und 90 kD für das G-Protein.
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an exakt den gleichen Orten im Gehirn befindet. Einige Tiere, wie Ratte oder Hamster
verfügen zwar über beide Subtypen, die Rezeptoren unterscheiden sich aber nur geringfügig
voneinander, und da nur strukturell und nicht funktionell. Der 5-HT1D Rezeptor ist fast
ausschließlich ein Autorezeptor, der bei Aktivierung die Ausschüttung von Serotonin
inhibieren kann. Der 5-HT1D Subtyp ist der im menschlichen Gehirn häufigste. Besonders in
den Basalganglien, aber auch in der Substantia Nigra, einem Zentrum das in Zusammenhang
mit Belohnungsgefühlen und positiver Verstärkung gebracht wird, ist die Dichte enorm hoch.
Weniger stark, aber dennoch bemerkenswert ist die Rezeptorzahl in Hypothalamus, Amygdala
und dem Neocortex.12
Der 5-HT1C Rezeptor: Dieser Subtyp befindet sich sowohl an Neuronen, als auch an den
epithelischen Zellen, die an der Produktion der zerebrospinalen Flüssigkeit (ZSF) beteiligt
sind. Experimente mit radioaktiver Markierung ergaben eine weitläufige Verbreitung in
cortikalen und subcortikalen Regionen, die auch mit anderen monoaminergen Bahnen in
Verbindung stehen. Besonders hohe Rezeptordichten findet man aber in Hippocampus und
Thalamus. Man nimmt daher an, daß dieser Rezeptor in die Bearbeitung von sensorischer und
nozizeptiver Information involviert ist. Von besonderem Interesse ist beim 5-HT1C Subtyp,
daß seine Aktivierung beim Menschen Angstzustände und entsprechende vegetative
Symptome zur Folge hat. Auch ist zu erwähnen, daß viele Substanzen die am 5-HT2 Rezeptor
wirksam sind auch eine hohe Affinität für diesen Typ zeigen. Aus diesen und gewissen
strukturellen Gründen wurde der 5-HT1C Typ nachträglich in die Gruppe der 5-HT2 Rezeptoren umklassifiziert.∗ Diese Erkenntnis spricht vielleicht für eine mögliche Beteiligung dieses
Rezeptortyps an der LSD-Wirkung.13
Der 5-HT 2 Rezeptor: Dieser Rezeptor ist der Subtyp, der besonders oft sowohl mit der
Wirkung von Antidepressiva als auch mit der von Psychedelika in Zusammenhang gebracht
wird. Er weist im Vergleich zu anderen Subtypen eine geringere Affinität für Serotonin auf.
Das könnte damit zusammenhängen, daß es zwei verschiedene Bindestellen dieses Rezeptors
für Agonisten gibt. Nämlich je eine für hoch- und schwachaffine Substanzen, für Antagonisten dagegen nur eine hochaffine Stelle. Möglicherweise gibt es aber auch zwei verschiedene Subtypen des 5-HT2 Rezeptors, die bis jetzt noch nicht unterschieden werden konnten.
Dieser Rezeptortyp kommt sowohl im ZNS als auch in der Peripherie vor, wo seine Aktivierung eine Kontraktion der glatten Muskulatur zur Folge hat. Im Gehirn wurden hohe Dichten
von 5-HT2 Rezeptoren in verschiedenen Stellen des Großhirns und sensorischen Arealen gefunden, mittlere Konzentrationen im Nucleus accumbens, und sehr geringe bis kaum nachweisbare in Thalamus, Hypothalamus und Hippocampus. Die Aktivierung dieser zerebralen
Rezeptoren führt bei Tieren zum Serotoninsyndrom, jedoch wurden in letzter Zeit Zweifel
laut, ob an diesem Syndrom nicht auch andere Rezeptoren beteiligt sind (siehe den Absatz
5-HT1A-Rezeptor).14
Der 5-HT 3 Rezeptor: Dieser Subtyp findet sich vor allem in der peripheren Körperregionen.
Geringe Mengen finden sich aber auch in den meisten Bereichen des Gehirns. Auffallend ist,
daß die Affinität der Liganden von den peripheren zu den zerebralen Rezeptoren hin abnimmt.
Wahrscheinlich ist dieser Rezeptor an der Entstehung und Kontrolle von Schmerzempfindungen beteiligt, da bei spezifischen 5-HT3 Antagonisten eine analgetische (d.h.
schmerzlindernde) Wirkung beobachtet wurde.15
Der 5-HT 4 Rezeptor: Dieser Rezeptor stellt einen noch sehr wenig untersuchten Subtyp dar.
In Ermangelung eines genügend spezifischen Liganden konnte er noch nicht lokalisiert
werden. Bekannt ist nur, daß seine Aktivierung eine Muskelkontraktion zur Folge hat. Ebenso
liegt seine Struktur im Dunkeln. Es wird aber vermutet, daß der auch 5-HT4 Rezeptor zur
großen Gruppe der G-Protein gekoppelten Rezeptoren gehört.16
∗
Das hat allerdings keinen Einfluß auf seine Bezeichnung. Er wird daher immer noch als 5HT1C bezeichnet.
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Serotonin und Geisteskrankheit
Verschiedene Forschergruppen∗ entwickelten schon relativ bald nach seiner Entdeckung
Theorien, wie Serotonin an verschiedenen Geisteskrankheiten, vor allem der Schizophrenie
beteiligt sein könnte. Die meisten dieser Untersuchungen stützten sich auf folgende
Überlegung: Wenn es dem LSD durch seine serotoninspezifischen Eigenschaften möglich ist
psychotische oder schizophrene Zustände auszulösen, dann muß auch bei der natürlichen
Schizophrenie eine Veränderung des Serotoninhaushaltes durch einen LSD-ähnlichen
körpereigenen Stoff vorliegen.∗∗ Heute ist bekannt, daß dies aus mehreren Gründen nicht
haltbar ist. Zum einen kann eine so komplexe und rätselhafte Krankheit wie die Schizophrenie
nicht auf die Dysfunktion eines einzelnen Neurotransmitters zurückgeführt werden, und zum
anderen ist eine Gleichsetzung von Schizophrenie und LSD-Wirkung bei näherer Betrachtung
völlig unzulässig. Dennoch steht fest, daß das Serotonin eine nicht unwesentliche
Komponente an zumindest den folgenden Gemütskrankheiten (affektiven Störungen) ist.
1. Angst- und Zwangsstörung
2. bipolare Störung (manisch-depressive Erkrankung)
3. minor und major Depression17
Natürlich ist auch eine Beteiligung an der Schizophrenie denkbar, wenngleich auch nicht im
anfangs vermuteten Ausmaß. Am besten, vor allem durch neuere Arbeiten, ist aber die
Beteiligung des Serotonins an der Depression dokumentiert.
Biochemische Aspekte der Depression
Da die Depression klinisch mit verschiedenen Psychopharmaka in den meisten Fällen relativ
gut behandelt werden kann, führte eine Anzahl von Studien über die Wirkung dieser
Medikamente zum Verständnis der Veränderungen im Gehirn, die mit ihr einhergehen. Dabei
ist maßgeblichen das Serotoninsystem beteiligt. Es ergibt sich dabei:
1. Eine verminderte Konzentration von Serotonin und seinem häufigsten Metaboliten in ZNS
und ZSF einer großen Gruppe von depressiven Patienten.
2. Eine Veränderung des Verhältnisses von prae- und postsynaptischen Rezeptoren.
3. Eine Abnahme der Dichte von Serotoninrezeptoren auf Blutplättchen und eine generelle
Abnahme von Serotonin im Blut ebenso wie im Gehirn.
4. Die Entfaltung antidepressiver Wirkung verschiedener Medikamente durch eine Steigerung
der serotoninergen Neurotransmission und umgekehrt die Wirksamkeit serotoninvermehrender Substanzen als Antidepressiva.18
Die Veränderung in der Verteilung der Rezeptoren läßt sich als eine körpereigene Reaktion
auf eine verminderte Verfügbarkeit von Serotonin deuten. Während sich die hemmenden
Autorezeptoren nämlich merklich verringern, bewirkt eine Erhöhung der postsynaptischen
Rezeptoren eine Sensitivierung für den Botenstoff. Außerdem konnte gezeigt werden, daß die
Konzentration des Serotonins im Blut mit der im ZNS korreliert. Zu weiteren Erkenntnissen
über endogene Depressionen führte ein moralisch eher bedenklicher Versuch, bei dem bei
einigen Patienten durch eine tryptophanfreie Ernährung∗∗∗ der Effekt vorher verabreichter
Antidepressiva aufgehoben werden konnte.19
∗
∗∗
∗∗∗
u.a. D.W. Wooley et.al.
eine der abstrusesten Theorien wollte die Schizophrenie sogar durch einen
serotonininduzierten Abfall des Blutdrucks im Gehirn erklären.
Durch das Fehlen dieser Aminosäure konnte kein neues Serotonin synthetisiert werden.
Siehe dazu auch den Absatz Serotoninsynthese und -stoffwechsel auf Seite 47 .
Unkorrigierte Fassung – Nur zur Durchsicht bestimmt
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Serotoninmodulierende Psychopharmaka
Eine große Zahl verschiedener Psychopharmaka wirkt auf das Serotoninsystem ein. Das ist in
den meisten Fällen jedoch auf eine allgemeine monoaminerge Wirkung zurückzuführen. Erst
in letzter Zeit, da die Bedeutung des Serotonins erkannt wird, werden auch Substanzen
entwickelt die selektiv an serotoninergen Terminals angreifen, meist mit dem Ziel die Menge
des ausgeschütteten Botenstoffes zu erhöhen. Die wichtigsten Pharmaka seien hier aufgelistet.
Klasse
Beispiele
Spezifität∗
Trycyclische Antidepressiva
Imipramin, Doxepin
hoch/normal
A. der zweiten Generation
Fluoxetin, Clomipramin
hoch/sehr hoch
MAO-Hemmer
Phenelzin, Moclobemid
hoch/ –
Neuroleptika (Antipsychotika)
Risperidon, Clozapin
hoch/normal
Tabelle 9: Psychopharmaka und Serotonin
Antidepressiva: Die ältere, trycyclische∗∗ Gruppe dieser Medikamente entfaltet ihre Wirkung
hauptsächlich über eine aktive Blockade der praesynaptischen Wiederaufnahme von Serotonin
und Noradrenalin. Zudem sensibilisieren sie postsynaptische Rezeptoren für diese Botenstoffe
und wirken so stimmungsaufhellend. Neuere Antidepressiva der zweiten Generation wirken
im Prinzip ähnlich, weisen aber eine viel stärkere Affinität für Serotonin auf, sodaß die
meisten von ihnen in die Gruppe der SSRI (serotonin-specific reuptake inhibitors) fallen.20
MAO-Hemmer: Diese Substanzen verbinden sich mit dem Abbauenzym Monoaminoxydase
und machen es so ineffektiv. Die Folge ist, daß die Transmittermoleküle nicht metabolisiert
werden können und dadurch länger im synaptischen Spalt verbleiben. Es gibt irreversible
MAO-Hemmer, die eine feste chemische Bindung eingehen, und reversible MAO-Hemmer,
deren Bindung von kürzerer Dauer ist, und die sogar eine gewisse Spezifität für serotoninerge
Terminals zeigen. Die Wirkung der MAO-Hemmer ist aber im wesentliche die gleiche wie bei
den Antidepressiva.21
Neuroleptika: Medikamente dieser nicht unumstrittenen Klasse werden hauptsächlich
schizophrenen Personen verabreicht. Allerdings stellen sie nur eine Hilfe bei der Bewältigung
der Symptome dar, indem sie die verschiedensten monoaminergen Rezeptoren mehr oder
weniger stark blockieren. Bei neueren Präparaten findet sich eine hohe Serotoninaffinität.
Diese Neuroleptika haben dann die bemerkenswerte Eigenschaft, die halluzinogenen
Wirkungen des LSD und anderer Psychedelika teilweise abzuschwächen.22
Zusammenfassung
Es kann gesagt werden, daß aufgrund dieser Erkenntnisse es nicht als gesichert anzusehen ist,
daß ausschließlich der 5-HT2 Rezeptor an der LSD-Wirkung beteiligt ist, wie das aber in
vielen Artikeln vertreten wird. Die bei weitem größere Verbreitung des 5-HT1C Rezeptors und
die Tatsache, daß die Verteilung der 5-HT2 Rezeptoren auf Hirnzentren nicht der entspricht,
wie man sie bei einer halluzinogenen Wirkung erwarten würde, spricht dafür, daß an der LSDWirkung mehrerer Subtypen beteiligt sind. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit und
anderen Gemeinsamkeiten der beiden Rezeptoren, würde diese Vermutung auch nicht im
Widerspruch zur Fachliteratur stehen. Nicht zu vernachlässigen ist auch der 5-HT1A Rezeptor
und seine Beteiligung am oft zitierten Serotoninsyndrom. Die Rezeptorklassen 5-HT3 und
5-HT4 haben allem Anschein nach keinen entscheidenden Einfluß auf die zur Diskussion
∗
der Ausdruck vor dem Querstrich gibt eine ungefähre Angabe über die Spezifität für
Monoamine im allgemeinen, der nach dem Querstrich nur für Serotonin .
∗∗
trycyclisch deutet auf eine gleiche Struktur aus drei Ringen hin, die allen diesen Präparaten
zugrunde liegt .
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stehenden psychischen Veränderungen und sind allenfalls an einigen vegetativen Symptomen
beteiligt. Bei all diesen Ausführungen darf allerdings nie vergessen werden, daß die Reduktion auf das serotoninerge System eine Vereinfachung darstellt und es in Wirklichkeit
noch zahlreiche Wechselwirkungen mit den monoaminergen System gibt, die noch nicht erfaßt sind.
Literaturverzeichnis
[1] How Hallucinogenic Drugs Works, Barry L. Jacobs
in: American Scientist, Volume 75
[2] Molecular Biology of Serotonin Receptors, Melissa A. Harrington
in: Journal of Clinical Psychiatry, Volume 53/10 [suppl.]
[3] Kompendium der Psychopharmakotherapie, Walter Pödinger
F. Hofmann - La Roche & Co. AG. Basel 1971
[4] The Neuron, Irvin B. Levitian/Leonard K. Kaczmarek
Oxford University Press. New York, Oxford 1997
[1] Anatomy and Plasticity of the Brian Serotonergic System, Efrain C. Azmitia
in: Journal of Clinical Psychiatry, Volume 52/12 [suppl.]
[2] Lexikon 2000
Wissen Verlag Stuttgart 1971
[3] Drogen und Psychopharmaka, Robert M. Julien
Spektrum Akademischer Verlag. Heidelberg, Berlin, Oxford 1997
[4] Neurochemical Alterations of Serotonergic Neuronal Systems in Depression, Craig Risch
in: Journal of Clinical Psychiatry, Volume 53/10 [suppl.]
1
vgl. [3], S. 105, 107
vgl. [4], S. 215 p.
3
vgl. [5], S. 4 pp.
4
ibd.
5
ibd.
6
ibd.
7
cit. [4], S. 217
8
vgl. [5], S. 10
9
vgl. [6], Stichwort “Serotonin”
10
vgl. [1], S. 389
11
vgl. [2], S. 8 pp.
12
ibd.
13
ibd.
14
ibd.
15
ibd.
16
ibd.
17
vgl. [7], S. 199, 202
18
leicht verändert nach [8], S. 3
19
vgl. [8], S. 5 p.
20
vgl. [7], S. 203 pp.
21
ibd.
22
vgl. [7], S. 293 pp.
2
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Anhang B: Chemische Formelsammlung
Serotoninkreislauf - Synthese und Abbau 1
Tryptophan
5-Hydroxytryptophan
Hydroxylierung
Dekarboxylierung
Desaminierung
5-Hydroxindolessigsäure
5-Hydroxytryptamin
↓
Weiterer Abbau durch
Sprengung des
(Serotonin)
Indolkern in Serotonin und LSD 2
Indol
Serotonin
LSD
Alkaloide der Lysergsäure-Gruppe 3
Alkaloid
R
R’
R’’
Ergotamin
H
H
CH2-C6H5
Ergosin
H
H
CH2-CH(CH3)2
Ergokristin
CH3
CH3 CH2-C6H5
Ergokryptin
CH3
CH3 CH2-CH(CH3)2
Ergocornin
CH3
CH3 CH(CH3)2
Ergostin
H
CH3 CH2-C6H5
Paritelle Synthese des d-LSD 4
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Verwandte Psychedelika 5
Psilocybin
1
2
3
4
5
Mescalin
DMT
Schema entnommen aus: Kompendium der Psychopharmakotherapie, Walter Pöldinger, S.
107
Strukturformeln entnommen aus: American Scientist Volume 75, S. 388, 391
Strukturformel entnommen aus: LSD - A Total Study, Siva Sankar, S. 54; Tabelle leicht
verändert, ibd.
Schema unter zu Hilfenahme der Strukturformel aus Chemistry of LSD, Albert Hofmann,
S. 117 entwickelt
Strukturformeln entnommen aus: LSD - A Total Study, Siva Sankar, S. 159, 576
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Anhang C: Zur Physiologie des Gehirns
Das menschliche Nervensystem, wie wir es heute kennen, ist das Produkt einer Evolution und
Genese von vielen Jahrtausenden und ist in seine Komplexität einzigartig. Es besteht aus
Millionen und Milliarden von speziellen Nervenzellen, den sogenannten Neuronen, deren
Aufgabe es ist, Informationen zu fassen, zu verarbeiten und dann entsprechend darauf zu
reagieren. Jedes einzelne Neuron hat Anteil an diesem gigantischen Komplex und steht zu
jedem Zeitpunkt mit anderen Nervenzellen in Verbindung, mit denen es komplizierte
Netzwerke eingeht.
Das Gehirn bildet eine hochkomplexe biologische Struktur, die bis heute noch nicht
vollständig erfaßt und erforscht worden ist. Das bringt mit sich, daß eine umfassende
Beschreibung seiner Beschaffenheit auch sehr komplex, vor allem aber langwierig sein würde.
Zieht man ferner in Betracht, daß bis jetzt nicht einmal exakter Aufbau und vollständige
Wechselwirkungen auch nur eines Hirnbereiches restlos geklärt sind, erscheint es unsinnig
eine bis ins kleinste bekannte Detail reichende Beschreibung zu geben. Zumal ja die Intention
dieses Anhangs nur ist, die Wirkung psychotroper und psychedelischer Substanzen auf
Gehirnfunktionen und Verhalten verständlicher zu gestalten, erscheint es sinnvoller, sich auf
die Grundzüge zu beschränken, weshalb dieser Anhang auch nur eine relativ oberflächliche
Beschreibung der einzelnen Punkte bietet.∗ Für ins Detail gehende Information sei auf den
Literaturnachweis verwiesen.
Anatomie des ZNS
Bei höher entwickelten Wirbeltieren, wie dem Menschen, entwickelt sich das Nervensystem
aus dem so bezeichneten Neuralrohr, welches in folgende sechs strukturelle Abschnitte
gegliedert werden kann:
1. Vorderhirn
2. Zwischenhirn
3. Kleinhirn
4. Mittelhirn
5. Rautenhirn (Nachhirn)
6. Rückenmark
Das zentrale Nervensystem (ZNS) besteht aus den Neuronen in Gehirn und Rückenmark. Jene
Nerven die in Verbindung mit den inneren Organen und der Skelettmuskulatur stehen
bezeichnet man gemeinhin als peripheres oder autonomes Nervensystem. Da in dieser Arbeit
das Interesse hauptsächlich auf cerebralen Neuronen (d.h. auf solchen im Gehirn) liegt, liegt
das Hauptaugenmerk natürlich auf dem zentralen Nervensystem. Verweise auf das periphere
System werden, so sie nötig sind in den einzelnen Kapiteln erklärt und bedürfen daher auch
keiner speziellen Ausführung im Rahmen dieses Anhangs.
Die Angaben der Anzahl der Neuronen im menschlichen Gehirn schwankt von rund 10
Milliarden bis zu 100 Milliarden Nerven und rund um den Faktor 10 mehr Gliazellen. Da
diese Zahl aber eine reine Schätzung darstellt, könnte es sein, daß sie in Wirklichkeit um etwa
eine Zehnerpotenz höher anzusiedeln ist. Jene Neuronen, die sich in ihrer Gesamtheit im
Gehirn befinden, werden als Interneuronen bezeichnet. Neben ihnen gibt es aber auch solche,
die über eine oder mehrere Zwischenschaltstellen ihre Nervenfasern bis ins Rückenmark
∗
Dieses Kapitel stellt notwendigerweise eine Zusammenfassung aus den im
Literaturverzeichnis angeführten Werken dar. Ich habe mich bemüht einen möglichst
geschlossenen Überblick zu geben, wobei vielerlei Information kombinert wurde, sodaß
dieser Anhang hoffentlich mehr als nur ein Exzerpt aus medizinisch-biologischen
Lehrbüchern darstellt und auch einen nicht geringen Anteil an eigener Arbeit beinhaltet.
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senden. Alle Impulse von Gehirn ins Rückenmark und umgekehrt, passieren das sogenannten
Rautenhirn, das aus dem verlängerten Mark und der Brücke besteht. Weiter oberhalb befinden
Mittel- und dann Zwischenhirn, dahinter das Kleinhirn. Darüber, direkt unter der
Schädeldecke, ist der Sitz des Großhirns mit seinen beiden Hemisphären.
Rückenmark
Das Rückenmark erstreckt sich vom verlängerten Mark (der Medulla oblongata) abwärts bis
zum Kreuzbein. Es ist in insgesamt 31 Paare von sogenannten Rückenmarksnervensträngen
gegliedert. Es gibt paarweise für jede Seite
8 Halsnerven
12 Brustnerven
5 Lendennerven
5 Kreuznerven
1 Steißnerv
abhängig davon, nach welchen Teilen der Wirbelsäule die Nerven durch die Wirbellöcher aus
dem Wirbelkanal austreten.1
Wichtig ist, daß in jedem Rückenmarksnervenstrang sowohl afferente Nervenfasern, die
Informationen ans Gehirn weiterleiten, als auch efferente Fasern, die Erregungen an Muskel
weiterleiten, vorhanden sind. Die austretenden Axone verzweigen sich sehr schnell und sind
entweder Teil des vegetativen Nervensystems, wenn sie in Verbindung mit inneren Organen
stehen, oder gehören zum somatischen Nervensystem, wenn sie mit Muskeln des Skeletts eine
Verbindung herstellen. Das Rückenmark ist also an folgenden Vorgängen maßgeblich
beteiligt:
1. Übermittlung von Informationen von Haut, Muskeln und Gelenken zum Gehirn
2. Weiterleitung und Koordination motorischer Impulse vom Gehirn an die einzelnen Muskel
3. Umwandlung von sensorischer Information
4. Aufrechterhaltung autonomer, nicht der willentlichen Beeinflussung unterworfener
Körperfunktionen2
Da Rückenmarksneuronen in ständiger Verbindung mit höheren Hirnzentren stehen und
Kontrolle auf Reflexe ausüben, ist ihre Rolle hinsichtlich der vegetativen Symptome, die
Psychedelika oft auslösen zweifellos von Interesse. Auch ihre Beteiligung an zumindest einer
Komponente des Schmerzes∗ steht in wenigstens indirektem Zusammenhang mit solchen
Substanzen.
Rautenhirn
Das Rautenhirn setzt direkt oberhalb des Rückenmarks an und befindet sich bereits
vollständig innerhalb des Schädels. Der untere Anteil des Rautenhirns ist das verlängert Mark
(Medulla), der obere die Brücke (Pons). Beide fungieren als Übertragungsstation für Impulse
zwischen dem Gehirn und dem Rückenmark, und das sowohl bei auf- als auch absteigenden
Bahnen. Sie sind neben dem Ursprung mehrerer Nerven (u.a. dem Vagusnerv∗∗) auch Zentrum
einiger lebenswichtiger Reflexe wie etwa dem Husten, Schlucken und Erbrechen. Diese
Hirnregion ist die primäre Schaltstelle für sensorische Informationen aus dem Bereich des
Gesichts und des Kopfes.3
∗
nämlich an der spezifisch-sensorisch Komponente der von Roland Melzack formulierten
Schmerztheorie. Vergleiche auch das Buch “Die Begegnung mit dem Tod”, Stanislav
Grof/Joan Halifax
∗∗
Otto Löwis historischer Versuch mit dem Vagusnerv gilt als Grundstein der modernen
Neurobiolgie. Sein Experiment wird u.a. in [4] auf S. 14 genauer erläutert.
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Mittelhirn
Gemeinsam mit dem unter ihm liegenden Rautenhirn wird das Mittelhirn gelegentlich auch
als Hirnstamm bezeichnet. Das Mittelhirn besteht aus einem oberen und unteren Paar von
Strukturen, die als oberes und unteres Vierhügelpaar bezeichnet werden. Neben zwei
kleineren Kerngebieten, die an der Motorik des Gesichts, vor allem aber an der Okulomotorik
gewichtigen Anteil haben, beinhaltet es auch das sogenannte retikulare System. Die Formatio
reticularis ist ein weitläufiges System von diffus organisierten Nervenzellen, deren Fasern
über Verbindungsbahnen bis an die Grenzen des Zwischenhirns und die Ausläufer des
Rückenmarks reichen. Neben der Steuerung vegetativer Symptome und der Koordination von
Reflexen zu komplexeren Abläufen, beeinflußt das retikulare System auch den Wachheitsgrad
und die Aufmerksamkeit.4 Besonders interessant ist die Tatsache, daß ein ständiger Fluß von
Erregungen an die Großhirnrinde weitergeleitet wird. Dadurch kann die Bewußtseinslage bzw.
das Bewußtsein in seiner Gesamtheit signifikant verändert werden. Vieles deutet darauf hin,
daß diese Region maßgeblich an den von Psychedelika hervorgerufenen
Bewußtseinsveränderungen beteiligt ist.
Kleinhirn
Das Kleinhirn (Cerebellum) ist eine große und stark gegliederte Struktur, die sich als
Anhängsel hinter dem Hirnstamm auf der Rückenseite befindet. Das Kleinhirn ist der
evolutionären Frühzeit des Menschen zuzurechnen und vor allem an der Motorik beteiligt. Es
ist über auf- und absteigende Bahnen mit dem Großhirn, aber auch mit dem Rückenmark über
sogenannte extrapyramidale Leitungen verbunden und gibt auf diesem Wege meist indirekte
Befehle an motorische Regionen. Defizite in der Aktivität des Kleinhirns, sei dies nun
organisch bedingt oder aufgrund psychoaktiver Substanzen (u.a. Alkohol), machen sich mit
Koordinations- und Gleichgewichtsverlust, Taumeln und ähnlichen Symptomen, wie sie auch
für den Zustand der Trunkenheit charakteristisch sind, bemerkbar. Dennoch kommt es bei
völliger Funktionsunfähigkeit des Kleinhirns kaum zu Ausfallerscheinungen, da andere
Gehirnregionen den Verlust offenbar kompensieren können.5
Zwischenhirn
Das Zwischenhirn (Diecephalon) ist am oberen Ende des Hirnstammes angesiedelt und wird
von oben von beiden Großhirnhälften begrenzt. Es läßt sich in zwei größere Komplexe
einteilen, die ihrerseits wiederum aus einer Vielzahl kleinerer Strukturen bestehen
Thalamus
Seine Bedeutung liegt in der Umschaltfunktion zwischen den sensorischen Erregungen aller
Sinnesrezeptoren (ausgenommen der Geruchssinn) mit dem Großhirn. Er ist außerdem, so wie
die Formatio reticularis ein Glied in jener Leitung, die sensorische Informationen mit
vegetativen Symptomen und Reflexen verbindet. Der Thalamus läßt sich am ehesten mit einer
Relaisstation vergleichen, die Signale nicht nur weiterleitet, sondern auch auswertet und
koordiniert. Assoziationskerne leiten Erregungen an bestimmte Regionen in der
Großhirnrinde weiter, die den jeweiligen Sinnen zugeordnet sind. Neben diesem spezifischen
System gibt es auch ein nicht-spezifisches, dessen Gebiete nicht so klar umrissen werden
können und daher als Assoziationsfelder bezeichnet werden. Neben einer diffusen Weitergabe
von Informationen an das Großhirn, hängen diese Areale mit der Entstehung von Schlaf
zusammen.
Die motorischen Abfolgen vom Übergang Wach zu Schlaf werden in diesem Bereich
festgelegt. Überhaupt scheint der untere Teil des Thalamus, der sogenannte Subthalamus
neben dem Kleinhirn ein weiteres wichtiges motorisches Zentrum darzustellen. Die
subthalamische Struktur ist auch Teil der bereits erwähnten extrapyramidalen Bahn, eine der
beiden wichtigsten Leitungen für motorische Impulse.
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Direkt unter der Schädelbasis befindet sich der Hypothalamus, der vorderste Teil des
Thalamuskomplexes, der, wie dieser, vor allem mit der Formatio reticularis und dem
limbischen System in Verbindung steht. Der Hypothalamus nimmt eine Schlüsselstellung bei
der Kontrolle vegetativer Symptome ein, wie er überhaupt starken Einfluß auf das gesamte
autonome Nervensystem hat. Er ist vor allem an der Regulierung der Körpertemperatur, dem
Wasserhaushalt im Gewebe und der Hormonausschüttung. Durch Releasing Factors steuert
der Hypothalamus den Hormonausstoß der von ihr kontrollierten unteren der beiden
Hirnanhangsdrüsen, der Hypophyse∗ . So beeinflußt er z.B. den Sexualtrieb und ist aus diesen
und weiteren Gründen Angriffspunkt vieler psychotroper Substanzen.6
Limbisches System
Das limbische System ist ein langgestrecktes Gebiet, das in Laufe der evolutionären
Entwicklung aus dem Riechhirn hervorging. Es scheint bei Betrachtung eines Längsschnittes
den Thalamuskomplex nach obenhin gegen das Großhirn zu umschließen. Diese System ist
dem des Thalamus übergeordnet und beinhaltet neben vielen kleineren Strukturen auch
Hippocampus und Mandelkern (Amygdala). Neben der Kontrolle über eine Vielzahl von
Trieben scheint das limbische System auch stark mit dem Entstehen von Emotionen gekoppelt
zu sein. Nicht nur in das momentane Verhalten, sonder auch in den Vorgang des Erlernens
und das Entstehen von Lustgefühlen wird eingegriffen. Das sogenannte limbische
Belohnungszentrum spielt eine fundamentale Rolle beim Mißbrauchspotential vieler Drogen
und ist Angriffspunkt fast jeder psychoaktiver Substanz.7
Großhirn
Das Großhirn (Neo- oder Isocortex) ist der entwicklungsgeschichtlich jüngste Teil des
menschlichen Gehirns. Es ist allen anderen Teil des ZNS übergeordnet und greift in
motorische, sensorische und autonome Bereiche ein. Vor allem aber ist es der Sitz des
Bewußtseins, der Persönlichkeit und der Denkvorgänge. Bereichen also die nach wie vor
physiologisch kaum zu erfassen sind. Das Großhirn nimmt den bei weitem größten Teil des
Schädels ein. Dennoch ist seine Oberfläche nur etwa zu einem Drittel sichtbar, der Rest
befindet sich in den zahlreichen Furchen.8 Geteilt in eine linke und rechte Hemisphäre werden
diese beiden Teile von einer starken und multisynaptischen Struktur, dem Balken miteinander
verbunden. Jede Großhirnhälfte besteht aus vier Lappen:
1. Frontal- oder Stirnlappen
2. Parietal- oder Scheitellappen
3. Okzipital- oder Schläfenlappen
4. Temporal- oder Hinterhauptslappen
Von ihnen kann dabei jeder unterschiedliche Funktionen wahrnehmen. So sind dort z.B.
primäres Hör-, Seh- und Riechfeld angesiedelt, was zu einer Beteiligung an der Integration
von Hören und Sehen oder der räumlichen Vorstellung führt.
Von besonderem Interesse sind aber die sogenannten motorischen und somato-sensorischen
Rindenfelder. Die motorische Region ist in der Lage willkürliche Bewegungen der
Skelettmuskulatur zu steuern. Die Impulse werden dabei entweder direkt über eine der beiden
Pyramidenbahnen (die Impulse passieren dabei die sogenannte pyramidale Struktur im
Hirnstamm) oder indirekt über die extrapyramidale Bahn ins Rückenmark geleitet, von wo sie
schnell zu den jeweiligen Muskeln gelangen. Die einzelnen motorischen Felder sind einem
bestimmten Körperteil zugeordnet und entsprechend der zur Steuerung erforderlichen
Präzision in ihrer Große unterschiedlich gestaltet. Direkt hinter den motorischen Regionen
befindet sich das sensorische Rindenfeld, das den einzelnen Körperfühlregionen wie z.B.
∗
Die obere Hirnanhangsdrüse, die Epiphyse, gelangte unter dem Namen Zirbeldrüse zu einer
gewissen Bekanntheit. Sie spielt in den Überlegungen des französischen Philosophen René
Descartes (1596-1650) die Rolle einer Mittlerin zwischen Geist und Körper.
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Auge, Gesicht oder Hand zugeordnet ist. Die linke Hirnhälfte steuerte dabei die rechte
Körperseite und die rechte Hirnhälfte die linke Körperhälfte.
Daneben gibt es noch große Gebiete unspezifischer Assoziationsfelder, die an hohen und
höchsten Gehirnfunktionen beteiligt sind, und die das Zusammenspiel vieler Areale
benötigen. Besondere Fähigkeiten des Menschen wie z.B. akustische Erinnerungsbilder,
Sprache, Ton- und Melodiebildung oder Lesen haben hier ihren Sitz und werden von
verschiedenen Zentren gesteuert, die zwischen unterschiedlichen Regionen vermitteln und
räumlich nicht immer exakt abzugrenzen sind.9
Das Neuron als funktionelle Einheit
Die Nervenzellen sind die Grundbausteine des Gehirns. Obwohl sie viele Gemeinsamkeiten
mit anderen Zellen in unserem Körper haben gibt es doch einige fundamentale Unterschiede.
Zum einen liegen sie in Form und Aufbau der Nervenzelle, zum anderen in der Tatsache daß
sie zwar in unglaublich großer Zahl vorliegen (ca. 100 Milliarden), sich nach Abschluß der
embryonalen Entwicklung aber nicht mehr durch Teilung vermehren können. Das heißt daß
der Vorrat an Neuronen bei der Geburt für ein ganzes Leben reichen muß und tagtäglich bis
zu unserem Tod Tausende von Nervenzellen absterben.
Ein typisches Neuron besteht aus einem Zellkörper, das auch den Zellkern enthält, zahlreichen
Dendriten und dem Axon, der Nervenfaser. Der Zellkörper bietet die biochemischen
Voraussetzung für die Synthese von Enzymen und anderen Stoffen. Ihm entspringen dünne,
sich rasch verästelnde Fortsätze, die Dendriten. Sie stehen mit benachbarten Nervenzellen in
Kontakt und nehmen mit ihrer Doppelmembran ankommende Signale auf. Selbst sendet die
Zelle natürlich auch Impulse. Dies geschieht über das Axon oder die Nervenfaser. Es kann
von wenigen Millimetern Länge bis zu einem Meter reichen, wie z.B. bei den Axone in der
Wirbelsäule. Meist entspringt dem Zellkörper nur ein Axon, das sich aber stark aufspalten
kann. Am Ende des Axons befinden sich die Synapsen, die eine Verbindungen mit anderen
Nervenzellen herstellen können. Meist stellt eine Nervenzelle auf diese Weise mit ca. 1.000
anderen Neuronen Verbindung auf, und benötigt dabei rund 10.000 Synapsen.10
Die Synapse ist also eine Verbindung zwischen dem präsynaptischen Axon und dem
postsynaptischen Dendriten. Sendet der Zellkörper einen Impuls aus, so schüttet die Synapse
spezielle Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter aus. Da die Synapse nicht direkt an der
benachbarte Zellmembran anliegt, sondern einen Spalt von einigen Nanometern läßt, müssen
die Transmittermoleküle diese Strecke zurücklegen und können so an eigene Rezeptoren am
nachgeschalteten Neuron binden und einen komplexen biochemischen Ablauf in der
Membran initiieren. Je nach Art des Rezeptors kann das Resultat eine Erregung oder
Hemmung des postsynaptischen Neurons sein. In einigen Fällen ist dabei aber nicht nur das
nachgeschaltete, sondern auch das ausschüttende Neuron betroffen. Ob das Neuron nun
genügend erregt wird um selbst einen Impuls auszusenden hängt von der Summe aller
eingehenden Reize ab, da die Nervenzelle ja viele Dendriten ausbildete die mit Tausenden
von anderen Zellen in Verbindung stehen. Man spricht dabei von der Konvergenz der
Informationsübertragung. Anderseits sendet das Neuron aber auch selbst an viele andere
Zellen Impulse, da sich das Axon in seinem Verlauf ja stark verzweigt. Hier ist von Divergenz
die Rede.
Konvergenz und Divergenz sorgen dafür, daß Neuronen miteinander in Beziehung stehen und
Bereiche ausbilden, in denen besonders die Zellkörper stark konzentriert sind. Man nennt
diese Gebiete Kerne (lat. Nuclei), die sich untereinander zu großen Strukturen wie etwa dem
Thalamus oder dem Hippocampus gruppieren können. Auch Axone können Bündel bilden die
von einer Gruppe von Zellkörpern Leitungen zu einer anderen ziehen, wie z.B. die
pyramidalen Bahnen.
Die Neuronen machen aber nur rund die Hälfte des Hirnvolumens aus, die anderen 50 %
nehmen die sogenannten Gliazellen ein. Ihre Rolle ist mit Ausnahme der Schwann’schen
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Zellen noch immer nicht verstanden. Diese Zellen bilden Myelinhüllen um Axone und
beschleunigen dadurch die Leitungsgeschwindigkeit von Impulsen. Andere Gliazellen stützten
und stabilisieren das neuronale Geflecht. Sie sind am Aufbau der Blut-Hirn-Schranke
beteiligt, die das Gehirn vor schädlichen Einflüssen schützt und nehmen zahlreiche
Hilfsfunktionen wahr. Ob auch sie Rezeptoren zur Bindung von Neurotransmittern besitzen
ist bis jetzt noch unklar. Fest steht daß die Existenz der Gliazellen eine der vielen
Unbekannten ist, die dazu beiträgt, daß das Rätsel des menschlichen Gehirns noch lange nicht
vollständig zu lösen sein wird.
Der Zellkörper
Der Zellkörper oder das Soma weist am meisten Ähnlichkeit mit anderen Körperzellen auf. Es
besitzt die gleichen Zellorganellen (Mitochondrium, Endoplasmatisches Retikulum, Golgi
Apparat, Lyosom u.a.) und trägt in seinem Kern den genetischen Code. Zellkörper werden je
nach ihrer Form in Kugel- oder Pyramidenzellen unterschieden. Dem Soma kommt
fundamentale Bedeutung dadurch zu, daß es durch seine Erregbarkeit bestimmt, ob das
Neuron einen Impuls aussendet. Informationen, die über die Dendriten oder auch den
Zellkörper direkt aufgenommen werden, können die Erregbarkeit fördern oder hemmen. Der
Nettoeffekt drückt sich dann in der Erzeugung eines Aktionspotentials aus. Obwohl
psychoaktive Substanzen eher im Bereich der synaptischen Terminals eingreifen, können sie
ihre Wirkung auch über eine direkte Einflußnahme am Zellkörper entwickeln
Das Axon
Generiert der Zellkörper in Folge seiner Erregung ein sogenanntes Aktionspotential, muß
dieses so schnell wie möglich weitergeleitet werden. Das geschieht über das Axon, das auch
Nervenfaser oder Neurit genannt wird, und das meist von einer sogenannten Markscheide
umgeben ist, um die Leitgeschwindigkeit zu erhöhen. Über das Axon werden auch die im
Zellkörper synthetisierten Proteine und Vesikel in die synaptischen Terminals transportiert.
Das geschieht über einen molekularen Motor, der mit der Umwandlung von ATP zu ADP
betrieben wird. Von psychotropen Substanzen bleibt das Axon trotz seiner bedeutenden Rolle
in der Informationsweiterleitung in der Regel unbeeinflußt.
Synaptische Terminals
Am Ende den Enden der verästelten Nervenfaser befinden sich synaptische Endknöpfchen,
insgesamt rund 10.000 pro Axon. Sendet der Zellkörper ein Aktionspotential das über das
Axon geleitet wird, so strömt Calcium in das Endknöpfchen ein. Dies setzt eine Reihe von
biochemischen Prozessen in Gang, die die Ausschüttung des Botenstoffes zur Folge haben.
Die mit Transmittermolekülen gefüllten Bläschen, die Vesikel, aktivieren ein Protein in ihrer
Hülle, das sie an der Nervenmembran andocken und dann mit ihr verschmelzen läßt. Dieser
Vorgang wird als Exocytose bezeichnet. Der Neurotransmitter wird dabei in den synaptischen
Spalt entlassen, wo er sich an die Rezeptoren des postsynaptischen Neurons binden kann. Die
nun leeren Vesikel werden im Inneren der Endknöpfe entweder zersetzt oder wieder angefüllt.
Auch die Transmittermoleküle, die sich frei im Spalt befinden, nachdem sie ihre Bindung mit
den Rezeptorproteinen aufgegeben haben, werden entweder wieder in die synaptischen
Terminals transportiert oder von eigenen Enzymen noch im Spalt metabolisiert. Die meisten
psychoaktiven Substanzen entfalten im Bereich der Synapsen ihre Wirkung indem sie z.B. die
Ausschüttung von Neurotransmittern provozieren oder aber die Transmittermoleküle selbst
imitieren und sich ihrer Statt an die Rezeptoren binden, was mitunter ein völlig anderes
Ergebnis am postsynaptischen Neuron zur Folge hat.
Die Dendriten
Die Nervenfasern eines Neurons stehen also über die Synapsen mit den Dendriten eines
anderen Neurons in Kontakt. Der Membran des postsynaptischen Dendriten kommt dabei eine
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spezielle Rolle zu. Die Doppelschicht lipider (d.h. fetthaltiger) Moleküle bildet dabei wie in
vielen anderen Zellen eine Schutzhülle. In diese Schicht sind verschiedenartige
Molekülkomplexe eingebettet, unter anderem die für die Dendriten typischen Rezeptorproteinkomplexe. Werden durch einen Nervenimpuls Botenstoffe, die sogenannten
Neurotransmitter freigesetzt, binden sich diese an die Rezeptoren und verändern deren
Struktur. Meist sind die Rezeptorproteine so angeordnet, daß sie in ihrer Mitte einen Kanal
bilden, der einen Durchgang von der Innen- zur Außenseite der Nervenmembran öffnet, wenn
ein Transmittermolekül andockt. Der Botenstoff wirkt also wie ein Schlüssel der ein Schloß,
nämlich den Kanal öffnen kann. Während der Kanal offensteht können selektiv bestimmte
Ionen (normalerweise Ca++, Na+, K+ oder Cl-) in die postsynaptische Zelle ein- oder austreten
können. Nach einer bestimmten Zeit löst sich das Transmittermolekül und die Pore schließt
sich wieder. In der Zwischenzeit wurden durch den Ioneneintritt die elektrischen
Eigenschaften des Neurons verändert. Das kann auch durch sogenannte sekundäre Botenstoffe
(second messenger) geschehen. In einem solchen Fall ist der transmembrane Ionenfluß nur der
Auslöser, der eine Vielzahl innerzellulärer Vorgänge in Gang setzt, die dann die Änderung
bewirken.
Eine Veränderung der elektrischen Spannung eines Neurons gegenüber dem Außenmedium
kann das Entstehen eines Aktionspotentiales entweder begünstigen oder hemmen. Wird dabei
der Unterschied der Ladungen inner- und außerhalb der Membran verringert, d.h.
depolarisiert, wirkt sich das günstig auf das Entstehen eines Impulses aus und man spricht von
einem EPSP (exzitatorisches postsynaptisches Potential). Im anderen Fall, bei einer Erhöhung
der Spannung durch Hyperpolarisation, die hemmend wirkt, ist von einem IPSP
(inhibitatorisches postsynaptisches Potential) die Rede. Da ein Neuron zu jeder Zeit von einer
Vielzahl von erregenden und hemmenden Potentialen beschossen wird, befindet es sich in
einem für sich speziellen Gleichgewicht, welches durch das Einwirken von psychedelischen
Drogen, die körpereigene Neurotransmitter imitieren, gestört wird.
Die Gliazellen
Gliazellen, deren Zahl die der Neuronen um das 10fache übersteigt, umgeben diese und füllen
den Platz zwischen ihnen aus. Man unterscheidet zwei Arten dieser Zellen: Astrocyten und
Oligodendrocyten. Letztere, deren Name “Zellen mit vielen Verästelungen” bedeutet bilden
die Markscheide und heißen in peripheren System auch Schwann’sche Zellen. Sie
ermöglichen erst eine ausreichend rasche Weiterleitung eines Impulses. Ihre Beschädigung
geht mit Krankheiten wie Multipler Sklerose einher. Wahrscheinlich haben die Gliazellen
neben der Myelination auch Anteil an weniger gut verstandenen Funktionen wie etwa der
Aufnahme von Ionen, der Stabilisierung des Geflechts von Nervenzellen oder gar dem
Speichern von Erinnerungen.11
*
Signalübertragung im Gehirn
Um Signale von einer Nervenzelle zur nächsten weiterleiten zu können, bedienen sich die
Neuronen des sogenannten Aktionspotentiales. Es ermöglicht bei seiner Ankunft in den
Synapsen das Einfließen von Calcium in die Endknöpfchen und die Ausschüttung von
Neurotransmittern in den synaptischen Spalt.
*
Bei diesem Kapitel erwies sich das unter [4] im Literaturverzeichnis angeführte Werk “The
Neuron” als sehr hilfreich. Zahlreiche Details, wie etwa die verschiedensten Komponenten
der Ströme und Baupläne der Ionenkanäle finden sich dort beschrieben, würden aber den
Rahmen einer Fachbereichsarbeit sprengen und sind auch für das Verständnis von der
Wirkung psychedlischer Drogen nicht von essentiellem Interesse.
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Das Neuron im Ruhezustand
Die Doppelmembran der Nervenfaser trennt Medien verschiedener Ionenkonzentration. Auch
wenn kein Aktionspotential über das Axon geleitet wird, entsteht so in Folge der
unterschiedlichen Ladungskonzentration eine elektrische Spannung. Kalium-Ionen weisen
eine hohe Konzentration an der Membraninnenseite, Natrium-Ionen an der -außenseite auf.
Alle Kanäle, die einen Austausch zwischen beiden Ionenarten erlauben würden sind im
Ruhezustand geschlossen. Gelegentlich dennoch diffundierende Ionen werden durch spezielle
Pumpenproteine wieder auf die richtige Seite transportiert. In diesem Zustand befinden sich
insgesamt mehr Kationen außerhalb der Membran, weshalb die Spannung, das sogenannte
Ruhepotential in negativen Voltwerten angegeben wird. Dieses Ruhe- oder Membranpotential
bewegt sich im Bereich von rund -80 mV.
Entstehung eines Aktionspotentiales
Im Gegensatz zu den Ionenkanälen auf den Dendriten, die hauptsächlich durch Transmitter,
d.h. chemisch, gesteuert werden, sind die axonischen Kanäle spannungsabhängig. Wird die
Ruhespannung nun herabgesetzt, z.B. durch die Signale von vorgeschalteten Neuronen, und
überschreitet dabei einen gewissen Schwellenwert, so verändert sich der Zustand der Kanäle
signifikant genug, um ein Aktionspotential (spike) zu erzeugen. Es öffnen sich wie in einer
Kettenreaktion sämtliche Natriumkanäle eines Abschnittes und lassen die Ladungsträger ins
Innere strömen, das sich dadurch kurzfristig der Außenseite gegenüber positiv auflädt. Etwa
eine Millisekunde später öffnen sich dann Kaliumkanäle und stellen das Ruhepotential
wieder her, indem sie die Ionen ins Außenmedium entlassen. Die Pumpenproteine sorgen
anschließend für eine Wiederherstellung der ursprünglichen Konzentration. Das
Aktionspotential pflanzt sich über das ganze Axon bis zu den Endknöpfchen hin fort, indem
es an benachbarten Stellen ebenfalls das Membranpotential über den Schwellwert erniedrigt
und somit den Impuls weiterleitet. Das Vorhandensein einer Markscheide beschleunigt diesen
Prozeß. Die Amplitude des Aktionspotential bleibt aber immer gleich.
Die Reizstärke ist also nicht an der Höhe des Aktionspotentials, sondern vielmehr an seiner
Frequenz abzulesen. Da ein Axon nach einem gerade abgefeuerten Impuls eine gewisse Zeit
gänzlich unerregbar und dann nur mit erheblichen Mehraufwand erregbar ist (absolute und
relative Refraktärzeit), muß eine sehr große Erregung vorhanden sein um nach kurzer Zeit
weitere Aktionspotentiale zu erzeugen. Dennoch kommt es in großer Zahl vor, daß Neuronen
spontan (d.h. ohne äußeren Anlaß) regelmäßig oder in Mustern Impulse feuern.12
Kommunikation via Neurotransmitter
Neurotransmitter sind die in den synaptischen Vesikeln gespeicherten Botenstoffe, die bei
einem impulsinduzierten Calciumeinstrom durch den Vorgang der Exocytose in den
synaptischen Spalt diffundieren. Mittlerweile sind rund 40 Transmitterstoffe bekannt, ihre
Gesamtzahl wird aber auf bis zu 100 geschätzt. Einige Transmitter werden als Neurohormone
bezeichnet, da sie nicht ausschließlich im Gehirn vorkommen und auch in anderen Teilen des
Körpers Veränderungen auslösen, wie z.B. das Adrenalin. Die Grenzen sind aber hier
fließend, da ein bestimmter Stoff selten nur eine einzelne Funktion erfüllt.
Transmittermoleküle müssen in den Neuronen meistens erst durch eigene Enzyme
synthetisiert werden und werden durch eben solche auch wieder abgebaut. Die einzelnen
Moleküle, die als Liganden bezeichnet werden, binden nach ihrer Ausschüttung an
Rezeptoren, für die sie eine hohe Affinität aufweisen. Oft gibt es für einen Neurotransmitter
aber mehrere gleichwertige Subtypen eines Rezeptors. Da kein Subtyp bevorzugt wird, wird
an jeden gleich stark gebunden. Ein Gleichgewicht, das durch psychoaktive Substanzen leicht
gestört werden kann. Neuronen die einen gemeinsamen Neurotransmitter als Botenstoff
verwenden kommen meist in direkter Nachbarschaft und eng umrissenen Gebieten vor, die oft
mit den bereits erwähnten Nuclei und Bahnen identisch sind.
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Neurotransmitter sind entweder einfache organische Moleküle (Monoamine), Aminosäuren
oder ganze Peptidketten, wie z.B. die Endorphine (körpereigene Opioide). Einige der
verbreitetsten Neurotransmitter sind beispielsweise:
Transmitter
Rezeptoren
Acetylcholin
muscarinische und nicotinische Rezeptoren
Dopamin
verschiedene Subtypen
Noradrenalin
Subtypen α-β
Serotonin
Subtypen 1-4
Histamin
Subtypen H1-H3
Aminobuttersäure
Subtypen A-C
Glutaminsäure
verschiedene Subtypen
Opioidpeptide
η, δ, und κ Rezeptoren
Tabelle 10: Bekannte Neurotransmitterstoffe13
Den einzelnen Subtypen des Serotoninrezeptors kommt bei der Erklärung, wie Halluzinogene
ihre Wirkung entfalten konnen, eine entscheidende Rolle zu. Sie werden an anderer Stelle
ausführlich besprochen. Verwiesen sei auch auf die Literaturangaben in den einzelnen
Kapiteln.
Literaturverzeichnis
[1] Drogen und Psychopharmaka, Robert M. Julien
Spektrum Akademischer Verlag. Heidelberg, Berlin, Oxford 1997
[2] Lexikon 2000
Wissen Verlag Stuttgart 1971
[3] Biologie Teil 2, Linder
Verlag Gustav Swoboda & Bruder. Wien 1989
[4] The Neuron, Irvin B. Levitian/Leonard K. Kaczmarek
Oxford University Press. New York, Oxford 1997
[5] Gehirn und Nervensystem
Spektrum der Wissenschaft. Heidelberg 1988
1
vgl. [2], Stichwort “Nervensystem”
leicht verändert nach [1], S. 481
3
vgl. [3], S. 122
4
vgl. [6], S. 101
5
vgl. [1], S. 482
6
vgl. [1], S. 482
7
vgl. [6], S. 142 pp.
8
vgl. [3], S. 116
9
vgl. [5], S. 122 pp.
10
vgl. [1], S. 492
11
vgl. [4], S. 25 pp.
12
vgl. [5], S. 3 pp.
13
leicht verändert nach [4], S. 237
2
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Anhang D: Beilagen
Erklärung
Ich erkläre, daß ich diese Fachbereichsarbeit ohne fremde Hilfe verfaßt und dazu nur die
angegebene Literatur verwendet habe. Außerdem habe ich die Arbeit einer Korrektur
unterzogen und Tippfehler ausgebessert.
Bad Ischl, am 29. September 2000
Quellennachweis
GRAPHIK 1: SYNTHESESCHEMA
GRAPHIK 2: TOLERANZENTWICKLUNG
GRAPHIK 3: HEMMUNG DER NEURONENAKTIVITÄT
GRAPHIK 4: HALLUZINOGNE POTENZ
TABELLE 1: EINIGE BEKANNTE ALKALOIDE
TABELLE 2: NATÜRLICHEN MUTTERKORNALKALOIDE DER
LYSERGSÄUREGRUPPE
TABELLE 3: ZEITTAFEL DER GESCHICHTE DES MUTTERKORNS UND SEINER
ALKALOIDE
TABELLE 4: PHARMAKOLOGISCHE DATEN VON LSD UND VERWANDTEN
SUBSTANZEN
TABELLE 5: PHARMAKOLOGISCHE WERTE AUSGEWÄHLTER SUBSTANZEN
TABELLE 6: GENERALISERUNGSEFFEKT ZWISCHEN VERSCHIEDENEN
HALLUZINOGENEN
TABELLE 7: PSYCHEDELIKA UND VERWANDTE NEUROTRANSMITTER
TABELLE 8: SUBTYPEN DER SEROTONINREZEPTOREN
TABELLE 9: PSYCHOPHARMAKA UND SEROTONIN
TABELLE 10: BEKANNTE NEUROTRANSMITTERSTOFFE
14
15
28
30
7
8
10
16
29
31
46
50
53
65
ABBILDUNG 1: MUTTERKORN
6
ABBILDUNG 2: BEZEICHNUNGEN DER RINGE, RESTE UND ATOME BEI LSD
12
ABBILDUNG 3: STRUKTURFORMEL DES LSD MIT DEN ANGEGEBENEN RESTEN.12
ABBILDUNG 4: DREIDIMENSIONALE STRUKTUR DES LSD-MOLEKÜLS [IN PM] 13
ABBILDUNG 5: VERÄNDERUNG DER HANDSCHRIFT UNTER LSD-EINFLUß
19
ABBILDUNG 6: LIMB FLICK
30
ABBILDUNG 7: SCHEMA DES SEROTONINKREISLAUFS
47
ABBILDUNG 8: LAGE DES SEROTONINERGEN SYSTEMS BEIM MENSCHEN
48
ABBILDUNG 9: WICHTIGE SEROTONINERGE BAHNEN IM MENSCHLICHEN
GEHIRN
49
50
ABBILDUNG 10: SCHEMATISCHER AUFBAU DES 5-HT1A-REZEPTORS
Die Portraits am Ende jedes Kapitels zeigen Albert Hofmann (Seite 11), Barry Jacobs (Seite
33), Sigmund Freud, Otto Rank, Carl Gustav Jung (alle Seite 39), Aldous Huxley und
Timothey Leary (beide Seite 45). Außerdem sind Kalottenmodelle vom LSD-Molekül
(Deckblatt und Seite 16) und Serotonin-Molekül (Seite 54) sowie ein Delysid-Präparat samt
Beipacktext (Seite 25) abgebildet.
S. 6: Pflanzen der Götter, AT Verlag 1995, S. 39
S.10: Der Grüne Zweig 150, Nachtschatten Verlag, S. 3
S.11: LSD - A total Study (Albert Hofmann), S. 128 (Vorlage), 130
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S.12: LSD - A total Study (Siva Sankar), S. 88
S.15: erstellt mit Hilfe des Computerprogrammes CHEMICAL for Windows V1.5
S.17: Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie, Nr. 60 (1947), S. 286
S.22: Der Grüne Zweig 159, Nachtschatten Verlag, S. 6; LSD - Mein Sorgenkind, S. 55
S.27: American Scientist, Volume 67 (1979), S. 400
S.30: Internet, Homepage von Mr. Barry Jacobs
S.35: Der Mensch und seine Symbole, Walther Verlag 1968, S. 26, Umschlagbild hinten
S.40: Serie Piper Nr. 6 (Huxley), Umschlagbild hinten; Rätsel des Geistes, Time Life, S.
115 (Leary)
S.42: American Scientist, Volume 67 (1979), S. 397
S.43: Journal of Clinical Psychiatry, Volume 53/10 (1992), S. 3
S.44: American Scientist, Volume 75 (1987), S. 390
S.45: Drogen und Psychopharmaka, Spektrum Akademischer Verlag 1997, S. 503
S.47: erstellt mit Hilfe des Computerprogrammes CHEMICAL for Windows V1.5
Index
A
G
Affinität ............................................23; 26-30; 45-48; 59
Agonismus .........................................................28; 29; 30
Aktionspotential ......................................................57; 59
Alkaloide ............................................... 4; 5; 7-10; 50; 61
Axon ....................................................... 5; 24; 56; 57; 59
Geburt........................................... Siehe Perinatale Matrix
Gehirn............. 5; 13; 23-25; 30; 34; 41-47; 52; 53; 57-61
Grant, Cary.................................................................... 37
Grof, Stanislav........................... 16; 19; 21; 22; 30-35; 53
H
B
Bernhard, Thomas ...........................................................3
BOL ...............................................................................23
Brom-LSD ..................................... 23; 24; 28 Siehe BOL
Halluzinationen ...................................7; 9; 17; 18; 21; 27
Hippies .................................................................... 21; 37
Hofmann, Albert.... 6; 8-10; 12; 15; 18; 39; 40; 49; 51; 61
Huxley, Aldous............................................26; 39; 40; 61
C
J
Chromosomenanomalien ...............................................18
Claviceps ........................................... 6 Siehe Mutterkorn
COEX-Systeme........................................................33; 35
Jost, Friedrich................................................................ 31
Jung, Carl Gustav .......................................................... 35
Jünger, Ernst.................................................................. 40
D
K
Delysid...............................................................31; 36; 61
Dendrit........................................ 5; 24; 43; 56; 57; 58; 59
Depersonalisation ..........................................................20
Depression ............................ 5; 21; 24; 25; 28; 34; 47; 49
KI -Wert ............................................................. 26; 27; 30
Kreuztoleranz .......................................14 Siehe Toleranz
L
E
Effektivität ............................................................... 28-30
Ergotismus.............................................................6; 7; 10
F
FBA .................................................................................3
Flashback.............................................................4; 20; 33
Freud, Sigmund .............................................................35
Leary, Timothey ....................................32; 37; 39; 40; 61
Leuner, Hans Carl ......................................................... 31
Ligand ..................................................................... 13; 30
Limb flick...................................................................... 27
Lysergsäurediethylamid............................ 2-41; 45-51; 60
LSD...............................Siehe Lysergsäurediethylamid
Chemismus............................................................... 11
Dosierung................................................................. 13
Eliminationshalbwertszeit ........................................ 14
Intoxikation................. 4; 9; 16; 17; 19; 20; 21; 29; 31
LSD-25 .........................Siehe Lysergsäurediethylamid
Unkorrigierte Fassung – Nur zur Durchsicht bestimmt
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Error! Style not defined. (2)
Pharmakologie..........................................................13
Psychotherapie .............2; 4; 19; 20; 22; 26; 31; 33-37
Strukturformel ..........................................................11
Synthese ...................................................................12
Zeiterleben................................................................19
M
Error! Style not defined.
R
Rank, Otto ............................................................... 35; 61
Raphe Nuclei..................................................... 24; 26; 45
REM-Schlaf.................................................19; 24; 25; 29
S
MAO-Hemmer...............................................................29
Mescalin ................................... 12; 14; 18; 32; 36; 39; 41
Mutterkorn.................................................. 4; 6; 7; 10; 61
Mutterkornalkaloide ............... 4; 7; 8; 61 Siehe Alkaloide
N
Neuroleptikum.........................................................29; 48
Neuron ............................24; 25; 27; 28; 42-46; 52; 56-59
O
Sandoz AG ................................................4; 8; 10; 31; 36
Schizophrenie.......................................................... 31; 47
Serotonin
Neurotransmitter ...5; 16; 23; 24; 27-29; 41-50; 60; 61
Rezeptoren ........ 4; 5; 14; 24; 25-30; 41; 44-48; 56-60
Wechselwirkung mit LSD ........................................ 23
Set ............................................................................. 4; 21
Setting ....................................................................... 4; 21
Shulgin, Alexander........................................................ 39
Spezifität ................................................................. 30; 48
Strychnin ....................................................................... 19
Suchtgiftgesetz .............................................................. 38
Synapse ............................................................. 56; 57; 58
Synästhesien .................................................................. 18
Ololiqui....................................................................15; 41
Osmond, Humphrey.................................................31; 36
T
P
Toleranz ........................................................4; 14; 15; 25
Perinatale Matrix ...........................................................33
Potenz ............................................. 15; 26; 27; 29; 30; 61
Psilocin ....................................................................15; 41
Psilocybin ..........................................................15; 39; 41
Psychedelikum...........2; 5; 14; 15; 18; 23; 26-28; 38; 41;
44; 46; 48; 51; 53; 54;
61
Psychoanalyse............................................. 31; 32; 33; 35
Psychotherapie
Anaklitische Therapie...............................................31
Psychedelische Therapie ..........................................32
Psycholytische Therapie ...........................................31
V
Vogt, Walter.................................................................. 38
Z
ZNS .............................................5; 13; 42; 46; 47; 52; 55
Unkorrigierte Fassung – Nur zur Durchsicht bestimmt
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