Synästhesie als Sonderfall der Metapher — die

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Synästhesie als Sonderfall der
Paul Wagner und Karina Bruckner
Metapher — die Nebenidee
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oder zur Mitempfindung
Synästhesie als Sonderfall der Metapher –
die Nebenidee oder zur Mitempfindung
Wort, denn die Farbempfindung scheint dadurch hervorgerufen zu
werden, dass ich mit dem Mund einen Buchstaben bilde, während ich
mir seinen Umriss vorstelle. Das lange a des englischen Alphabets
(...) hat für mich die Farbe verwitterten Holzes, während ein französisches a mich an poliertes Ebenholz erinnert.“ 4
Vladimir Nabokov beschreibt in seiner Autobiografie Erinnerung,
sprich die Entdeckung der Wahrnehmung der audition coloreé als
Kind. Sein Interesse gilt dem Phänomen und nicht dem Ausdruck
transzendentaler Einheit: „Hören ist vielleicht nicht ganz das richtige
Zwischen der Auffassung sinnlicher Wahrnehmung als Erkenntnisinstrument und der gegensätzlichen Idee eines höheren Ganzen, das
sich dieser entzieht, liegt eine Faszination an den subjektiven Verknüpfungen, welche Ordnungen ermöglichen, die beide Gegenpole
bestätigen und unterlaufen. Wenn Nabokov beschreibt: „Das Wort für
Regenbogen, ein primärer, wenngleich entschieden unreiner Regenbogen, ist in meiner Privatsprache das kaum aussprechbare kzspygv.“ 5,
beendet er damit eine lange Aufzählung der Farbwerte seiner audi­
tion colorée. Bemerkenswert in diesem Satz ist eine bewusste Verschmelzung, zumindest keine Trennung des Wortes Regenbogen und
seinem Bezeichneten, wenngleich er von einer bildlichen Vorstellung
des Regenbogens ausgeht. Es ist eine Art umgekehrte Bildproduktion bei der Nabokov von Bildern spricht, der Sprache ihre Grundlage
entzieht und sie ihr gleichzeitig wieder zurückgibt.6
Die Ausstellung entwirft eine Situation, in der Kunst ein umgebender Bestandteil vom Leben ist. Die Auswahl der Arbeiten konzentriert sich auf Produktionen, die reflexiv allerdings nicht deskriptiv
oder didaktisch sind, also auf Arbeitsweisen die bewusst Ideen nachgehen, aber nicht mit der Intention, diese zu erklären. Es sind Arbeiten, deren Lesbarkeit sich erst in einer Analyse der Formen, Farben
und Materialitäten und ihrer Bezüglichkeit entwickelt.
Gemeinsam ist ihnen ein spezifischer Umgang mit diesen Oberflächen, der durch ihre eigenwillige Präzision Formvorstellungen
sichtbar werden lässt, die ihrerseits aus einer Faszination für die
Wahrnehmung und ihre subjektiven Unschärfen entstehen.
Paul Wagner und Karina Bruckner im Februar 2012
4 Vladimir Nabakov: Erinnerung, sprich, Hamburg 2009
5 ebd. S. 41
6 Vgl.: Henri Bergson fasst den Begriff der „Intuition“ im Sinne einer „[...] Sympathie, aufgrund derer man sich in das
Innere eines Objekts versetzt, um mit dessen einzigartiger und deshalb unbeschreiblicher Eigenart übereinzustimmen.“ Henri Bergson: Die philosophische Intuition (1911) in: Denken und schöpferisches Werden. Aufsätze und Vorträge,
Frankfurt/Main 1985
Nun ist in Zusammenhang mit der Ausstellung nicht so sehr die
psychologische Erforschung der Synästhesie von Interesse, als ihre
Entdeckung durch die Kunst. Die Dichtung der Romantik und des
Symbolismus erhob die Synästhesie zum Stilprinzip, insofern in ihr
der Glaube an den Einklang von Seele und Welt seinen adäquaten Ausdruck fände.2 So sah man in der literarischen Methode die Möglichkeit zur Steigerung des poetischen Ausdrucks. „Bereits in der antiken
Mythologie und Religion des Orients, in der Literatur des Mittelalters,
der Renaissance und des Barocks hat die Synästhesie als Stilmittel
eine bedeutende Rolle gespielt: im Topos des Sphärengesangs, wonach die Ordnung des Kosmos hörbar sei, bei der Beschreibung mystischer Ekstase oder der Darstellung des Paradieses als dem Ort der
höchsten Genüsse dient sie zur Veranschaulichung transzendenter
Erfahrungen.“ 3 Im Gegensatz dazu verurteilte die Literaturkritik im
19. Jahrhundert das Stilmittel der Synästhesie wegen ihrer Hinwendung zum Subjektivismus.
1 J. Millet: Audition colorée, Paris 1892
2 A. von der Lühe: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Basel 1998
3 A. Wellek: Das Farbenhören im Lichte der vergleich. Musikwiss. Urgeschichte des Doppel­
empfindens im Geistesleben der Orientalen. Z. Musikwiss. in: A. von der Lühe:
Historisches Wörterbuch der Philosophie, Basel 1998
Der Begriff der ‚Synästhesie’ bezeichnete in der psychologischen
Forschung des 19. Jahrhunderts ein pathologisches Syndrom, bei
dem ein sinnlicher Eindruck gekoppelt mit einer oder mehreren weiteren Empfindungen auftritt – als sogenannte „sensations associées“.
Der am häufigsten zu beobachtende Fall war die Verknüpfung von
­Gehör- und Gesichtssinn, die „audition colorée“.1 Dieses Phänomen
wurde empirisch erforscht, definiert und in ästhetisch wissenschaftlicher Form dargestellt. Damit konnte nachvollzogen werden, inwieweit etwa die farbliche Vorstellung von Zahlen deckungsgleich ist,
bei Frauen öfter vorkommt als bei Männern oder angeblich Künstler
statistisch 30 Mal öfter betroffen sind.
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