Unentgeltliche Leistungen in der digitalen Ökonomie

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Unentgeltliche Leistungen in der digitalen
Ökonomie – konzeptionelle Herausforderungen
für das Wettbewerbsrecht
Big Data, Datenschutz und Wettbewerb
Hamburg, 4.11.2016
Prof. Dr. Heike Schweitzer, LL.M. (Yale)
Freie Universität Berlin, Germany
Überblick
I.
Einleitung
II. Unentgeltliche Leistungen im digitalen Kontext – Facetten der „Daten als
Entgelt“-Debatte
III. Unentgeltliche Leistungen im Wettbewerbsrecht
1. Wettbewerbsrechtlich relevante Marktbeziehungen?
2. Folgen für die wettbewerbsrechtliche Prüfungsmethodik
Titel, Datum
2
I. Einleitung
Titel, Datum
3
I. Einleitung
-
Ausgangsbefund:
§
Immenses Wachstum des Datenvolumens als Kennzeichen der digitalen Ökonomie
§
U.a. große Mengen von Nutzerdaten
§
Daten u.a. erhoben im Kontext des Angebote unentgeltlicher Leistungen
Þ Erheblicher Bedeutungszuwachs unentgeltlicher Leistungen in der digitalen Ökonomie
-
(P): Wie geht die Rechtsordnung mit diesen unentgeltlichen Leistungen um?
§
(1) Stichwort „Daten als Entgelt“: Handelt es sich um Austauschbeziehungen vergleichbar einem
monetären Entgelt?
Þ Falls ja: Kann Wettbewerb grds. Kontrolle gewährleisten, vergleichbar wie beim monetären
Preis?
Þ Wenn (+): Bes. Aufmerksamkeit auf Wettbewerb um „Datenpreis“
§
(2) Anwendung des Wettbewerbsrechts auf unentgeltliche Leistungsbeziehungen: Funktionieren die
bisherigen Kategorien, um Wettbewerbsgefahren zu erfassen, die von unentgeltlichen Leistungen
ausgehen können?
Þ Konzentrationstendenzen auf Märkten mit unentgeltlichen Leistungen können u.U. zu
besonderer „Datenmacht“ beitragen – Grund für Aufmerksamkeit in der Fusionskontrolle
Titel, Datum
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II. Unentgeltliche Leistungen im digitalen
Kontext – Facetten der „Daten als Entgelt“Debatte
Titel, Datum
5
II. Unentgeltliche Leistungen im digitalen Kontext –
„Daten als Entgelt“
1. Einleitung
-
Stichwort „Daten als Entgelt“: Begründet die Bereitstellung von Leistungen gegen Daten eine
Austauschbeziehungen vergleichbar einem monetären Entgelt? Funktioniert Wettbewerb als Kontrolle
über den „Datenpreis“?
Þ Rechtspolitische Konsequenz wäre:
ü Datenschutzrechtl. Einwilligung zugleich vertragsrechtlich relevante Annahme eines Angebots
ü Transparenz des „Datenpreises“ stärken
ü Damit zugleich Schutz des Wettbewerbs um den „Datenpreis“ (als Beitrag sowohl zur
„Datensparsamkeit“ als auch zum Wettbewerb)
-
-
Frage wird derzeit an verschiedenen Stellen behandelt:
§
Kommission, Vorschlag für eine RL zu vertragsrechtlichen Aspekten der Bereitstellung digitaler
Dienste, Dez. 2015 (COM(2015)634 fin): Anerkennung von „Daten als Entgelt“; Ziel: Stärkung des
Verbraucherschutz durch Regelungen zum Austauschvertrag
§
Wiss. Arbeitskreis Regulierungsrecht zu OTT-Kommunikationsdiensten: Soll bei einer transparenten
und eindeutigen Information der Nutzer deren Einwilligung in die datentechnische Ausbeutung der
Kommunikationsvorgänge durch den Diensteanbieter zugleich die Annahme eines vertraglichen
Angebots mit Einwilligung in eine zulässige vertragliche Gegenleistung gesehen werden =>
Anerkennung des Geschäftsmodells vieler OTT-Anbieter und explizite Eröffnung auch für
herkömmliche Diensteanbieter?
§
(P): Bedeutung von „Daten als Entgelt“ im Datenschutzrecht?
(P): Sind Daten einem monetären Preis vergleichbar?
Titel, Datum
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II. Unentgeltliche Leistungen im digitalen Kontext –
„Daten als Entgelt“
2. (P): Sind Daten einem monetären Preis vergleichbar?
v Unbestritten: Wi. Wert von Daten für Unternehmen (u.a.: „targeted advertising“)
Ø aber Wert folgt i.d.R. erst aus dem Gesamtbestand von Daten; Wert der Einzeldaten im Zweifel gering
(und potentiell unterschiedlich von Nutzer zu Nutzer)
v Unterschiede zwischen Daten / monetärem Entgelt:
Ø Nutzer können mehrfach mit denselben Daten zahlen; aus Nutzersicht sind Daten nicht knapp
Ø U.U.: Nutzer sehen Datenhingabe nicht (nur/primär) als Preis an; z.T. (je nach Zusammenhang): Akte
der Kommunikation; z.T.: Erwartung nützlicher Personalisierung der Leistungen im Gegenzug
Ø Wert der Daten für das Unternehmen ist Verbrauchern i.d.R. unbekannt
Ø „Preis“ der Hingabe von Daten aus Nutzersicht hängt von späterer Nutzung durch Dritte ab – erst im
Nachhinein erkennbar oder dauerhaft intransparent. D.h.: Zahlung eines ex ante unbekannten
Preises.
Þ D.h.: Verhältnis zwischen Dienstleistung und Daten wird vom Wettbewerb nicht wirksam kontrolliert – kein
Wettbewerb um den „niedrigsten Datenpreis“
Þ Vertragsrechtliche Anerkennung von „Daten als Entgelt“ als vermeintlich austauschbare Alternativoption zu
Vertrag mit monetärem Entgelt führt dann in die Irre: „Preisvergleich“ funktioniert aus Nutzersicht nicht.
Kein funktionsfähiger Wettbewerb zwischen Dienstleistungen gegen monetäres Entgelt/gegen Daten zu
erwarten
Titel, Datum
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II. Unentgeltliche Leistungen im digitalen Kontext –
„Daten als Entgelt“
-
(P): Sind Daten einem monetären Preis vergleichbar? (Fortsetzung)
Þ Gleichstellung von Verträgen gegen monetäres Entgelt / gegen Daten mit Blick auf Anbieterpflichten
sinnvoll (insb. Gewährleistungs-/Haftungsvorschriften => RL-Vorschlag für digitale Dienste)?
Ø (P): Wie denkt man Mehrseitigkeit der Märkte ins Vertragsrecht hinein??? Legen mehrseitige
Geschäftsmodelle tatsächlich vertragsrechtl. Erfassung der Beziehung auf allen Marktseiten nahe?
Ø Keine allg. Antwort – allg. Abgrenzungskriterium für vertragsrechtl. Erfassung = Rechtsbindungswille
Ø Versuch allg. Gleichstellung aber zweifelhaft; Gewährleistungsansprüche haben einen Preis => noch
mehr Datenzugriff? Höhere Preise auf dem anderen (Werbe-)markt? Oder schlicht: subj.
Beschaffenheitsbegriff auf niedrigem Niveau?
Ø Leistungsangebot der Plattform auf unentgelt. Seite u.U. besser durch Wettbewerb als durch
Gewährleistungsrechte kontrolliert – jedenfalls solange jederzeitige Beendigung der Beziehung durch
Nutzer möglich ist / Ausweichmöglichkeiten bestehen.
Þ Rechtliche Verpflichtungen des Nutzers bei Verträgen mit „Daten als Entgelt“ (nationales Recht)? Haftung
für Richtigkeit der Daten? Einfluss auf die Handhabung des datenschutzrechtl. Kopplungsverbots, Art. 7
Abs. 4 DSGVO?
ü Würde bedeuten: Verschlechterung der Rechtsposition der Verbraucher ggü. jetziger Rechtslage
ü Besser: Wenn Vertrag, dann einseitig verpflichtender Vertrag
Ø I.E. trägt das Recht des Austauschvertrags bei unentgeltlichen Leistungen nicht zur Schutz von
Privatautonomie / zu besserem Verbraucherschutz / zu mehr Wettbewerb bei
Ø Probleme von „Daten als Entgelt“ begründen Zweifel an Idee des „Wettbewerbs um Datenschutz“
Titel, Datum
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II. Unentgeltliche Leistungen im digitalen Kontext –
„Daten als Entgelt“
3. „Daten als Entgelt“ und Datenschutzrecht?
-
Entgeltfunktion von Daten spielt im Datenschutzrecht (vordergründig) keine Rolle
-
Zentrales Steuerungsinstrument im Datenschutzrecht: Einwilligung als Ausdruck von Privatautonomie
(„Datensouveränität“) – unabhängig von „Entgeltfunktion“ von Daten
Þ Diskussion: Wie kann Einwilligung zu einem wirksamen Instrument freier + informierter Selbstbestimmung
werden? (Transparenz, privacy by design, privacy by default u.a.)
-
Empirische Befunde allerdings: „notice-and-choice“-Modelle bzgl. Datenschutz funktionieren nicht.
§
„privacy paradox“ / „Resignation“ von Verbrauchern mit anderer Präferenz, die nicht ausweichen können
§
Aber auch: Keine konkreten Vorstellungen von künftigen „Kosten“ der Datenhingabe / künftigen Gefahren
(s.o.) – keine durch lange Erfahrung gespeisten „sozialen Normen“ im digitalen Umfeld.
Þ Dieselben Gründe, die gg „Daten als Entgelt“ sprechen, führen zu rationaler Apathie der Nutzer
Þ Einwilligungsmodell bedeutet faktisch: Weite Spielräume für Unternehmen
-
(P): Sind wir in dem (defekten) Einwilligungssystem gefangen? Eröffnet DSGVO u.U. neue Wege?
§
Grds. weiterhin Einwilligung als zentraler ErlaubnisTB, Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DSGVO
§
Aber u.U.: „Materialisierung“ des Einwilligungsmodells – deutlich höhere Hürden für Wirksamkeit
(Freiwilligkeit) der Einwilligung:
Titel, Datum
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II. Unentgeltliche Leistungen im digitalen Kontext –
„Daten als Entgelt“
3. Neue Wege im Datenschutzrecht? (Fortsetzung)
ü V.a.: Der (sehr vage formulierte) Art. 7 Abs. 4 DSGVO: Mögliche Unwirksamkeit der Einwilligung, wenn „die
Erfüllung eines Vertrags … von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten
abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich ist“.
Þ Bedeutung unklar
Þ Tendenz: Strikte Auslegung des Kriteriums „für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich“ (unabhängig
von Entgeltfunktion von Daten); dann: Einwilligung deckt nur einen kleinen Teil der Datenerhebung/verarbeitung
§
Dann: Abnahme der Bedeutung der Einwilligung als ErlaubnisTB; größere Rolle anderer ErlaubnisTBs, die
auf Interessenabwägungen beruhen, insb. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO:
v Erlaubnis zur Datenverarbeitung, insoweit sie „zur Wahrung der berechtigten Interessen des
Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und
Grundfreiheiten der betroffenen Person … überwiegen“.
Þ Das bedeutet: Rückbezug auf Ursprünge des Datenschutzes im APR (offenes Rahmenrecht)
Þ Bei Interessenabwägung kann Funktion von „Daten als Entgelt“ eine Rolle spielen => konkrete und legitime
wi. Verwertungsinteressen des Anbieters abzuwägen gegen Gefährdungen für Betroffene
Þ Erstrebenswert: Entwicklung allg. Marktverhaltensregeln / eines „Datenprivatrechts“ / Datenwirtschaftsrechts
(Jan Klement); erheblicher Klärungsbedarf bzgl. Inhalt der Marktverhaltensregeln => Standardisierung /
Zertifizierung
Þ Entwicklung solcher allg. Marktverhaltensregeln bedeutet aber auch:
ü Privatautonomie / Wettbewerb sind nicht die maßgeblichen Steuerungsinstrumente für die
Datenverarbeitung in der digitalen Ökonomie
ü Denkbar hingegen: Berücksichtigung von „Datenmacht“ bei Interessenabwägung, insoweit sie zur
„Gefährlichkeit“ beiträgt?
Titel, Datum
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III. Unentgeltliche Leistungen im
Wettbewerbsrecht
Titel, Datum
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III. Unentgeltliche Leistungen im Wettbewerbsrecht
-
Wenn „Daten als Entgelt“ nicht durch Wettbewerb kontrolliert sind:
Þ Ausbeutungsmissbrauch macht konzeptionell keinen Sinn – setzt hypothetischen Wettbewerbspreis voraus
-
Im Übrigen können unentgeltliche Leistungen ein wichtiger / eigenständig zu würdigender Teil des
Wettbewerbs sein
Þ Potentiell relevant in Fusionskontrolle; Behinderungsmissbräuche; auch Art. 101 AEUV
-
§
Frage 1: Begründen unentgeltliche Leistungen wettbewerbsrechtlich relevante Marktbeziehungen?
§
Frage 2: Folgen für die wettbewerbsrechtliche Prüfungsmethodik (v.a. bei Art. 102 AEUV)?
Frage 1: Begründen unentgeltliche Leistungen wettbewerbsrechtlich relevante Markbeziehungen?
§
Herkömmliche Sicht: „Nur entgeltliche Austauschbeziehungen begründen einen Markt“(zuletzt OLG
Düsseldorf, 9.1.2015, Az. VI Kart 1/14 (V), Rn. 43 – Hotelbuchung)
Þ Bei Verknüpfung von unentgeltlichen und entgeltlichen Leistungen über eine Plattform ist der Einfluss der
unentgeltlichen Seite auf das Marktgeschehen mittelbar bei der Prüfung der Wettbewerbsverhältnisse auf der
entgeltlichen Seite zu berücksichtigen.
§
Gründe:
v Begrifflich: Markt setzt (entgeltliche) Austauschbeziehung voraus
v Konzeptionell: Preis als Voraussetzung für Beurteilung der Austauschbarkeit von Leistungen / zur
Ermittlung von Marktmacht
§ § 18 Abs. 2a GWB (Ref-E): Unentgeltlichkeit einer Leistung steht der Annahme eines Marktes nicht entgegen.
ü Übereinstimmend bereits: jüngere Praxis der EU-Kommission / des BKartA
Titel, Datum
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III. Unentgeltliche Leistungen im Wettbewerbsrecht
-
Gründe:
§
Stellung der Unternehmen auf der unentgeltlichen Seite kann sich erheblich von der auf der
entgeltlichen Seite unterscheiden (unterschiedliche Substitutionsbeziehungen);
Þ Nur mittelbare Berücksichtigung der unentgeltlichen Seite ist „eine Krücke, die die
Kartellrechtsprüfung unnötig erschwert“ (BKartA, Think Tank-Bericht)
§
-
Wettbewerbsverhältnisse auf dem unentgeltlichen Markt können Ausgangspunkt für
Behinderungsstrategien sein
(P): Neue Abgrenzungsprobleme: Nicht jede unentgeltliche Leistung begründet einen Markt – was sind
die Kriterien für die Annahme eines Marktes?
ü (P1): Philantrophische Leistungen / reine Wohltätigkeit? (z.B. Wikipedia? Private
Stipendienvergabe?)
v RegE (S. 52) nunmehr (anders noch RefE): „Werden unentgeltliche Leistungen aus nichtwirtschaftlichen Motiven angeboten, ohne Teil einer zumindest mittelbar oder längerfristig auf
Erwerbszwecke angelegten Strategie zu sein, fehlt die entsprechende Relevanz“
Þ Zwar mögliche Wettbewerbswirkungen; aber kein Fall der Kollision der Wettbewerbsfreiheit eines
Unternehmens mit der gleichen Freiheit anderer Unternehmen; nicht Gegenstand des
Wettbewerbsrechts
Titel, Datum
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III. Unentgeltliche Leistungen im Wettbewerbsrecht
ü (P2): Markt nur im Fall einer Austauschbeziehung?
•
z.T.: Maßgeblich ist Austauschbeziehung (Aufmerksamkeit/Daten)
•
BKartA: Maßgeblich bei Plattformmärkten ist die Verknüpfung einer nicht-monetärer Nutzerseite
mit einer zahlungspflichtigen Nutzerseite im Rahmen eines einheitlichen Erwerbszwecks
(zugeschnitten auf 2seitige Geschäftsmodelle)
Þ I.d.R. übereinstimmende Ergebnisse: Wirtschaftlich werthaltige Gegenleistung ist Grundlage der
positiven indirekten Netzwerkeffekte;
Þ Aber mitunter liegt weder Austauschbeziehung noch Verknüpfung 2er Marktseiten vor (Bsp.
Freemium-Modelle – Austausch konstruiert, es sei denn: Datenzugriff)
Þ Entscheidend für Marktbeziehung daher auch hier: „Teil einer zumindest mittelbar oder längerfristig
auf Erwerbszwecke angelegten Strategie“ (RegE, S. 52; Änderung ggü. RefE)
Titel, Datum
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III. Unentgeltliche Leistungen im Wettbewerbsrecht
Frage 2: Folgen der Anerkennung unentgeltlicher Märkte für wettbewerbsrechtliche
Prüfungsmethodik?
-
-
Herkömmliche Prüfungsmethodik auf entgeltlichen Märkten:
§
Marktabgrenzung auf der Grundlage von Bedarfsmarktkonzept / SSNIP-Test => Preis ist zentral
§
Marktmacht als Preissetzungsmacht
Unentgeltliche Leistungsbeziehungen:
§
Preis entfällt für Marktabgrenzung und Marktmachtprüfung
Þ Über Preissetzungsmacht verfügen bei unentgelt. Leistungen selbst Quasi-Monopolisten nicht
§
Nicht-monetäres Entgelt (insb. Daten) taugt nicht als Ersatz für das Preiskriterium (s.o.)
§
Bedarfsmarktkonzept ergibt u.U. keine eindeutige Marktabgrenzung (Heterogenität von
Nutzerinteressen, Geschäftsmodellen, Angeboten und entsprechend Substitutionsbeziehungen)
Þ Bsp. Hotelbuchung; Online-Suchmärkte
§
Wenn man nach denjenigen Kräften sucht, die ggfs. Verhaltensspielräume eines Unternehmens im
Wettbewerb begrenzen: ggfs. zu differenzieren zwischen einer Vielfalt von
Wettbewerbsdimensionen – z.B. Innovation, vielfältige Qualitätsparameter u.a.
Þ für einige der Parameter kann wettbewerbliche Kontrolle existieren (z.B. Innovation), für andere
u.U. nicht (z.B. Manipulierbarkeit von Suchtreffern)
Þ „abstrakte“ Prüfung von Marktabgrenzung / Marktmacht wirft u.U. kaum lösbare Fragen auf
Þ Prüfung darf nicht abstrakt, sondern muss immer mit Blick auf einen konkreten Wettbewerbsverstoß
erfolgen – besteht in der für diesen Verstoß maßgeblichen Hinsicht hinreichende
Wettbewerbskontrolle? (EAGCP, CPI 2006; Kaplow, Relevance of Market Power, 2017 u.a.)
Titel, Datum
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III. Unentgeltliche Leistungen im Wettbewerbsrecht
-
These: Bei der Prüfung marktübergreifender Behinderungsstrategien sollten wir über einen alternativen
Prüfungsweg nachdenken (bei Missbrauchskontrolle; in etwas anderer Form auch in der
Fusionskontrolle)
§
Herkömmlich: Marktabgrenzung – Marktmacht („Eintrittsschwelle“) – Missbrauch
§
Alternative: Konkrete „theory of harm“ (Behinderungs-/Verdrängungsstrategie) als Ausgangspunkt;
Lässt sich Behinderung/Verdrängung feststellen? – kausal durch wettbewerbswidriges Verhalten? (1.
Filter: „no economic sense“-Test; 2. Filter: Interessenabwägung)
Þ Aus wettbewerbswidriger Verdrängung folgt Rückschluss auf fehlende wettbewerbl. Kontrolle des
Verhaltens (obwohl u.U. nur bzgl. einzelner Facetten des Verhaltens / unterschiedliche Grade von
Macht => „Relativität“ der Macht mit Blick auf Missbrauch)
Þ Möglicher Vorteil: „technische“ Marktabgrenzung entbehrlich; Prüfung der wettbewerbl. Kontrolle mit
Blick auf eine ganz konkrete Wettbewerbsdimension / fehlende Kontrolle + wettbewerbswidrige
Wirkung implizieren Marktmacht – in dieser spezifischen Hinsicht
Þ Beide Tests haben Vorteile / Nachteile; mal ist der eine, mal der andere vorzugswürdig:
-
§
Variante 1 kann Missbrauchsstrategien früher erfassen (GefährdungsTB); aber Gefahr der
Ergebnisorientierung bzw. Willkürlichkeit der Marktabgrenzung; außerdem: Längeres Verfahren
§
Variante 2: Entbehrlichkeit der Marktabgrenzung; aber bes. sorgfältige Prüfung und starker
Nachweis von Verdrängung und Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens erforderlich
Fazit: Bei unentgeltlichen Leistungen ist u.U. eine Rückbesinnung auf die Relativität von Marktmacht
geboten – sie besteht u.U. nur bzgl. einzelner Dimensionen des wettbewerblichen Handelns / kann aber
schon dann Ausgangspunkt einer marktübergreifenden Behinderungsstrategie sein.
Titel, Datum
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