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„Bürgerinnen wählt am 26. Januar!“
Wahlaufruf der DDP zur verfassunggebenden Landesversammlung in Preußen am 26.01.1919
Entwurf: Jupp Wiertz
War Politik im Kaiserreich noch eine reine Männerdomäne und Frauen bloße Objekte der
politischen Debatten, so änderte sich ihr Status mit der Revolution grundlegend. Nach
jahrzehntelangem Ringen des linken Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung im
Schulterschluss mit der Sozialdemokratie, billigte der Rat der Volksbeauftragten im
November 1918 Frauen das aktive und passive Wahlrecht zu, im darauffolgenden Jahr schrieb
Artikel 109 der Weimarer Reichsverfassung ihre staatsbürgerliche Gleichberechtigung fest.1
In der Konsequenz stieg die Zahl der Urnengänger von 14,4 auf 36,7 Millionen. Auch die
Parteien des bürgerlichen Lagers umwarben Frauen nun als Wählerinnen und Mitglieder.
Unter den 423 Abgeordneten der im Januar 1919 gewählten Nationalversammlung waren 37
Frauen, darunter sogar vormals erklärte Gegnerinnen des Frauenstimmrechts.
Zeugnis dieses Meilensteins auf dem Weg zur Gleichberechtigung ist das im vergangenen
Jahr vom Landesmuseum erworbene Plakat des Berliner Graphikers Jupp Wiertz (18881939). Dieser wirbt anlässlich der Wahlen zur verfassungsgebenden Landesversammlung am
26. Januar 1919 in Preußen im Auftrag der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) um die
Gunst der Wählerinnen. Die Kreidelithographie legt Zeugnis ab für den langwierigen und
letztendlich erfolgreichen Kampf des vermeintlich „schwachen Geschlechts“ um politische
Partizipation und ergänzt den Bestand der Politischen Plakate um ein Objekt aus den
Anfängen der Weimarer Republik.
Eine Oldenburgerin hatte maßgeblichen Anteil am Kampf um das Stimmrecht: Die Lehrerin
und Frauenrechtlerin Helene Lange (1848-1930), die 1928 Ehrenbürgerin ihrer Heimatstadt
wurde.2 Ausgangspunkt ihres Engagements in der bürgerlichen Frauenbewegung waren die
begrenzten Bildungs- und Berufschancen von Frauen im kaiserlichen Deutschland. Die
Forderung der Frauenbewegung nach einer Reform der Mädchenbildung ging einher mit der
nach politischer Partizipation. 1873 hatte Hedwig Dohm erstmalig öffentlich das
Frauenwahlrecht gefordert, 1891 nahm die SPD diese Forderung als erste deutsche Partei in
ihr Programm auf. Der sozialdemokratische Abgeordnete Eduard Bernstein brachte 1917 eine
Resolution für einen entsprechenden Gesetzesentwurf im Reichstag ein, die jedoch nur von
SPD und USPD unterstützt wurde. Die bürgerlichen Parteien lehnten sie ab. Die Frau gehöre
nicht in die Öffentlichkeit, so ihre Argumentation.
Auch die DDP war ein Kind der Republik wurde sie doch im November 1918 gegründet.
Mitglieder der Fortschrittlichen Volkspartei und des liberalen Flügels der Nationalliberalen
schlossen sich unter der Federführung Friedrich Naumanns zusammen. Zu ihnen zählte auch
Helene Lange und andere Frauen des gemäßigten Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung.
Die DDP nutzte Plakate von Anfang an zur Selbstdarstellung und Werbung. Politische Plakate
waren jedoch ein Novum und verfügten über keine eigene Tradition, so dass die
Novemberrevolution als ihre Geburtsstunde, die Weimarer Republik als ihre Blütezeit gilt. Sie
verbreiteten sich schlagartig über Litfasssäulen, Bauzäune, Schaufenster und Häuserfassaden,
Transparente, mobile Propagandawagen und über die Umhängetafeln der sogenannten
„sandwichmen“.3 Die Gestaltung der „Revolutionsplakate“ lag in der Hand
expressionistischer Künstler wie Willy Jaeckel, Max Pechstein und Heinz Fuchs. Sie brachen
konsequent mit den Gestaltungsprinzipien der Werbegraphik: Komplexe Bildstrukturen
ersetzten knappe Formulierungen, formale Präzision wich skizzenhafter Unschärfe, glühender
Pathos verdrängte die kühle Sachlichkeit der Werbekunst. Anders die parteipolitischen
Plakate mit denen sich die Weimarer Parteien im Vorfeld zur Nationalversammlung der
Öffentlichkeit vorstellten. Ihre Gestaltung übernahmen etablierte Werbegraphiker wie Lucian
Bernhard und Jupp Wiertz. Der Wahlberliner Wiertz inszenierte die Demokraten als Partei der
maßvollen Mitte, die sich gegen den linken und rechten Radikalismus abgrenzt. Gleichwohl
die Wählerschaft der DDP insbesondere im gehobenem Bildungsbürgertum zu vermuten war,
wandte er sich explizit auch an Frauen des proletarischen Milieus: Zwei gut gekleidete
Bürgerinnen stehen Schulter an Schulter mit einer Arbeiterfrau und einem Dienstmädchen.
Die Gruppe fixiert gemeinsam ein Ziel. Der Wahlaufruf transportiert weder programmatische
Forderungen noch verwendet der mehrfach ausgezeichnete Graphiker eine ausdifferenzierte
Bildsprache. Deutlich wird die Aufbruchstimmung der ersten Monate und die Hoffnung,
sämtliche soziale Schichten für die Ziele der Republik gewinnen zu können. Tatsächlich sollte
sich keine andere Partei der Weimarer Zeit in den folgenden Jahren so uneingeschränkt mit
der parlamentarischen Demokratie identifizieren wie die DDP, die nach einem erfolgreichen
Start im Laufe der Jahre immer mehr Wähler und Mitglieder einbüßen musste: Im Freistaat
Oldenburg sank ihr Stimmanteil von über 30% (1919) auf knapp 5% (1930). Die Partei
reagierte auf ihren zunehmenden Bedeutungsschwund mit einer ideologischen Engführung.
Spätere Plakate vermitteln ein stark idealisiertes Bild der Frau, deren Aufgabe in Haus,
Familie und Erziehung verortet werden.
Auch in den von Walter Kirchbach (1888-1942) für die Sozialdemokratie entworfenen
Plakaten drückt sich die anfängliche Unsicherheit der Parteien hinsichtlich der Agitation von
Frauen und des von ihnen zu erwartenden Wahlverhaltens aus. Die beiden anlässlich der
Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 entstandenen Plakate der SPD
dokumentieren die Doppelstrategie derer sich die Linke bediente. Mit dem Plakat „Gleiche
Rechte – gleiche Pflichten“ entwirft Kirchbach das Bild eines (nicht nur) politisch
gleichberechtigten Paares: Dem in kämpferisch-entschlossener Haltung dargestellten Arbeiter
tritt die selbstbewusste Proletarierin zur Seite, die die rote Fahne der Arbeiterbewegung
schwenkt. Zeitgleich bringt die SPD ein nahezu konträres Motiv in Umlauf. Ein Knabe, der an
die damals populären Kinderbilder von Hermann Kaulbach erinnert, appelliert an seine
Mutter: „Denk an mich!“ Damit transportieren die Plakate moderne Leitbilder wie das der
„Neuen Frau“ und der „Kameradschaftsehe“ parallel zu traditionellen - nicht selten
sentimentalen – Rollenklischees.4
1
Vgl. Rosenbusch, Ute: Der Weg zum Frauenwahlrecht in Deutschland, Baden Baden 1998.
Günther-Arndt, Hilke: Helene Lange, in: Biographisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg,
Oldenburg 1992, S. 407-410.
3
Schoch, Rainer: Das politische Plakat der Weimarer Republik. Voraussetzungen und Entwicklungstendenzen,
in: Politische Plakate der Weimarer Republik 1918-1933, hg. vom Hessischen Landesmuseum Darmstadt,
Darmstadt 1980, S. 6-13, hier S. 6.
4
„Gleiche Rechte – Gleiche Pflichten“. Zum Bild der Frau, a.a.O., S. 117-124.
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