Edith Foster: Thucydides, Pericles, and Periclean

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Karl-Wilhelm Welwei: Rezension von: Edith Foster: Thucydides,
Pericles, and Periclean Imperialism, Cambridge: Cambridge
University Press 2010, in sehepunkte 11 (2011), Nr. 2 [15.02.2011],
URL:http://www.sehepunkte.de/2011/02/18753.html
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sehepunkte 11 (2011), Nr. 2
Edith Foster: Thucydides, Pericles, and
Periclean Imperialism
Die Verfasserin konfrontiert die außenpolitischen Vorstellungen des
Perikles und des Thukydides, indem sie zu zeigen sucht, dass Perikles
Repräsentant einer aggressiven Machtpolitik gewesen sei, während
Thukydides hierin eine oft unproduktive oder sogar kontraproduktive
Zielsetzung gesehen und dies in den von ihm stilisierten Reden des
Perikles klar zum Ausdruck gebracht habe. Gleich zu Beginn ihrer
Einleitung bezeichnet sie die Methoden und Ziele der Außenpolitik des
Perikles als "intransigent imperialism" (1), ohne diese Beurteilung
eindeutig zu definieren. Der Imperialismusbegriff ist freilich in der
heutigen Bedeutung eine Prägung des späten 19. Jahrhunderts zur
Bezeichnung der Kolonialpolitik mehrerer europäischer Staaten. Der
Terminus kann nicht einfach auf die Zeit des Perikles übertragen werden.
Daher führen die Analysen der Verfasserin mehrfach zu
Missverständnissen. Frau Fosters Thematik ist nicht der historische,
sondern der thukydideische Perikles. Es stellt sich aber sofort die Frage,
ob und inwieweit in diesem Punkt eine Differenzierung möglich ist.
In den ersten Kapiteln interpretiert die Verfasserin Thukydides' Skizze
der griechischen Geschichte bis zur Eskalation der Spannungen vor
Beginn des Peloponnesischen Krieges. Sie versteht diesen Überblick
nicht als Glorifizierung griechischer Erfolge: Athen und Sparta hätten
zwar bei der Abwehr der Perser kooperativ agiert, durch ihre Siege aber
auch größere Macht gewonnen und ihr militärisches Potential verstärkt,
so dass diese Entwicklung die Machtpolitik des Perikles ermöglicht und
letztlich zum Peloponnesischen Krieg geführt habe. Sie verweist dazu auf
die Krisenherde der dreißiger Jahre des 5. Jahrhunderts v.Chr. und
wertet Athens Akmé in der Pentekontaëtie als Gefahr für andere Poleis.
Als bekannte Beispiele erörtert sie die gescheiterten Erhebungen der
Naxier, Thasier und Samier. Im Urteil des Thukydides sei Perikles ebenso
wie seine Vorgänger in der Führung Athens für die "imperialistische
Politik" ihrer Polis verantwortlich. Themistokles habe bereits die
Grundlagen für diesen Kurs geschaffen (97-105), während Perikles
schließlich die demokratische Kultur im Athen seiner Zeit mit "imperial
ideas" verbunden habe.
Die Verfasserin verwendet den Imperialismusbegriff aber auch in einem
sehr weiten Sinne. In der Interpretation der von Thukydides (1,68-71)
stilisierten Rede der Korinther in Sparta geht sie davon aus (83), dass
den Spartanern der Vorwurf gemacht wurde, "imperialistische Politik" zu
vermeiden, weil sie fälschlich glaubten, dass diejenigen die längste
Friedenszeit haben, die ihre militärische Macht nicht missbrauchen, aber
auch nicht gewillt sind zu handeln, wenn sie provoziert werden. Frau
Foster versteht diese Thukydidesstelle (1,71,1) als indirekte Kritik an der
Politik der Athener, die stets auf Erweiterung ihres Einflussbereichs
bedacht gewesen seien.
Ein Problem ist für Frau Foster indes die Charakterisierung des Perikles
durch E. F. Bloedow (The Implications of a Major Contradiction in
Pericles' Career, Hermes 128, 2000, 295-309), der im überlieferten Bild
des Perikles einen Widerspruch erkennen will, weil der "erste Mann"
Athens in der Überlieferung einerseits als "radical imperialist",
andererseits aber als sorgfältig abwägender "Konservativer" dargestellt
worden sei und demnach nicht beide Wertungen der Realität entsprechen
könnten. Frau Foster ist hingegen überzeugt, dass beide "Elemente" im
Porträt des Perikles zu erkennen seien (187). Aus den Reden des Perikles
im Werk des Thukydides kann indes nicht ohne weiteres ein Gesamtbild
der Gedankenwelt des athenischen Staatsmannes erschlossen werden.
Thukydides hat in seinem Methodenkapitel (1,22) verdeutlicht, dass er
die politischen Akteure so reden lässt, wie sie eigentlich hätten sprechen
müssen, wenn sie ihr Ziel erreichen wollten. Andererseits betont die
Verfasserin, dass Thukydides (2,65) in seiner abschließenden Würdigung
des Perikles nicht erkennen lässt, ob er den "perikleischen
Imperialismus" für richtig gehalten hat (218). Nach ihrer Auffassung hat
Thukydides aber generell das athenische Reich ("empire") weder
gerechtfertigt noch Trauer über das Ende der athenischen "Herrschaft"
404 v.Chr. bekundet.
Geradezu ein Kontrastbild zu den von ihr vermuteten Vorstellungen des
Thukydides zeichnet sie in der Zusammenfassung ihrer Beurteilung des
Perikles, den sie nicht nur als "glühenden Imperialisten", sondern auch
als talentierten "leader" sehen möchte (216f.). In dieser
Gegenüberstellung scheinen die Konturen der von der Verfasserin
postulierten "Figuren" des historischen und des thukydideischen Perikles
zu verschwimmen.
Die Prämisse ihrer These ist ihre schon erwähnte "ImperialismusTheorie". Mit der Gründung des Seebundes, die eine Folge der großen
persischen Invasion 480/79 v.Chr. war, übernahmen die Athener aber
auch eine Schutzfunktion für die Sicherheit ihrer Symmachoi. Sie
konnten jedoch keine ungehemmte Ausbeutung ihrer Bundesgenossen
anstreben, weil sie in diesem Fall bald an die strukturbedingten Grenzen
ihrer Macht gestoßen wären. Erhebungen in Seebundpoleis haben die
Athener bekämpft, um eine Erosion ihrer Symmachie zu verhindern.
Gleichwohl war ihr Bund kein "empire". Die Verfasserin hat diesen
Aspekt nicht hinreichend akzentuiert. Dies ist bedauerlich, da sie
insgesamt gesehen in der Lage ist, auf wissenschaftlich hohem Niveau zu
argumentieren.
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