6 Der Transistor als Verstärker Bei den Anwendungen von Transistoren als Schalter traten eigentlich nur zwei Betriebszustände auf: der sperrende und der gesättigte Transistor. Die Schaltungen waren bewusst so ausgelegt, dass Zwischenstellung nur ganz kurze Zeit während des Umschaltens auftreten konnten. Im Gegensatz dazu steht bei der Verstärkeranwendung eine proportionale Verarbeitung von Signalen im Vordergrund. Die Ausgangsgrösse eines analogen Systems soll zu einer Eingangsgrösse linear proportional sein. Man spricht deshalb in diesem Zusammenhang auch häufig kurz von linearen Schaltungen (linear circuits). Es versteht sich von selbst, dass jetzt sperrende oder gesättigte Transistoren nicht mehr vorkommen sollten. 6.1 Arbeitspunkteinstellung Die meisten zu verstärkenden Signale sind Wechselsignale. Die Ströme in einem Transistor können aber bedingt durch die pn-Übergänge nur immer in einer Richtung fliessen. Damit Wechselsignale überhaupt verarbeitet werden können, muss man ihnen erst ein Gleichsignal überlagern, dessen Grösse so beschaffen ist, dass das resultierende Signal das Vorzeichen nicht mehr wechselt. Diese Gleichgrössen werden auch als Ruhegrössen oder Arbeitspunktgrössen bezeichnet. 2 Der Transistor als Verstärker Wechselsignal Ruhegrösse Überlagerung Abb. 6.1: Überlagerung von Wechselsignal und Ruhegrösse Aus naheliegenden Gründen müssen diese Arbeitspunktgrössen stabil sein, das heisst, dass sie sich nicht ändern dürfen bei Temperaturschwankungen (Temperaturstabilität) und beim Ersatz eines Transistors durch ein anderes Exemplar desselben Typs (Exemplarstreuung). In den folgenden Abschnitten sollen einige Möglichkeiten der Arbeitspunkteinstellung bei Transistoren vorgestellt und hinsichtlich ihres Verhaltens bezüglich der Exemplarstreuung und bezüglich der Temperaturstabilität untersucht werden. 6.1.1 Konstante Basis-Emitter-Spannung Naheliegend wäre es, die Basis-Emitter-Spannung UBE konstant zu halten und damit auch einen definierten Kollektorstrom einzustellen. Eine mögliche Schaltung ist in Abbildung 6.2 gezeigt: +12V 1.2kΩ RC 5.6kΩ IC 100Ω UBE Abb. 6.2: Schaltung mit konstantem UBE Mit dem Potentiometer (zum Beispiel mit einem 10-Gang-Potentiometer) kann ein genau definierter Wert für UBE eingestellt werden. Damit wird auch ein ebenso definierter Kollektorstrom IC fliessen, da Kollektorstrom und Basis-Emitter-Spannung über die Diodengleichung miteinander verknüpft sind (Abbildung 6.3). 6.1 Arbeitspunkteinstellung 3 IC IC UBE UBE Abb. 6.3: IC in Abhängigkeit von UBE Wenn man diese Schaltung aufbaut und die Ströme und Spannungen misst, so stellt man fest, dass sich der Kollektorstrom schon stark ändert, wenn das Gehäuse des Transistors mit den Fingern berührt wird. Der Grund liegt in der enorm starken Temperaturabhängigkeit der Spannung UBE; es gilt bekanntlich, dass UBE bei konstantem Strom um etwa 2 mV/K mit der Temperatur abnimmt; die Kennlinie verschiebt sich also etwas nach links (Abbildung 6.4): IC ICw warm ICk kalt UBE UBE Abb. 6.4: Kennlinien bei verschiedenen Temperaturen Die relativ geringfügige Verschiebung der Kennlinie bewirkt infolge der grossen Steilheit der Kennlinien eine massive Verschiebung des Schnittpunktes (= Arbeitspunkt) in Richtung höhere Kollektorströme. Dieser Stromanstieg kann sogar zur Folge haben, dass der Transistor sättigt, also als Verstärker nicht mehr gebraucht werden kann. Die hier vorgeschlagene Schaltung ist offensichtlich thermisch nicht stabil und kann deshalb in der Praxis nicht verwendet werden. Die in der Literatur teilweise 4 Der Transistor als Verstärker vorgeschlagenen Lösungen mit temperaturabhängigen Widerständen im Spannungsteiler zur Kompensation des Temperaturverhaltens des Transistors müssen eher als akademische Spielereien betrachtet werden. Gründe dafür sind einerseits der Preis für die relativ vielen zusätzlichen Bauelemente und anderseits die Tatsache, dass ein NTC-Widerstand ein anderes Temperaturverhalten hat als ein Transistor und zudem nicht sichergestellt ist, dass Transistor und NTC die gleiche Temperatur haben. 6.1.2 Konstanter Basisstrom Nun wollen wir versuchen, die zweite Eingangsgrösse, den Basisstrom, konstant zu halten. Die Schaltung von Abbildung 6.5 genügt diesem Anspruch, wie die folgende Analyse zeigt. UCC RB RC IB IC UBE Abb. 6.5: Schaltung für konstanten Basisstrom Für den Basisstrom erhalten wir durch Anwendung des Maschensatzes: U CC – U BE I B = ---------------------------RB Damit erhält man sofort für den Kollektorstrom: β ⋅ ( U CC – U BE ) I C = β ⋅ IB = ----------------------------------------RB Da üblicherweise gilt: UCC >> UBE, bewirkt eine temperaturbedingte Änderung der Basis-Emitter-Spannung nur eine Veränderung des Basisstromes, die innerhalb der Messunsicherheit liegt, für uns also unbedeutend ist. 6.1 Arbeitspunkteinstellung 5 12V 1.2MΩ mA 2N2219A mV Abb. 6.6: Mess-Schaltung Mit der Schaltung von Abbildung 6.6 wollen wir die Temperaturabhängigkeit des Kollektorstromes IC überprüfen. Zur Temperaturmessung können wir die BasisEmitter-Spannung heranziehen, da UBE ja bekanntlich bei steigender Temperatur mit 2 mV/K abnimmt. Man erhält bei dieser Messung allerdings keine absolute Temperatur, sondern nur die Temperaturdifferenz. Dafür sind die Messwerte ein Mass für die massgebende Kristalltemperatur und nicht nur für die Gehäusetemperatur, die man mit gewöhnlichen Temperatur-Messsonden hätte bestimmen können. Bei der Durchführung des Experimentes soll der Transistor vorsichtig mit einem Lötkolben erwärmt werden. Dabei sollen jeweils gleichzeitig (also bei derselben Temperatur) die Werte für UBE und IC abgelesen werden. Bei dieser Messung stellt man fest, dass der Kollektorstrom mit steigender Temperatur zunimmt. Da der Basisstrom aber praktisch konstant bleibt, muss offenbar die Stromverstärkung $ zunehmen. In der folgenden Abbildung 6.7 wurde deshalb das Verhältnis $/$0 über der Temperatur aufgetragen; $0 ist dabei die Stromverstärkung bei der Ausgangstemperatur. 1.6 β/β0 1.5 1.4 1.3 1.2 1.1 1.0 0 20 40 60 80 100K ∆ϑ Abb. 6.7: Temperaturabhängigkeit der Stromverstärkung $ 6 Der Transistor als Verstärker Wir erkennen, dass die Stromverstärkung etwa linear mit der Temperatur zunimmt. Das Mass der Temperaturabhängigkeit ist von Transistor zu Transistor etwas verschieden; wir wollen uns den folgenden Zusammenhang merken: Die Stromverstärkung $ eines Transistors nimmt mit steigender Temperatur um maximal 1% pro K zu. Die thermische Stabilität des Ruhestromes ist also wesentlich besser als bei der vorhergehenden Schaltung. Hinsichtlich der Stabilität gegenüber der Exemplarstreuung sieht es ungünstiger aus. Der sich einstellende Kollektorstrom IC ist direkt proportional zur Stromverstärkung $. Bei einem typischen Transistor (2N2219A) kann $ zwischen 75 und 350 schwanken; der Kollektorstrom kann demzufolge auch in einem Verhältnis von fast 1:5 schwanken. Aus diesem Grund ist auch diese Schaltung zur Einstellung eines stabilen Arbeitspunktes nicht geeignet. Bei einer Serienproduktion der Schaltung wäre für jeden Transistor ein eigens abgeglichener Basiswiderstand RB notwendig; solche Abgleichprozesse sind aber sehr zeitaufwendig und daher wirtschaftlich nur in Ausnahmefällen vertretbar. Die Schaltung (Abbildung 6.6) eignet sich aber sehr gut als einfaches Transistor-Testgerät: da der Basisstrom IB konstant ist, kann das Amperemeter im Kollektorkreis direkt für die Stromverstärkung $ geeicht werden. 6.1.3 Emitterstrom-Gegenkopplung Will man in der Technik eine von verschiedenen Parametern abhängige Grösse konstant halten, so kann man sie messen, den gemessenen Istwert mit einem Sollwert vergleichen und dann je nach Resultat des Vergleichs die Grösse beeinflussen. Dieser Prozess wird üblicherweise als Regelung bezeichnet, in der Elektronik spricht man auch von einer sog. Gegenkopplung. Der Begriff “Messen” bedeutet in der Technik die Umwandlung einer physikalischen Grösse in eine andere, die im Idealfall linear proportional zur Ausgangsgrösse ist. Die Grundelemente einer Regelung oder eben Gegenkopplung sind in der Schaltung von Abbildung 6.8 erkennbar. In erster Näherung (Spannungsteiler als unbelastet betrachtet) erhält man für das Basis-Potential UB: U CC ⋅ R 2 U B = ---------------------R1 + R 2 Daraus folgt für den Kollektorstrom IC, den wir auch hier wieder dem Emitterstrom IE etwa gleich setzen: 6.1 Arbeitspunkteinstellung 7 U B – U BE IC ≈ I E = -----------------------RE UCC UB R1 IC UBE IE R2 RE UE Abb. 6.8: Emitterstrom-Gegenkopplung Der Emitterstrom (und damit auch der Kollektorstrom) wird mit dem Widerstand RE gemessen (d.h. in eine proportionale Spannung UE umgewandelt) und mit dem durch den Spannungsteiler eingestellten Sollwert UB verglichen. Das Resultat des Vergleichs ist die Spannung UBE (Maschensatz: UBE = UB - UE). Sollte der Emitterstrom aus irgendeinem Grund ansteigen, so würde auch die Spannung UE grösser. Da UB konstant bleibt, muss also UBE kleiner werden, was nach unserem Wissen eine Verkleinerung des Kollektorstromes zur Folge hat. Man erkennt leicht, dass jede Änderung des Emitterstromes eine Änderung der Spannung UBE bewirkt, die der ursprünglichen Änderung des Emitterstromes entgegenwirkt, der Emitterstrom also geregelt wird. Für eine genauere Analyse der Schaltung können wir den Spannungsteiler durch eine Ersatzspannungsquelle (Thévenin) darstellen und erhalten dann die folgende Ersatzschaltung (Abbildung 6.9): R1||R2 = Rp IB UBE UB0 IE RE Abb. 6.9: Ersatzschaltung 8 Der Transistor als Verstärker Für die eingeprägte Spannung der Spannungsquelle (= Leerlaufspannung des Spannungsteilers) erhält man leicht: U CC ⋅ R 2 U B0 = ---------------------R1 + R 2 Die Anwendung des Maschensatzes liefert die folgende Gleichung: U B0 = IB ⋅ R p + U BE + β ⋅ IB ⋅ RE Diese Beziehung kann nun nach dem Basisstrom IB aufgelöst werden: U B0 – U BE IB = --------------------------Rp + β ⋅ R E Mit IC = $ IB kann man nun den genauen Kollektorstrom berechnen: U B0 – U BE I C = --------------------------Rp R E + -----β Der sich in dieser Schaltung einstellende Kollektorstrom soll nun genauer bezüglich der Temperaturabhängigkeit und bezüglich der Abhängigkeit von der Stromverstärkung überprüft werden. Temperaturstabilität Die Temperatur hat einerseits einen Einfluss auf die Stromverstärkung $ und anderseits auf die Basis-Emitter-Spannung UBE. Da die Stromverstärkung infolge der Exemplarstreuung schon grossen Schwankungen unterworfen ist, kann ihre Temperaturabhängigkeit zusammen mit der Exemplarstreuung behandelt werden; in dieser Untersuchung soll also nur die Temperaturabhängigkeit der Basis-EmitterSpannung betrachtet werden. Um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, wird die relative Schwankung des Kollektorstromes berechnet: 6.1 Arbeitspunkteinstellung I Cmax – ICmin ∆I C c ⋅ ∆ϑ --------- = ---------------------------------- = --------------------------IC I Cmin U B0 – U BE 9 mV c = 2 -------K Die im Nenner auftretende Differenz UB0 - UBE ist nichts anderes als das EmitterRuhepotential UE; damit kann die Beziehung noch einfacher geschrieben werden: ∆I C c ⋅ ∆ϑ --------- = -------------IC UE Die temperaturbedingte Schwankung des Kollektorstromes wird umso kleiner, je grösser das Emitter-Ruhepotential UE gewählt wird. Exemplarstreuung Es zeigt sich, dass die Rechnung stark vereinfacht wird, wenn man annimmt, dass die Stromverstärkung $ zwischen einem Minimalwert und unendlich schwankt. β min ≤ β ≤ ∞ Nach einigen einfachen Zwischenrechnungen erhält man für die relative Kollektorstrom-Änderung: Rp ∆I C --------- = ---------------------IC β min ⋅ R E Die Kollektorstromschwankung wird umso kleiner, je kleiner der Widerstand Rp (= R15R2) gewählt wird. Zahlenbeispiel Gegeben seien die folgenden Werte: UCC = 12 V, IC = 2 mA, UBE . 0.6 V, )h = 50°C, $min = 100. Temperaturschwankung und Exemplarstreuung sollen je für sich einen relativen Stromfehler von maximal 10% verursachen. Gesucht sind die Widerstandswerte für R1, R2 und RE. 10 Der Transistor als Verstärker c ⋅ ∆ϑ 0.002 ⋅ 50 U E ≥ -------------- = ------------------------ V = 1V ∆I C 0.1 --------IC UE 1V R E = ------- = ----------- = 500Ω IC 2mA → ∆I C R p ≤ --------- ⋅ β min ⋅ R E = 0.1 ⋅ 100 ⋅ 500Ω = 5kΩ IC Aus den beiden Gleichungen R1 ⋅ R 2 -----------------Rp = R1 + R2 und U CC ⋅ R 2 --------------------U B0 = R1 + R2 mit U B0 = U E + U BE folgt leicht: R1 Rp --------- = ---------- → U B0 U CC U CC R 1 = R p ⋅ ----------- = 37.5kΩ → U B0 1 R2 = ------------------- = 5.77kΩ 1 1- --------– Rp R1 Die auf diese Weise gefundenen Widerstandswerte müssen auf Normwerte (üblicherweise aus den Normreihen E12 oder E24) gerundet werden. Unter Verwendung der Reihe E12 erhält man: RE = 470 S, R1 = 33 kS, R2 = 5.6 kS Mit den gerundeten Werten sollte nochmals eine Kontrollrechnung durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die ursprünglichen Vorgaben eingehalten worden sind. Resultat der Kontrollrechnung: U CC ⋅ R 2 U B0 = ---------------------- = 1.74V R1 + R2 → U E = 1.14V R p = R 1 || R 2 = 4.788kΩ ≤ 0.1 ⋅ β min ⋅ R E = 4.7kΩ Die zweite Bedingung ist nicht mehr erfüllt. Eine kurze Analyse zeigt, dass mit den gewählten Werten der Kollektorstrom zu gross wird (nämlich mehr als 2.4 mA). Das lässt sich korrigieren, indem für RE ein Wert von 560 S gewählt wird. Dadurch sinkt der Kollektorstrom auf die geforderten 2 mA ab und die zweite Ungleichung 6.1 Arbeitspunkteinstellung 11 ist nun auch erfüllt. Wie man bei diesem Beispiel sieht, sollte nie auf die Kontrollrechnung verzichtet werden; meist genügen geringfügige Änderungen bei den Rundungen, um die gewünschten Werte zu erhalten. Diese Art der Dimensionierung ist offenbar recht aufwendig und wird deshalb in der Praxis nur dann angewendet, wenn an die Stabilität eines Arbeitspunktes sehr hohe Anforderungen gestellt werden. In den meisten Fällen arbeitet man mit einer Faustregel, die ein einfaches und schnelles Dimensionieren ermöglicht. Faustregel für die Arbeitspunkt-Einstellung ! Das Emitter-Ruhepotential UE sollte etwa 1 ... 3 V betragen, was eine genügende thermische Stabilität garantiert. ! Der Querstrom IQ = UCC/(R1+R2) durch den Basisspannungsteiler sollte mindestens 10 mal grösser sein, als der maximal erwartete Basisstrom IBmax = IC/$min. Unter Beachtung dieser Faustregel lassen sich Schaltungen mit wenig Aufwand durch blosse Anwendung des Ohmschen Gesetzes dimensionieren. Selbstverständlich muss auch in diesem Fall nach der Rundung auf Normwerte nochmals eine Kontroll-Rechnung durchgeführt und gegebenenfalls die Rundung etwas angepasst werden. Neben der eben behandelten Emitterstrom-Gegenkopplung gibt es noch andere Gegenkopplungsverfahren wie zum Beispiel die Spannungsgegenkopplung. Diese Schaltungen sind aber aufwendiger zu dimensionieren und die Stabilität des Arbeitspunktes ist etwas schlechter. Sie werden deshalb nur in bestimmten Fällen eingesetzt und dienen hier nur als Übungsaufgaben. Allgemein ist zur Arbeitspunkteinstellung und zur Stabilität zu sagen, dass man nie Schaltungen entwerfen sollte, bei denen das richtige Funktionieren von einer genauen Einhaltung der Arbeitspunktgrössen abhängig ist. Wenn man an die Grenzen geht, ist damit zu rechnen, dass relativ viel Ausschuss produziert wird. 12 Der Transistor als Verstärker 6.2 Einfache Verstärkerschaltung UCC R1 RC R2 RE C u1 u2 Abb. 6.10: Verstärkerschaltung Durch Ergänzung der Schaltung zur Arbeitspunkteinstellung durch einen Kollektorwiderstand und kapazitive Einkopplung (Überlagerung) des Signals an die Basis erhält man die obenstehende Verstärkerschaltung (Abbildung 6.10). Zur Berechnung der Verstärkung kann man als Eingangssignal u1 einen Spannungssprung der Grösse )U1 annehmen. Da sich die Spannung an einem Kondensator nicht sprunghaft ändern kann, überträgt sich dieser Sprung direkt an die Basis des Transistors. Unter der früher gemachten Voraussetzung einer konstanten BasisEmitter-Spannung steigt demzufolge die Spannung über dem Emitterwiderstand RE auch um )U1 an. Demzufolge muss der Emitterstrom um )U1/RE anwachsen. Da der Kollektorstrom etwa gleich dem Emitterstrom ist, muss auch der Kollektorstrom um diesen Betrag anwachsen. Als Folge davon wächst der Spannungsabfall am Kollektorwiderstand RC um )U1 · (RC/RE). Das bedeutet, dass die Ausgangsspannung u2 um eben diesen Betrag abnehmen muss, da ja die Spannung über RC und die Ausgangsspannung zusammen die konstante Betriebsspannung UCC ergeben müssen. Aufgrund dieser Überlegungen erhält man für die Spannungsverstärkung dieser Schaltung den folgenden Ausdruck: u2 RC ----vu = = – ------u1 RE Die folgende Schaltung (Abbildung 6.11) wurde gemäss der Faustregel dimensioniert, wobei eine Ruhespannung UE von etwa 1.5 V gewählt wurde. Nach der Rundung auf Normwerte ergibt sich noch eine Spannung von 1.2 V. Als Testsignal wird eine Dreieck-Spannung verwendet, da dabei allfällige Verzerrungen von blossem Auge viel besser wahrgenommen werden können als bei Verwendung eines SinusSignals. 6.2 Einfache Verstärkerschaltung 13 +12V 100kΩ u1 3.3kΩ 1µ F 2N2219A 18kΩ 1.5kΩ u2 Abb. 6.11: Test-Schaltung Die Messresultate sind in Abbildung 6.12 dargestellt, wobei auf dem KO-Bild nur die Wechselsignal-Anteile dargestellt sind (Messung in Stellung AC). u1(t) u2(t) 2V 12V 1V 10V 0V 8V -1V 6V -2V 4V -3V 2V -4V 0V -5V -2V -6V -4V 20µs/DIV Abb. 6.12: Ein- und Ausgangsspannung der Test-Schaltung Man erkennt sehr schön, dass das Minuszeichen bei der Verstärkung nichts anderes bedeutet, als eine Phasendrehung des Signals um 180°. Man spricht dann auch etwa von Inversion bzw. von einem invertierenden Verstärker. Die Verstärkung entspricht ziemlich genau dem theoretisch erwarteten Wert von ca. -2.2 (= -RC/RE). Wenn bei dieser Messung die Amplitude der Eingangsspannung immer weiter vergrössert wird, so zeigen sich verschiedene Verzerrungen beim Ausgangssignal. Den Ursachen dieser Verzerrungen kommt man am ehesten auf die Spur, wenn - wie in 14 Der Transistor als Verstärker Abbildung 6.13 gezeigt - das Kollektor- und das Emitterpotential oszillografiert werden. +12V 100kΩ 1µF u1 18kΩ 3.3kΩ 2N2219A 1.5kΩ UE UC Abb. 6.13: Mess-Schaltung Gemäss den vorherigen Überlegungen ist ja die Emitterspannungsänderung gleich der Basisspannungsänderung, also gleich dem Eingangssignal. In Abbildung 6.14 sind diese beiden Potentiale dargestellt und zwar für eine sehr große Amplitude der Eingangsspannung. Für beide Signale wurde DC-Kopplung, gleiche Lage des Masse-Potentials und der gleiche Ablenkfaktor gewählt. UE(t) UC(t) 14V 14V 12V 12V 10V 10V 8V 8V 6V 6V 4V 4V 2V 2V 0V 0V -2V -2V 20µs/DIV Abb. 6.14: Emitter- und Kollektorpotential beim übersteuerten Verstärker Die Reihenfolge des Auftretens der im folgenden beschriebenen Effekte hängt von der Wahl des Arbeitspunktes ab. Bei der im Beispiel verwendeten Wahl tritt bei der Vergrösserung der Signalamplitude zuerst der Fall ein, dass das Eingangssignal 6.2 Einfache Verstärkerschaltung 15 gleich der Emitter-Ruhespannung wird. Damit wird die momentane Emitterspannung gleich Null; es fliesst also kein Strom mehr durch den Transistor, der Transistor sperrt und das Kollektorpotential ist gleich der Betriebsspannung (im Bild z.B. etwa zwischen 40 und 100 µs). Bei positiver Eingangsspannung steigt das Emitterpotential und damit auch der Emitterstrom (=Kollektorstrom) an, das Kollektorpotential sinkt entsprechend. Bei einer weiteren Vergrösserung der Signalamplitude wird die Kollektor-Emitterspannung UCE gleich Null. Eine weitere Steigerung führt zur Sättigung des Transistors (im Bild z.B. bei etwa 10 bis 30 µs). Man erkennt im Bild sehr deutlich, dass im Falle der Sättigung die Kollektor-Basis-Diode des Transistors in Flussrichtung betrieben wird und demnach die Ausgangsspannung sich gleichphasig mit der Eingangsspannung ändert. Auffällig ist die negative Spitze des Emitterpotentials bei ca. 70 µs. Hier muss offenbar ein negativer Emitterstrom fliessen; tatsächlich ist dies eine Folge des Durchbruchs der Basis-Emitter-Diode, die bei den heute meistens verwendeten Planar-Transistoren eine Durchbruchspannung1 von etwa 6 V aufweist. Bei einem Verstärker haben wir offenbar eine maximale Ausgangsspannung, die noch keine Verzerrungen aufweist (der Transistor also weder gesperrt noch gesättigt ist). Es gibt auch eine minimale Ausgangsspannung, die durch das unvermeidliche Rauschen der Verstärkerstufe festgelegt ist. Rauschsignale sind nicht vorhersagbare, zufällige Signale, die nur mit statistischen Methoden beschrieben werden können. Für das Rauschen gibt es verschiedene Ursachen; dazu gehören das thermische Rauschen der Widerstände (Brown’sche Bewegung der Leiter-Elektronen), das Stromrauschen und weitere Rauschursachen in Halbleitern. Sobald das Signal einen Wert erreicht hat, der in der Grössenordnung des Rauschens liegt, kann das Signal nicht mehr vom Rauschen unterschieden werden und eine Verstärkung wird sinnlos. Das Verhältnis von grösstmöglicher zu kleinstmöglicher Signalspannung wird als Dynamik des Verstärkers bezeichnet. Man ist an einer möglichst grossen Dynamik interessiert (Beispiel HiFi-Anlagen); da das Rauschen sich unserem Einfluss weitgehend entzieht, kann die Dynamik nur vergrössert werden, wenn die maximal mögliche Ausgangsspannung so gross wie technisch möglich gewählt wird. Dabei stellt sich nun die Frage, wie der Arbeitspunkt einer Verstärkerschaltung gewählt werden muss, damit die unverzerrte Ausgangsspannung so gross wie möglich wird. Es leuchtet ein, dass das dann der Fall ist, wenn beim gleichen Wert der Eingangsamplitude der Transistor sperrt und sättigt. Für eine quantitative Analyse kann man die Potentialverläufe für diesen Idealfall einmal skizzieren und dann die Schlussfolgerungen ziehen (Abbildung 6.15). 1. Dieser Durchbruch kann in Ausnahmefällen auch ausgenutzt werden, sofern sichergstellt ist, dass der Strom begrenzt bleibt. Man kann einen Transistor mit miteinander verbundenen Kollektor- und Basis-Anschlüssen auch als Z-Diode für etwa 6 V einsetzen (natürlich nur als Notmassnahme). 16 Der Transistor als Verstärker UC UE UCC û2 UCA UCEA UEA û1 GND t Abb. 6.15: Optimaler Arbeitspunkt Die in dieser Abbildung verwendeten Schreibweisen für Spannungen sollen ab jetzt konsequent verwendet werden. Für die Bedeutung der Schreibweisen gilt, erläutert am Beispiel der Kollektorspannung: UC Momentanwert der Kollektor-Spannung UCA Kollektor-Ruhespannung (Arbeitspunkt-Grösse) uC Kollektor-Signalspannung (nur Wechselanteil) Es gilt also auch die Beziehung: UC = UCA + uC In Abbildung 6.15 erkennt man, dass wegen der Gleichheit von Eingangsspannung und Emitter-Signalspannung gelten muss: û2 = |vu| û1. Dabei wird mit vu die Spannungsverstärkung bezeichnet. Man kann nun leicht ablesen, dass die KollektorEmitter-Ruhespannung UCEA gleich der halben Betriebsspannung sein muss und dass das Emitter-Ruhepotential gleich der maximalen Amplitude des Eingangssignals sein muss. Unter Benutzung der eben hergeleiteten Beziehungen erhalten wir die folgende Gleichung, die erfüllt sein muss, wenn die Schaltung für eine optimale Aussteuerbarkeit ausgelegt sein soll. 6.2 Einfache Verstärkerschaltung 17 U CC U EA = -----------------------------2 ⋅ ( 1 + vu ) Diese Beziehung gilt nicht allgemein, sondern nur für die eben untersuchte Schaltung. Für andere Schaltungen müssen analoge Überlegungen angestellt werden. Experiment Entwurf und Aufbau eines Verstärkers mit aussteuerungsoptimaler Dimensionierung und folgenden Daten: UCC = 12 V, IC . 2 mA, |v| = 10, $min = 100. Gesucht ist der genaue Messwert für die Spannungsverstärkung v. +12V u1 56kΩ 2.7kΩ 1µF 2N2219A 5.6kΩ 270Ω u2 Abb. 6.16: Verstärker mit v = -10 Die Schaltung von Abbildung 6.16 erfüllt die gestellten Anforderungen hinreichend gut. Die Messung der Verstärkung an mehreren gleichen Schaltungen ergibt Werte, die in einem Bereich von 9.3 und etwa 9.7 schwanken, also alle signifikant unter dem theoretischen Wert von 10 liegen. Die Gründe für diese Abweichung können nicht in den Widerstandstoleranzen liegen, sonst müssten sicher einzelne Schaltungen auch eine Verstärkung ausweisen, die höher als 10 liegt. Als einzige Erklärung für diese Abweichung der Messung vom theoretischen Wert bleibt die Vermutung, dass das bisher verwendete Transistormodell1 das Verhalten des Transistors in 1. Bisher verwendetes Transistor-Modell: 1 Die Spannung UBE zwischen Basis und Emitter ist konstant und beträgt etwa 0.6 bis 0.7 V. 2 Der Kollektorstrom ist proportional zum Basisstrom. Der Proportionalitätsfaktor heisst Stromverstärkung $ und liegt typisch in der Grössenordnung von 100. 3 Der Emitterstrom IE ist etwa gleich dem Kollektorstrom IC. 4 Der Kollektorstrom ist praktisch unabhängig von der Kollektor-Emitter-Spannung UCE 18 Der Transistor als Verstärker dieser Anwendung nicht genügend gut beschreibt. Daraus folgt die Notwendigkeit, ein besseres Modell für den Transistor auszuarbeiten. Man kann dabei vom bisherigen Modell ausgehen und überprüfen, welche Teile des Modells verfeinert werden müssen. Der Punkt (2) dürfte nach wie vor seine Gültigkeit behalten, also auch Bestandteil des neuen Modells bilden. Was den Punk (3) betrifft, so hat der dadurch gemachte Fehler (die Vernachlässigung des Basisstromes) die Grösse 1/$, liegt also in der Grössenordnung von 1%. Da die Messfehler meistens grösser sind, kann auch dieser Punkt praktisch beibehalten werden. Die Punkte (1) und (4) müssen hingegen genauer analysiert werden. 6.3 Die Kleinsignal-Ersatzschaltung (KSE) 6.3.1 Der differentielle Basis-Emitter-Widerstand rBE Die Basis-Emitter-Spannung UBE ist genau genommen nicht konstant, sondern folgt gemäss der Diodengleichung einer Logarithmus-Funktion (Abbildung 6.17): UBE uBE Näherung (Tangente) UBEA Arbeitspunkt iB IBA IB Abb. 6.17: zur Herleitung von rBE Der Zusammenhang zwischen IB und UBE ist also nichtlinear. Um die Rechnung zu vereinfachen, kann man davon ausgehen, dass gemäss den Definitionen aus Kapitel 4 die Signalgrössen als Änderungen um den Arbeitspunkt herum aufgefasst werden können. Falls nun die Signalamplituden klein sind verglichen zu den Arbeitspunktgrössen, kann die nichtlineare Kennlinie durch ihre Tangente im Arbeitspunkt approximiert werden. Gleichzeitig kann ein neues Koordinatensystem mit dem 6.3 Die Kleinsignal-Ersatzschaltung (KSE) 19 Ursprung im Arbeitspunkt definiert werden, das als Bezugssystem für die Signalgrössen dient. Auf diese Weise können wir den Zusammenhang zwischen den Signalgrössen iB und uBE linearisieren und erhalten die folgende Beziehung: u BE = i B ⋅ rBE Der Proportionalitätsfaktor rBE heisst differentieller oder dynamischer Basis-Emitter-Widerstand. Seine Grösse kann aus der Diodengleichung bestimmt werden: u BE ∆U BE dU BE rBE = --------- = -------------- = -------------iB ∆I B dI B Für die Ableitung der Diodengleichung im Arbeitspunkt erhält man: ⎛ IB⎞ U BE ≈ U T ⋅ ln ⎜ -----⎟ ⎝ I S⎠ → dU BE ------------dIB IB = I BA IS 1 UT β ⋅ UT ≈ U T ⋅ -------- ⋅ ---- ≈ -------- ≈ --------------ICA I BA IS IBA Bei grösseren Strömen weicht die Diodenkennlinie als Folge von ohmschen Widerständen etwas von der idealen logarithmischen Kennlinie ab; das kann durch folgende Beziehung erfasst werden: β ⋅ UT r BE = --------------- + r BB′ I CA Der Widerstand rBB’ wird innerer Basis-Zuleitungswiderstand genannt und liegt in der Grössenordnung von 10 ... 100 S. Für kleine Werte von ICA kann also rBB’ ohne weiteres vernachlässigt werden und man kann mit den folgenden Beziehungen arbeiten: u BE = i B ⋅ r BE β ⋅ UT r BE ≈ --------------I CA k⋅T U T = ---------e 20 Der Transistor als Verstärker 6.3.2 Der differentielle Widerstand rCE Man kann sich zur Beziehung zwischen Kollektorstrom und Kollektor-EmitterSpannung analoge Überlegungen machen, was dann auf die in Abbildung 6.18 dargestellten Zusammenhänge führt: IC iC ICA Arbeitspunkt uCE UCE UCEA Abb. 6.18: zur Definition von rCE Man erkennt, dass zwischen der Änderung des Kollektorstromes und derjenigen der Kollektor-Emitterspannung in guter Näherung ein linearer Zusammenhang besteht: u CE ≈ i C ⋅ r CE Zur Bestimmung der Grösse des differentiellen Kollektor-Emitter-Widerstandes rCE kann man das Ausgangskennlinienfeld des Transistors etwas genauer betrachten (Abbildung 6.19). Werden die Ausgangskennlinien nach links verlängert, so schneiden sich die Verlängerungen näherungsweise in einem Punkt. Da der Anstieg der Ausgangskennlinien durch den in Kapitel 3 besprochenen Early-Effekt bewirkt wird, nennt man die Spannung des Schnittpunktes auch Early-Spannung UK. Diese Spannung hat einen vom Transistortyp abhängigen Wert, der zwischen 50 V und 200 V liegt. Damit kann der Widerstand rCE durch die folgende Beziehung beschrieben werden: dU CE r CE ≈ -------------dIC IB = I BA U CE + U K ≈ ------------------------I CA 6.3 Die Kleinsignal-Ersatzschaltung (KSE) 21 IC ICA Arbeitspunkt UCEA UK (Early-Spannung) UCE Abb. 6.19: Bestimmung der Grösse von rCE Üblicherweise beträgt die Kollektor-Emitter-Ruhespannung UCEA nur wenige Volt, so dass gilt: UK >> UCEA. Unter Verwendung dieser Beziehung folgt: UK r CE ≈ --------I CA u CE ≈ i C ⋅ r CE 50V ≤ U K ≤ 200V Der Kollektorstrom IC ist eine Funktion von zwei Variablen: IB und UCE. Damit erhält man die gesamte Änderung mathematisch durch das vollständige Differential: i C = f ( I B, U CE ) ⇒ ∂I C ∂I C dI C = -------- ⋅ dI B + -------------- ⋅ dU CE ∂I B ∂U CE Die hier auftretenden partiellen Ableitungen sind nichts anderes als die Stromverstärkung $ bzw. der Kehrwert des differentiellen Kollektor-Emitter-Widerstandes rCE. Da Änderungen durch Kleinbuchstaben bezeichnet werden, erhält man für denselben Zusammenhang in der für die Elektronik üblichen Schreibweise: u CE i C = β ⋅ i B + ---------r CE 22 Der Transistor als Verstärker 6.3.3 Die Kleinsignal-Ersatzschaltung Eine Zusammenstellung der bisher gefundenen Beziehungen führt auf das folgende Gleichungssystem, das das Kleinsignalverhalten des Transistors beschreibt: u BE = r BE ⋅ i B u CE i C = β ⋅ i B + ---------r CE Die Umsetzung dieses Gleichungssystems in eine elektrische Schaltung ergibt die folgende Kleinsignal-Ersatzschaltung für den Transistor: B iB Kleinsignal-Ersatzschaltung iB uBE iC C β•iB rBE rCE uCE E Abb. 6.20: Kleinsignal-Ersatzschaltung (KSE) des Transistors Auf die folgenden Punkte muss bei jeder Anwendung der KSE geachtet werden, um grobe Fehler zu vermeiden: ! Die Kleinsignal-Ersatzschaltung beschreibt nur die Zusammenhänge zwischen den Änderungen, also den Signalgrössen; sie ist nicht brauchbar für die Berechnung von Arbeitspunktgrössen. ! Die Bezugsrichtungen für iB und $ iB sind integrierende Bestandteile der KSE und dürfen keinesfalls weggelassen werden. Sie bestimmen die gegenseitige Phasenlage von iB und iC. ! Die Stromquelle ist eine stromgesteuerte Stromquelle (CCCS = Current Controlled Current Source). Bei Anwendung des Überlagerungssatzes ist daher äusserste Vorsicht geboten. ! Die KSE ist nur gültig, wenn die Kleinsignal-Bedingung eingehalten wird, wenn also die Amplituden der Signale relativ klein sind verglichen mit den Arbeitspunkt-Grössen. Wenn diese Bedingungen nicht eingehalten werden, resultieren daraus entsprechende Fehler. 6.3 Die Kleinsignal-Ersatzschaltung (KSE) ! 23 Die Kleinsignal-Ersatzschaltungen von npn- und pnp-Transistoren unterscheiden sich nicht; die Unterschiede betreffen nur die Vorzeichen der Arbeitspunkt-Grössen. Die eben hergeleiteten Parameter der KSE werden in der Elektronik-Literatur auch etwa mit anderen Bezeichnungen versehen (häufig werden die sogenannten Hybridoder h-Parameter aus der allgemeinen Vierpol-Theorie verwendet). Die folgende Tabelle vermittelt einen Überblick über die entsprechenden Bezeichnungen: Äquivalente Bezeichnungen für die Transistor-Parameter: Basis-Emitter-Widerstand Stromverstärkung Kollektor-Emitter-Widerstand rBE h11 hie $ h21 hfe rCE 1/h22 1/hoe Bemerkenswert ist noch die Tatsache, dass sich die Parameter der KleinsignalErsatzschaltung aus den Arbeitspunkt-Grössen, aus der Stromverstärkung $ sowie aus den “Naturkonstanten” UT und UK berechnen lassen. Aus diesem Grund findet man häufig in Datenblättern auch keine diesbezüglichen Angaben. Mit Hilfe der Transistor-Ersatzschaltung lassen sich nun auch für ganze Verstärkerstufen Kleinsignal-Ersatzschaltungen zeichnen und damit auch die resultierenden Parameter eines Verstärkers einfacher und genauer bestimmen. Die genaue Vorgehensweise soll anhand einiger Beispiele gezeigt und geübt werden. 24 Der Transistor als Verstärker 6.4 Die Emitterschaltung 6.4.1 Emitterschaltung ohne AC-Gegenkopplung Zur Erzielung einer möglichst grossen Spannungsverstärkung müsste in der bisher betrachteten Schaltung das Verhältnis RC/RE möglichst gross werden. Veränderungen der Widerstände führen aber zu nicht akzeptablen Änderungen der Arbeitspunkt-Grössen. Um die Verstärkung zu vergrössern, würde es genügen, wenn der Widerstand RE nur für Wechselsignale klein wird, für Gleichstrom (Arbeitspunkt) seinen Wert aber beibehält, damit ein in jeder Hinsicht stabiler Arbeitspunkt eingestellt werden kann. Man kann das erreichen, indem parallel zu RE ein Kondensator CE geschaltet wird; die Impedanz dieser Parallelschaltung ist dann für hinreichend hohe Frequenzen praktisch vernachlässigbar. Die folgende Schaltung (Abbildung 6.21) ist gemäss dieser Idee konzipiert; als Neuerung wurde hier einmal die Betriebsspannungsquelle mit eingezeichnet. R1 RC URCA UCC C1 u1 R2 RE u2 CE Abb. 6.21: Emitterschaltung ohne AC-Gegenkopplung Zum Zeichnen der Ersatzschaltung für die ganze Verstärkerstufe geht man zweckmässigerweise wie folgt vor: 1. Die Spannungsquelle UCC ist für Signale ein Kurzschluss. Alle mit UCC verbundenen Punkte der Schaltung liegen also signalmässig an Masse. 2. Kondensatoren werden in erster Näherung als Kurzschlüsse für Signale betrachtet. 3. Das Transistor-Symbol wird durch die Kleinsignal-Ersatzschaltung ersetzt. 4. Umzeichnen der Schaltung unter Erhaltung der topologischen Zusammenhänge. 6.4 Die Emitterschaltung 25 Unter Beachtung der obigen Regeln erhält man die folgende Ersatzschaltung für die Verstärkerstufe: β iB iB u1 R1 R2 rBE RC rCE u2 Abb. 6.22: KSE der Verstärkerstufe Durch Zusammenfassen von Widerständen (R1 || R2 = Rp, RC || rCE = R’C) lässt sich diese Ersatzschaltung noch weiter vereinfachen: β iB iB u1 Rp rBE R’C u2 Abb. 6.23: Vereinfachte KSE Ausgehend von dieser Ersatzschaltung kann nun die Spannungsverstärkung leicht berechnet werden. Ein- und Ausgangsspannung lassen sich durch iB ausdrücken: u 1 = i B ⋅ r BE u 2 = – β ⋅ i B ⋅ R' C Damit erhält man für die Spannungsverstärkung vu: β ⋅ R' C u2 v u = ----- = – ---------------r BE u1 Bei einer oberflächlichen Betrachtung dieser Beziehung könnte man denken, dass die Spannungsverstärkung der Stufe proportional zur Stromverstärkung des Transistors ist, was eigentlich auch einleuchtend erscheint. Die erhaltenen Ausdrücke müssen solange umgeformt werden, bis keine berechenbaren Grössen wie rBE oder rCE mehr auftreten, da diese Grössen arbeitspunktabhängig sind. Es sollten nur noch Konstanten wie $ oder UK sowie Arbeitspunktgrössen auftreten. 26 Der Transistor als Verstärker Durch Einsetzen der entsprechenden Beziehungen erhält man neu: β ⋅ R' C β ⋅ R'C ICA ⋅ R' C v u = – ---------------- = – ---------------- = – ---------------------r BE β⋅U UT --------------TICA Durch Einsetzen für R’C und unter Ausnutzung der Beziehung rCE = UK/ICA erhält man schliesslich: I CA ⋅ R' C I CA ⋅ R C ⋅ r CE UK U RCA v u = – ---------------------- = – --------------------------------------- = – -------------- ⋅ ----------------------------UT U T ⋅ ( R C + r CE ) U T U K + U RCA Als endgültigen Ausdruck für die Spannungsverstärkung der betrachteten Emitterschaltung erhält man also: u2 U RCA UK v u = ----- = – -------------- ⋅ ----------------------------u1 U T U K + U RCA Die Spannungsverstärkung ist im wesentlichen proportional zur Ruhespannung über dem Kollektorwiderstand (URCA = ICA · RC) und umgekehrt proportional zur Temperaturspannung UT. Der zweite Term im obigen Ausdruck beschreibt den Einfluss von rCE; unter Berücksichtigung der Grössenverhältnisse (UK = 50 ... 200 V, URCA = wenige V) ist dieser Korrekturfaktor ziemlich nahe bei 1. Der Einfluss von rCE ist also in vielen Fällen vernachlässigbar klein. Überraschenderweise ist aber die Spannungsverstärkung überhaupt nicht von der Stromverstärkung $ des Transistors abhängig. Zwecks Überprüfung dieses Resultates wurde die Schaltung von Abbildung 159 mit folgenden Elementwerten aufgebaut: R1 = 120 kS, R2 = 22 kS, RC = 5.6 kS, RE = 1.8 kS, UCC = 15 V, C1 = 1 µF, CE = 100 µF. Die Messung der Ruhespannung URCA ergab einen Wert von 5.1 V. Mit UT = 26 mV und einem geschätzten Wert von UK = 100 V ergibt sich für den erwarteten Wert der Spannungsverstärkung etwa -185. Die gemessenen Kurvenformen von u1(t) und u2(t) sind in Abbildung 6.24 dargestellt; als Eingangsspannung wurde wieder eine Dreieck-Spannung verwendet. 6.4 Die Emitterschaltung u1(t) 27 u2(t) 30mV 10V 20mV 8V 10mV 6V 0V 4V -10mV 2V -20mV 0V -30mV -2V -40mV -4V -6V -50mV 10µs/DIV Abb. 6.24: Spannungsverläufe bei der Emitterschaltung Die Messung der Spannungsverstärkung aus den Kurvenformen ergibt einen Wert von -182; die Messung zeigt also eine sehr gute Übereinstimmung mit der Theorie. Auffallend ist, dass die Ausgangsspannung ziemlich verzerrt scheint; anstelle der erwarteten Dreieck-Spannung erscheinen Kurvenformen, die an gotische Kirchenfenster erinnern. Diese nichtlinearen Verzerrungen sollen jetzt etwas näher untersucht werden. Als Mass für die nichtlinearen Verzerrungen hat sich der Klirrfaktor eingebürgert. Klirrfaktor Zur Definition des Klirrfaktors d (distortion factor, auch Total Harmonic Distortion THD genannt) geht man von der Tatsache aus, dass jede periodische Funktion durch eine Summe von harmonischen Schwingungen mit ganzzahligen Vielfachen der Grundfrequenz dargestellt werden kann (Fourier-Reihe). Es gilt also für eine periodische Funktion x(t): ∞ x ( t ) = a0 + ∑ an ⋅ cos ( n ⋅ ωt + ϕn ) n=1 28 Der Transistor als Verstärker Die Koeffizienten an sind also die Amplituden der einzelnen harmonischen Schwingungen; die Schwingung mit der Frequenz T wird Grundwelle genannt, die Schwingungen mit den Frequenzen n@T mit n > 1 werden als Oberwellen bezeichnet. Der Klirrfaktor ist ein Mass für die Abweichung eines Signals von der reinen Sinus-Form und ist wie folgt definiert: 2 2 2 2 a 2 + a 3 + ... a 2 + a 3 + ... d = -------------------------------------- ≈ -----------------------------------------------2 2 2 a1 a 1 + a 2 + a 3 + ... Die beiden Definitionen sind für kleine Werte von d (d < 10%) praktisch gleichwertig. Der Klirrfaktor dient auch als Mass für die von einer Verstärkerstufe verursachten Verzerrungen. Man geht davon aus, dass das Eingangssignal rein harmonisch sei, bestimmt den Klirrfaktor des Ausgangssignals und bezeichnet diesen Wert dann auch als Klirrfaktor des Verstärkers. In der Emitterschaltung ist der Zusammenhang zwischen Kollektorstrom iC und der Ausgangsspannung u2 mit Sicherheit linear; ebenso kann der Zusammenhang zwischen iB und iC als praktisch linear angenommen werden. Die beobachteten nichtlinearen Verzerrungen müssen also durch die Nichtlinearität der Kennlinie der BasisEmitter-Diode verursacht worden sein. Für diese Kennlinie kann man gemäss der bekannten Diodengleichung den folgenden Ansatz machen: ⎛ U BE⎞ ⎛ U BEA + u BE⎞ I B = IS ⋅ exp ⎜ -----------⎟ = I S ⋅ exp ⎜ ------------------------------⎟ UT ⎝ UT ⎠ ⎝ ⎠ ⎛ U BEA⎞ ⎛ u BE⎞ ⎛ u BE⎞ IB = I S ⋅ exp ⎜ --------------⎟ ⋅ exp ⎜ ---------⎟ = I BA ⋅ exp ⎜ ---------⎟ ⎝ UT ⎠ ⎝ UT ⎠ ⎝ UT ⎠ Die letzte Exponentialfunktion kann durch eine Potenz-Reihe (Taylor-Reihe) dargestellt werden: ∞ exp ( x ) = ∑ n=0 n x2 x3 x 4 x ----- = 1 + x + ----- + ----- + ------ + ... 2 6 24 n! 6.4 Die Emitterschaltung 29 Damit erhält man für den resultierenden Basis-Strom IB den folgenden Ausdruck: ⎛ u BE⎞ I B = I BA ⋅ exp ⎜ ---------⎟ = I BA + i B ⎝ UT ⎠ ⎛ u BE⎞ 1 ⎛ u BE⎞ 2 1 ⎛ u BE⎞ 3 IB = I BA ⋅ 1 + ⎜ ---------⎟ + --- ⋅ ⎜ ---------⎟ + --- ⋅ ⎜ ---------⎟ + ... 6 ⎝ UT ⎠ ⎝ UT ⎠ 2 ⎝ UT ⎠ ⎛ u BE⎞ 1 ⎛ u BE⎞ 2 1 ⎛ u BE⎞ 3 I B = IBA + I ⋅ ⎜ ---------⎟ + --- ⋅ ⎜ ---------⎟ + --- ⋅ ⎜ ---------⎟ + ... BA ⎝ U ⎠ 2 ⎝ U ⎠ 6 ⎝ UT ⎠ T T Der Wechsel- oder Signalanteil iB ist demnach gegeben durch: ⎛ u BE⎞ 1 ⎛ u BE⎞ 2 1 ⎛ u BE⎞ 3 i B = I BA ⋅ ⎜ ---------⎟ + --- ⋅ ⎜ ---------⎟ + --- ⋅ ⎜ ---------⎟ + ... 6 ⎝ UT ⎠ ⎝ UT ⎠ 2 ⎝ UT ⎠ Mit dem Ansatz uBE = ûBE·cos(Tt) erhält man für iB: 2 ⎛ û BE⎞ 2 1--- ⎛ û BE⎞ i B = I BA ⋅ ⎜ ---------⎟ ⋅ cos ( ωt ) + ⋅ ⎜ ---------⎟ ⋅ ( cos ( ωt ) ) + ... 2 ⎝ UT ⎠ ⎝ UT ⎠ Da man bereits jetzt mit Sicherheit sagen kann, dass ûBE << UT ist, kann die Reihe ohne nennenswerten Fehler nach dem zweiten Glied abgebrochen werden. Unter Berücksichtigung der trigonometrischen Beziehung 2 1 ( cos ( ωt ) ) = --- ( 1 + cos ( 2ωt ) ) 2 erhält man für die Reihenentwicklung des Basis-Stromes iB: 2 ⎛ û BE⎞ 2 ⎛ ⎛ û BE⎞ ⎞ 1--- ⎛ û BE⎞ 1 i B ≈ I BA ⋅ ⎜ ⎜ ---------⎟ ⋅ cos ( ωt ) + ⋅ ⎜ ---------⎟ + --- ⋅ ⎜ ---------⎟ ⋅ cos ( 2ωt )⎟ 4 ⎝ UT ⎠ 4 ⎝ UT ⎠ ⎝⎝ UT ⎠ ⎠ 30 Der Transistor als Verstärker Für den Klirrfaktor d der Schaltung folgt daraus durch Vergleich mit der FourierReihe: a2 û BE d ≈ ----- = -------------a1 4 ⋅ UT Daraus folgt, dass die Amplitude der Eingangsspannung maximal ca. 1 mV betragen darf, wenn der Klirrfaktor des Verstärkers weniger als 1% betragen soll ( ûBE = 4·UT·d = 4·26 mV·0.01 = 1.04 mV). Der Klirrfaktor wächst proportional zur Amplitude der Eingangsspannung. Allgemeine Verstärker-Kenngrössen Bis jetzt wurde ein Verstärker lediglich durch seine Spannungsverstärkung vu beschrieben. Ein Verstärker hat aber auch einen endlichen Eingangswiderstand rein. Ausgangsseitig kann er als aktiver Zweipol betrachtet werden mit einer idealen Spannungsquelle vu·u1 und einem Innenwiderstand raus (Ausgangswiderstand). Ein rückwirkungsfreier Verstärker kann also durch die folgende Ersatzschaltung beschrieben werden: Verstärker u1 rein ue raus vu ue u2 Abb. 6.25: Ersatzschaltung eines Verstärkers Das Kleinsignalverhalten eines Verstärkers wird also durch die drei Parameter Spannungsverstärkung vu, Eingangswiderstand rein und Ausgangswiderstand raus beschrieben. Alle drei Parameter sind gleich wichtig; es wäre falsch, die Qualität eines Verstärkers etwa nur aufgrund seiner Spannungsverstärkung zu beurteilen. Man kann das leicht erkennen, wenn man verschiedene Fälle untersucht, in denen auch die Signalquellen einen hohen Innenwiderstand aufweisen (z.B. der KristallTonabnehmer eines Plattenspielers oder ein Piezo-Drucksensor). 6.4 Die Emitterschaltung 31 Aus der Ersatzschaltung der Emitterschaltung (Abbildung 6.23) kann man leicht die Werte für Ein- und Ausgangswiderstand entnehmen: r ein = R p || r BE ≈ r BE r aus = R C || r CE ≈ R C Messung von Ein- und Ausgangswiderstand Da es sich bei Ein- und Ausgangswiderstand um differentielle Widerstände handelt, können sie nicht mit dem Ohm-Meter gemessen werden. Im folgenden sollen zwei zur Messung des Eingangswiderstandes geeignete Schaltungen vorgestellt werden. Die erste Schaltung beruht auf einem Vergleich des Eingangswiderstandes mit einem bekannten Widerstand: S R C u0 u2 V Abb. 6.26: Messung des Eingangswiderstandes Zur Messung wird erst der Schalter S geschlossen und die resultierende Ausgangsspannung u2 = u20 wird abgelesen. Sodann wird S geöffnet und der Widerstand R solange verändert, bis die Ausgangsspannung u2 = u20/2 beträgt. Das bedeutet, dass auch die Eingangsspannung des Verstärkers genau die Hälfte des vorherigen Wertes sein muss, was genau dann der Fall ist, wenn R = rein ist. Der Widerstand R kann nun mit einem Ohm-Meter gemessen werden. Für die Messung sollte die Ausgangsspannung mit dem Oszilloskop überwacht werden, denn eine Messung liefert nur dann vernünftige Resultate, wenn der Verstärker nicht übersteuert wird. Der veränderliche Widerstand R sollte eher durch ein Schichtpotentiometer realisiert werden als durch ein präzises Zehngang-Potentiometer. Letztere bestehen aus einer Doppelwendel aus Widerstandsdraht, bilden also eigentliche lange zylindrische Luftspulen, deren Induktivität bei den hier auftretenden Frequenzen nicht mehr ohne weiteres vernachlässigt werden darf. Die Impedanz von C bei der Messfrequenz muss viel kleiner sein als der erwartete Wert von rein. 32 Der Transistor als Verstärker Ein alternatives Messverfahren beruht auf der Idee, den Eingangsklemmen einen Signalstrom einzuprägen und den dabei entstehenden Spannungsabfall an den Eingangsklemmen zu messen. Das führt auf die folgende Schaltung: i1 C RV u0 u1 Abb. 6.27: Alternatives Messverfahren Unter der Voraussetzung RV >> rein und damit u0 >> u1 gilt also: u1 ⋅ Rv u1 u1 r ein = ----- = ----------------- ≈ R v ⋅ ----u0 – u 1 i1 u0 Die Messung des Ausgangswiderstandes erfolgt analog durch Einspeisen eines Stromes in den Ausgang (Abbildung 6.28). Die Eingangsklemmen werden dabei mit einem Widerstand RQ abgeschlossen, der dem Innenwiderstand der normalerweise angeschlossenen Signalquelle entspricht. i2 C RQ RV u2 u0 Abb. 6.28: Messung des Ausgangswiderstandes Wenn auch hier die Voraussetzungen RV >> raus und damit u0 >> u2 erfüllt sind, so gilt für den Ausgangswiderstand raus: Rv ⋅ u2 u2 u2 r aus = ----- = ----------------- ≈ R v ⋅ ----u0 – u 2 i2 u0 6.4 Die Emitterschaltung 6.4.2 33 Emitterschaltung mit Stromgegenkopplung Die Methode der Kleinsignal-Ersatzschaltung soll nun auch noch auf die einfache Verstärkerschaltung von Abschnitt 6.2 angewendet werden. Hier nochmals die Schaltung: UCC R1 RC URCA C1 u1 R2 RE UREA u2 Abb. 6.29: Emitterschaltung mit Gegenkopplung Zur Analyse dieser Schaltung wird zunächst gemäss den bekannten Regeln die Kleinsignal-Ersatzschaltung gezeichnet: rBE u1 Rp iB βiB RE rCE RC u2 Abb. 6.30: KSE der Emitterschaltung mit Stromgegenkopplung Die Berechnung z. B. der Spannungsverstärkung kann nun nicht mehr so einfach erfolgen, wie im vorhergehenden Beispiel. Man kann aber alle aus der Elektrizitätslehre bekannten Verfahren der Netzwerkanalyse auch auf KleinsignalErsatzschaltungen anwenden. Zur Analyse der vorliegenden Schaltung eignet sich das Kreisstrom-Verfahren besonders gut. Zur Anwendung des Kreisstrom-Verfahrens muss aber die Ersatzschaltung noch etwas modifiziert werden, da Stromquellen schlecht zur Methode passen. Durch Umwandlung der gesteuerten realen Stromquelle in eine gesteuerte reale Spannungsquelle erhält man die folgende neue Ersatzschaltung: 34 Der Transistor als Verstärker rBE u1 rCE iB Rp βrCEiB RE RC u2 Abb. 6.31: Modifizierte Ersatzschaltung Der Widerstand Rp liegt parallel zu einer idealen Spannungsquelle, hat also keinen Einfluss auf Ströme und Spannungen im übrigen Netzwerk und darf daher weggelassen werden. Nach Einzeichnen des Baumes (fett) und der Kreisströme j1 und j2 resultiert die zur Formulierung der Netzwerk-Gleichungen geeignete Ersatzschaltung: rBE u1 j1 βrCEiB rCE iB RE j2 RC u2 Abb. 6.32: Ersatzschaltung für die Anwendung der Kreisstrom-Analyse Aus der Schaltung können die Netzwerkgleichungen formuliert werden (hier sind es Maschensätze): j 1 ⋅ ( rBE + R E ) + j 2 ⋅ ( – RE ) = u 1 j 1 ⋅ ( – R E ) + j 2 ⋅ ( r CE + R C + R E ) = – β ⋅ i B ⋅ r CE Da offensichtlich iB gleich dem Kreisstrom j1 ist, kann das Gleichungssystem noch entsprechend umgeschrieben werden. Man erhält also das folgende endgültige lineare Gleichungssystem für die beiden Kreisströme: j 1 ⋅ ( rBE + R E ) + j 2 ⋅ ( – RE ) = u 1 j 1 ⋅ ( β ⋅ r CE – R E ) + j 2 ⋅ ( r CE + R C + RE ) = 0 6.4 Die Emitterschaltung 35 Zur Berechnung der Ausgangsspannung u2 benötigen wir den Kreisstrom j2, also lösen wir das Gleichungssystem mit Hilfe der Regel von Cramer nach j2 auf: ( r BE + R E ) u1 ( β ⋅ r CE – RE ) 0 – u1 ⋅ ( βr CE – RE ) - = -----------------------------------------------------------------------------------------------------------j 2 = ------------------------------------------------------------------------( r BE + R E ) ( – RE ) ( r BE + RE ) ( r CE + RC + R E ) + R E ( βr CE – R E ) ( βr CE – RE ) ( r CE + R C + R E ) Mit u2 = j2·RC erhält man schliesslich für die Spannungsverstärkung vu: u2 – R C ( βr CE – R E ) v u = ----- = -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------u1 ( r BE + R E ) ( r CE + R C + R E ) + R E ( βr CE – R E ) Der Ausdruck ($rCE - RE) soll noch näher untersucht werden. Unter Verwendung bekannter Beziehungen findet man: βU K U REA βU K βr CE – R E = ----------- – -------------- ≈ ----------- = βr CE I CA I CA I CA Unter Verwendung dieser Vereinfachung erhält man für die Verstärkung: u2 – βr CE R C v u = ----- = -----------------------------------------------------------------------------------------------u1 ( r BE + R E ) ( r CE + R C + R E ) + βr CE R E Dieses Resultat ist nun nicht einfach interpretierbar. Aus der allerersten Analyse der Schaltung unter Annahme eines idealen Transistors (Abschnitt 6.2) kennt man die ideale Spannungsverstärkung vu = - RC / RE. Die Spannungsverstärkung kann nun als Produkt dieser idealen Verstärkung mit einem Korrekturfaktor aufgefasst werden; durch Ausklammern von videal = - RC / RE erhält man: u2 RC 1 v u = ----- = – ------- ⋅ -----------------------------------------------------------------------------------u1 RE ⎛ ( r BE + R E ) ( r CE + R C + RE )⎞ 1 + ⎜ ---------------------------------------------------------------------⎟ βr CE R C ⎝ ⎠ 36 Der Transistor als Verstärker Der Klammerausdruck im Nenner des Korrekturfaktors kann nun etwas genauer untersucht werden: r BE + R E r CE + R C + RE ( r BE + R E ) ( r CE + RC + R E ) --------------------------------------------------------------------- = --------------------- ⋅ -----------------------------------βrCE R E βR E r CE U REA + U RCA⎞ ⎛ βU T + U REA⎞ ⎛ = ⎜ --------------------------------⎟ ⋅ ⎜ 1 + -----------------------------------⎟ UK ⎝ βU REA ⎠ ⎝ ⎠ U REA + U RCA⎞ ⎛ UT 1⎞ ⎛ = ⎜ -------------- + ---⎟ ⋅ ⎜ 1 + -----------------------------------⎟ UK ⎠ ⎝ U REA β⎠ ⎝ Dieser Ausdruck ist offensichtlich viel kleiner als 1, damit kann man auch den ursprünglichen Ausdruck für die Spannungsverstärkung durch Verwendung einer Näherung noch einfacher schreiben: U REA + U RCA⎞ RC ⎛ UT 1-⎞ ⎛ ------------------vu = – ⋅ 1–⎜ + ⎟ ⋅ ⎜ 1 + -----------------------------------⎟ UK RE U ⎝ REA β⎠ ⎝ ⎠ Die Abweichung der Verstärkung vom idealen Wert wird massgeblich durch die Ruhespannung über dem Emitterwiderstand bestimmt. Der Verstärkungsfehler wird umso kleiner, je grösser diese Ruhespannung ist. Die Stromverstärkung $ des Transistors hat einen relativ kleinen Einfluss. Einen fast völlig vernachlässigbaren Einfluss auf die Spannungsverstärkung hat rCE, der entsprechende Term im obigen Ausdruck stellt eigentlich nur den Fehler des Fehlers dar. Zur Kontrolle kann man die Werte der Schaltung von Abbildung 6.16 verwenden: UREA = 0.5 V, URCA = 5 V, $ > 100, UK = 100 V, RC / RE = 10. Man erhält für die erwartete Spannungsverstärkung einen Wert von -9.35, was recht gut den seinerzeit gemessenen Werten entspricht. Zur Berechnung des Eingangswiderstandes rein der Schaltung kann man nochmals die Kleinsignalersatzschaltung von Abbildung 6.31 betrachten. Man erkennt leicht, dass der Eingangswiderstand gleich der Parallelschaltung von Rp mit dem “inneren” Eingangswiderstand r’ein=u1/iB ist. Der Strom iB ist gleich dem Kreisstrom j1, so dass man das Gleichungssystem wieder nach der Regel von Cramer nach j1 auflösen kann: 6.4 Die Emitterschaltung u1 37 –RE u 1 ⋅ ( r CE + R C + RE ) 0 ( r CE + RC + RE ) j 1 = -------------------------------------------------------------------------- = ------------------------------------------------------------------------------------------------------------( r BE + R E ) ( – RE ) ( r BE + RE ) ( r CE + RC + R E ) + R E ( βr CE – R E ) ( βr CE – RE ) ( r CE + R C + R E ) Damit erhält man für r’ein: u1 ( r BE + R E ) ( r CE + R C + R E ) + R E ( βr CE – R E ) r'ein = ----- = -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------j1 ( r CE + R C + R E ) βr CE R E = r BE + R E + -----------------------------------R +R +r E C CE r CE ⎛ ⎞ = r BE + R E + βR E ⋅ ⎜ ------------------------------------⎟ ⎝ RE + R C + r CE⎠ UK ⎛ ⎞ -------------------------------------------------⎟ = r BE + R E + βR E ⋅ ⎜ ⎝ U REA + U RCA + U K⎠ Unter Beachtung der Grössenverhältnisse (UK >> UREA , URCA) erhält man als gute Näherung: r' ein ≈ r BE + β ⋅ R E ≈ β ⋅ R E Daraus lässt sich nun der resultierende Eingangswiderstand der Emitterschaltung mit Stromgegenkopplung berechnen: r ein ≈ R p || β ⋅ R E In vielen praktischen Fällen ist Rp << $ RE; der Eingangswiderstand wird dann praktisch nur noch durch den resultierenden Widerstand des Basisspannungsteilers Rp bestimmt. 38 Der Transistor als Verstärker Der Ausgangswiderstand raus ist ziemlich aufwendig zu berechnen, die Berechnung soll deshalb hier übergangen werden. Als Resultat erhält man die folgende Näherung: r aus ≈ RC 6.4.3 Einfluss der Kondensatoren Die in den Schaltungen enthaltenen Kondensatoren beeinflussen den Frequenzgang der Verstärkerstufen. Damit die Kondensatoren dimensioniert werden können, muss man zuerst den Frequenzgang berechnen. Als Beispiel diene hier wieder die Emitterschaltung ohne AC-Gegenkopplung (Abschnitt 6.4.1): UCC R1 RC URCA C1 u1 u2 R2 u3 UREA RE CE Abb. 6.33: Schema für den Frequenzgang Zur Berechnung des Frequenzganges kann man so vorgehen, dass man den Einfluss der einzelnen Kondensatoren getrennt untersucht. Man kann einmal annehmen, dass der Kondensator CE für Wechselsignale einen Kurzschluss bildet. Unter dieser Voraussetzung beträgt die Verstärkung u3/u2 gemäss früherer Rechnungen: U RCA u3 ----- ≈ – -------------u2 UT 6.4 Die Emitterschaltung 39 Für die uns interessierende Spannungsverstärkung u3/u1 kann man schreiben: u3 u u ----- = -----2 ⋅ -----3 u1 u1 u 2 Einfluss von C1 Der erste Faktor u2/u1 erfasst den Einfluss des Koppelkondensators C1, und zwar bildet C1 mit dem Eingangswiderstand der Verstärkerstufe einen Spannungsteiler, wie er in Abbildung 6.34 dargestellt ist. C1 U1 rein U2 Abb. 6.34: RC-Hochpass Zur Berechnung der Frequenzgänge muss die komplexe Wechselstromrechnung angewendet werden, man arbeitet deshalb mit Zeigern (Zeiger U stellen ja definitionsgemäss harmonische Wechselgrössen dar, sind also etwa gleichwertig zu den bisher verwendeten Kleinsignalgrössen u). Mit Hilfe der komplexen Rechnung erhält man für den Frequenzgang des RC-Hochpasses: ω j --------U2 r ein jωr ein C 1 ω c1 ------- = ---------------------------- = ------------------------------- = -------------------ω U1 1 1 + jωr C ein 1 1 + j --------r ein + ------------ω c1 jωC 1 1 ω c1 = ---------------r ein C 1 Der Amplitudengang dieser Funktion hat den in Abbildung 6.35 gezeigten Verlauf. Bevor dieses Resultat noch interpretiert wird, soll der Einfluss des Emitterkondensators CE untersucht werden. 40 Der Transistor als Verstärker 1 U2/U1 0.1 0.01 0.01 0.1 1 10 100 ω/ωc1 Abb. 6.35: Amplitudengang des RC-Hochpasses Einfluss von CE Bevor man mit der eigentlichen Rechnung beginnt, sollte aufgrund von physikalischen Überlegungen die “Form” des Amplitudenganges ermittelt werden. Für sehr tiefe Frequenzen kann der Kondensator CE als sehr große Impedanz betrachtet werden; in diesem Fall erhält man für den Betrag der Verstärkung etwa den Wert von RC/RE (Emitterschaltung mit Gegenkopplung), also einen relativ kleinen Wert. Für sehr hohe Frequenzen hingegen bildet CE einen Kurzschluss und die Verstärkung beträgt URCA/UT, also viel mehr als bei tiefen Frequenzen. Zwischen diesen beiden asymptotischen Werten muss der Amplitudengang mit 20 dB/Dekade steigen; man erhält daraus die in Abbildung 6.36 dargestellte Skizze des Amplitudenganges. U3/U2 B A ωc3 0dB ω ωc2 C Abb. 6.36: Skizze des Amplitudenganges 6.4 Die Emitterschaltung 41 Wie in der Skizze angedeutet, kann der Frequenzgang in ein Produkt elementarer Frequenzgänge zerlegt werden. Für die entsprechenden Frequenzgänge GA(T), GB(T) und GC(T) kann man ansetzen: GA ( ω ) = k ω G B ( ω ) = 1 + j --------ω c2 1 G C ( ω ) = ------------------------ω 1 + j ⋅ --------ω c3 Der resultierende Frequenzgang ist gleich dem Produkt der elementaren Frequenzgänge, hat also die folgende mathematische Struktur: ω 1 + j ⋅ --------U3 ω c2 ------- = -----------------------U2 ω 1 + j ⋅ --------ω c3 Nun kann der genaue Frequenzgang mit Hilfe der Kleinsignalersatzschaltung (Abbildung 6.37) berechnet werden. Um die Rechnung zu vereinfachen, wurde der dynamische Kollektor-Emitter-Widerstand rCE in der KSE weggelassen, da sein Einfluss gemäss unseren bisherigen Erfahrungen vernachlässigbar klein ist. Die Parallelschaltung RE||CE wurde durch die Impedanz ZE berücksichtigt. rBE U2 IB Rp βIB ZE RC U3 Abb. 6.37: KSE für Frequenzgangberechnung Aus dieser Ersatzschaltung können direkt die folgenden Beziehungen für die Einund die Ausgangsspannung entnommen werden: U 2 = I ⋅ ( r BE + ( 1 + β ) ⋅ Z E ) B Daraus folgt für die Spannungsverstärkung der Stufe: U3 –β ⋅ RC ------- ≈ ----------------------------U 2 r BE + β ⋅ Z E U3 = – I ⋅ β ⋅ RC B 42 Der Transistor als Verstärker Durch Einsetzen für die Emitterimpedanz ZE folgt weiter: U3 –RC – R C ⋅ ( 1 + jωR E C E ) ------- = --------------------------------------------- = --------------------------------------------------------U2 RE r BE r BE ------------------------------ + --------R E + --------- ( 1 + jωR E C E ) 1 + jωR E C E β β Durch Ausklammern im Nenner kann der Ausdruck in die gewünschte Form gebracht werden: ω 1 + j ⋅ --------U3 ω c2 –RC 1 + jωR E C E ------- = ---------------------⋅ ------------------------------------------------------- = – k ⋅ ------------------------ω U2 r BE ⎛ R E ⋅ r BE ⎞ 1 + j ⋅ --------R E + --------- 1 + jωC ⎜ ------------------------ω c3 E βR + r ⎟ β ⎝ E BE⎠ Das Minuszeichen beim Ausdruck für die Verstärkung stört hier nicht, es bedeutet ja nur eine Phasenverschiebung um B; für den Amplitudengang sind nur die Beträge massgebend. Durch Koeffizientenvergleich findet man für die Konstante k und die erste Eckfrequenz Tc2: RC RC --------------------------k = ≈ r BE R E R E + --------β 1 ω c2 = -------------RE CE Die zweite Eckfrequenz Tc3 muss etwas genauer betrachtet werden; man erhält dafür unter Berücksichtigung der Grössenverhältnisse: I CA ⎞ ICA 1 β 1 1 ⎛ I CA 1 ⎞ 1 ⎛ I CA ω c3 = ------- ⎛ --------- + -------⎞ = ------- ⎜ --------- + -------⎟ = ------- ⎜ --------- + --------------⎟ ≈ ------------------C E ⎝ r BE R E⎠ C E ⎝ U T R E⎠ C E ⎝ U T U REA⎠ U T ⋅ C E Der Kondensator CE führt also ebenfalls zu einem hochpassartigen Verhalten der Verstärkerstufe. 6.4 Die Emitterschaltung 43 Resultierender Amplitudengang Den resultierenden Amplitudengang der gesamten Verstärkerstufe erhält man durch grafische Addition der beiden Teil-Amplitudengänge. Der Verstärker soll natürlich in dem Frequenzbereich betrieben werden, bei dem die Verstärkung einen konstanten hohen Wert hat. Die untere Grenzfrequenz eines Verstärkers ist definiert als die Frequenz, bei der die Ausgangsleistung noch die Hälfte der Ausgangsleistung im Betriebsfrequenzbereich beträgt. Bei der Grenzfrequenz Tgu = 2Bfgu tritt also eine Dämpfung von 3 dB gegenüber dem Durchlassbereich auf. Die gewünschte Grenzfrequenz fgu hängt vom Verwendungszweck des Verstärkers ab; bei einem Telefonie-Verstärker liegt sie bei 300 Hz, für einen HiFi-Verstärker wird man 20 Hz fordern. Nun definieren sowohl Tc1 wie auch Tc3 je eine untere Grenzfrequenz. Für die Wahl der Eckfrequenzen Tc1 und Tc3 gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man könnte z.B. Tc1 = Tc3 setzen; damit hätte man aber bei dieser Frequenz eine Dämpfung von 6 dB gegenüber dem Durchlassbereich, die Grenzfrequenz würde also höher liegen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass entweder Tc1 oder Tc3 die Grenzfrequenz definiert; die andere Eckfrequenz müsste dann um mindestens eine Dekade tiefer gelegt werden, damit der Amplitudengang bei der Grenzfrequenz nicht beeinflusst wird. Als Entscheidungshilfe sollen einmal die beiden Eckfrequenzen genauer betrachtet werden: I CA 1 1 ω c1 = ---------------- ≈ ---------------- = -------------------------β ⋅ U T ⋅ C1 r ein C 1 r BE C 1 ICA ω c3 ≈ ------------------UT ⋅ CE Man erkennt, dass Tc1 noch vom einer starken Exemplarstreuung unterworfenen Stromverstärkungsfaktor $ abhängig ist, Tc3 hingegen ist nur von Elementwerten und Arbeitspunktgrössen abhängig, ist also wesentlich genauer definiert (auch wenn CE als Elektrolyt-Kondensator eine grössere Toleranz aufweist). Sinnvollerweise lässt man also die untere Grenzfrequenz des Verstärkers durch die Eckfrequenz Tc3 definieren und wählt Tc1 um einen Faktor von mindestens 10 kleiner. Die Eckfrequenz Tc2 ist damit ja automatisch bestimmt. Ein weiteres Argument, das für diese Wahl spricht, ist die Tatsache, dass CE in jedem Fall einiges grösser sein wird als C1. In den meisten Fällen wird CE ein Elektrolyt-Kondensator sein, bei dem Volumen und Preis etwa proportional mit dem Kapazitätswert wachsen. Bei den üblicherweise für C1 verwendeten Folien- oder gar Keramik-Kondensatoren sind Preis und Baugrösse nur wenig von der Kapazität abhängig. Aus diesem Grund muss man die Eckfrequenzen so legen, dass die Schaltung platzsparend und kostengünstig realisiert werden kann: CE muss so klein wie möglich sein, also muss Tc3 die Grenzfrequenz festlegen. 44 Der Transistor als Verstärker Das führt auf die folgenden Dimensionierungsgleichungen: I CA C E = --------------------ω gu ⋅ U T 10 ⋅ ICA C 1 = -------------------------------------β min ⋅ ω gu ⋅ U T Der resultierende Frequenzgang weist dann etwa den in der Abbildung 6.38 skizzierten Verlauf auf: U3/U1 0dB ωc2 ωc1 ωc3 = ωgu ω Abb. 6.38: Resultierender Amplitudengang (nur Asymptoten) Als Zahlenbeispiel diene die Schaltung von Abbildung 177; anhand der dort angegebenen Elementwerte sollen die wesentlichen Eckfrequenzen berechnet und nachher durch Messungen (bzw. durch Simulationen1) nachgeprüft werden. 1. Auf dem Markt sind einige Programme erhältlich, die eine bequeme Simulation von elektronischen Schaltungen erlauben. Praktisch alle Programme beruhen auf SPICE (Simulation Programm with Integrated Circuits Emphasis), einem Programm, das anfangs der 70er Jahre an der Berkeley University entwickelt wurde. SPICE arbeitet mit ziemlich genauen Modellen für die Halbleiter, so dass Simulationsresultate recht zuverlässig sind. Eine Simulation kann aber niemals den Experimentieraufbau mit realen Bauelementen vollständig ersetzen, da z.B. das Layout der Schaltung und andere parasitäre Effekte nicht erfasst werden können. Verbreitete Programme sind PSpice (Design Center von OrCAD), IS-SPICE von Intusoft, Electronics Workbench oder das im Beispiel verwendete TINA von DesignSoft sind Beispiele für PC-basierende Programme. 6.4 Die Emitterschaltung 45 18V 22kΩ 3.9kΩ 2N2219A 680nF u1 8.2kΩ 2.2kΩ u2 3.3µF Abb. 6.39: Dimensionierte Schaltung Für den Kollektorstrom ICA erhält man nach kurzer Rechnung etwa 2 mA. Daraus folgt für die Eckfrequenz Tc3 = 23'300 s-1 (fc3 = fgu = 3700 Hz); für die Eckfrequenz fc1 erwartet man einen Wert, der je nach Stromverstärkung des Transistors zwischen 40 Hz und 180 Hz liegt. Die letzte, an sich bedeutungslose Eckfrequenz fc2 liegt bei den gegebenen Werten bei etwa 22 Hz. Abb. 6.40: Simulierter Amplitudengang Das Beispiel zeigt eine gute Übereinstimmung zwischen den berechneten Eckfrequenzen und dem simulierten Amplitudengang, mindestens was die dominante Eckfrequenz (bzw. Grenzfrequenz) betrifft. 46 Der Transistor als Verstärker Die in diesem Abschnitt gewonnenen Resultate gelten nur für die hier betrachtete Schaltung und können nicht ohne weiteres auf andere Verstärkerstufen übertragen werden. Die Methodik des Rechnungsganges ist aber bei allen Frequenzganguntersuchungen die gleiche. 6.5 Die Kollektorschaltung Die Transistor-Grundschaltungen werden nach derjenigen Transistor-Elektrode benannt, die dem Ein- und Ausgangskreis gemeinsam ist. Bei der Emitterschaltung ist es der Emitter, der mindestens signalmässig am Masse liegt, also Ein- und Ausgang gemeinsam ist. Bei der Kollektorschaltung müsste dies folgerichtig der Kollektor sein. Die Basis ist die Eingangsklemme, der Emitter ist die Ausgangsklemme (siehe Abbildung 6.41). Man erkennt sofort, dass wegen der in erster Näherung konstanten Basis-Emitter-Spannung die Spannungsverstärkung gleich Eins sein muss (ohne Phasendrehung); man nennt deshalb die Schaltung auch Emitterfolger, weil der Emitter der Basis folgt. Eine Spannungsverstärkung von Eins ist nicht gerade spektakulär, die Schaltung muss offenbar interessante Eigenschaften haben, was Ein- und Ausgangswiderstand betrifft. In den folgenden Überlegungen und Berechnungen soll deshalb auf diese Widerstände ein besonderes Augenmerk gerichtet werden. 6.5.1 Kenngrössen der Kollektorschaltung Zur Berechnung der Kenngrössen des Emitterfolgers gehen wir von der vollständigen Schaltung mit Arbeitspunkteinstellung aus (Abbildung 6.41). UCC R1 RQ C1 u0 u1 R2 UEA RE Abb. 6.41: Kollektorschaltung (Emitterfolger) u2 6.5 Die Kollektorschaltung 47 Aus später ersichtlichen Gründen wurde in diesem Schema die Signalquelle mit ihrem Innenwiderstand RQ mit eingezeichnet. Zunächst soll die Spannungsverstärkung u2/u1 berechnet werden; als Grundlage dazu dient die Kleinsignalersatzschaltung (Abbildung 6.42): RQ rBE iB βiB u0 u1 Rp rCE RE u2 Abb. 6.42: KSE des Emitterfolgers Durch Zusammenfassen der Widerstände rCE und RE erhält man die vereinfachte Ersatzschaltung von Abbildung 6.43: RQ rBE iB β iB u0 u1 Rp R’E u2 Abb. 6.43: Vereinfachte KSE Mit Hilfe dieser Ersatzschaltung lassen sich Ein- und Ausgangsspannung leicht berechnen: u 1 = i B ⋅ r BE + ( 1 + β ) ⋅ R' E ⋅ i B u 2 = i B ⋅ ( 1 + β ) ⋅ R' E Daraus erhält man für die gesuchte Spannungsverstärkung: 48 Der Transistor als Verstärker ( 1 + β )R' E u r BE 1 -----2 = ---------------------------------------- = ----------------------------------- ≈ 1 – ------------------------u1 r BE + ( 1 + β )R' E ( 1 + β )R' E r BE 1 + -------------------------( 1 + β )R'E U T ⎛ r CE + RE⎞ UT ≈ 1 – --------------------- = 1 – -------------------- ⎜ ----------------------⎟ I CA ⋅ R'E I CA ⋅ R E ⎝ r CE ⎠ Für das Schlussresultat erhält man durch Einsetzen der bekannten Beziehung für rCE und der Arbeitspunktgrössen: u2 UT ⎛ U EA⎞ ----- ≈ 1 – ---------- ⎜ 1 + ----------⎟ ≈ 1 u1 U EA ⎝ UK ⎠ Setzt man für das Emitter-Ruhepotential UEA einige Volt ein, so erkennt man sofort, dass die Spannungsverstärkung innerhalb der erreichbaren Messgenauigkeit gleich Eins ist. Was nun den Eingangswiderstand angeht, so erkennt man bei Betrachtung der Ersatzschaltung (Abbildung 6.43), dass der Basisspannungsteiler Rp parallel zu einem “inneren” Eingangswiderstand u1/iB liegt. Für den resultierenden Eingangswiderstand folgt also: ⎛ u 1⎞ r ein = Rp || ⎜ -----⎟ = R p || ( r BE + ( 1 + β ) ⋅ R E ) ≈ R p || β ⋅ R E ⎝ iB⎠ Bevor dieses Resultat weiterdiskutiert wird, soll zuerst noch der Ausgangswiderstand des Emitterfolgers berechnet werden. Für diese Rechnung nimmt man für die Signalspannung u0 = 0 an und erhält dann die angepasste Ersatzschaltung (Abbildung 6.44): 6.5 Die Kollektorschaltung rBE iB 49 i2 βiB RQ Rp R’E u2 Abb. 6.44: Ersatzschaltung zur Berechnung des Ausgangswiderstandes Mit R’Q = Rp || RQ und analogen Überlegungen wie bei der Berechnung des Eingangswiderstandes erhält man für den Ausgangswiderstand raus: u2 r BE + R' Q ⎛ U T R'Q⎞ || || || -----------------------------------------------= R'E ≈ R'E ⎜ --------- + --------⎟ r aus = R'E (1 + β) iB ⋅ ( 1 + β ) β ⎠ ⎝ I CA Die bisher berechneten Kenngrössen sollen anhand eines Zahlenbeispiels auch numerisch abgeschätzt werden. Den Rechnungen liegen die folgenden Werte zugrunde: R1 = R2 = 56 kS, RE = 5.6 kS, RQ = 1 kS, $ = 100, UCC = 12 V. Damit wird UEA . 5.4 V und ICA . 1 mA; weiter gilt: rBE . 2600 S. Der Widerstand rCE wird bei diesen Rechnungen vernachlässigt. Man erhält für Ein- und Ausgangswiderstand die folgenden Werte: r ein ≈ R p || ( r BE + ( 1 + β )R E ) = 28kΩ || ( 2.6kΩ + 100 ⋅ 5.6kΩ ) = 28kΩ || 562.6kΩ ⎛ U T R p || R Q⎞ 28kΩ || 1kΩ r aus ≈ R E || ⎜ --------- + -------------------⎟ = 5.6kΩ || ⎛ 26Ω + ------------------------------⎞ ⎝ ⎠ β ⎠ 100 ⎝ I CA ≈ 5.6kΩ || 36Ω Aus diesen Zahlwerten erkennt man, dass insbesondere der relativ hohe innere Eingangswiderstand durch den Basisspannungsteiler praktisch “kurzgeschlossen” wird. Der Ausgangswiderstand ist hingegen sehr klein, RE spielt dabei fast keine Rolle mehr. Der Emitterfolger dient als Impedanzwandler (hoher Eingangswiderstand und kleiner Ausgangswiderstand). Man findet deshalb Emitterfolger meistens als Ausgangsstufen von Verstärkern. 50 Der Transistor als Verstärker Da bei einem solchen Verstärker die einzelnen Stufen ohnehin einen stabilen Arbeitspunkt aufweisen müssen, kann der Emitterfolger ohne eigenen Basisspannungsteiler an die letzte Stufe direkt angeschlossen werden (Abbildung 6.45): UCC RC RE Abb. 6.45: Direkt gekoppelter Emitterfolger als Ausgangsstufe In dieser für einen Emitterfolger typischen Schaltung entfällt also der Basisspannungsteiler und die Ausdrücke für Ein- und Ausgangswiderstand können etwas modifiziert werden: rein ≈ r BE + ( 1 + β ) ⋅ RE ≈ β ⋅ R E ⎛ U T R Q⎞ U T RQ || r aus ≈ R E ⎜ --------- + -------⎟ ≈ --------- + ------⎝ I CA β ⎠ ICA β In einem weiten Bereich ist also der Eingangswiderstand gleich dem mit $ multiplizierten Lastwiderstand RE und der Ausgangswiderstand wird im wesentlichen durch den durch $ geteilten Quellwiderstand RQ (RQ = Ausgangswiderstand der vorhergehenden Stufe) bestimmt. Um die relativ komplizierte Abhängigkeit des Ausgangswiderstandes vom Quellwiderstand zu illustrieren, kann man Ausgangsund Quellwiderstand auf RE normieren. Für eine Stromverstärkung $ = 100 und UEA = 6 V erhält man dann den Verlauf von Abbildung 6.46. 6.5 Die Kollektorschaltung 51 1 raus/RE 10-1 10-2 10-3 -3 10 10-2 10-1 1 101 102 103 104 RQ/RE Abb. 6.46: Abhängigkeit des Ausgangswiderstandes vom Quellenwiderstand In einem weiten Bereich ist der Ausgangswiderstand massgebend durch den Quellwiderstand RQ bestimmt; begrenzend wirken nach unten der Widerstand UT/ICA und nach oben RE. Bei der Kollektorschaltung sieht man quasi durch die Schaltung hindurch (Eingangswiderstand ist abhängig vom Lastwiderstand, Ausgangswiderstand ist abhängig vom Quellwiderstand), man sagt deshalb auch, der Emitterfolger sei transparent. 6.5.2 Schwingneigung des Emitterfolgers Im Gegensatz zu den bisher betrachteten Schaltungen zeigt der Emitterfolger besonders bei kapazitiver Belastung (z.B. die Eingangskapazität des Oszilloskops ohne Tastkopf) eine ausgeprägte Schwingneigung, d.h. er produziert selbständig Schwingungen. Zur Erklärung dieses Phänomens muss die Ersatzschaltung des Transistors noch weiter verfeinert werden. Durch Einführung der beiden Kondensatoren CCB und CBE erhält man die auch für mittlere Frequenzen taugliche Ersatzschaltung von Abbildung 6.47: iB CCB iR uBE CBE rBE iC β0iR rCE uCE Abb. 6.47: Transistor-Ersatzschaltung für mittlere Frequenzen 52 Der Transistor als Verstärker Die neu eingeführten Kapazitäten sind einerseits die Sperrschichtkapazität CCB der Kollektor-Basis-Diode, die nur wenige pF beträgt, sowie die wesentlich grössere Diffusionskapazität CBE der leitenden Basis-Emitter-Diode. Diese Diffusionskapazität CBE ist einigermassen linear proportional zum Basis-Ruhestrom IBA und kann bis zu einigen Hundert pF betragen. Man beachte, dass der Steuerstrom iR der gesteuerten Stromquelle nicht mehr mit dem gesamten Basisstrom iB identisch ist! Um den Einfluss der beiden Kondensatoren abzuschätzen, kann man die Transistorgleichungen (Vierpol-Gleichungen in Hybrid-Schreibweise) anhand dieser Ersatzschaltung berechnen und mit den Gleichungen für die einfache Ersatzschaltung vergleichen. Nach längeren Rechnungen erhält man für die Transistorgleichungen: r BE jωr BE C CB u BE = i B ⋅ ---------------------------------------------------------- + u CE ⋅ ---------------------------------------------------------1 + jωr BE ( C BE + C CB ) 1 + jωr BE ( C BE + C CB ) jωβ0 C CB β0 ⎛ 1 ⎞ i C = i B ⋅ ---------------------------------------------------------- + u CE ⋅ ⎜ --------- + ----------------------------------------------------------⎟ 1 + jωr BE ( C BE + C CB ) ⎝ r CE 1 + jωr BE ( C BE + C CB )⎠ Die Transistorparameter werden nun alle komplex; am stärksten wirkt sich dabei die Frequenzabhängigkeit der Stromverstärkung $ aus. Die Frequenzabhängigkeit der übrigen Transistor-Parameter soll für die folgenden Überlegungen der Einfachheit halber vernachlässigt werden. Die nachfolgenden Rechnungen sind deshalb auch nur als relativ grobe Näherungen aufzufassen. Für $ kann man schreiben: $(T) = $(T) / n(T) . Diese Frequenzabhängigkeit kann durch den Frequenzgang der Stromverstärkung (Abbildung 6.48) dargestellt werden. Wie bereits erwähnt, ist CBE >> CCB, also folgt für die Eckfrequenz Tc des Frequenzganges: 1 1 1 ω c = ------------------------------------------ ≈ -------------------- = --r BE ( C BE + C CB ) r BE C BE τ Da nun aber die Diffusionskapazität CBE etwa proportional, rBE hingegen umgekehrt proportional zum Basis-Ruhestrom IBA ist, wird diese Eckfrequenz ziemlich unabhängig vom Arbeitspunkt. Da der Amplitudengang mit 1 Dekade/Dekade sinkt, geht er bei der Frequenz TT = $0 Tc durch 1 (0 dB). Die Frequenz fT = TT/2B wird Transitfrequenz des Transistors genannt und ist eine im Datenblatt angegebene Kenngrösse. 6.5 Die Kollektorschaltung 53 103 β β0 102 101 1 10-1 103 104 105 106 107 108 fT 109 f/Hz 0° ϕ -90° Abb. 6.48: Frequenzgang der Stromverstärkung $ Beim Transistor 2N2219A beträgt die Transitfrequenz fT etwa 250 MHz; für die Abbildung 6.48 wurde eine Gleichstromverstärkung $0 = 300 angenommen. Man beachte, dass bei der Frequenz fc = fT/$0 der Betrag der Stromverstärkung nur etwa 70% von $0 beträgt und dass zwischen Basisstrom und Kollektorstrom eine Phasenverschiebung von 45° besteht. Ausgehend von diesen Beziehungen kann die Zeitkonstante J = 1/Tc leicht berechnet werden: 54 Der Transistor als Verstärker β0 1 τ = ------ = ------ωT ωc Betrachten wir nun den Eingangskreis eines kapazitiv belasteten Emitterfolgers, wobei noch eine Zuleitungsinduktivität L in den Quellenkreis eingefügt wurde (Abbildung 6.49): RQ RQ L Zein L RS CE RE -jXS Abb. 6.49: Eingangskreis eines kapazitiv belasteten Emitterfolgers Die Eingangsimpedanz des Emitterfolgers wurde dabei durch eine SerieErsatzschaltung RS - jXS erfasst. Unter der realistischen Annahme, dass die beiden Zeitkonstanten rBECBE und RECE etwa gleich gross ( = J) seien, folgt für die Eingangsimpedanz des Emitterfolgers: β0 ⋅ RE β0 ⋅ RE Z ein ≈ β ⋅ Z E = -------------------------- = --------------------------------------------2 2 2 ( 1 – ω τ ) + j2ωτ ( 1 + jωτ ) 2 2 β 0 ⋅ R E ( 1 – ω τ ) – jω2τβ 0 R E = ---------------------------------------------------------------------------- = R S – jXS 2 2 2 2 2 ( 1 – ω τ ) + ω 4τ 2 2 β0 ⋅ RE ( 1 – ω τ ) ω2τβ 0 R E = --------------------------------------------------- – j ⋅ --------------------------------------------------2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 ( 1 – ω τ ) + ω 4τ ( 1 – ω τ ) + ω 4τ Die auf $0RE normierte Resistanz bzw. die normierte Reaktanz der Eingangsimpedanz zeigen die folgenden Frequenzabhängigkeiten: 6.5 Die Kollektorschaltung 55 1.0 RS / β0RE 0.8 0.6 0.4 0.2 0 -0.2 0.01 0.1 1 10 100 ωτ Abb. 6.50: Normierter Realteil der Eingangsimpedanz 0.8 XS / β0RE 0.6 0.4 0.2 0 0.01 0.1 1 10 100 ωτ Abb. 6.51: Verlauf von Xs (normierte Reaktanz) Eine alternative Darstellung ist die Ortskurve der Eingangsimpedanz mit der Frequenz als Parameter: Im{Zein} β 0 RE Abb. 6.52: Ortskurve der Eingangsimpedanz Re{Zein} 56 Der Transistor als Verstärker Man erkennt, dass bei gewissen Frequenzen der Realteil der Eingangsimpedanz negativ wird. Falls die Resonanzfrequenz (definiert durch L und XS) in diesem Frequenzgebiet liegt und gleichzeitig der resultierende Widerstand im Kreis (RQ + RS) # 0 ist, so liegt ein verlustloser oder gar entdämpfter Serie-Resonanzkreis vor, der eine Schwingung mit seiner Resonanzfrequenz produziert. Eine solche Schwingung kann verhindert werden, wenn durch einen passenden Vorwiderstand RV dafür gesorgt wird, dass bei den in Frage kommenden Frequenzen der resultierende Kreiswiderstand positiv wird (Abbildung 6.53): UCC R1 RV C1 R2 RE CE Abb. 6.53: Stabiler Emitterfolger Die Grösse von RV muss meistens durch Versuche ermittelt werden; man sollte den Widerstand so gross wie nötig und so klein wie möglich machen. 6.5.3 Emitterfolger mit kapazitiv angekoppelter Last In vielen Fällen ist der Emitterwiderstand RE gleichzeitig der Lastwiderstand. Gewisse Lasten (z.B. ein Kopfhörer) ertragen aber keinen Gleichstrom (unerwünschte Vormagnetisierung) und müssen deshalb kapazitiv angekoppelt werden. Dieser Fall muss nun genau untersucht werden (Abbildung 6.54). Berechnen wir zunächst den Strom IR: U E = U EA + u L ⇒ U EA u L I R = ----------- + ------R E RE Für den Strom IE im Emitteranschluss gilt gemäss Knotensatz (der Kondensator C wird dabei als Kurzschluss für Signale betrachtet): 6.5 Die Kollektorschaltung 57 UCC IE UE C IR iL RE RL uL Abb. 6.54: Emitterfolger mit kapazitiv angekoppelter Last U EA u L u L I E = IR + i L = ----------- + ------- + -----RE RE RL Bedingt durch den pn-Übergang (Basis-Emitter-Diode) kann dieser Strom nie negativ werden. Der kritische Fall liegt dann vor, wenn gilt uL = - ûL. Für diesen Fall erhalten wir die folgende Ungleichung: U EA û L û L ---------- – ------- – ------ ≥ 0 RE RE RL Diese Ungleichung kann nun nach den verschiedenen Parametern aufgelöst werden; es resultieren daraus die folgenden vier Ungleichungen, die für die Dimensionierung verwendet werden können: R E⎞ ⎛ U EA ≥ û L ⎜ 1 + -------⎟ R L⎠ ⎝ RL û L ≤ U EA ⋅ -------------------RE + RL ⎛ U EA ⎞ R E ≤ R L ⎜ ----------- – 1⎟ ⎝ û L ⎠ û L ---------------------RL ≥ RE ⋅ U EA – û L 58 Der Transistor als Verstärker Wenn diese Ungleichungen nicht erfüllt sind, resultieren erhebliche Verzerrungen des Ausgangssignals. Machen wir noch ein Zahlenbeispiel dazu: als Last diene ein Kopfhörer mit einem Widerstand von 200 S, die Amplitude der Ausgangsspannung ûL soll 4.5 V betragen (50 mW Ausgangsleistung). Die Spannung UEA betrage 6 V. Wie gross muss der Widerstand RE gewählt werden ? Aus den obigen Ungleichungen kann man entnehmen: ⎛ U EA ⎞ 6V R E ≤ RL ⎜ ----------- – 1⎟ = 200Ω ⋅ ⎛ ----------- – 1⎞ = 66.7Ω ⎝ 4.5V ⎠ ⎝ û L ⎠ Der Emitterwiderstand muss also recht klein gewählt werden. Falls man RE = 100 S wählt, ergibt sich für die maximale Amplitude der Ausgangsspannung: RL 200Ω û L ≤ U EA ⋅ -------------------- = 6V ⋅ ---------------------------------- = 4V RE + RL 100Ω + 200Ω Leistung und Wirkungsgrad Die gesamte von der Verstärkerstufe aufgenommene Leistung ist gleich dem Produkt aus Quellenspannung UCC und Kollektor- bzw. Emitterstrom des Transistors. Für den Momentanwert der aufgenommenen Leistung erhalten wir unter der Voraussetzung harmonischer Signale: û L ⎛ U EA û L ⎞ p T ( t ) = U CC ⋅ ⎜ ----------- + ------- ⋅ sin ( ωt ) + ------ ⋅ sin ( ωt )⎟ RL ⎝ RE RE ⎠ Für den Mittelwert der aufgenommenen Leistung erhalten wir einfach: U CC ⋅ U EA P T = --------------------------RE Die vom Emitterfolger abgegebene Nutzleistung pN(t) ist gegeben durch: 2 2 2 û L ⋅ ( sin ( ωt ) ) û L p N ( t ) = ------------------------------------- = ---------- ⋅ ( 1 – cos ( 2ωt ) ) RL 2R L 6.5 Die Kollektorschaltung 59 Für den Mittelwert dieser Leistung erhalten wir: 2 û L P N = ---------2R L Der Wirkungsgrad 0 der Schaltung ist wie üblich definiert als Verhältnis von abgegebener Leistung (Nutzleistung) zur gesamten aufgenommenen Leistung. Es gilt also: 2 RE PN û L --------------------------------------η = = ⋅ PT 2R L U CC ⋅ U EA Es dürfte sicher sinnvoll sein, wenn wir die Schaltung so dimensionieren, dass der Wirkungsgrad maximal wird. Dabei sind aber noch einige Nebenbedingungen zu beachten. Auf Grund unserer vorherigen Überlegungen haben wir für den Widerstand RE die folgende Einschränkung gefunden: ⎛ U EA ⎞ R E ≤ R L ⋅ ⎜ ----------- – 1⎟ ⎝ û L ⎠ Je grösser das Verhältnis UEA/ûL wird, desto grösser kann RE gewählt werden und desto grösser wird folglich auch der Wirkungsgrad. Anderseits muss aus Gründen der Aussteuerbarkeit auch die folgende Ungleichung erfüllt sein: U EA ≤ U CC – û L Im Interesse eines optimalen Wirkungsgrades wählen wir UEA so gross wie möglich, also UEA = UCC - ûL. Aus denselben Gründen wird auch der zulässige Maximalwert von RE gewählt: ⎛ U EA ⎞ ⎛ U CC – û L ⎞ ⎛ U CC ⎞ R E = R L ⋅ ⎜ ----------- – 1⎟ = RL ⋅ ⎜ ----------------------- – 1⎟ = R L ⋅ ⎜ ----------- – 2⎟ û L ⎝ û L ⎠ ⎝ ⎠ ⎝ û L ⎠ Damit die Beziehungen leichter interpretierbar werden, normieren wir die Amplitude der Ausgangsspannung auf die halbe Betriebsspannung, machen also den folgenden Ansatz: U CC û L = α ⋅ ----------2 0≤α≤1 60 Der Transistor als Verstärker Unter Verwendung der normierten Amplitude " erhalten wir für den Widerstand RE: 1 1–α R E = 2R L ⎛ --- – 1⎞ = 2R L ⋅ -----------⎝α ⎠ α Für das optimale Emitterruhepotential erhalten wir demnach: U CC U CC α U EA = U CC – α ⋅ ----------- = U CC ⎛ 1 – ---⎞ = ----------- ( 2 – α ) ⎝ 2 2 2⎠ Setzen wir all das in die Beziehung für den Wirkungsgrad ein, so erhalten wir nach einigen Zwischenrechnungen: α( 1 – α) η = --------------------2( 2 – α ) Wir stellen fest, dass der Wirkungsgrad dieser Schaltung bei optimaler Dimensionierung nur noch von der normierten Amplitude " abhängig ist. Diese Abhängigkeit ist in Abbildung 6.55 grafisch dargestellt. 10% η 5% 0% 0 0.5 α Abb. 6.55: Verlauf des Wirkungsgrades 1 6.5 Die Kollektorschaltung 61 Eine genaue Analyse zeigt, dass für " = 0.5858 . 0.6 der Wirkungsgrad 0 seinen maximalen Wert von 0.0858 = 8.58% erreicht. Das Maximum ist aber relativ flach, so dass bei nur kleinen Einbussen an Wirkungsgrad die Amplitude der Ausgangsspannung in relativ grossen Grenzen verändert werden kann. Wenn wir beispielsweise ein Absinken des Wirkungsgrades auf 8% zulassen, so darf die normierte Amplitude " in einem Bereich von 0.46 # " # 0.70 liegen. Die Anforderungen an die Genauigkeit der Realisierung sind also nicht sehr hoch. Machen wir dazu ein Beispiel. Die Amplitude der Ausgangsspannung soll ûL = 5 V betragen bei einem Lastwiderstand von RL = 50 S. Wenn wir " = 0.66 wählen, also einen Wirkungsgrad von immer noch mehr als 8% erreichen, so folgt für die Betriebsspannung ein Wert von UCC = 15 V. Das Emitterruhepotential muss bei UEA = 10 V liegen. Für den Emitterwiderstand RE erhalten wir schliesslich einen Wert von RE = 50 S. Insgesamt gesehen hat diese Art von gleichstromfreier Ausgangsstufe einen miserablen Wirkungsgrad; wir werden uns deshalb später noch mit besser geeigneten Ausgangs-Schaltungen beschäftigen müssen. Anmerkung Die in diesem Kapitel besprochenen einfachen Schaltungen haben in dieser Form in der heutigen Elektronik keine grosse Bedeutung mehr. Es geht deshalb im ganzen Kapitel primär um die Anwendung von Verfahren (z. B. um das Konzept der Kleinsignal-Ersatzschaltung) und um die Methoden zur Analyse und Optimierung von Schaltungen. Diese Erkenntnisse können dann auch auf kompliziertere Schaltungen übertragen werden. 62 Der Transistor als Verstärker 6.6 Übungsaufgaben und Kontrollfragen 6.6.1 Übungsaufgaben 18. Analysiere die Arbeitspunktgrössen in der folgenden Schaltung: +12V 39k 3k3 12k 1k5 Abb. 6.56: Schaltung zu Aufgabe 18 In welchen Grenzen schwankt der Kollektor-Ruhestrom ICA in dieser Schaltung unter folgenden Annahmen (genaue Rechnung): $min = 50 @ 20°C, $max 6 4, 0°C # h # 80°C, UBE = 0.62 V @ 20 19. Gesucht wird die Kennlinie U = f(I) des nachfolgenden Zweipols. Fallunterscheidung: Transistor leitend bzw. gesperrt. R1 I U R2 Abb. 6.57: Zweipol von Aufgabe 19 20. Berechne das Kollektor-Ruhepotential UCA dieser Schaltung: UCC R1 R2 RC UCA Abb. 6.58: Schaltung zu Aufgabe 20 6.6 Übungsaufgaben und Kontrollfragen 21. 63 Man berechne die Kollektor-Ruheströme der beiden Transistoren unter den Voraussetzungen UBE = konstant = 0.6 V und $1 = $2 6 4. +12 V 4.7 kΩ T2 T1 15 kΩ 3.3 kΩ 220 Ω 390 Ω Abb. 6.59: Schaltung zu Aufgabe 21 22. In der folgenden Schaltung steht C2 für eine parasitäre Lastkapazität, z.B. ein an den Ausgang angeschlossenes Koaxialkabel oder ein KO-Eingang. Für die Rechnung darf rCE vernachlässigt werden. R1 RC C2 C1 u1 R2 RE u2 Abb. 6.60: Schaltung zu Aufgabe 22 a) Berechne die Spannungsverstärkung u2/u1 sowie den Eingangswiderstand dieser Schaltung. b) Skizziere der Frequenzgang (Amplituden- und Phasengang) der Schaltung unter Angabe der Eckfrequenzen. 23. Berechne Spannungsverstärkung sowie Ein- und Ausgangswiderstand der folgenden Schaltung (Abbildung 6.61); rCE darf auch hier vernachlässigt werden. Vergleiche die erhaltenen Resultate mit denen der klassischen Emitterschaltung (mit Basis-Spannungsteiler). 64 Der Transistor als Verstärker UCC RC R1 C R2 Abb. 6.61: Schaltung zu Aufgabe 23 24. Bootstrap-Schaltung C1 R1 RB CE R2 RE Abb. 6.62: Bootstrap-Schaltung (Aufgabe 24) a) Versuche unter Verwendung des einfachen Transistor-Modells (Kap. 4) diese Schaltung zu verstehen und ihre Eigenschaften zu beschreiben. b) Berechne den genauen Eingangswiderstand unter Verwendung der vollständigen Kleinsignal-Ersatzschaltung. c) Welchen Einfluss hat der Kondensator CE auf den Eingangswiderstand ? 25. Berechne alle wichtigen Verstärkerparameter (Spannungsverstärkung, Eingangswiderstand und Ausgangswiderstand) der nachfolgenden Schaltung (Abbildung 6.63), die auch unter dem Namen „Basis-Schaltung“ bekannt ist. 6.6 Übungsaufgaben und Kontrollfragen R1 RC R2 RE 65 C1 CB Abb. 6.63: Basis-Schaltung (zu Aufgabe 25) 26. Berechne den Frequenzgang dieser Verstärkerstufe. Die Kondensatoren C1 und CE sollen dabei als Kurzschlüsse für Signale betrachtet werden; rCE darf vernachlässigt werden. Welchen Einfluss hat CCB? R1 CCB RC C1 R2 RE CE Abb. 6.64: Schaltung zu Aufgabe 26 27. Analysiere die folgende sogenannte Kaskode-Schaltung. R1 RC T2 C1 R2 T1 CB R3 RE CE Abb. 6.65: Kaskode-Schaltung (zu Aufgabe 27) 66 Der Transistor als Verstärker a) Berechne die Spannungsverstärkung dieser Schaltung. b) Wie würde sich in dieser Schaltung ein Kondensator zwischen Kollektor und Basis von T1 auswirken? Hinweis: Berechne die Spannungsverstärkung von Eingang zum Kollektor von T1. 6.6.2 Fragen zur Lernkontrolle Es wird erwartet, dass die folgenden Fragen ohne im Buch nachzuschlagen beantwortet werden können. 1. Weshalb ist eine Arbeitspunkteinstellung mit konstanter Basis-EmitterSpannung praktisch nicht brauchbar? 2. Wie hängt die Stromverstärkung $ von der Temperatur ab? 3. Wozu benötigt man eigentlich Arbeitspunkt- oder Ruhegrössen? 4. Welches sind die wichtigsten Grössen, die die Stabilität eines Arbeitspunktes beeinflussen? 5. Wie lautet die Faustregel zur Dimensionierung des Basis-Spannungsteilers? 6. Was versteht man unter der Dynamik eines Verstärkers? 7. Welche Grundidee liegt der Kleinsignal-Ersatzschaltung zugrunde? 8. In welcher Grössenordnung liegt die Early-Spannung UK? 9. Wie ist der Klirrfaktor eines Verstärkers definiert? 10. Wie kann die Schwingneigung eines kapazitiv belasteten Emitterfolgers bekämpft werden? 11. Wie lassen sich rBE und rCE ausdrücken?