Biochemie und der Bau von Ammonium

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Biochemie und der Bau von Ammonium-Maschinen
Nur wer die Funktionsweise eines Enzyms versteht, kann es auch nachbauen. Mit modernen
Methoden der Biochemie haben die Forscher um Prof. Dr. Oliver Einsle von der Universität
Freiburg in den letzten Jahren zum Beispiel die atomare Struktur eines komplexen Proteins
aus Bakterien aufgeklärt, das atmosphärischen Stickstoff in eine für andere Organismen
nutzbare Form umwandelt. Mit dem kürzlich durch den Europäischen Forschungsrat (ERC)
verliehenen Starting Grant wollen die Forscher jetzt versuchen, diesen Enzymkomplex in
einem künstlichen System nachzuempfinden, damit Pflanzen eines Tages vielleicht keinen
Kunstdünger mehr brauchen.
Stickstoff ist ein essenzieller Bestandteil von Aminosäuren und damit von allen Proteinen.
Pflanzen können das Element jedoch nicht direkt aus der Luft aufnehmen. Auf den Feldern mit
Kartoffeln, Soja oder Mais muss Kunstdünger ausgetragen werden, der den Grünlingen das
essenzielle Element als Nitratsalz zuführt. Ärmere Länder, etwa in Afrika, können sich den
teuren Dünger nicht leisten, und in reicheren Ländern wie in Europa wird oftmals zu viel
Chemie ausgetragen, was zu Umweltbelastungen führt. „Die große Frage ist, ob man es nicht
schaffen könnte, Pflanzen derart zu manipulieren, dass sie den in der Atmosphäre als Gas
präsenten Stickstoff selbst in eine biologisch verwertbare Form umwandeln können, um
unabhängig von Kunstdünger zu wachsen “, sagt Prof. Dr. Oliver Einsle vom Institut für
Organische Chemie und Biochemie der Universität Freiburg. „Helfen kann dabei das
Verständnis der Biochemie von Bakterien, die Teil des atmosphärischen Stickstoffkreislaufs
sind.“
Schritt für Schritt zur künstlichen Enzymsynthese
Der Stickstoff, der in der Erdatmosphäre als Stickstoff-Gas N 2 oder in oxidierter Form als NO2,
N2O oder NO vorkommt, ist für Pflanzen nicht verwertbar. In eine verwertbare Form bringen
ihn erst Bakterien, die Stickstoffgase im biochemischen Prozess der sogenannten
Stickstofffixierung in Ammoniumionen (NH4+) umwandeln. Dafür besitzen die entsprechenden
Mikroorganismen ein Enzym, das eine wichtige Rolle spielt, die sogenannte Nitrogenase. In den
letzten Jahren haben Einsle und sein Team die Vorstellungen über die Struktur dieses Enzyms
mit Hilfe von biochemischen Methoden wie der Kristallstrukturanalyse verfeinert. Bis in den
aktiven Kern des Enzyms haben sie hineingeblickt und gezeigt, dass die entscheidende
Reaktion der Stickstofffixierung von dem größten heute bekannten Grundgerüst aus Eisen-,
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Ein Modell der Konstruktion aus Eisen- und Schwefelatomen sowie einem Molybdänatom im aktiven Zentrum der
Nitrogenase. © Prof. Dr. Oliver Einsle.
Molybdän- und Schwefelatomen vermittelt wird. Inzwischen haben die Forscher eine gute
Vorstellung davon, wie die Reaktion abläuft. Jetzt geht es darum, dieses Wissen einer
Pflanzenzelle einzuimpfen.
Helfen kann hierbei ein Ansatz aus der Synthetischen Biologie. Für das geplante Projekt „NABLE“ wurden Einsle und Co. in diesem Jahr mit dem renommierten Starting Grant des
Europäischen Forschungsrats (ERC) ausgezeichnet. Die damit verbundene finanzielle
Förderung mit 1,64 Millionen Euro soll den Forschern nun helfen, ihr Wissen in ein künstliches
System zu übertragen. So wollen sie in den nächsten Jahren in einer einfachen E.-coli-Zelle
Schritt für Schritt die Maschinerie aufbauen, die für die Stickstofffixierung notwendig ist. Und
das ist kein banales Problem. Denn zwar handelt es sich um ein einzelnes Enzym, aber erstens
besteht dieses aus drei Untereinheiten und zweitens sind an seiner Synthese mindestens
zwanzig Gene beteiligt. Einige der Produkte dieser Gene sind für die korrekte Faltung der
Einzelbestandteile und deren Zusammenbau verantwortlich, andere liefern die nötige Energie,
indem sie ATP spalten und Elektronen über Membranen pumpen, um elektrochemische
Potenziale als Kraftquellen aufzubauen.
Vielfältige Interessen und klinische Perspektiven
„Die Idee ist es, zunächst einmal mit biochemischen Methoden alle einzelnen Mechanismen zu
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identifizieren, die für den Aufbau des System nötig sind“, sagt Einsle. „Und parallel dazu wollen
wir dann jede einzelne Komponente Schritt für Schritt in E. coli zusammenzusetzen und
untersuchen, welche von den Komponenten wann und auf welche Weise zusammenkommen
müssen, damit am Ende die entscheidende Reaktion ablaufen kann.“ Das Ergebnis soll eine Art
genetisches Modul sein, das theoretisch auch in eine Pflanzenzelle eingebaut werden kann.
Damit soll sich eine Nitrogenase-Maschinerie ohne weiteres Zutun in das normale
Tagesgeschäft der Pflanzenzelle einfügen und aus dem atmosphärischen Stickstoff
Ammoniumionen herstellen. Diese Anwendung ist freilich erst am Horizont zu erahnen. Aber
Einsle und sein Team interessiert nicht zuletzt, was sie aus dem Projekt als grundlegendes
Wissen über die biochemischen Mechanismen lernen können.
Dieser Proteinkomplex aus fünf Untereinheiten ist ein Transporter für das Salz der Ameisensäure und sitzt in der
Membran von Bakterienzellen. © Universität Freiburg.
Denn die Interessen der Gruppe sind viel weiter gestreut. Während der Forschung an Enzymen
des Stickstoffmetabolismus in Bakterien sind sie vor einigen Jahren auf andere Enzyme
gestoßen. Zum Beispiel auf einen in der Membran einer Bakterienzelle sitzenden Komplex aus
fünf verschiedenen Proteinuntereinheiten, der das Salz der Ameisensäure über die Membran
schleusen kann. Die Ameisensäure ist eines der Energiestoffwechselprodukte von Bakterien,
die zum Beispiel im menschlichen Darm leben. In vielen Fällen kann es von spezialisierten
Mikroorganismen - darunter auch Krankheitserregern wie Salmonella – als zusätzliche
Energiequelle genutzt werden. In der jüngsten Publikation des Einsle-Teams ist es den
Freiburger Forschern gelungen, die Struktur des Proteinkomplexes aufzuklären und wichtige
Informationen über das Transportverhalten zu gewinnen. „Dieses Wissen könnte irgendwann
dazu dienen, Erreger wie Salmonellen durch die Anvisierung des Transporters mit Wirkstoffen
zu schwächen“, sagt Einsle.
Klinisch relevant dürfte außerdem die Beteiligung des Einsle-Teams am
Sonderforschungsbereich „Medizinische Epigenetik – Von grundlegenden Mechanismen zu
klinischen Anwendungen” (SFB 992) sein. In diesem Projekt geht es um die Identifizierung von
Wirkstoffen, die das epigenetische Gedächtnis einer Zelle beeinflussen können, um so zum
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Beispiel die Programmierung von Krebszellen zu verändern. „Alle unsere Projekte haben diese
anwendungsorientierten Perspektiven“, sagt Einsle. „Die Forschung muss aber noch einige
Biochemie-Hausaufgaben machen, bevor sie anfängt, das Wissen in konkrete Produkte zu
gießen.“
Fachbeitrag
17.09.2012
mn
BioRegion Freiburg
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Prof. Dr. Oliver Einsle
Lehrstuhl für Biochemie
Institut für Organische Chemie und Biochemie
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Albertstraße 21
79104 Freiburg
Tel.: +49 (761) 203 6058
Fax: +49 (761) 203 6161
E-Mail: einsle(at)bio.chemie.uni-freiburg.de
Index: Universität
Freiburg
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