Bernhard Schandelmaier 1 Das Ende der Schwefelbombe DLR Rheinpfalz, Institut für Weinbau und Oenologie, Bernhard Schandelmaier Die Möglichkeiten der SO2-Gabe sind in den letzten Jahren um die SO2-Formulierungen Kaliumhydrogensulfit und Ammoniumbisulfit erweitert worden. Kaliumhydrogensulfit entsteht wenn schwefelige Säure mit Kalilauge neutralisiert wird. Ammoniumbisulfit entsteht wenn zur Neutralisation der schwefeligen Säure Ammoniak verwendet wird. Beide Formulierungen sind flüssig und bringen nur eine geringere geruchlichen Belastung mit sich. Der Einsatz dieser Lösungen erhöht die Arbeitssicherheit und kann die Dosage besonders bei Kleinmengen gegenüber dem Einsatz von gasförmigem SO2 erheblich erleichtern. Kaliumhydrogensulfit (KHSO3) Kaliumhydrogensulfit ist flüssig. Kaliumhydrogensulfit-Lösungen sind in der internationalen Weinproduktion ein Standard. In Frankreich wird in vielen Betrieben zur SO2-Gabe bei Wein ausschließlich mit Kaliumhydrogensulfit gearbeitet. Die Verwendung von Kaliumhydrogensulfit ist bei uns noch wenig bekannt. Bei der Markteinführung in Deutschland kam es zunächst zu Irritationen, denn der Wortlaut der Verordnung (EG) Nr. 606/2009 vom 10. Juli 2009 war in den unterschiedlichen Amtssprachen nicht deckungsgleich und Kaliumhydrogensulfit fehlte in der deutschen Übersetzung. Kaum verwunderlich, werden die Produkte in der Verordnung doch nicht mit ihren CAS-Nummern aufgeführt und eine Übersetzung chemischer Fachbegriffe ist schwierig. Kaliumhydrogensulfit ist deutlich geruchsärmer als eine selbsthergestellte wässrige SO2-Lösung und für alle Gebindegrößen zugelassen. Kaliumhydrogensulfit ist als bis 18%ige Lösung erhältlich, das ist die dreifache Konzentration einer selbsthergestellten wässrigen SO2-Lösung. Von einer 18%igen-Lösung werden nur 550 ml pro 1.000 Liter gebraucht, um 100 mg/L SO2 zu geben. Die Haltbarkeit der Lösung ist begrenzt, geöffnete Behälter bekommen im Laufe der Lagerung einen gelblichen Farbstich. Kaliumhydrogensulfit bringt geringe Kaliumgehalte in den Wein. Eine Erhöhung der SO2 um 40 mg/L führt zu einer Entsäuerung um 0,1 g/L. Für größere SO2-Dosagen kurz vor der Füllung ist Kaliumhydrogensulfit ungeeignet, denn es kann zu Weinsteinausfall führen. Im Versuchsausbau mit Kleingebinden am DLR Rheinpfalz hat sich Kaliumhydrogensulfit bewährt. Die Dosierung ist einfach und die Geruchsbelästigung gering. Die geringen Entsäuerungen waren für die Versuchsweine unproblematisch. Ammoniumbisulfit Das flüssige Ammoniumbisulfit ist eine weitere interessante Alternative. Ammoniumbisulfit wird in Italien vielfältig eingesetzt, darf aber auch in Deutschland verwendet werden. Ammoniumbisulfit ist laut Verordnung (EG) Nr. 606/2009 zur Förderung der Hefebildung zugelassen. Ammoniumbisulfit enthält zu 70 % SO2 und 18 % Stickstoff (NH4). In der Praxis steht im Rahmen der Anwendung von Ammoniumbisulfit der SO2-Eintrag in Vordergrund. Ammoniumbisulfit darf auf Trauben, Maische, Most, teilweise gegorenem Traubenmost und Jungwein gegeben werden. Bei einer Gabe von 50 mg/L SO2 (entspricht 10 g/hl Kaliumbisulfit) mit Ammoniumbisulfit auf Trauben, Maische oder Most kommt es zu einem geringfügigen Stickstoffeintrag, der einer 69. Weinbautage 2016 2 Bernhard Schandelmaier geringen Gabe von 5 g/hl Diammoniumphosphat entspricht. Ammoniumbisulfit liegt immer als eine wasserhaltige Lösung vor und lässt sich deshalb sehr gut dosieren. Tabelle: Dosage von Ammoniumbisulfit, Berechnung des Ammoniumanteils und der äquivalenten Dosage von Diammoniumphosphat Ammoniumbisulfit / NH4HSO3 Dosage Entspricht einer Dosage von NH4 durch Anteil Anteil die Gabe von Diammoniumphosphat / SO2=64% NH4=18% (NH4)2HPO4* 156 mg/L 100 mg/L SO2 28,0 mg/L 100 mg/L 10 g/hL 78 mg/L 50 mg/L SO2 14,0 mg/L 50 mg/L 5 g/hL 47 mg/L 30 mg/L SO2 8,5 mg/L 30 mg/L 3 g/hL *Zahlen gerundet Die Haltbarkeit der Ammoniumbisulfit- Lösung ist sehr gut. Ammoniumbisulfit ist völlig geruchsfrei. Tabelle: Übersicht SO2 Formulierungen Ammoniumbisulfit und Kaliumhydrogensulfit Ammoniumbisulfit Kaliumhydrogensulfit Chemische Formel KHSO3 NH4HSO3 Kaliumsalz der Schwefligen Säure, gelöste Monoammoniumsalz der Schwefligen Säure Form des Kaliumdisulfits CAS-Nummer * 7773-03-7 10192-30-0 Beste Dosierung möglich, weil flüssig Sehr hohe Konzentration, nur 8 mL bei einer 70%igen Lösung pro 100 L für 50 mg/L SO2 Keine Geruchsbelästigung Gefahrenpotential gering Lange Haltbarkeit Bringt Stickstoff zur Hefeernährung mit Gabe nur auf Trauben, Maische, Most, teilweise gegorenem Traubenmost und Jungwein möglich, nicht auf den Wein Nicht für ökologischen Weinbau zugelassen Stickstoff zur Hefeernährung wird im Jungweinstadium nicht benötigt Unterschiedliche Konzentrationen im Handel erhältlich Beste Dosierung möglich, weil flüssig Geruchsbelästigung ist gering Hohe Konzentration, nur 28 mL bei einer 18%igen Lösung pro 100 L für 50 mg/L SO2 Gefahrenpotential gering Mittlere Haltbarkeit Strukturformel Vorteil Nachteil SO2-Gabe von 100 mg/L entsäuert 0,25 g/L Unterschiedliche Konzentrationen im Handel erhältlich Chemische Formel NH4HSO3 KHSO3 Formulierung Flüssig Flüssig SO2 Gehalt Bis zu 70% Bis zu 18% Haltbarkeit Lang Mittellang Synonyme Ammoniumhydrogensulfit LaLittorale, Gruppe Erbslöh, Sulfonium 40 Handelsprodukte Keller Mannheim, Keller-Most-Sulfit; Ohne Anspruch auf Everintec, Sterisol; Vollständigkeit Sterisol 600 Zefüg, LiquiSulf Kaliumbisulfit LaLittorale, Gruppe Erbslöh, Solution Sulfureuse P18; Everintec, Sterisol K; *Summenformeln, oder Trivialnamen sind nicht immer eindeutig, die CAS-Nummer ist der internationale Bezeichnungsstandard. 69. Weinbautage 2016 Bernhard Schandelmaier 3 Viele Winzer in Italien schätzten die Vorzüge dieses Produktes sehr und setzen auch zur ersten SO2-Gabe auf den Jungwein Ammoniumbisulfit ein. Der 18%ige Stickstoffanteil verbleibt dann im Wein, bei einer SO2-Gabe von 100 mg/L wären das 28 mg/L NH4. Nach Literaturangaben schwanken die Ammoniumgehalte im fertigen Wein zwischen 250 und 4.330 mg/L. Zusätzliche 28 mg/L NH4 erscheinen im Vergleich dazu relativ unbedeutend. Ammoniumbisulfit darf im ökologischen Weinbau nicht eingesetzt werden. Die Lösungen enthalten bis zu 70 % Ammoniumbisulfit. Die Herstellerangaben zur Einsatzmenge sollten unbedingt und sehr sorgfältig beachtet werden; schon 7,9 ml/hl oder 10 g einer 70 % Lösung bringen ca. 50 mg/L SO2 ein. Bei der Dosierung ist genau zwischen einer Dosierung nach Volumen oder einer Dosierung nach Gewicht zu unterscheiden. Üblicherweise wird die Dosagemenge als Volumenmange angegeben, eben weil die gewünschte Menge sich so einfach mit einem Messzylinder abmessen lässt. Beide Formulierungen sind als Handelspräparate mit konfusionsträchtigen Produktbezeichnungen in unterschiedlichen Konzentrationen erhältlich. Es ist bei der Dosierung unbedingt auf die spezifischen Herstellerangaben zu achten! Bei neuen Produkten kann es zu einer Fehldosage kommen, weil die Dosagemengen ungewohnt sind. Kostenbetrachtung zur SO2-Gabe In einem 100.000 Liter Wein produzierenden Betrieb ist eine kombinierte Gabe aus Ammoniumbisulfit und Kaliumhydrogensulfit mit 1,36 €/1.000 Liter die günstigste Möglichkeit SO2 auf den Wein zu geben, da keine Fixkosten anfallen. Tabelle: Kosten für die SO2-Gabe mit gasförmiger SO2 Gasförmige SO2 Betriebsgröße Gasförmige SO2 1 Mio. L 100.000 L 2.400 €* 392 €** SO2 Flasche 428 € 240 € Begasungsrohr 252 € 252 € 3.080 € 884 € 4 4 Fixkosten Dosiereinrichtung Anschaffungswert Zinssatz Nutzungsdauer Jahre 20 20 AfA 154 € 44 € Zins 62 € 18 € TÜV alle 5 Jahre 10 € 8€ 226 € 70 € 3,00€ 5,00€ Menge 150 g/1.000L 150 g/1.000L Materialkosten SO2 0,45€/1.000L 0,75€/1.000L 450 € 75 € 62 € 18 € Summe Gesamtkosten 737 € 163 € Gesamtkosten pro 1.000 L 0,74 € 1,63 € Summe Fixkosten pro Jahr Variable Kosten Preis pro kg Gas Summe Service & Reparaturkosten 2% *Mobiler Dosierwagen aus Edelstahl, ** 100 g Dosiergerät 69. Weinbautage 2016 4 Bernhard Schandelmaier Das bisher übliche Verfahren der Gabe von gasförmige SO2 bringt die geringsten Materialkosten aber auch die höchsten Fixkosten von 70 € pro Jahr mit sich. Die Anschaffung von einer SO2-Stahlflasche, Dosiereinrichtung, Begasungsrohr und der TÜV haben ihren Preis. Die Gabe gasförmiger SO2 kostet so in der Summe 1,63 €/1.000 Liter. Die alleinige Verwendung von Kaliumhydrogensulfit bringt auch keine Fixkosten mit sich, es ist aber wegen der hohen Materialkosten mit 1,89 €/1.000 Liter das teuerste Verfahren. In Großbetrieben ist für die Gabe gasförmiger SO2 die Anschaffung eines sogenannten Dosierwagens sinnvoll. In einem 1 Mio. Liter Wein produzierenden Betrieb liegen die Kosten für die SO2-Gabe nach der Gärung bei 0,74 €/1.000 Liter. Großbetriebe bekommen bei der Abnahme von Ammoniumbisulfit und Kaliumhydrogensulfit im Großbehälter Staffelpreise. Eine kombinierte Gabe aus Ammoniumbisulfit und Kaliumhydrogensulfit sollte den Preis von 1,36 €/1.000 Liter eines 100.000 Liter Betrieb deutlich unterschreiten können, und im Einzelfall ist die Konkurrenzfähigkeit zu prüfen. Die Kosten für die SO2-Gabe nach der Gärung sind äußerst gering, auch ist der Preisunterschied zwischen dem billigsten und dem teuersten Verfahren mit 55,- € pro Jahr für 100.000 Liter Wein produzierenden Betrieb zu vernachlässigen. Reine Kostenerwägungen sollten nicht Grundlage einer Entscheidung für ein bestimmtes Verfahren der SO2-Gabe sein, an erster Stelle steht in jedem Fall die Sicherheit für Mitarbeiter und Betriebsleiter. Fazit: SO2-Gabe Die Möglichkeiten der SO2-Gabe sind in den letzten Jahren um die SO2-Formulierungen Kaliumhydrogensulfit und Ammoniumbisulfit erweitert worden. Beide Formulierungen sind flüssig und bringen nur eine geringere geruchlichen Belastung mit sich. Der Einsatz dieser Lösungen erhöht die Arbeitssicherheit und kann die Dosage besonders bei Kleinmengen gegenüber dem Einsatz von gasförmigem SO2 erheblich erleichtern. Abbildung: Ammoniumbisulfit ist flüssig und bringt bei hoher Arbeitssicherheit keine geruchliche Belastung mit sich. Weitere Fragen? Bernhard Schandelmaier, Tel. 0 63 21/6 71-2 93, [email protected] 69. Weinbautage 2016