Neue Arzneimittel für Kleintiere 2008

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Übersichtsartikel
© Schattauer 2009
Neue Arzneimittel für Kleintiere 2008
I. U. Emmerich; F. R. Ungemach
Institut für Pharmakologie, Pharmazie und Toxikologie (Leiter: Prof. Dr. F. R. Ungemach), Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig
Schlüsselwörter
Key words
Arzneimittel, Zulassung, Alphaxalon, Deslorelin, Oxantel, Hund, Katze
Drugs, registration, Alfaxalone, Deslorelin, Oxantel, dog, cat
Zusammenfassung
Summary
Im Jahr 2008 kamen für Kleintiere drei neue Wirkstoffe auf den deutschen Markt. Dabei handelt es sich um Alphaxalon (Alfaxan®), einem
weiteren Kurznarkotikum für Hunde und Katzen, das GnRH-Analogon
Deslorelin (Suprelorin®), das erste Präparat, mit dem eine vorübergehende Unfruchbarkeit bei Rüden erzeugt werden kann, und das
schon seit längerem bekannte Breitspektrum-Anthelminthikum Oxantel in Kombination mit Pyrantel und Praziquantel (Dolpac®), das in dieser Dreierkombination im Vergleich zu am Markt befindlichen Anthelminthikakombinationen keinen pharmakotherapeutischen Zugewinn
darstellt. Zwei weitere Wirkstoffe erhielten eine Tierartenerweiterung.
So ist das zentral wirksame α2-Adrenolytikum Atipamezol (Atipam®)
jetzt neben Hunden auch für Katzen zugelassen und der vollsynthetische Morphinabkömmling Butorphanol (Dolorex®) erhielt die Zulassungserweiterung von Pferden auf Hunde und Katzen. Des Weiteren kamen für Kleintiere zwei Präparate mit einer interessanten neuen Darreichungsform und ein Arzneimittel mit dem ausschließlich pharmakologisch wirksamen Enantiomer auf den Markt. Vorgestellt werden ferner
10 im Jahr 2008 neu zugelassene Wirkstoffe für die Humanmedizin, die
für die Tiermedizin interessant sein könnten. Dabei handelt es sich um
das Analgetikum Nalbuphin, das Antiallergikum Rupatadin, die Antibiotika Doripenem und Rifaximin, die Antidota Methylnaltrexon und
Sugammadex, die Antiemetika Droperidol und Fosaprepitant, das Antiepileptikum Lacosamid und das Antikoagulans Dabigatran.
In 2008, three new active pharmaceutical ingredients were released on
the German market for small animals. Those are Alfaxalone (Alfaxan®),
another short-term anaesthetic for dogs and cats, the synthetic GnRH
analog Deslorelin (Suprelorin®), the first preparation usable to induce a
short-term infertility in male dogs, and the long-known broadband-anthelminthic drug Oxantel in combination with Pyrantel and Praziquantel (Dolpac®), which in this three-substance combination does not constitute a pharmacotherapeutic gain in comparison to other anthelminthic combinations on the market. Two additional substances were authorised for additional species. The central selective α2-adrenergic receptor antagonist Atipamezole (Atipam®) is now available for cats in addition to dogs, whereas the fully synthetic morphin-derivative Butorphanol (Dolorex®) is now authorised for dogs and cats in addition to
horses. Furthermore, two new preparations with an interesting new
pharmaceutical form and a drug with the exclusively pharmacologically
efficacious enantiomer were added to the market for small animals. In
addition ten active pharmaceutical ingredients with approval for use in
human medicine which are of potential interest to veterinary medicine,
entered the market in 2008. Those are the analgesic Nalbuphine, the
antihistamine Rupatadine, the antibiotics Doripenem and Rifaximin,
the antidotes Methylnaltrexone and Sugammadex, the antiemetics
Droperidol and Fosaprepitant, the antiepileptic Lacosamide and the
anticoagulant Dabigatran.
Korrespondenzadresse
Dr. Ilka Ute Emmerich
Prof. Dr. Fritz Rupert Ungemach
Institut für Pharmakologie, Pharmazie und Toxikologie
Veterinärmedizinische Fakultät
der Universität Leipzig
An den Tierkliniken 15
04103 Leipzig
E-Mail: [email protected]
New drugs for pets in 2008
Tierärztl Prax 2009; 37 (G): 399–409
Einleitung
Mit diesem Artikel soll wie bereits in vorangegangenen Jahren ein
Überblick über interessante Neuzulassungen auf dem Arzneimittelmarkt für Kleintiere gegeben werden (5– 9, 12–14). Dabei waren
für die Auswahl der Präparate folgende Kriterien entscheidend:
1. Präparate mit Wirkstoffen, die erstmals für die Veterinärmedizin zugelassen wurden:
– Alfaxan® 10 mg/ml Injektionslösung für Hunde und Katzen
(Alphaxalon)
– Suprelorin® 4,7 mg Implantat für Hunde (Deslorelin)
– Dolpac® Tabletten für kleine, mittelgroße und große Hunde
(Oxantel in Kombination mit Pyrantel und Praziquantel)
2. Präparate mit Wirkstoffen, die für weitere Tierarten zugelassen
wurden:
– Atipam® 5 mg/ml, Injektionslösung für Katzen und Hunde
(Atipamezol, Zulassung für Katzen)
– Dolorex® 10 mg/ml Injektionslösung für Pferde, Hunde und
Katzen (Butorphanol, Zulassung für Hunde und Katzen)
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3. Präparate, die aufgrund ihrer neuen Darreichungsform, ihrer
erweiterten Indikation oder anderer Kriterien interessant sind:
– Clinda 300 mg Tabletten zum Eingeben für Hunde (Clindamycin, neue Tablettenstärke: 300 mg, bislang nur als 300 mg
Kapsel oder Tabletten in geringerer Dosierung)
– Dexdomitor® 0,5 mg/ml Injektionslösung für Hunde und
Katzen (Dexmedetomidin, ausschließliche Zulassung des
pharmakologisch wirksamen Enantiomers Dexmedetomidin, bislang war nur das Razemat-Gemisch Medetomidin
verfügbar)
– Leventa® 1 mg/ml Lösung zum Eingeben für Hunde (Levothyroxin, neue Darreichungsform: Lösung zur oralen Verabreichung, bislang nur als Tablette)
4. Neu zugelassene humanmedizinische Präparate.
Wirkstoffe, die nicht für Tiere zugelassen sind, dürfen nur im
Therapienotstand für Kleintiere umgewidmet werden. Aufgrund fehlender Erfahrung in der Veterinärmedizin sind jedoch
sowohl toxische als auch therapeutische Effekte nur schwer einschätzbar (14). Da aber Entwicklungen auf dem Humanarzneimittelmarkt mittelfristig Eingang in die Veterinärmedizin finden können, sollen auch interessante neue Humanarzneimittel
vorgestellt werden:
– Analgetika
Nalbuphin (Nalpain® Injektionslösung): Wiedereinführung
eines opioiden Analgetikums
– Antiallergika
Rupatadin (Rupafin® Tabletten): neues H1-Antihistaminikum
– Antibiotika
Doripenem (Doribax® Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung): neues β-Lactam-Antibiotikum; Rifaximin
(Xifaxan® Filmtabletten): neues Ansamycin-Antibiotikum
– Antidota
Methylnaltrexon (Relistor® Injektionslösung): neuer μ-Opioidrezeptor-Antagonist; Sugammadex (Bridion® Injektionslösung): neuer Antagonist der Muskelrelaxanzien Rocuronium
und Vecuronium
– Antiemetika
Droperidol (Xomolix® Injektionslösung): Wiedereinführung eines Neuroleptikums; Fosaprepitant (Ivemend® Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung): erste AprepitantProdrug
– Antiepileptika
Lacosamid (Vimpat® Filmtabletten, Sirup, Infusionslösung):
neues Antiepileptikum zur Zusatzbehandlung bei fokalen
Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung
– Antikoagulantia
Dabigatran (Pradaxa® Hartkapseln): erstes peroral bioverfügbares Antikoagulans nach den Vitamin-K-Antagonisten
Eine Übersicht über die im Folgenden besprochenen veterinärmedizinischen Arzneimittel bietet 씰Tabelle 1. Die genannten humanmedizinischen sind in 씰Tabelle 2 gelistet.
Präparate mit erstmals in der Tiermedizin
zugelassenen Wirkstoffen
Alfaxan® 10 mg/ml Injektionslösung für Hunde und
Katzen (Alphaxalon, Zulassung für Hunde und Katzen)
Das Kurznarkotikum Alphaxalon aus der Gruppe der Neurosteroide wurde erstmals für Hunde und Katzen in Deutschland als
Alfaxan® 10 mg/ml Injektionslösung zugelassen. Bekannt ist Alphaxalon aus der fixen Kombination mit Alphadolon, dem Althesin, das unter dem Handelsnamen Saffan® in England zugelassen
ist. Bei Hunden darf Althesin jedoch aufgrund des in der Injektionslösung verwendeten Lösungsvermittlers Cremophor EL nicht
angewendet werden, da es bei dieser Spezies stark histaminfreisetzend wirkt (16). Alfaxan® enthält als Lösungsvermittler Hydroxypropylbetadex (HPBD) (21). Dadurch konnte es für Hunde und
Katzen zur Narkoseeinleitung vor einer Inhalationsnarkose, als
alleiniges Anästhetikum zur Einleitung und Erhaltung einer Narkose, die zur Durchführung einer Untersuchung oder von chirurgischen Eingriffen erforderlich ist, zugelassen werden.
Alfaxalon besitzt hypnotische, muskelrelaxierende und begrenzt
analgetische Eigenschaften, die durch Interaktion mit GABAA-Rezeptoren neuronaler Zellen hervorgerufen werden (21). Dadurch
kommt es zu einem erhöhten Chloridinflux, in dessen Folge eine
Hyperpolarisation und Abnahme der Erregbarkeit der Zielzelle
entsteht. Während subtherapeutische Dosen die GABAA-Antwort
modifizieren (sedativer Effekt), wirkt Alphaxalon in therapeutischen Dosen wie ein direkter Agonist (anästhetischer Effekt) (1).
Nach intravenöser Injektion der therapeutischen Dosis von
2 mg Alphaxalon/kg KM bei Hunden bzw. 5 mg Alphaxalon/kg
KM bei Katzen liegt ein hohes Verteilungsvolumen von 2,4 l/kg
bzw. 1,8 l/kg vor (1). Die Plasmaproteinbindung ist mit 30–50%
relativ gering ausgeprägt. Alphaxalon überwindet aufgrund seiner
ausgeprägten Lipophilie zügig die Blut-Hirn-Schranke, sodass der
anästhetische Effekt bei Hunden und Katzen innerhalb einer Minute einsetzt (21). Die Anästhesiedauer wird in erster Linie durch
die rasche hepatische Metabolisierung und weniger durch eine
Umverteilung in periphere Kompartimente, wie z. B. bei den Barbituraten, bestimmt. Alphaxalon wird dosisabhängig eliminiert.
Die Plasmahalbwertszeit nach Applikation der klinisch relevanten
Dosierung betrug bei Hunden durchschnittlich 25 Minuten bzw.
bei Katzen 45 Minuten, die durchschnittliche Plasmaclearance
59,4 ± 12,9 ml/kg KM/min bzw. 25,1 ± 7,6 ml/kg KM/min (1).
Alfaxan® darf nicht mit anderen Anästhetika zur intravenösen
Injektion kombiniert werden (1). Aufgrund der klinisch nicht
nutzbaren analgetischen Effekte (21) ist bei schmerzhaften Eingriffen grundsätzlich die Gabe eines geeigneten Schmerzmittels erforderlich (1). Alphaxalon kann mit und ohne Prämedikation bei
Hunden und Katzen angewendet werden. Zur Prämedikation sollten sedativ und analgetisch wirkende Substanzen mit Benzodiazepinen kombiniert eingesetzt werden (1). Benzodiazepine allein erhöhen die Wahrscheinlichkeit für eine verkürzte Anästhesiedauer
und eine unruhige Aufwachphase durch psychomotorische Erre-
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Tab. 1
Übersicht über die im Artikel besprochenen veterinärmedizinischen Arzneimittel. Die interessanten Neuerungen, die zur Aufnahme der Arzneimittel in den Artikel geführt haben, sind rot hervorgehoben.
Wirkstoffgruppe
Wirkstoff
Präparat
Wirkstoffkonzentration
(geschützter
Warenname)
Darreichungsform und
Art der Anwendung
Tierart
Vertreiber
Atipam®
5 mg/ml
Injektionslösung zur intramuskulären Katzen, Hunde
Anwendung
Albrecht
Dolorex®
10 mg/ml
Injektionslösung zur intravenösen
und subkutanen Anwendung
Pferde, Hunde,
Katzen
Intervet
Injektionslösung zur intravenösen
und intramuskulären Anwendung
Hunde, Katzen
Pfizer
300 mg
Tablette zum Eingeben
Hunde
cp-pharma
40,06 mg + 9,99 mg + 10 mg
200,28 mg + 49,94 mg + 50 mg
500,7 mg + 124,85 mg + 125 mg
Tablette zum Eingeben
Hunde
Vétoquinol
Adrenolytika, α2
Atipamezol
Analgetika
Butorphanol
Analgetika vom Xylazintyp, α2-Adrenorezeptor-Agonisten
Dexmedetomidin
Dexdomitor®
0,5 mg/ml
Antibiotika
Clindamycin
Clinda
Antiparasitika
Oxantel mit Pyrantel, Dolpac®
Praziquantel
Hormone und hormonell wirksame Pharmaka
Deslorelin
Suprelorin®
4,7 mg
Implantat zur subkutanen Injektion
Rüden (Hunde)
Virbac
Levothyroxin
Leventa®
1 mg/ml
Lösung zum Eingeben
Hunde
Intervet
Injektionslösung zur intravenösen
Anwendung
Hunde, Katzen
Vétoquinol
Injektionsnarkotika
Alphaxalon
Alfaxan®
10 mg/ml
gungszustände, die sich als spontane Muskelbewegungen (Muskelzuckungen, Paddelbewegungen) oder als Opisthotonus-ähnliches
Verhalten äußern (1). Atemdepressive Effekte entwickeln sich umso häufiger, je schneller die Bolusgabe bei Einleitung erfolgt und je
höher damit die maximale Alphaxalonkonzentration im ZNS ist
(21). In klinischen Studien mit Alfaxan® setzte bei 44% der Hunde
und 19% der Katzen die Atmung über mehr als 30 Sekunden aus
(1). Diese Apnoe dauerte bei Hunden durchschnittlich 100 Sekunden, bei Katzen 60 Sekunden (1). Daher wird bei Anwendung von
Alfaxan® eine endotracheale Intubation und Sauerstoffgabe empfohlen (1). Da keine Studien zur Embryo- und Reproduktionstoxizität an den Zielspezies durchgeführt wurden, sollte die Anwendung von Alphaxalon bei trächtigen oder laktierenden Tieren nur
nach vorheriger Nutzen-Risiko-Abwägung durch den behandelnden Tierarzt erfolgen (1).
Bei Überdosierungen bis zum 10-Fachen bei Hunden (20 mg/
kg KM) und bis zum 5-Fachen bei Katzen (25 mg/kg KM) kam es
zu einer Apnoe mit vorübergehendem arteriellem Blutdruckabfall,
der durch eine Veränderung der Herzfrequenz kompensiert wurde
(1). Als Gegenmaßnahme reicht eine Beatmung der betroffenen
Tiere aus (1). Da Alfaxan® keine Konservierungsstoffe enthält, sind
verbleibende Reste des Arzneimittels nach Entnahme der erforderlichen Dosis zu verwerfen (1).
Die ED90 von Alphaxalon beträgt bei Hunden ohne Prämedikation
3 mg/kg KM und verringert sich bei prämedizierten Tieren auf 2 mg/
kg KM. Bei Katzen beträgt die Dosierung mit und ohne Prämedikation jeweils 5 mg/kg KM. Die Gesamtmenge sollte langsam in Intervallen von 15 Sekunden über einen Zeitraum von einer Minute verabreicht werden (1). Nach der Narkoseeinleitung kann das Tier intubiert
werden. Die Narkoseerhaltung erfolgt entweder weiter mit Alphaxalon
oder mit einem Inhalationsnarkotikum, wobei Alfaxan® als zusätzliche
Bolusinjektion alle 10 Minuten oder als konstante Infusion bei bis zu
einer Stunde dauernden Eingriffen verabreicht werden kann (1).
Alfaxan® 10 mg/ml wird als Injektionslösung zur intravenösen
Applikation für Hunde und Katzen in 10-ml-Durchstechflaschen
von der Firma Vétoquinol GmbH vertrieben.
Suprelorin® 4,7 mg Implantat für Hunde
(Deslorelin, Zulassung für Hunde)
Der GnRH-Agonist Deslorelin ist ein synthetisches Oligopeptidanalogon des Gonadotropin-Releasing-Hormons und wurde fast
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zeitgleich in zwei unterschiedlichen Tierarzneimitteln für Hunde
bzw. Stuten zugelassen. In diesem Artikel soll das für Hunde zugelassene deslorelinhaltige Implantat Suprelorin® besprochen werden.
Mit Deslorelin erhielt das erste GnRH-Analogon eine Zulassung für Hunde. Suprelorin® stellt derzeit das einzige zugelassene
Präparat dar, mit dem eine vorübergehende Unfruchtbarkeit bei
Rüden erzeugt werden kann. Gestagene, wie Delmadinon oder
Proligeston, reduzieren hingegen nur eine sexuelle Hyperaktivität
und androgenabhängige Angriffslust bei Rüden.
Das Gonadotropin-Releasing-Hormon (Gonadorelin, GnRH)
ist ein Dekapeptid, das nach Ausschüttung aus dem Hypothalamus
über das hypothalamohypohysäre Portalgefäßsystem direkt zur
Hypophyse gelangt, von der aus es die Sekretion der gonadotropen
Hormone FSH (follikelstimulierendes Hormon) und LH (luteinisierendes Hormon) steuert (15). Bei männlichen Tieren stimuliert
LH die Testosteronproduktion in den Leydig-Zellen, wohingegen
FSH die Spermienproduktion in den Sertoli-Zellen kontrolliert
(23). Eine anhaltende Gabe von Gonadorelin-Agonisten bewirkt
anfänglich einen kurzen Anstieg der Testosteronplasmakonzentration und anschließend eine Desensibilisierung und Downregulation der GnRH-Rezeptoren, wodurch die Gonadotropinsynthese
und -sekretion stark vermindert wird. Als Folge vermindert sich
die Bildung von Sexualhormonen in den Gonaden und versiegt
schließlich vollständig. Durch diesen Wirkmechanismus setzt die
kontinuierliche Abgabe einer niedrigen Dosis Deslorelin die Funktion der männlichen Fortpflanzungsorgane, die Libido und die
Spermatogenese 4–6 Wochen nach der Implantation herab (4).
Gleichzeitig sinkt der Testosteronplasmaspiegel, die Hodengröße
verringert sich um 20–30% und zwischen der 6. und 48. Woche
nach Implantation können kein Ejakulat und keine Spermien
mehr gewonnen werden (4, 23). Die Dauer bis zur vollständigen
Erholung ist dosisabhängig, wobei leichte Hunde in der Regel etwas mehr Zeit benötigen als mittelgroße und große Hunde. Nach
Implantatentfernung zeigten 80% der Rüden nach 12 Monaten
und 98% nach 18 Monaten normalisierte Testosteronspiegel (23).
Allerdings fehlen bisher Daten, die einen vollständigen Rückgang
aller Wirkungen (verringerte Hodengröße, verringertes Ejakulatvolumen, verminderte Spermienzahl und herabgesetzte Libido)
und eine komplette Wiederherstellung der Fortpflanzungsfunktion sicher belegen (23). Nach Implantation von Suprelorin® werden maximale Deslorelinplasmaspiegel nach 7–35 Tagen erreicht
(4). Der Wirkstoff ist bis ca. 2,5 Monate nach der Implantation im
Plasma nachweisbar (4). Deslorelin wirkt ungefähr 150-fach stärker als natürliches GnRH (23). Es wird rasch, hauptsächlich in der
Leber, zu Peptidfragmenten und Aminosäuren metabolisiert und
größtenteils renal ausgeschieden (23).
Da eine Unfruchtbarkeit ab einem Zeitraum von 6 Wochen bis
mindestens 6 Monate nach der Erstbehandlung erreicht wird, sind
behandelte Rüden in den ersten 6 Wochen nach der Erstbehandlung weiterhin von läufigen Hündinnen fernzuhalten (4). Andere
GnRH-Analoga haben sich bei Versuchstieren als fetotoxisch erwiesen. Daher sollte Deslorelin nicht von schwangeren Frauen ver-
abreicht werden (4). Mit der Behandlung sollte bis zur Erlangung
der Geschlechtsreife der Rüden gewartet werden, da die Anwendung vor der Geschlechtsreife bei Hunden noch nicht untersucht
wurde (4). Nach der Implantation kann für einen Zeitraum von
14 Tagen eine mittelgradige Schwellung an der Implantationsstelle bestehen, nach 3 Monaten waren histologisch leichte lokale
Reaktionen mit chronischer Bindegewebsentzündung und einer
gewissen Verkapselung sowie Kollagenablagerungen nachweisbar
(4). Die gleichzeitige Applikation von 10 Implantaten wurde von
Hunden ansonsten symptomlos toleriert (23). Arzneimittelwechselwirkungen von Deslorelin mit verschiedenen antimikrobiellen
Wirkstoffen, nichtsteroidalen Entzündungshemmern und Antiparasitika wurden nicht beobachtet (23).
Suprelorin® wird subkutan in die lose Haut auf dem Rücken
zwischen dem hinteren Nacken und dem Lendenbereich implantiert, wobei das Implantat nicht in Fettgewebe injiziert werden
darf, da die Abgabe des Wirkstoffs in Bereichen mit wenigen Blutgefäßen beeinträchtigt sein kann (4). Die Dosierung beträgt unabhängig von der Größe des Hundes ein Implantat pro Tier (4). Allerdings sollte der Tierarzt bei Hunden mit einem Körpergewicht unter 10 kg bzw. über 40 kg eine Nutzen-Risiko-Beurteilung vornehmen, da bei den meisten kleinen Hunden die supprimierten Testosteronspiegel länger als 12 Monate nach der Implantation erhalten blieben und für sehr große Hunde bisher nur eine sehr begrenzte Datenlage vorliegt (4).
Suprelorin® ist ein Implantat in einem gebrauchsfertigen Implantatinjektor zur subkutanen Injektion für Rüden. Es wird in
Pappschachteln mit zwei oder fünf einzeln in Folie verpackten, sterilisierten Implantatinjektoren zusammen mit einem nicht sterilen Betätiger von der Firma Virbac vertrieben.
Dolpac® Tabletten für kleine, mittelgroße und
große Hunde (Oxantel in Kombination mit Pyrantel
und Praziquantel, Zulassung für Hunde)
Das oral verabreichbare Breitspektrum-Anthelminthikum gegen
Magen-Darm-Nematoden Oxantel aus der Gruppe der Tetrahydropyrimidine wurde erstmalig als Tierarzneimittel zugelassen.
Der Wirkstoff ist schon seit längerem bekannt, hat aber bislang keine therapeutische Bedeutung erlangt (25). Oxantel ist ein zyklisches Amidin und chemisch eng mit Pyrantel und Morantel verwandt (25). Dieses m-Oxyphenolderivat von Pyrantel besitzt in
Gegensatz zu diesem eine Wirksamkeit gegenüber Peitschenwürmern (Trichuris). Daher wurde Oxantel zur Erweiterung des Wirkspektrums in Dolpac® mit den Wirkstoffen Pyrantel und Praziquantel kombiniert. Das Wirkungsspektrum dieser Dreierkombination ist vergleichbar mit den Zweierkombinationen Fenbendazol + Praziquantel bzw. Emodepsid + Praziquantel oder der
Dreierkombination Pyrantel + Febantel + Praziquantel und stellt
damit pharmakotherapeutisch keinen Zugewinn dar. Dolpac®
wurde zur Behandlung von Hunden mit parasitären Mischinfektionen verursacht durch adulte Stadien von Nematoden (Toxocara
canis, Toxascaris leonina, Ancylostoma caninum, Uncinaria stenoce-
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phala, Trichuris vulpis) und Zestoden (Dipylidium caninum, Taenia
spp.) zugelassen.
Die anthelminthische Wirkung des Oxantels beruht, wie bei
den anderen Tetrahydropyrimidinen Pyrantel und Morantel, auf
einer depolarisierenden neuromuskulären Blockade, nikotinartigen und muskarinartigen Wirkungen (25). Bei den Parasiten führt
die nikotinartige Wirkung zu einem Depolarisationsblock in den
Ganglien mit der Folge einer spastischen Paralyse. Tetrahydropyrimidine üben derartige cholinerge Wirkungen grundsätzlich auch
im Wirtsorganismus aus, doch werden aufgrund der geringen Bioverfügbarkeit normalerweise keine ausreichenden Wirkstoffspiegel erreicht (25). Oxantel wird in sehr geringem Umfang in den
oberen Abschnitten des Gastrointestinaltrakts resorbiert (20). Die
daraus resultierenden hohen Wirkstoffspiegel im Kolon bewirken
eine besonders gute Wirksamkeit gegen Trichuris spp. (20). Das
Wirkungsspektrum von Oxantel und Pyrantel umfasst reife und
unreife Darmlumenstadien, während histotrophe, inhibierte und
extraintestinale Larvenstadien und Parasiten nicht ausreichend erfasst werden (25). Oxantel besitzt keine Wirksamkeit gegen Zestoden und Trematoden (25).
Dolpac® darf nicht gleichzeitig mit Levamisol, Piperazin oder
Cholinesterasehemmern angewendet werden (20). Des Weiteren
sollte Dolpac® nicht bei Welpen bis zu einem Alter von 2 Monaten
oder mit einem Körpergewicht von unter 1 kg sowie bei trächtigen
oder laktierenden Tieren angewendet werden (20). Bei geschwächten Tieren und insbesondere bei erhöhter Resorption der Tetrahydropyrimidine infolge Darmwandläsionen stark verwurmter
Tiere können Überdosierungserscheinungen in Form von Muskeltremor, Salivation, Tachypnoe, Defäkation, Diarrhö und herabgesetzter Aktivität der Acetylcholinesterase auftreten (20, 25). Daher sollte bei stark geschwächten Tieren das Tierarzneimittel nur
nach erfolgter Nutzen-Risiko-Analyse des behandelnden Tierarztes angewendet werden (20). Nach der Entwurmung mit Dolpac®
wurden Erbrechen und Durchfall beobachtet (20). Wie bei allen
praziquantelhaltigen Arzneimitteln besteht die Möglichkeit des
Auftretens einer Anorexie (20). Die Gabe des 5-Fachen der empfohlenen Dosis über einen Zeitraum von 6 Wochen verursachte bei
gesunden Hunden keine unerwünschten Nebenwirkungen. Bei einigen mit Dolpac® behandelten Tieren werden möglicherweise
Ancylostoma caninum und Toxocara canis nicht vollständig eliminiert. Daher empfiehlt der Hersteller, eine Nachuntersuchung des
Kotes vorzunehmen und, falls erforderlich, eine dem Untersuchungsergebnis entsprechende Behandlung mit einem nematiziden Tierarzneimittel durchzuführen (20).
Dolpac® sind Tabletten zum Eingeben möglichst an nüchterne
Hunde. Die empfohlene Dosierung beträgt einmalig 20 mg Oxantel, 5 mg Pyrantel und 5 mg Praziquantel pro Kilogramm Körpermasse.
Dolpac® wird als Tablette für kleine Hunde in Packungen mit 1,
6 oder 10 Blistern mit 10 Tabletten und als Tablette für mittelgroße bzw. große Hunde in Packungen mit 1, 6, 10 oder 20 Blistern mit
3 Tabletten von der Firma Vétoquinol GmbH vertrieben.
Wirkstoffe, die für eine weitere Tierart
zugelassen wurden
Atipam® 5 mg/ml, Injektionslösung für Katzen und
Hunde (Atipamezol, Zulassung für Katzen)
Das zentral wirksame α2-Adrenolytikum Atipamezol erhielt in
Atipam® neben der Zulassung für Hunde auch erstmalig eine Zulassung für Katzen. Atipam® ist jetzt zur Aufhebung der sedativen
Wirkung von Medetomidin und Dexmedetomidin bei Katzen und
Hunden zugelassen. Damit stellt Atipam® derzeit das einzige für
die Anwendung bei der Katze zugelassene α2-Adrenolytikum dar.
Atipamezol hebt die sedativen und analgetischen Wirkungen
der α2-Agonisten vollständig auf. Es wird nach intramuskulärer
Injektion schnell resorbiert, sodass maximale Konzentrationen im
Zentralnervensystem innerhalb von 10–15 Minuten erreicht werden (2). Das Verteilungsvolumen beträgt 1–2,5 l/kg KM, die Halbwertszeit 1 Stunde (2). Atipamezol wird schnell und vollständig
verstoffwechselt, die Ausscheidung der Metaboliten erfolgt vorwiegend renal und in geringer Menge über die Fäzes (2).
Atipam® darf nicht bei Zuchttieren, Tieren mit eingeschränkter
Leber- oder Nierenfunktion und bei trächtigen oder laktierenden
Tieren angewendet werden (2). Atipamezol sollte nur mit Vorsicht
mit anderen Wirkstoffen kombiniert verabreicht werden (22). Da
Atipamezol anfänglich durch eine Wirkung auf periphere α2-Rezeptoren zu einer kurz anhaltenden Vasokonstriktion führt, tritt
während der ersten 10 Minuten nach der Injektion eine vorübergehende Blutdrucksenkung auf (2). Atipamezol kann in seltenen
Fällen zu Hyperaktivität, Tachykardie, Salivation, atypischen Lautäußerungen, Muskelzittern, Erbrechen, verstärkter Atmung und
unkontrolliertem Harn- und Kotabsatz führen (2). In sehr seltenen
Fällen fielen Tiere trotz der Atipamezolbehandlung wieder in einen sedierten Zustand, was immer dann der Fall war, wenn die
Wirkung von Atipamezol kürzer anhielt als die Wirkung des
α2-Agonisten. Da Atipamezol die Wirkung von Ketamin nicht aufhebt, darf es frühestens eine halbe Stunde nach der letzten Ketamingabe appliziert werden, da ansonsten Ataxien, Muskelzittern
und Krämpfe auftreten können (2). Bei Überdosierung von Atipamezol wurden vorübergehende Tachykardie und Erregungserscheinungen (Hyperaktivität, Muskelzittern) beobachtet (2).
Atipam® wird einmalig intramuskulär bei Katzen wie bei Hunden in der Regel 15–60 Minuten nach der Medetomidin- bzw. Dexmedetomidin-Injektion verabreicht (2). Die Dosierung von Atipamezolhydrochlorid (in pg) bei Katzen beträgt das 2,5-Fache der
zuvor applizierten Dosis an Medetomidinhydrochlorid bzw. das
5-Fache der Dosis an Dexmedetomidinhydrochlorid (2). Atipamezolhydrochlorid ist in Atipam® im Vergleich zu Präparaten, die
1 mg Medetomidinhydrochlorid je Milliliter enthalten, fünf Mal
bzw. im Vergleich zu Präparaten, die 0,5 mg Dexmedetomidinhydrochlorid enthalten, 10 Mal konzentrierter (2). Daher ist Katzen
die Hälfte des zuvor verabreichten Volumens von Medetomidin
oder Dexmedetomidin zu verabreichen, im Gegensatz zu Hunden,
die das gleiche zuvor applizierte Volumen erhalten. Durch die Ati-
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pamezolapplikation wird die Erholungszeit auf etwa 5 Minuten
verkürzt, sodass die Tiere ungefähr 10 Minuten nach der Atipamezolapplikation wieder mobil werden (2).
Atipam® wird in 10-ml-Durchstechfaschen mit auffälligem
orangefarbenem Deckel von der Firma Albrecht GmbH vertrieben.
Dolorex® 10 mg/ml Injektionslösung für Pferde,
Hunde und Katzen (Butorphanol, Zulassung für Hunde
und Katzen)
Der in Großbritaninien bereits seit langem für Hunde, Katzen und
Pferde zugelassene vollsynthetische Morphinabkömmling Butorphanol, der seit 2006 in Deutschland auch für Pferde zur Verfügung steht (10), wurde jetzt auch für Hunde und Katzen als Dolorex® 10 mg/ml Injektionslösung zugelassen. Das Arzneimittel darf
bei Hunden zur Linderung mäßiger viszeraler Schmerzen und zur
Sedation in Kombination mit bestimmten α2-Adrenozeptor-Agonisten und bei Katzen zur Linderung mäßiger Schmerzen nach
Weichteiloperationen angewendet werden. Damit steht für Hunde
neben Levomethadon und Buprenorphin und für Katzen neben
Buprenorphin ein weiteres starkes Analgetikum vom Morphintyp
zur Verfügung. Butorphanol fehlt aufgrund des μ-Opioid-Rezeptor-Antagonismus das Suchtpotenzial, sodass es anders als Levomethadon und Buprenorphin nicht den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften unterliegt.
Bei Hunden ist nach intramuskulärer Verabreichung von Butorphanol die Clearence mit ca. 3,5 l/h × kg hoch. Die Halbwertszeit beträgt im Mittel weniger als 2 Stunden, sodass 97%
der intramuskulär verabreichten Dosis in durchschnittlich weniger als 10 Stunden eliminiert werden (3). Katzen scheiden Butorphanol nach subkutaner Anwendung langsam aus (Clearance
< 1,32 l/h × kg, Halbwertszeit ca. 6 Stunden): Erst nach ca. 30 Stunden sind 97% der subkutan verabreichten Dosis eliminiert. Butorphanol wird nach hepatischer Biotransformation renal ausgeschieden. Es besitzt ein hohes Verteilungsvolumen (3). Die Analgesie stellt sich bei Hunden und Katzen im Allgemeinen 15 Minuten nach der Verabreichung ein und hält bei Hunden 15–30 Minuten an (3). Ein schmerzlindernder Effekt wurde bei Katzen mit
viszeralen Schmerzen für 15 Minuten bis 6 Stunden nach Butorphanolapplikation nachgewiesen (3). Bei Katzen mit somatischen
Schmerzen war die Dauer der Schmerzlinderung bedeutend kürzer (3).
Butorphanol darf nicht bei Hunden oder Katzen mit eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion und bei jungen Hundeund Katzenwelpen angewendet werden (3). Die Kombination von
Butorphanol mit anderen Analgetika oder Sedativa darf aufgrund
von möglicherweise auftretenden additiven Effekten nur unter
besonderer Vorsicht erfolgen (3). Katzen reagieren individuell unterschiedlich auf Butorphanol (3). Sollte die schmerzlindernde
Wirkung ausbleiben, muss ein anderes Analgetikum verwendet
werden, da eine Dosissteigerung die Intensität oder Dauer der
Schmerzlinderung nicht erhöht (3). Wie alle Opioide kann auch
Butorphanol die Darmmotilität senken (17). Aufgrund der antitussiven Wirkung von Butorphanol sollte Dolorex® bei Tieren, die
unter einer respiratorischen Erkrankung mit Schleimproduktion
leiden, mit Vorsicht und unter Berücksichtigung einer möglichen
Schleimansammlung in den Atemwegen angewendet werden (3).
Gleiches gilt für die Kombination von Butorphanol mit Sekretolytika (3). Da die Embryo- und Reproduktionstoxizität von Butorphanol nicht an den Zieltierarten untersucht wurde, sollte es
nicht bei trächtigen oder laktierenden Tieren zum Einsatz kommen.
Als Nebenwirkungen wurden bei Hunden Depressionen des respiratorischen und kardiovaskulären Systems, Anorexie und Diarrhö, Verminderung der gastrointestinalen Motilität und lokaler
Schmerz an der Stelle der intramuskulären Injektion beobachtet
(3). Bei Katzen können Mydriasis, Orientierungslosigkeit, Sedation, Reizungen an der Injektionsstelle im Fall von wiederholten
Injektionen, Schmerz während der Injektion sowie Dysphorie auftreten (3). Bei Überdosierung von Butorphanol kommt es hauptsächlich zu einer Atemdepression, die durch Opioid-Antagonisten
(z. B. Naloxon) wieder aufgehoben werden kann (3). Katzen reagieren auf eine Überdosierung mit Koordinationsproblemen, vermehrtem Speichelfluss sowie leichten Krämpfen (3). Bei Kombination von Butorphanol mit anderen Sedativa wie α2-Adrenozeptor-Agonisten (z. B. Medetomidin bei Hunden) sollte die Dosis
so reduziert werden, dass sich synergistische Effekte ausschließen
lassen (3). Des Weiteren kann Butorphanol wegen der antagonistischen Wirkung auf μ-Opioid-Rezeptoren möglicherweise bestehende analgetische Wirkungen durch einen reinen μ-OpioidRezeptor-Agonisten aufheben (3).
Die Dosierung von Butorphanol zur kurzzeitigen Analgesie beträgt bei Hunden 0,2–0,4 mg/kg KM langsam intravenös (3). Katzen werden 0,4 mg Butorphanol/kg KM subkutan zur kurzen oder
mittelfristigen Schmerzausschaltung verabreicht (3). Abhängig
von der klinischen Reaktion kann die Behandlung innerhalb von
6 Stunden wiederholt werden (3). Bei Kombination von Butorphanol mit Medetomidin zur Sedation bei Hunden beträgt die Dosierung 0,01–0,03 mg Medetomidin/kg KM und 0,1–0,2 mg Butorphanol/kg KM intramuskulär, wobei beide Wirkstoffe zeitgleich
verabreicht werden können (3).
Dolorex® 10 mg/ml Injektionslösung für Pferde, Hunde und
Katzen wird in 10-ml- und 50-ml-Durchstechflachen im Umkarton von der Firma Intervet vertrieben.
Weitere interessante Neuzulassungen
Ausschließliche Zulassung des pharmakologisch
wirksamen Enantiomers
Bislang war nur das Razemat-Gemisch Medetomidin für Hunde
und Katzen erhältlich, das aus dem pharmakologisch wirksamen
Enantiomer Dexmedetomidin und dem unwirksamen Enantiomer Levomedetomidin zusammengesetzt ist. Mit Dexdomitor®
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0,5 mg/ml ist jetzt eine Injektionslösung für Hunde und Katzen
von der Firma Pfizer verfügbar, die ausschließlich Dexmedetomidin enthält, sodass die Dosierung bei gleichzeitig geringerem
Wechselwirkungspotenzial um die Hälfte reduziert werden kann.
Neue Darreichungsform
höhlen- und Zahninfektionen, bedingt durch Clindamycin-empfindliche Staphylokokken, Bacteriodaceae, Fusobacterium necrophorum, Clostridium perfringens und von Osteomyelitis, bedingt
durch Staphylococcus aureus, zugelassen.
Humanmedizinische Präparate
Levothyroxin, das bislang nur als Tablette zum Eingeben (Forthyron®) zur Verfügung stand (8), ist jetzt auch als Lösung zum Eingeben für Hunde unter der Bezeichnung Leventa® 1 mg/ml bei der
Firma Intervet erhältlich. Indikation stellt ebenfalls die Behandlung der Hypothyreose bei Hunden dar.
Das Lincosamid-Antibiotikum Clindamycin, das für Hunde
bislang in Kapseln mit 25 mg, 75 mg, 150 mg und 300 mg Wirkstoff
und in Tabletten mit 25 mg, 75 mg, 150 mg Wirkstoff zur Verfügung stand, erhielt jetzt auch als Tablette mit 300 mg Wirkstoff
eine Zulassung. Die oblongförmige teilbare Tablette Clinda
300 mg, die von der Firma CP-Pharma vertrieben wird, ist zur Behandlung von infizierten Wunden, Abszessen, Pyodermie, Mund-
Tab. 2
Übersicht über für die Tiermedizin interessante,
neu zugelassene humanmedizinische Arzneimittel
Wirkstoffgruppe
Wirkstoff
Analgetika
Das opioide Analgetikum Nalbuphin (Nalpain® 10 mg/ml Injektionslösung) wirkt an Opioid-Rezeptoren als κ- und partieller
μ-Rezeptor-Antagonist (11). Für die Tiermedizin stehen drei starke Analgetika vom Morphintyp zur Verfügung, wobei Buprenorphin für Hunde und Katzen, Butorphanol für Hunde, Katzen und
Pferde und Levomethadon in Kombination mit Fenpipramid für
Hunde und Pferde jeweils als Injektionslösung zugelassen sind.
Nalbuphin war bis vor wenigen Jahren unter dem Namen
Nubain® verfügbar. Das Unternehmen von Bristol-Myers Squibb
Präparat
Darreichungsform und
Art der Anwendung
Vertreiber
Nalpain®
Injektionslösung zur intravenösen,
intramuskulären und subkutanen
Injektion
Orpha-Devel Handels
und Vertriebs GmbH
Rupafin®
Tablette zum Einnehmen
Merckle Recordati
Doripenem
Doribax®
Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung zur intravenösen Infusion
Janssen-Cilag
Rifaximin
Xifaxan®
Filmtabletten zum Einnehmen
Norgine
Methylnaltrexon
Relistor®
Injektionslösung zur subkutanen
Injektion
Wyeth Pharma
Sugammadex
Bridion®
Injektionslösung zur intravenösen
Injektion
N. V. Organon
Droperidol
Xomolix®
Injektionslösung zur intravenösen
Injektion
Prostrakan Limited
Fosaprepitant
Ivemend®
Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung zur intravenösen Infusion
MSD
Vimpat®
Filmtablette und Sirup zum Einnehmen, UCB
Infusionslösung zur intravenösen Infusion
Pradaxa®
Hartkapseln zum Einnehmen
Analgetika
Nalbuphin
Antiallergika
Rupatadin
Antibiotika
Antidota
Antiemetika
Antiepileptika
Lacosamid
Antikoagulantia
Dabigatran
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Boehringer Ingelheim
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nahm es aber eigenen Angaben zufolge aus produktionstechnischen Gründen vom Markt. Nalpain® wurde nun zur kurzzeitigen
Behandlung mittelstarker und starker Schmerzen und zur präund postoperativen Analgesie zugelassen. Kontraindiziert ist die
Anwendung von Nalbuphin bei Patienten mit schweren Leberund Nierenschäden, da die Substanz in der Leber metabolisiert
und über die Niere ausgeschieden wird, und bei einer gleichzeitigen Behandlung mit μ-agonistischen Opioiden wie Morphin und
Fentanyl. Außerdem verstärken alkoholhaltige Arzneimittel die sedierende Wirkung des Schmerzmittels und müssen gemieden werden. Die gleichzeitige Gabe bestimmter zentralnervös dämpfender
Arzneimittel, wie Benzodiazepine, Neuroleptika, sedierende Antidepressiva und H1-Antihistaminika, ist ebenfalls kontraindiziert,
da diese Substanzen das Risiko einer Atemdepression erhöhen, die
im Fall einer Überdosierung lebensbedrohlich sein kann. Bei einer
Überdosierung kann Naloxon als spezifisches Antidot verwendet
werden. Als häufige Nebenwirkungen wurden beim Menschen Sedierung, Kopfschmerz, Schwindel, trockener Mund sowie Übelkeit
und Erbrechen beobachtet (11).
Als Dosierung wird bei Erwachsenen 0,1–0,3 mg/kg KM empfohlen, bei einer maximalen Einzeldosis von 20 mg. Die Applikation kann intravenös, intramuskulär oder subkutan erfolgen und
bei Bedarf nach 3–6 Stunden wiederholt werden (11).
Antiallergika
Das N-Alkylpyridin-Derivat Rupatadin (Rupafin® 10 mg Tabletten) ist ein neues H1-Antihistaminikum der zweiten Generation.
Es wurde beim Menschen zur symptomatischen Behandlung der
allergischen Rhinitis und der chronischen idiopathischen Urtikaria zugelassen. Für Tiere ist derzeit nur das H1-Antihistaminikum
Chlorphenamin für Hunde und Pferde in einer wenig sinnvollen
Kombination mit Dextromethorphan, Ephedrin und Guaifenesin
als “Hustensaft” zugelassen.
Rupatadin greift durch Blockade der peripheren H1-Rezeptoren in die allergische Sofortreaktion ein. Außerdem blockiert es
Rezeptoren des plättchenaktivierenden Faktors (PAF), der nicht
nur in die allergische Sofortreaktion eingreift, sondern auch für einige Spätwirkungen im Entzündungsgeschehen, wie z. B. für eine
erhöhte Gefäßpermeabilität und die Verengung der Bronchien,
verantwortlich ist. Zusätzlich wirken einige Stoffwechselprodukte
von Rupatadin antihistaminerg. Da die Metabolisierung von Rupatadin vorrangig über CYP3A4 erfolgt, wird die gleichzeitige
Anwendung von CYP3A4-Hemmstoffen wie Erythromycin oder
Ketoconazol nicht empfohlen. Die gepoolte Analyse mehrerer klinischer Studien zeigte, dass Rupatadin im Vergleich zu Plazebo sowohl bei Patienten mit intermittierender als auch bei denjenigen
mit persistierender Rhinitis zu einem signifikanten Rückgang von
Symptomen wie laufende und verstopfte Nase, Niesen sowie Juckreiz der Nase und der Augen führte. In einer plazebokontrollierten
Studie an Patienten mit chronischer idiopathischer Urtikaria erwies sich Rupatadin als wirksam, indem nach einer 4-wöchigen
Behandlung der Pruritus-Score und die Anzahl der Quaddeln ver-
ringert waren. Die häufigsten Nebenwirkungen beim Menschen
waren Somnolenz, Kopfschmerzen und Erschöpfung (11).
Die empfohlene Dosierung beim Menschen beträgt einmal täglich 10 mg Rupatadin (11).
Antibiotika
Doripenem (Doribax® 500 mg Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung) ist das vierte Carbapenem aus der Gruppe der
β-Lactam-Antibiotika, das in Deutschland für den Menschen zugelassen wurde. Anwendungsgebiet ist die Behandlung schwerer
Infektionen, zu denen Pneumonien durch nosokomiale Keime
einschließlich der Fälle, die durch Anwendung eines Beatmungsgeräts verursacht wurden, sowie komplizierte Infekte des Bauchraums und der Harnwege zählen.
In der Tiermedizin steht eine Vielzahl an β-Lactam-Antibiotika
zur Verfügung. Allerdings befindet sich darunter keines der vier
Carbapeneme Imipenem, Ertapenem, Meropenem und Doripenem, die derzeit für den Menschen zugelassen sind.
Doripenem wirkt durch Hemmung der Zellwandsynthese von
Bakterien bakterizid und hat ein sehr breites Wirkspektrum. Es erfasst grampositive und gramnegative Keime sowie Anaerobier, darunter auch viele Hospitalkeime, die bereits gegen andere Antibiotika resistent sind. Allerdings wirkt es wie Imipenem und Meropenem nicht sehr effektiv gegen methicillinresistente Staphylokokken (MRSA). Grundsätzlich resistent sind Enterococcus faecium,
Stenotrophomonas- und Legionella-Arten. Beim Vergleich der
Wirksamkeit von Doripenem mit anderen Antibiotika (Piperacillin/Tazobactam oder Imipenem bei nosokomialer Pneumonie;
Meropenem bei komplizierten abdominellen Infekten; Levofloxacin bei komplizierten Harnwegsinfekten) war es ebenso wirksam
wie die Vergleichsmedikation.
Als Nebenwirkungen wurden am häufigsten Kopfschmerzen,
Diarrhö und Übelkeit beobachtet. Doripenem wird primär unverändert renal eliminiert, sodass die Dosis bei Nierenfunktionsstörungen reduziert werden muss. Außerdem kann es den Serumspiegel des Antiepileptikums Valproinsäure senken, sodass dieser
überwacht werden muss. Eine weitere Wechselwirkung ist das
Konkurrieren von Probenecid mit Doripenem um die renale tubuläre Sekretion, wodurch dessen renale Clearance sinkt und die
Plasmakonzentration steigt. Daher wird die gleichzeitige Gabe beider Stoffe nicht empfohlen (11).
Die Standarddosis beträgt 500 mg alle 8 Stunden beim Menschen
und wird meist in einer einstündigen Infusion verabreicht (11).
Das Breitbandantibiotikum Rifaximin (Xifaxan® 200 mg Filmtabletten) aus der Gruppe der Ansamycine wurde beim Menschen
zur Behandlung der durch nichtinvasive enteropathogene Bakterien verursachten Reisediarrhö zugelassen (11). Aus der Wirkstoffgruppe der Ansamycine, zu denen z. B. auch Rifampicin und Rifamycin zählen, ist kein Vertreter für Tiere mehr zugelassen.
Rifaximin, ein halbsynthetisches Derivat von Rifamycin, bindet
wie die anderen Vertreter der Gruppe irreversibel an die β-Untereinheit der DNA-abhängigen RNA-Polymerase und hemmt da-
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durch die Messenger-RNA-Synthese der Bakterien, wodurch deren
Proliferation gehemmt wird. Das breite antimikrobielle Wirkungsspektrum umfasst die meisten grampositiven und -negativen, aeroben und anaeroben Bakterien, die Darminfektionen bei
Reisediarrhö verursachen. Peroral verabreichtes Rifaximin wird
minimal resorbiert (weniger als 1%), sodass es nahezu vollständig
im Darm verfügbar ist. Eine randomisierte Doppelblindstudie, in
der Rifaximin gegen Ciprofloxacin getestet wurde, verkürzten beide Wirkstoffen die Durchfalldauer um rund einen Tag. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen beim Menschen waren dabei
jeweils gastrointestinale Symptome, die sich jedoch auf Plazeboniveau befanden, sowie Müdigkeit und Fieber (11).
Die beim Menschen empfohlene Dosierung beträgt 200 mg
Rifaximin alle 8 Stunden bei einer maximalen Tagesdosis von
800 mg. Die Verabreichung erfolgt unabhängig von den Mahlzeiten (11).
Antidota
Der peripher wirksame μ-Opioidrezeptor-Antagonist Methylnaltrexon (Relistor® 12 mg/6 ml Injektionslösung) ist das N-methylierte Derivat des zentral und peripher wirksamen Antagonisten Naltrexon. Er wurde zur Behandlung der opioidinduzierten
Obstipation bei schwerkranken Patienten in der Palliativsituation,
die auf andere Laxanzien nicht genügend ansprechen, zugelassen.
Die in der Tiermedizin bekannten zentralwirksamen Morphinantagonisten Naloxon und Levallorphan stehen nicht mehr (Narcanti®-vet) oder standen noch nie für Tiere zur Verfügung.
Eine bekannte typische Nebenwirkung jeder Opioidtherapie, die
häufig schon nach einer Einzelgabe auftritt, ist die über μ-Rezeptoren im Darm vermittelte Obstipation, die im Gegensatz zu vielen
anderen unerwünschten Effekten im Lauf einer Schmerztherapie
nicht nachlässt, sodass eine laxierende Begleitmedikation erforderlich ist. Sollten übliche Laxanzien wirkungslos bleiben, kann mit Methylnaltrexon die μ-Opioid-Rezeptor-induzierte Verstopfung aufgehoben werden. Im Vergleich zu Naltrexon besitzt Methylnaltrexon
eine deutlich höhere Polarität sowie eine niedrigere Lipidlöslichkeit.
Dadurch kann es die Blut-Hirn-Schranke so gut wie nicht überwinden und wirkt im Darm als selektiver peripherer μ-Rezeptor-Antagonist, während die Opioideffekte im Zentralnervensystem nicht beeinflusst werden. Die Affinität von Methylnaltrexon zu κ- und
δ-Opioid-Rezeptoren ist deutlich geringer (11).
In Studien wurde gezeigt, dass etwa die Hälfte der Patienten auf
das Medikament mit einer Stuhlentleerung innerhalb von 4 Stunden ansprechen. Im Vergleich dazu kam es nach Plazeboverabreichung nur bei ca. 15% der Patienten zu einer Darmentleerung.
Über einen Zeitraum von 3 Monaten konnte keine Gewöhnung
und eine ausschließlich periphere Wirkung von Methylnaltrexon beobachtet werden. Als Nebenwirkungen traten Schwindel,
Bauchschmerzen, Übelkeit, Durchfall und Flatulenz auf (11).
Die Dosierung beträgt beim Menschen 8 mg Methylnaltrexon
bei Patienten mit 38–61 kg KM bzw. 12 mg Methylnaltrexon bei
Patienten von 62 bis 114 kg KM subkutan jeden zweiten Tag.
Sugammadex (Bridion® 100 mg/ml Injektionslösung) ist ein
modifiziertes γ-Cyclodextrin, das die Muskelrelaxanzien Rocuronium und Vecuronium einkapselt und mit ihnen einen stabilen
Komplex bildet, wodurch weniger Moleküle für die Bindung an
den nicotinergen Rezeptoren der neuromuskulären Endplatte zur
Verfügung stehen. Sugammadex wurde zur Aufhebung der durch
Rocuronium oder Vecuronium induzierten neuromuskulären
Blockade zugelassen, sodass sich bei Erwachsenen und Kindern ab
2 Jahren nach einer Operation schneller eine normale Muskelfunktion und eine selbstständige Atmung einstellen. Bei Erwachsenen kann der Muskelrelaxans-Enkapsulator auch in kritischen Situationen während der Operation eingesetzt werden, wenn eine
sofortige Umkehr der Wirkung von Rocuronium erforderlich ist.
Nicht zugelassen ist Sugammadex für den Einsatz, wenn andere
Muskelrelaxanzien, z. B. die depolarisierende Substanz Succinylcholin, verabreicht wurden, da nicht ausgeschlossen werden kann,
dass andere Arzneimittel die Muskelrelaxanzien Rocuronium und
Vecuronium aus dem Komplex verdrängen. Umgekehrt kann Sugammadex die Wirksamkeit anderer Medikamente durch Einkapslung abschwächen (11). Veterinärmedizinisch stehen derzeit
nur zentral wirksame Muskelrelaxanzien in Form von Guaifenesin
als Infusionslösung für Pferde oder Xylazin-ähnliche Wirkstoffe
zur Verfügung, die nicht an der neuromuskulären Endplatte angreifen.
Der Komplex mit dem inaktivierten Muskelrelaxans wird beim
Menschen unverändert renal ausgeschieden. Die Eliminationshalbwertszeit liegt beim Menschen zwischen 1,8 und 6,1 Stunden.
In randomisierten Studien wurde gezeigt, dass die durchschnittliche Zeit bis zur Erholung der Muskulatur bezüglich der Umkehrung einer flachen neuromuskulären Blockade nach Anwendung
von Rocuronium, Vecuronium oder cis-Atracurium nach Gabe
von Sugammadex (2 mg/kg KM) zwischen 1,4 und 2,1 Minuten
lag, während unter dem Acetylcholinesterase-Hemmer Neostigmin (50 μg/kg KM) 17,6–18,9 Minuten bis zum Erreichen des primären Endpunkts vergingen. Nach tiefer neuromuskulärer Blockade dauerte die Erholungsphase nach Anwendung von Sugammadex (4 mg/kg KM) im Durchschnitt 3 Minuten, bei Neostigmin
(70 μg/kg KM) fast 50 Minuten. Die schnelle Umkehrung der
Muskelentspannung durch Rocuronium trat unter Sugammadex
(16 mg/kg KM, 3 Minuten nach Gabe des Muskelrelaxans) nach
rund 4 Minuten und unter Succinylcholin (1 mg/kg KM) nach etwa 7 Minuten ein. Unter Sugammadex kommt es aufgrund des
Wirkmechanismus nicht zu cholinergen Nebenwirkungen wie bei
anderen Wirkstoffen aus der Gruppe der Cholinesterasehemmer
zur Aufhebung einer neuromuskulären Blockade. Dafür können
Störungen des Geschmacksempfindens und Narkosekomplikationen, wie Bewegungen oder Husten während Narkose oder Operation, Grimassieren sowie Saugen am Endotrachealtubus auftreten (11).
Die empfohlene Dosierung von Sugammadex hängt beim Menschen von der Tiefe der aufzuhebenden neuromuskulären Blockade ab. Für die routinemäßige Aufhebung der Muskelrelaxanswirkung beträgt sie 2–4 mg/kg KM, im Fall einer sofortigen Auf-
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hebung einer Rocuronium-Blockade bei 16 mg/kg KM. Der Muskelrelaxans-Enkapsulator sollte intravenös als einmalige Bolusinjektion verabreicht werden (11).
Antiemetika
Das Neuroleptikum Droperidol (Xomolix® 2,5 mg/ml Injektionslösung) aus der Gruppe der Butyrophenonderivate ist seit 2008 wieder
auf dem deutschen Markt verfügbar. Es wurde beim Menschen zugelassen zur Vorbeugung und Behandlung von Übelkeit und Erbrechen nach Operationen und zur Vorbeugung von Übelkeit und Erbrechen hervorgerufen durch die Gabe von Morphinderivaten im
Rahmen der postoperativen Schmerzbehandlung (11). Das droperidolhaltige Tierarzneimittel Halkan® verlor 2003 seine Zulassung. Als
antiemetische Wirkstoffe stehen in der Tiermedizin derzeit das Phenothiazinderivat Acepromazin und der Neurokinin-1-(NK1-)Rezeptorantagonist Maropitant (9) zur Verfügung. Droperidol kann
als Neuroleptikum mit einem morphinähnlichen starken Analgetikum kombiniert auch zur Neuroleptanalgesie verwendet werden
(19). Durch die Blockade sowohl von Histamin-1-(H1-)-Rezeptoren
im Brechzentrum als auch von Dopamin-2-(D2-)Rezeptoren in der
Area postrema wirken Neuroleptika als „Breitband-Antiemetika“
(24). Butyrophenone wie Droperidol können bei hirnorganischem,
metabolischem, medikamentösem und toxininduziertem Erbrechen eingesetzt werden (24). Als Nebenwirkungen sind bei Hunden
und Katzen besonders Sedation, aber auch extrapyramidale Wirkungen beschrieben (24).
Die antiemetische Dosierung beträgt bei Hunden und Katzen
0,01 mg/kg KM oral oder intramuskulär, wobei die antiemetische
Wirkung sehr lange anhält (1–4 Tage) (24).
Mit Fosaprepitant (Ivemend® 115 mg Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung) wurde das erste Aprepitant-Prodrug in der
Humanmedizin zugelassen. Aprepitant steht für den Menschen als
oral zu verabreichender NK1-Rezeptorantagonist zur Verfügung,
Fosaprepitant hingegen als intravenös zu applizierende Form. Die
zugelassene Indikation ist für beide Stoffe identisch: Prävention
von akuter und verzögerter Übelkeit und Erbrechen bei Krebspatienten, die eine hoch emetogene, auf Cisplatin basierende Chemotherapie oder eine moderat emetogene Chemotherapie erhalten haben. NK1-Rezeptorantagonisten werden in der Humanmedizin zur Vorbeugung von medikamentösem Erbrechen immer
mit einem Kortikosteroid, meist Dexamethason, und einem
5-HT3-Antagonisten („Setrone“) wie Ondansetron kombiniert
(11). Für Hunde ist der NK1-Rezeptorantagonist Maropitant als
Tablette und Injektionslösung zugelassen (9).
Fosaprepitant wird im Körper durch ubiquitär vorkommende
Phosphatasen sehr schnell zur Wirkform Aprepitant gespalten,
die die Blut-Hirn-Schranke passiert und plasmakonzentrationsabhängig NK1-Rezeptoren besetzt. Dies verhindert die Übelkeit und
Erbrechen auslösende Bindung von NK1 (Substanz P). Nach 3-tägiger Aprepitant-Therapie sollen 95% der zerebralen NK1Rezeptoren besetzt sein. Die intravenöse Applikation von 115 mg
Fosaprepitant beim Menschen führt zu gleichen Plasmakonzentra-
tionen (AUC) wie die Gabe von 125 mg Aprepitant per os. Allerdings
liegt die maximale Plasmakonzentration nach der Infusion 2,5-fach
höher, weshalb empfohlen wird, das Prodrug (115 mg) eine halbe
Stunde vor Beginn der Chemotherapie anstelle von Aprepitant
(125 mg) zu verabreichen. Studien zeigten, dass 68% der Patienten,
die die Dreierkombination aus Aprepitant, Dexamethason und
Ondansetron erhielten, an den ersten 5 Tagen frei von Übelkeit und
Erbrechen waren. In der Vergleichsgruppe, in der nur die etablierte
Zweierkombination zum Einsatz kam, waren es 48%. Neben lokalen
Reizungen wie Verhärtung und Schmerzen an der Injektionsstelle
traten beim Menschen als häufigste Nebenwirkungen Schluckauf,
Müdigkeit und Abgeschlagenheit, erhöhte Leberenzymwerte, Verstopfung, Kopfschmerzen und Appetitlosigkeit auf (11).
Antiepileptika
Bei dem weitaus größten Teil der Epilepsien bei Hunden und Katzen handelt es sich um Epilepsien vom Grand-mal-Typ, die häufig
mit fokalen Anfallsformen kombiniert sind. Deshalb sind für die
Tiermedizin vor allem diejenigen Antiepileptika interessant, die
gegen große generalisierte und fokale Anfälle wirken, wie z. B. Phenobarbital eventuell in Kombination mit Kaliumbromid, Primidon, Phenytoin, Diazepam oder Zonisamid. Da sich jedoch bei
20–40% aller epileptischen Hunde mit den verfügbaren Antiepileptika, selbst in hohen Dosen, keine ausreichende Anfallsfreiheit
erzielen lässt, werden hier alle neuen humanmedizinischen Antiepileptika besprochen, auch wenn bei den meisten pharmakoresistenten Epileptikern ein Wechsel auf ein anderes Antiepileptikum
oder eine Kombination verschiedener Antiepileptika unwirksam
ist. Zudem erwiesen sich bei Hunden und Katzen zahlreiche in der
Humanmedizin eingesetzte Antiepileptika als pharmakokinetisch
ungeeignet für eine Dauertherapie (18). Derzeit ist für Hunde und
Katzen kein Antiepileptikum zugelassen, sodass in jedem Fall ein
humanmedizinisches Arzeimittel umgewidmet werden muss. Im
Jahr 2008 wurde das Antiepileptikum Lacosamid (Vimpat® Filmtabletten [50 mg, 100 mg, 150 mg und 200 mg], Sirup [15 mg/ml],
Infusionslösung [10 mg/ml]) für den Menschen zur Zusatzbehandlung bei fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung zugelassen (11).
Lacosamid, früher als Harkoseride bezeichnet, ist ein D-SerinAnalogon, von dem die R(+)-Konfiguration aktiv ist. Die Wirkung
scheint auf zwei Wirkmechanismen zu beruhen. Zum einen verstärkt Lacosamid selektiv die langsame Inaktivierung von Natriumkanälen, ohne deren schnelle Deaktivierung zu beeinflussen.
Damit soll die pathophysiologische neuronale Übererregbarkeit
normalisiert werden, ohne die normale Aktivität der Neuronen zu
dämpfen. Zum anderen bindet der Wirkstoff an ein neuronales
Phosphoprotein, das eine wichtige Rolle bei der Transduktion
neurotroper Signale spielt und damit zur Differenzierung von
Nervenzellen bzw. zum Auswachsen von Nervenaxonen beiträgt.
Lacosamid ist beim Menschen nach peroraler Gabe fast vollständig
bioverfügbar, wird renal zu 40% als unverändertes Molekül und
zu 30% in Form des unwirksamen O-Desmethyl-Hauptmetabo-
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liten ausgeschieden. Die Eliminationshalbwertszeit ist mit etwa
13 Stunden beim Menschen relativ lang. Lacosamid besitzt ein geringes Wechselwirkungspotenzial, da der Wirkstoff CYP-450Enzyme nicht beeinflusst und nicht über p-Glykoprotein transportiert wird. Dennoch ist bei der Kombination mit Stoffen wie
Carbamazepin, Lamotrigin und Pregabalin Vorsicht geboten, da
diese ebenso wie Lacosamid bestimmte Aktionspotenziale im EKG
(PR-Intervall) verlängern können (11).
Bei Patienten, die trotz Therapie mit meist zwei bis drei anderen
Antikonvulsiva immer wieder Anfälle hatten, ging die mediane Anfallshäufigkeit bei zusätzlicher Gabe von Lacosamid (400 und
600 mg) um 40% im Vergleich zu 10% in der Plazebogruppe zurück
(11). Häufigste Nebenwirkungen, von denen mindestens eine bei fast
zwei Drittel der Patienten auftrat, waren Schwindel, Kopfschmerzen,
Fatigue, Übelkeit und Diplopie (Doppeltsehen) und führten dazu,
dass 12% der Studienteilnehmer die Behandlung abbrachen (11).
Die Dosierung beim Menschen beträgt 200 mg Lacosamid
zweimal täglich oral, wobei die Therapie einschleichend mit zweimal 50 mg Lacosamid täglich begonnen und schrittweise gesteigert
wird. Das Medikament kann auch infundiert werden, sollte eine
perorale Gabe vorübergehend nicht möglich sein (11).
Antikoagulantia
Der direkte Thrombin-Inhibitor Dabigatran (Pradaxa® 75 mg/110 mg Hartkapseln) ist nach den Vitamin-K-Antagonisten das
erste peroral bioverfügbare Antikoagulans. Seine Zulassung erstreckt sich auf die Verhinderung der Blutgerinnselbildung in den
Venen bei Erwachsenen, die eine Hüft- oder Kniegelenkprothese
erhalten haben (11).
Für Hunde und Katzen ist kein Antikoagulans zugelassen. Einziges für Tiere verfügbares Antikoagulans ist Heparin in Kombination mit Levomenthol und Hydroxyethylsalicylat zur topischen
Anwendung bei Pferden.
Dabigatran bindet kompetitiv und reversibel direkt sowohl am
freien als auch am fibringebundenen Thrombin, blockiert die
Serinprotease und hemmt so die thrombininduzierte Thrombozytenaggregation. Dabigatranetexilat ist ein Prodrug, das selbst nicht
antikoagulatorisch wirkt und im Plasma und in der Leber mittels Esterasen in die aktive Form überführt wird. Es wird rasch resorbiert
und ist beim Menschen nach peroraler Gabe zu 6,5% bioverfügbar.
Dabigatran war in der Prophylaxe von venösen Thromboembolien
dem niedermolekularen subkutan zu verabreichenden Heparin
Enoxaparin nicht unterlegen. Auch bei der Rate an starken Blutungen, erhöhten Leberenzymwerten und akuten Koronarereignissen
gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Wirkstoffen.
Dies ist insofern bedeutend, als das ebenfalls peroral bioverfügbare
Ximelagatran 2006 wegen Leberschädigung vom Markt genommen
wurde. Häufigste Nebenwirkung von Dabigatran sind Blutungen.
Eine Kontraindikation für den neuen Wirkstoff besteht bei schwerer
Niereninsuffizienz, akuten Blutungen, beeinträchtiger Leberfunktion und gleichzeitiger Einnahme von Chinidin. Gegen Dabigatran
gibt es kein Antidot, es ist aber dialysefähig (11).
Die Dosierung beim Menschen beträgt am ersten Tag 110 mg Dabigatran oral 1–4 Stunden nach der Operation, wenn die Operationswunde nicht mehr blutet. An den Folgetagen verdoppelt sich
die orale Dosis auf 220 mg einmal täglich, die zur Primärprävention
von venösen Thromboembolien nach Kniegelenksersatz 10 Tage
und nach Hüftgelenksersatz 28–35 Tage lang verabreicht wird (11).
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© Schattauer 2009
Tierärztliche Praxis Kleintiere 6/2009
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