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Organische Psychische Störungen
Lernziele:
1) Akut: Delir
Diagnostik & Therapie
2) Chronisch: Demenz
Diagnostik & Therapie
Prof. Dr. Christoph Laske
Organische psychische Störungen
Primäre:
krankhafte / diagnostizierbare Veränderungen des Gehirns
Sekundäre:
krankhafte / diagnostizierbare Veränderungen des
Gesamtorganismus (systemische Krankheiten)
Gesetz der Noxenunspezifität (Bonhoeffer)
Trotz unterschiedlicher Ursachen oft gleiche psychopathologische
Syndrome
Akut (Typ Delir) vs. Chronisch (Typ Demenz)
Akute organische psychische Störungen
Definition:
Akute organische Veränderungen, die die Gehirnfunktion
beeinträchtigt
Klinisches Bild:
Plötzlicher Beginn, fluktuierende Störungen kognitiver Fähigkeiten,
der Psychomotorik und der Affektivität
Prognose
Gewöhnlich reversibel, falls die Ursache wegfällt oder erfolgreich
behandelt wird
Akute organische psychische Störungen
Störung
Beispiele
Metabolische Störungen Elektrolytstörungen, Hyper- und Hypoglykämie,
hepatische und urämische Enzephalopathie,
Hyperthyreose
Zirkulationsstörungen
Hypoxie, Hirninfarkt, Vaskulitis, ICB
Infektionen
Harnwegsinfekt, Sepsis, Encephalitis, Meningitis
Trauma
Schädel-Hirn-Trauma
Substanzen
Intoxikationen mit oder Entzug von Alkohol,
illegalen Drogen, Benzodiazepinen…
Medikamente
z.B. Anticholinergika (Antihistaminika, Atropin),
Antipsychotika, Antidepressiva,
Antiparkinsonmittel, Kortikosteroide, ACTH,
Digitalis
Symptome des Delirs (ICD-10 F05)
Störungen von:
Bewusstsein (qualitativ, fluktuierend)
Gedächtnis
Orientierung
des abstrakten Denkens und der Auffassung
Psychomotorik
Schlaf-Wach-Rhythmus
Affektivität (Depression, Angst, Reizbarkeit, Euphorie)
Halluzinationen
vegetative Störungen
meist Tage bis wenige Wochen
Beginn akut
im Tagesverlauf wechselnd
Klinischer Fall:
78-jährige Patientin mit M. Parkinson, Behandlung mit
L-Dopa (4 x 100 mg) und Amantadin (3 x 100 mg),
grauer Star
Multiple Begleiterkrankungen, u.a. Gonarthrose
(Einnahme von Diclofenac)
Über Tage Entwicklung eines agitierten
Verwirrtheitszustandes mit visuellen Halluzinationen
in Form dunkler Gestalten (bei gleichbleibender
Medikation)
Labor: Kreatinin 1.4 mg/dl
Diclofenac
Nierenfunktionseinschränkung
Akkumulation von Amantadin
Delir
Delir ist auch: Postoperativer Verwirrtheitszustand
(Durchgangssyndrom)
Inzidenz 3-20 %
Risikofaktoren: Narkose, Schmerzen, OP-Dauer,
kritischer post-operativer Zustand
Risikopatienten: Kleinkinder, alte Patienten,
Schwerkranke
Risiko-Operationen: Herzoperationen, große
unfallchirurgische / bauchchirurgische Eingriffe
Therapie des Delirs
Intensivmedizinische Betreuung
Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution
möglichst vertraute Umgebung schaffen
Viel therapeutische Zuwendung
Haloperidol 2-15mg/d
Benzodiazepine, z.B. Lorazepam 1-4 mg/d
Therapie des Alkoholentzugs-Delirs
Intensivmedizinische Betreuung
Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution
Clomethiazol (Distraneurin®) bis zu 2 Kapseln / 10
ml Mixtur alle 2 Stunden oral
Komplikationen: Atemdepression, RR-Abfall,
bronchiale Hypersekretion
bei AAK > 1%0 => Haloperidol 5-10 mg
bei leichterem vegetativen Entzug ggf. 4 x 0.15
mg Clonidin (Catapressan®)
Chronische organische psychische Störungen
Leitsymptom Gedächtnisstörungen
– das kennt jeder
Namen - wie heißt diese Frau doch gleich?
Einkaufen - was wollte ich noch mitbringen?
Wohnung - wo ist meine Brille / Schlüssel?
Termine - um wieviel Uhr war ich verabredet?
Orientierung – was wollte ich im Keller?
„Normale“ Vergeßlichkeit oder Krankheit / Demenz?
Demenz (lat. dementia):
Diagnostische Leitlinien
Leitsymptom Gedächtnisstörung
+ Störung von Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit,
Sprache, Urteilsvermögen
Verschlechterung von Gefühlskontrolle, Sozialverhalten, Motivation
Beeinträchtigung der Aktivitäten des täglichen Lebens
Symptome bestehen mindestens 6 Monate
Auschluss anderer Ursachen (Scheindemenz bei Depression)
Alzheimer-Erkrankung
Von der unbekannten Krankheit zur
Volkserkrankung
Vortrag 1906 in der
Tübinger Psychiatrie
Auguste D.
Prominente mit Alzheimer-Erkrankung
Rita Hayworth
James Doohan
Ronald Reagan
Helmut Schön
Helmut Zacharias
Bevölkerungspyramiden von 1910 bis 2050
Wachsende Anzahl von älteren Menschen
in der Gesellschaft
Alterabhängige Zunahme der
Demenz- Erkrankungen
Demenz-Erkrankungen:
nicht alles ist Alzheimer!
Andere
Lewy-Körper
Mix
Alzheimer
Erkrankung
(~58%)
Durchblutung
nach Wallesch & Förstl, 2005
Hirnablagerungen:
Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen
Alzheimer-Entwicklung im Zeitverlauf
Gesund
MCI
Demenz
Kognitive Leistung
100 %
Amyloid
NFB
Zeit
15 - 30 Jahre
5 - 10 Jahre
Präklinische Phase
Klin. Phase
Anhäufung von Amyloid-Plaques
& neurofibrillärer Bündel (NFB)
idealer Beginn präventiver
Maßnahmen
momentanes
therapeutisches
Fenster
Beginn der Symptomatik
Kernsymptome der Alzheimer Demenz
Kernsymptome der Alzheimer Demenz
Nicht-kognitive Symptome bei Demenzerkrankungen
Quelle: Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend
Demenzen: Diagnostik
Anamnese (Symptomatik, Zeitverlauf, Zusatzsymptome)
Psychopathologie (Gedächtnis, Orientierung, Denken...)
internistisch-neurologische Untersuchung
Testpsychologie (MMSE; DemTect; ADAS…)
Labor (Schilddrüse, Vitamine...)
Ultraschall der hirnversorgenden Arterien
Hirnstrommessung (EEG)
Schnittbild-Untersuchung des Gehirns (CT, MRT)
ggf. Untersuchung des Nervenwassers (Liquor)
ggf. SPECT, PET, Hirnbiopsie
=> Aufgabe für den Facharzt (Psychiater / Neurologe)!
Uhrentest nach Shulman
Leicht durchzuführender Test
Auskunft über problemlösendes
Denken und räumliche Leistungen
Beurteilung:
1 = perfekt
2 = leichte visuell-räumliche Fehler
3 = Uhrzeit fehlerhaft, erhaltene
visuell-räumliche Darstellung
4 = mittelgradige visuellräumliche Desorganisation
5 = schwergradige visuellräumliche Desorganisation
6 = keine Uhr erkennbar
Screening: DemTect
Dauer: 10 Minuten
- Kurzzeitgedächtnis
1. Wortliste (1. Zeile vorlesen – Wiedergabe -- 2. Zeile – Wiedergabe)
- Teller □ Hund □ Lampe □ Brief □ Apfel □ Hose □ Tisch □ Wiese □ Glas □ Baum □
Teller □ Hund □ Lampe □ Brief □ Apfel □ Hose □ Tisch □ Wiese □ Glas □ Baum □
Richtig erinnerte Begriffe (max. 20)
- Flexibilität
- Sprachproduktion
- Aufmerksamkeit
- Gedächtnisabruf
Normierung < 60 Jahre, > 60 Jahre
Mini Mental Status nach Folstein
Orientierung
Maximale Punkte
Zeit (Jahr, Datum, Monat, Wochentag, Jahreszeit)
5
Ort (Stadt, Bundesland, Land, Praxis, Stockwerk)
5
Gedächtnis/Merkfähigkeit
Begriffe wiederholen (z. B. Auto, Blume, Kerze)
3
Aufmerksamkeit
100 - 7 = 93 - 7 = 86 - 7 = 79 ... etc.
oder „R A D I O“ rückwärts buchstabieren
5
Gedächtnis/Erinnerungsfähigkeit
Begriffe aus
wiederholen
3
Sprache
Gegenstände bennennen (z. B. Armbanduhr, Stift)2
Satz nachsprechen „Sie leiht ihm kein Geld mehr.“
1
Exekutiv-Funktionen
3 Kommandos geben, 3 Handlungen ausführen
3
Schriftliche Anweisung lesen und befolgen lassen
1
Schreiben eines vollständigen Satzes
1
Motorische Funktionen
Zeichnen zweier sich schneidender Fünfecke
1
maximal
30
Labor-Ausschlussdiagnostik
bei Demenzverdacht
Basisprogramm, immer durchzuführen:
Blutbild
CRP oder Blutsenkung (Hinweise für
entzündliche/vaskulitische Erkrankungen)
TSH (Hypothyreose)
GOT, CK, LDH
Harnstoff, Glukose (schwere internistische
Erkrankungen)
B12- und Folatspiegel
Vertiefte Labordiagnostik
bei Demenzverdacht
Bei begründetem Verdacht sinnvoll:
Lues
Differenzialblutbild
HIV- und Borrelien-Serologie
Kalzium, Phosphat (Hypoparathyreoidismus)
immunologisches Screening einschließlich SchilddrüsenAntikörpern
Schwermetall-Screening (Blei, Quecksilber, Arsen)
HbA1c (Diabetes)
Kupfer-Clearance im 24-Stunden-Urin (Morbus Wilson)
Vitamin- und Hormonspiegel (B1, B6, Niacin, Parathormon)
ggf. Selen/Wismut bei Einnahme entsprechender Präparate
Demenz – Diagnostik: Liquoruntersuchung
Zellbild
Proteine (Reiberschema)
Ausschlussdiagnostik
Beta-Amyloid 1-42
Phosphoryliertes Tau
Bei speziellen Verdacht auf CJD:
Protein 14-3-3
Entweder stationär oder ambulant
z.B. in unserer Memory Clinic
http://www.ratgeber-altershirndruck.de/tl_files/codman/images/liquorpunktion.jpg
http://www.kabelschaden.de/img/was_ist_ms/liquor_1.jpg
Hirnabbau bei Alzheimer-Erkrankung
Kontrollperson
Alzheimer-Patient
Positronen-Emissions-Tomographie (PET)
Fluor-Desoxyglukose (FDG)
Pittsburgh-Compound (PIB)
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/b/b9/PiB_PET_Images_AD.jpg/220px-PiB_PET_Images_AD.jpg
Alzheimer-Erkrankung: Was kann man tun?
Spezielle Medikamente
Acetylcholinesterase-Hemmer:
Donezepil 5-10 mg/d (Aricept®)
Rivastigmin 6-12 mg/d (Exelon®)
Galantamin (Reminyl®) bis 24 mg/d
=> Magen-Darm-Beschwerden, Leberenzym-Erhöhung
Memantine: Glutamat-Modulator (Axura®, Ebixa®, bis 20
mg / d (NMDA-Rezeptor)
ältere Medikamente: Gingko biloba, Nimodipin, Piracetam,
Pyritinol, Dihydroergotoxin
Behandlungserfolg
Acetylcholinesterase-Hemmer
Winblad et al., 2006
Behandlungserfolg Memantine
(Glutamatmodulator)
Reisberg et al., 2006
Alzheimer-Erkrankung: Was kann man tun?
Behandlung von Begleitsymptomen
Schlafstörungen, Erregung: niederpotente
Neuroleptika
Angst: Benzodiazepine, niederpotente Neuroleptika
Delir: Clomethiazol, Diazepam
Depression: Antidepressiva mit wenig Nebenwirkungen
Wahn, Halluzinationen: hochpotente Neuroleptika
Psychopharmaka immer vorsichtig beginnen!
Psychopharmaka möglichst niedrig dosieren!
Therapiemöglichkeiten
Antidementiva
medikamentös
Antidepressiva
Antipsychotika
Milieutherapie
Physiotherapie
Musiktherapie
Ergotherapie
Nicht
medikamentös
Physiotherapie
Musiktherapie
Aktive Musiktherapie
Rezeptive Musiktherapie
In Studien bevorzugt
v. a. für schwer demente Pat.
Ergotherapie
• Wirkung auf Erhalt von Alltagsfunktionen als Teil eines
Therapiekonzeptes nachgewiesen
• Kein isolierter Wirksamkeitsnachweis
Snoezelen
• Phantasieschöpfung aus den beiden Wörtern „snuffelen“
(schnüffeln, schnuppern) und „doezelen“ (dösen, schlummern)
• Definition:
Aufenthalt in einem
gemütlichen, angenehm
warmen, duftenden Raum,
in dem man, bequem liegend
oder sitzend, umgeben
von leisen Klängen und
Melodien, Lichteffekte
betrachten kann.
Alzheimer-Behandlung der Zukunft?
neue Behandlungsansätze:
– bessere Medikamente (z.B. ß-Sekretase-Hemmer)
– Alzheimer-Impfung
– Gentherapie / Stammzellen?
frühere Diagnostik für bessere Behandlung
großer Forschungsbedarf!
DD: Normaldruck Hydrocephalus mit Demenz
Trias:
-Demenz
-Inkontinenz
-Gangstörung
DD: Vaskuläre Demenz
Mikroangiopathie
DD: Vaskuläre Demenz
Ausgeprägter
Befund:
Konfluierende
Marklagerläsionen
DD: Vaskuläre Demenz
Typischer
Befund im CT:
Vask. Läsionen
+
Residuen einer
alten cerebralen
Ischämie
45 | Dr. F. Metzger
Lewy-Body-Demenz (McKeith et al. 2005)
Zentrales Merkmal = Demenz, die mit Funktionseinschränkungen im
Alltag einhergeht. Gedächtnisfunktion zu Beginn relativ gut erhalten
häufig: Aufmerksamkeitsstörungen, Beeinträchtigungen der exekutiven
und visuoperzeptiven Funktionen
Kernmerkmale:
• Fluktuation der Kognition (v.a. Aufmerksamkeit u. Wachheit)
• Wiederkehrende ausgestaltete visuelle Halluzinationen
• Parkinson-Symptome
Stark hinweisende Merkmale:
• Verhaltensstörungen im REM-Schlaf (Schreien, Sprechen,...)
• Ausgeprägte Neuroleptikaüberempfindlichkeit
• Verminderte dopaminerge Aktivität in den Basalganglien (SPECT oder
PET)
Frontotemporale Demenzen
Frontotemporale Demenzen ist ein Überbegriff für folgende
Erkrankungen:
Verhaltensvariante einer frontotemporalen Demenz
(bvFTD, entspricht dem nicht mehr gebräuchlichen Begriff
des M. Pick)
Primär progressive Aphasie (PNFA, progressive
nichtflüssige Variante einer primären Aphasie
semantische Demenz (SemD)
logopenische Variante (einer primär progressiven Aphasie,
LPA)
frontotemporale Demenz mit einer Motorneuronerkrankung
(FTD-ALS)
Frontotemporale Demenzen
Witt K, Deuschl G, Bartsch T.: Frontotemporal dementias
Nervenarzt. 2013 Jan;84(1):20-32. doi: 10.1007/s00115-012-3477-x.
Was kann man zur Vorbeugung tun?
Was kann man zur Vorbeugung tun?
Demenzprävention
Fazit für die Praxis
Ambulante & (teil-)stationäre Behandlungen
an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Tagesklinik Wielandshöhe
& Gedächtnisambulanz
Station 10
Pathophysiologie
Alzheimer-Erkrankung: Ursachen
Neuropathologie:
– Hirnabbau mit Nervenzellenverlust
– Plaques (Amyloid)
– Neurofibrillen (Tau-Protein)
Genetik:
– 15 faches Risiko bei
Apolipoprotein-E4
– weniger als 1% dominanter
Erbgang: Chromosomen 1, 14, 21
Neurochemie:
– Mangel von Acetylcholin
– Überschuß von Glutamat
– Sekretasen funktionieren nicht
richtig
Frühe Methoden zur Diagnosesicherung
Jack et al., Lancet Neurol. 2010
CERAD (Teil 2)
Transkranieller Ultraschall
Nahinfrarot-Spektroskopie
Quantitative
Feinmotoriktestung (1)
Doppler: Intima-Media-Dicke
6
Autonome Testung
5
7
CERAD (Teil 1)
8
4
Motorische Untersuchung (UPDRSIII)
Biomaterial
Farbsehkreis
1
3
Allgemeine Untersuchung
Accelerometer basierte
motorisch Untersuchung
2
Vagus evozierte Potenziale
Anamnese
Anamnese RBD
Anamnese Depression
Riechtestung
Quantitative Feinmotoriktestung (2)
www.trend-studie.de
Alzheimer-Erkrankung: Was kann man tun?
Allgemeine Therapieprinzipien
reizarme Umgebung (bei Erregung)
beruhigende, verständnisvolle Zuwendung
Reorientierungs-Training (ROT) und Validierung
Optimierung von Herzfunktion, Wasser- und
Elektrolythaushalt
Behandlung von Infektionskrankheiten,
Fiebersenkung
Reduktion / Absetzen auslösender (Psycho)pharmaka
Entwicklung wesentlicher Symptome
der Demenz im Krankheitsverlauf
S
y
m
p
t
o
m
s
c
h
w
e
r
e
Kognition
Stimmung
Verhalten
Motorik
Schwere der Demenz
Medikamentöse Therapie
leichtes-
schweres Stadium
moderates-
Hirnleistung des
Patienten
Antidementiva
+Antidepressiva
+Antipsychotika
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•nach Gauthier 1996
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