Hinweise für den Lehrer

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Abitur 2004 Evangelische Religion Gk (Lehrer)
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Hinweise für den Lehrer
Die vorgelegte Prüfungsaufgabe besteht aus zwei Prüfungsarbeiten A und B.
Der Prüfungsteilnehmer hat davon eine Prüfungsarbeit auszuwählen. Alle Prüfungsunterlagen
sind geschlossen nach Ablauf der schriftlichen Prüfung einzusammeln.
Die Prüfungsarbeit wird entsprechend dem nachfolgend ausgeführten Erwartungshorizont
bewertet.
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Erwartungshorizont
-A1. Die Aufgabe entspricht im Wesentlichen dem EPA-Anforderungsbereich I.
Der Text soll angemessen auf Kernaussagen reduziert und in möglichst eigenen
Formulierungen so wiedergegeben werden, dass das Textverständnis erkennbar nachgewiesen
wird.
Grundthema des Dialogs zwischen Orest und Jupiter ist die radikale menschliche Freiheit als
anthropologische Konstituente in ihrer Ambivalenz.
Orest konfrontiert Jupiter mit der Behauptung, dass dessen Herrschaftsbereich insofern
entscheidend eingeschränkt sei, als er sich nicht auf die Menschen erstrecke. Die Ursache
hierfür liege bereits in der Erschaffung des Menschen als eines freien Wesens, das von den
Göttern nicht zu ihren Zwecken instrumentalisiert werden kann und ihrer Befehlsgewalt
entzogen ist. Die Entdeckung dieser Freiheit ist dabei nicht das Ergebnis eines langwierigen
und differenzierten Erkenntnisprozesses, sondern trifft Orest unvermittelt: Die Folge ist das
Bewusstsein von Verlassenheit und moralischer Orientierungslosigkeit. Jupiter qualifiziert
diesen Zustand als eine Situation der Verbannung, führt Orest nachdrücklich dessen Isolation
vor Augen und eröffnet ihm die Option der Rückkehr unter die göttliche Führung. Orest lehnt
ab mit der Begründung, zu einer selbstbestimmten Existenz verurteilt zu sein, was das Leben
unter einem heteronomen Diktat verbiete. Dieser Umstand ist irreversibel, er schließt
einerseits ein Bereuen aus und perpetuiert andererseits das Gefühl permanenter Rastlosigkeit.
Auf das Sendungsbewusstsein von Orest, den Einwohnern von Argos die Tragweite der
einmal bewusst gewordenen Freiheit vor Augen führen zu wollen, reagiert Jupiter mit
unverhohlener Skepsis: Der Gott prophezeit Schande und die Enthüllung eines „obszönen und
faden Daseins“. Die Entgegnung von Orest prononciert noch einmal den besonderen
Charakter der Freiheit: Sie gehört untrennbar zum Menschsein dazu („ihr Los“), ihre
Ausgestaltung unterliegt „jenseits der Verzweiflung“ (Z. 55 f.) der Individualität.
Es sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass kein Gott Verfügungsgewalt über den
Menschen besitzt, dass nach Sartres Ansicht dessen Machterhalt geknüpft ist an die
menschliche Blindheit, ihre eigene Autonomie betreffend. Das Bestreben von Gott bzw. von
Religion ist es folgerichtig, den Menschen diese Bestimmung zu verschleiern und sie ihm/ihr
dienen zu lassen. Als Gegenleistung erhalten die Menschen das Vergessen und die Ruhe. Es
ist möglich, dass Schüler bei einem textimmanenten Vorgehen zu dem Fehlschluss gelangen,
Sartre gehe von einem Schöpfergott aus, dessen Machtbereich sich allerdings nicht auf den
Menschen erstrecke: Die dem Menschen konzedierte Freiheit habe sich letztlich gegen Gott
gewandt. Diese aus dem Text hervorgehende Deutung, die nicht mit Sartres Atheismus
korrespondiert, sollte bei der Bewertung der Schülerleistung nicht negativ zu Buche schlagen.
Entscheidend ist das Erkennen der Verbindung von Freiheit und Unverfügbarkeit.
Bei der Darstellung des Menschenbilds sollte Berücksichtigung finden, dass es sich
auszeichnet durch eine radikale Freiheit. Nichts ist dem Menschen vorgegeben, keine
überindividuelle Norm determiniert die seinem Handeln zu Grunde liegenden
Entscheidungen. Dabei bringt das Entdecken dieser Freiheit nicht nur Befreiung, sondern
auch Belastung mit sich, und zwar Belastung durch die Übernahme der Verantwortung, die in
dem Augenblick beginnt, in dem man sich selbst gefunden hat, und die von dem Zeitpunkt an
nicht mehr delegiert werden kann.
2. Die Aufgabe entspricht im Wesentlichen dem EPA-Anforderungsbereich II.
Sartre, einer der profiliertesten Vertreter des atheistischen Existentialismus, beschreibt in
diesem Drama die Selbstwerdung des Menschen, das Erfassen einer Freiheit ohne Grenzen,
die impliziert, dass eine ihn leitende präskriptive Macht und Ordnung nicht existieren. Eine
solche Anthropologie bedarf keiner sinnstiftenden Religion. Im Textauszug tritt sowohl der
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ontologische wie auch der ethische Aspekt von Sartres Ansatz deutlich hervor. Sartre kehrt
das traditionelle Verhältnis von Existenz und Essenz um und zieht damit aus einer
atheistischen Position die folgerichtige Konsequenz. Wenn Gott nicht existiert, gibt es
mindestens ein Wesen, bei dem die Existenz (das Sein-An-Sich) der Essenz (dem Sein-FürSich) vorangeht. Beim Menschen vorherrschend ist eine einzigartige Seinsverfassung, da er
– im Gegensatz zu Gegenständen – durch keine inhaltlich vorgegebene Wesensbestimmtheit
determiniert ist und sich in der Möglichkeit des offenen Entwurfs befindet: „Jeder Mensch
muß seinen Weg erfinden.“ Die Religion schränkt diese Voraussetzungslosigkeit insofern ein,
als sie zum einen den Menschen als Gottes Schöpfung qualifiziert und ihm zum anderen
ethische Maximen mit auf den Weg gibt.
Die Kenntnis der philosophischen Terminologie (Existenz/Essenz u. a.) kann positiv in
die Bewertung einfließen, wird aber nicht ausdrücklich vorausgesetzt.
Sartres Religionskritik könnte verglichen werden mit den Ansätzen von Feuerbach, Marx,
Freud o. Ä. Dabei ist eine differenzierte Darstellung höherwertiger zu betrachten als die
ausschließliche Nennung von Namen und Positionen. Entscheidend ist, dass der jeweilige
Unterschied zu Sartre dezidiert benannt ist.
3. Die Aufgabe entspricht im Wesentlichen den EPA-Anforderungsbereichen II und III.
Es könnte herausgearbeitet werden, dass die durch nichts festgelegte Offenheit des Entwurfs
und d. h. der menschlichen Entscheidungen, die auf dem Wegfall einer vorgelagerten
transzendenten Instanz basiert, in Konsequenz dazu führen kann, dass einer individuellen
Willkür Tür und Tor geöffnet wird. Findet sich der einzelne Mensch keiner allgemein
verbindlichen Moral gegenüber, sondern ist er vielmehr gezwungen, sein eigenes
Wertesystem zu wählen und zu erfinden, mit welcher Berechtigung lassen sich dann
bestimmte Entscheidungen von außen kritisch hinterfragen?
Das biblische Verhältnis von Mensch und Gott, das sich u. a. in den angegebenen Psalmen
manifestiert, geht demgegenüber von einer klar benannten menschlichen Bestimmung und
von einem kontinuierlichen und voraussetzungslosen Gehalten-Sein des Menschen durch Gott
aus, die die menschliche Autonomie nicht notwendig tangiert. Verglichen werden sollte vor
allem die unterschiedliche Bedeutung der Begriffe Freiheit und Verantwortung bei Sartre und
in der jüdisch-christlichen Tradition.
Andere sinnvolle Ausführungen des Prüflings können Teile des Erwartungshorizontes
ersetzen.
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Erwartungshorizont
-B1. Die Aufgabe entspricht im Wesentlichen dem EPA-Anforderungsbereich I.
Der Romanauszug soll angemessen auf Kernaussagen reduziert und in möglichst eigenen
Formulierungen so wiedergegeben werden, dass das Textverständnis erkennbar nachgewiesen
wird.
In dem Auszug aus dem 1932 erschienen Roman Schöne neue Welt wird von Huxley in
satirischer Zuspitzung ein Verfahren vorgestellt, welches die pränatale Konditionierung des
Menschen ermöglicht. Aus einem Ei können durch Knospung bis zu sechsundneunzig
identische Embryos entstehen. Die Gesellschaft wird unterteilt in verschiedene Klassen, von
hochwertigen Alphas bis zu minderwertigen Epsilons. Durch die Massenproduktion wird
jegliche Individualität von der Zeugung an ausgeschlossen. Durch Prädestinierung und
Normierung wird das Rohmaterial – den Bedürfnissen des Staates entsprechend – verarbeitet,
Intelligenz bzw. körperliche Leistungsfähigkeit werden je nach Notwendigkeit angezüchtet.
2. Die Aufgabe entspricht im Wesentlichen den EPA-Anforderungsbereichen I und II.
In dieser Aufgabe sollen zuerst die Kernaussagen des Textes näher erläutert und
systematisierend dargestellt werden.
Huxley karikiert den Traum von der Perfektionierung der Gesellschaft, in der die Menschheit
sich unabhängig von der Evolution und damit letztlich der Natur macht. Die Stabilität der
Gesellschaft beruht auf dem Ausschalten der Individualität. Jedem Menschen wird schon vor
der Geburt eine feste, unveränderliche Rolle innerhalb einer hierarchisch strukturierten
Klassengesellschaft zugewiesen. Durch Vervielfältigung, Prädestinierung und Normierung
werden etwaige störende entwicklungspsychologische Unwägbarkeiten ausgeschaltet und
jeder Mensch wird im Hinblick auf die für ihn vorgesehene Aufgabe optimiert. Funktionalität
ist das oberste Gebot des dargestellten Menschenbilds, dem sich alles unterzuordnen hat.
In satirischer Zuspitzung wird eine teleologische Ethik sichtbar. Entscheidend ist das Ziel:
Sofern dieses als ein gutes erkannt ist, sind ihm alle Mittel zu unterwerfen. Es sollte erkannt
werden, dass der Textauszug einen Argumentationsstrang der heutigen Forschung
vorwegnimmt, wo primär Nützlichkeitserwägungen dominieren. Eine Konkretisierung der
teleologischen Ethik, z. B. durch das Eingehen auf den Utilitarismus von Mill oder Bentham,
sollte sich positiv auf die Bewertung auswirken.
3. Die Aufgabe entspricht im Wesentlichen den EPA-Anforderungsbereichen II und III.
Der kurze Text 2 soll zum Ausgangspunkt einer Erläuterung der deontologischen Ethik
werden. Im Mittelpunkt steht die Würde des menschlichen Individuums unabhängig von
Erfolg oder Leistungspotenzial. Dies gilt ganz besonders auch für Behinderte, da externe
Bewertungen der „Vollkommenheit“ des Menschen in diesem Kontext nicht relevant sind.
Der Status des Menschen resultiert innerhalb der christlichen Begründung aus der
Gottesebenbildlichkeit jedes Einzelnen, unabhängig von jeder Leistung. Deshalb ist die
bedingungslose Annahme jedes Menschen, formuliert z. B. im für die christliche Ethik
konstitutiven Gedanken des Liebesgebots, unerlässlich für eine christliche Lebensauffassung.
Es ergibt sich die Pflicht zur Solidarität gerade mit den Schwachen, den zur vollen Autonomie
nicht Fähigen.
Eine weitere Möglichkeit des Herangehens an die Aufgabe ergibt sich aus der von Plato
ausgehenden Prämisse der Moralität des Menschen und der prägnantesten Ausformulierung in
Kants Kategorischem Imperativ. Wenn der Mensch Moralität besitzt, ist die Richtigkeit einer
Handlung teilweise oder vollständig durch die Natur der Handlung selbst bestimmt. Die
Zielperspektive ist der moralischen Handlung unterzuordnen.
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4. Die Aufgabe entspricht im Wesentlichen dem EPA-Anforderungsbereich III.
Der Text aus Genesis ermöglicht einen Einstieg in die Diskussion, da er beiden ethischen
Positionen eine Argumentationsgrundlage bieten kann. Es stehen sich Gottesebenbildlichkeit
und Herrschaftsauftrag, Verantwortung für die Schöpfung und das Eingreifen in diese
einander gegenüber.
Es wird erwartet, dass die Schüler die Ambivalenz des Bibeltextes erkennen und für ihre
Diskussion nutzbar machen. Sie sollen beiden ethischen Modellen gerecht werden, bevor eine
eigene Positionierung erfolgt.
Es ist sinnvoll, anhand eines konkreten Beispiels zu arbeiten, wobei sich aufgrund der Texte
die Gentechnologie anbietet, es wird aber nicht ausdrücklich vorausgesetzt. Es sind sowohl
andere Beispiele als auch eine theoretische Argumentation möglich.
Bewertungsgrundlage sind die Ausgewogenheit der Argumentation unter Nutzung der
Ergebnisse aus den vorangegangenen Aufgaben. Ein (christologisches) Bekenntnis ersetzt
nicht inhaltliche und sprachliche Sachlichkeit.
Andere sinnvolle Ausführungen des Prüflings können Teile des Erwartungshorizontes
ersetzen.
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