Die Herstellung der Wafer-Scheiben 1 Entwicklung der Halbleitertechnik Dass leistungsfähige Computer heute als preisgünstige Massenprodukte von jedermann erworben und persönlich für (mehr oder weniger) sinnvolle Zwecke eingesetzt werden können, ist im Wesentlichen den Fortschritten der Halbleiter-Technik zu verdanken. Sie führten dazu, dass man heute Schaltungen für sehr leistungsfähige Computer als preisgünstige Massenprodukte fertigen kann. Man kann die Erzeugung von integrierten Schaltungen (integrated circuits, ICs) in folgende Herstellungsphasen einteilen: • die Herstellung der Wafer-Scheiben, • die Herstellung der Schaltungen in der Oberfläche der Wafer-Scheibe, • die Herstellung der Chips und der gebrauchsfähigen ICs. 1.1 Die Herstellung der Wafer-Scheiben Quellen mit anschaulichem Überblick zu den Verfahren, die hier nur exemplarisch behandelt werden. http://www.unileoben.ac.at/~phywww/HLWSt-VO/Si-Herstellung1.ppt http://www.siltronic.com/internet/webcache/en_US/Products/Poster_2004.pdf Der Rohling für die Erzeugung der Waferscheiben ist ein in zylindrischer Form gezüchteter Siliziumkörper höchster Reinheit (Bild 1.1). Bild 1.1: Herstellung eines Silizium-Einkristalls mit dem Zonenzieh-Verfahren Der zylindrische Rohling wird in einzelne Scheiben zersägt (Bild 1.2). Anschließend werden die Oberflächen der Waferscheiben (verkürzt Wafer) geläppt, d.h. die Oberflächen werden mit in Fett gelösten Schmiermitteln geglättet (Bild 1.3). Die verbleibende Oberflächenrauhigkeit wird noch durch eine abschließende Politur vermindert. Computertechnik 1 Jacob Die Herstellung der Wafer-Scheiben Bild 1.2: Herstellung der Wafer durch Sägen Bild 1.3: Glätten der Wafer-Oberflächen durch Läppen Die Läuferscheiben mit den Wafern sind in einen inneren und einen äußeren Kranz verzahnt. Dreht sich z.B. der äußere Kranz, dann dreht er die Läuferscheiben gegen den inneren Kranz und die Läuferscheiben drehen sich mit einer zykloiden Bewegung zwischen der unteren und der oberen Scheibe. Das Glätten der Oberflächen entsteht durch die im Schleifmittel gebundenen Körner. Das flüssige Schleifmittel wird zwischen die obere und untere Scheibe und die Läuferscheiben eingebracht und fließt mit dem Abrieb ab. Die Schaltungen werden durch gezielte Diffusions- und Abscheideprozesse in die Grenzschicht an der Oberfläche des Wafers eingeprägt. Hierzu wird der Wafer matrixartig in gleich große Elementarflächen eingeteilt, die alle die gleiche Schaltung enthalten (Bild 1.4, Quelle: Intel). Computertechnik 2 Jacob Die Herstellung der Chips bzw. der gebrauchsfähigen ICs Bild 1.4: Matrix-Struktur eines Wafers 1.2 Die Herstellung der Chips bzw. der gebrauchsfähigen ICs Im Folgenden wird der Fertigungsverlauf beispielhaft vorgestellt (Quelle: Payton Technology, ein Unternehmen der Kingston-Gruppe, die zu den Marktführern bei der Herstellung von Memory-Modulen gehört). Man zerteilt den Wafer in die Einzel-Schaltungen = Die (sprich dai) oder Chip: der Vorgang wird dicing genannt). Jede Einzel-Schaltung wird auf einem Kontaktträger (lead frame) befestigt: der Vorgang wird die attach genannt ( Bild 1.5). Der Kontakt zwischen je einem Anschlusspunkt (pad) am Rand der Schaltung und je einem Anschlusspunkt einer Leiterbahn (lead) wird durch die Verschweißung der beiden Enden eines Golddrahtes auf den beiden zu verbindenden Pads hergestellt: der Vorgang wird wire bond genannt (Bild 1.6). Dann erfolgt die Verkapselung entweder mit einer fließenden Kunststoff-Masse oder durch Einpassen in Keramik-Layer. Beim Vergießen in Kunststoff wird der Kontaktträger mit dem „gebondeten Die“ in eine Hohl-Form gelegt, die mit Hilfe eines Spritzdruck-Verfahrens mit dem fließenden Stoff ausgefüllt wird, der danach härtet. Das Öffnen der Formstöcke gibt die verkapselten Schaltungen frei. Der Vorgang wird molding genannt (Bild 1.7). Mit dem technologischen Fortschritt werden, je nach Anwendung, neue IC-Gehäuse (packages) erfunden. Bei dem beispielhaften Herstellungsprozess handelt es sich um die Herstellung von Speicher-ICs, z.B. mit dem Gehäusetyp TSOP bzw. SSOP (thin bzw. shrink small outline package). Das sind Bauformen, die eine Nachbehandlung der Kontakte erfordern: man muss von den Kontakten die Haltestege entfernen (tie bar cut), man muss sie verzinnen oder vergolden (plating) und sie kappen und in eine geeignete Form biegen (trim and form). Integrierte Schaltungen mit hohen Anforderungen an die Lebensdauer werden besonders behandelt. Man unterwirft sie einem Hitzestress (burn in, Bild 1.8), der Schwachstellen offenbaren soll. Der Hitzestress verändert die Kristallstruktur, was an den Schwachstellen Funktionsfehler entstehen lässt, die im folgenden Test erkannt werden. Die fehlerhaften ICs werden entfernt (screening = aussieben). Es ist eine Erfahrungstatsache, dass so behandelte ICs sehr wenige Computertechnik 3 Jacob Die Herstellung der Chips bzw. der gebrauchsfähigen ICs Frühausfälle zeigen. Man spricht auch vom Beschleunigen der Frühausfälle durch das Burn-in. Danach folgen noch Schritte zur Markierung zwecks Identifikation, stichprobenartiger visueller Inspektion, Feuchtigkeitsentzug und Verpackung. Bild 1.5: Entnahme der Elementarplättchen aus dem fertig geschnittenen Wafer und drei beispielhafte Kontaktträger (lead frames) Computertechnik 4 Jacob Die Herstellung der Chips bzw. der gebrauchsfähigen ICs Bild 1.6: Die Herstellung der Verbindungen zwischen den Pads der Schaltung auf dem Die und den Pads auf den Leiterbahnen des Kontaktträgers (bonden) Computertechnik 5 Jacob Die Herstellung der Chips bzw. der gebrauchsfähigen ICs Bild 1.7: Das Eingießen des Kontakträgers mit dem gebondeten Die in eine schützende aushärtende Masse (molding) Computertechnik 6 Jacob Die Herstellung der Chips bzw. der gebrauchsfähigen ICs Bild 1.8: Das Offenbaren „schwacher“ ICs durch Wärmestress (burn in) Computertechnik 7 Jacob Beispiele für aktuelle Bauformen (packages) 1.3 Beispiele für aktuelle Bauformen (packages) Speicher-ICs sind charakteristische ICs der Computertechnik. Eingesetzt werden sie auf Speichermodulen mit genormtem Layout-Merkmalen und genormter elektrischer Schnittstelle. Um diese in portablen Geräten einsetzen zu können, versucht man, die Speicher-ICs bzw. die Speicher-Module möglichst platzsparend und leicht zu bauen. Aktuelle Speicher-Module sind vom Typ DDR. Sie werden z. Zt. vom Typ DDR2 abgelöst. Was die Bezeichnungen funktional bedeuten, wird noch im Einzelnen erklärt. Hier geht es um die Bauformen (Gehäuse) dieser Typen (Bild 1.9, Quelle: Kingston) Bild 1.9: Beispiel für Dual In Line Memory Module (DIMM) mit ihren charakteristischen Speicher-ICs: Wird der elektrische Kontakt der inneren Schaltung über Leiterbahnen (leads) nach außen hergestellt (wie z.B. bei der TSOP-Bauform), dann wird das „Gerippe der Leiterbahnen“ als Kontaktträger (leadframe) vorgefertigt (Bild 1.10, Quelle: Mitsui). Das geschieht durch mechanisches Stanzen oder chemisches Ätzen. Die Leadframes werden mit Hilfe von Stegen zu Bändern aneinandergereiht, die beim geeigneten Fertigungsschritt des IC-Fertigungsprozesses entfernt werden. Bild 1.10: Beispielhafte Muster von Leadframe-Bändern links: Dual-In-Line mit Durchsteck-Pins, rechts Quad-Flat-Pack (typisch für Microcontroller) Computertechnik 8 Jacob Beispiele für aktuelle Bauformen (packages) In miniaturisierten Schaltungen wird heute überwiegend die Surface Mounted Technologie verwendet, d.h. die Pins der Leiterbahnen, die aus dem IC-Körper herausragen, werden so gebogen und chemisch vorbereitet, dass sie „platt“ auf der Oberfläche verlötet werden können (Bild 1.11, Quelle: Spansion). Bild 1.11: Vergleich eines PLCC-Gehäuses (plastic lead chip carrier) mit J-Pins und eines TSOP1-Gehäuses mit Gull-Wing-Pins (beim TSOP2-Gehäuse sind die PinReihen entlang der langen Seiten des Rechtecks angeordnet; man erkennt deutlich die flachere Bauweise des TSOP-Gehäuses) Eine Gegenüberstellung der TSOP-Verkapselung mit der FBGA-Verkapselung (finepitch ball grid array) zeigt die Eigenschaften der neuen Technologie (Bild 1.12). Bild 1.12: Vergleich der TSOP- mit der FBGA-Bauweise Die Leiterbahnen sind in der FBGA-Technologie auf die Oberseite einer SubstratPlatte gedruckt. Jede Leiterbahn führt von einem Pad am Rand des Dies zu einem Bohrloch (via). Auf die Innenfläche des Bohrlochs ist elektrisch leitendes Material aufgebracht, so dass ein leitender Kontakt zur Lochöffnung an der Unterseite entsteht. Dort befindet sich eine Kugel aus leitendem Material (ball), die den Kontakt dieser Leiterbahn nach außen herstellt. Ein schematischer Schnitt soll das deutlich machen (Bild 1.13, Quelle: Spansion). Computertechnik 9 Jacob Beispiele für aktuelle Bauformen (packages) Bild 1.13: Schematischer Schnitt durch das FBGA-Gehäuse eines ICs mit einem Die bzw. 2 Dies (stacked dies, Multi-Die-Struktur) Die Beispiele bezogen sich bisher vor allem auf die Speichertechnologie. Zum Vergleich soll noch die Bauform von beispielhaften Mikroprozessoren gezeigt werden. Ein markantes Gehäuse-Merkmal: die Pins, die den Kontakt des ProzessorChips nach außen herstellen, sind als bandartiges Gittermuster am Rand des Substrats angeordnet (PGA, pin grid array) Bild 1.14: Pin-Grid-Array-Struktur beispielhafter Mikroprozessoren Computertechnik 10 Jacob Beispiele für aktuelle Bauformen (packages) Der Sockel auf dem Motherboard bildet das Gegenstück zu den Steckerpins des Prozessors. Jedem Stift entspricht dort eine Bohrung, in der sich Federkontakte an den Stift pressen und so die elektrische Leitung ermöglichen. Eine Alternative ist die Land-Grid-Array-Struktur (LGA), bei der auf der Unterseite Pads anstatt Pins dazu dienen, den Kontakt des Prozessors nach außen zu ermöglichen. Dann muss der Sockel ein entsprechendes Gitter von Federkontakten bereitstellen. Bild 1.15: Land-Grid-Array-Struktur (FC-LGA4 package von Intel: beispielsweise Pentium Extreme Edition) Vom logischen zum realen Schaltungsentwurf für den Chip Die Erzeugung von gebrauchsfähigen integrierten Schaltungen setzt voraus, dass leistungsfähige Schaltungen auf dem Chip realisiert werden. Und dieser setzt einen logischen Schaltungsentwurf voraus. Der Schaltungsentwurf (electronic design) verschaltet elektronische Standardelemente (Transistoren, Widerstände, Kondensatoren, Induktivitäten, Dioden usw.) so, dass eine anwendungsgerechte Gesamtschaltung entsteht. Jedem logischen Element entspricht auf einem Die (Chip) ein planares Strukturelement, welches das logische Element realisiert. Die planaren Strukturelemente werden durch Leiterbahnen zur Gesamtschaltung verschaltet: ein sehr komplexes Problem, je mehr planare Strukturelemente auf der Chipfläche untergebracht werden müssen. Das Strukturelement, das am häufigsten vorkommt, ist der Transistor. Je mehr Platz seine planare Struktur braucht, umso weniger Transistoren kann man auf dem Chip unterbringen. Die Anzahl der Transistoren, die man pro Fläche unterbringen kann, heißt Transistordichte oder Integrationsgrad. Je größer er werden kann, umso besser ist der Leistungsstand der Verfahren, die ihn erzeugen. Computertechnik 11 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Wenn man nun durch intensive Forschung den Platzbedarf der planaren Struktur eines Transistors verringert und die Transistoren dann entsprechend dicht anordnen kann, bekommt man ein anderes Problem: auch die Leiterbahnen rücken enger zusammen. Auch da gibt es Grenzen, d.h. man kann die Bahnen nicht beliebig eng anordnen bzw. schmal machen. Wenn man beim Herstellungsprozess nicht garantieren kann, dass keine leitenden „Brücken“ entstehen oder zu dünne Leitenbahnen Risse enthalten, dann hat man nichts gewonnen. Die Größe, die die Grenze pauschal definiert, ist die minimale auflösbare Strukturbreite. Die Transistordichte und die minimale auflösbare Strukturbreite sind die Größen, an denen man die Fortschritte der Halbleitertechnik mit konkreten Zahlen beschreiben kann. Um ihren Sinn von Grund auf zu verstehen, müssen zuerst einige physikalische Grundlagen der Realisierung von Transistoren verständlich gemacht werden. 1.4 Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Die schlüssige Erklärung der elektrischen Eigenschaften von Stoffen und deren technische Nutzung sind nur auf der Basis komplexer Theorien möglich. Diese sollen in diesem Kontext nur qualitativ und auf den Kontext bezogen angesprochen werden Grundsätzliches Modell zur Erklärung von Elektrizität Der Autor dieses Textes (und wahrscheinlich viele andere) kam zum ersten Mal mit dem Phänomen Elektrizität in „Berührung“, als frisch gewaschene Haare sich nach dem Kämmen sträubten bzw. sich die Haare aufrichteten, wenn der Kamm knapp über den Haaren gehalten wurde. Es ist die erste Erfahrung mit einem fundamentalen Phänomen der Elektrizität: Erst durch Ladungstrennung in ein Paar von elektrisch entgegengesetzt geladenen Gegenständen (Teilen) entsteht eine (auf Elektrizität beruhende) Wirkung. Wird die Ladungstrennung aufgehoben, entsteht wieder ein (elektrisch) neutrales Ganzes ohne diese Wirkungen. Experimentell stellt man also fest, dass Kamm und Haare elektrisch entgegengesetzt geladen sind und dass entgegengesetzt geladene Teile sich anziehen (Aufrichten der Haare, wenn man den Kamm knapp darüber hält) bzw. gleich geladene Teile sich abstoßen (Haare sträuben sich bzw. gehen auf Abstand). Die physikalische Theorie gibt sich nun nicht mit einer pauschalen Zustandsbeschreibung zufrieden, sondern erklärt die elektrischen Phänomene als elementare Vorgänge in Atomen. Aus diesem Blickwinkel lautet die obige Feststellung: Erst durch die Ladungstrennung in Paare von elektrisch entgegengesetzt geladenen elementaren Teilchen entsteht eine (auf Elektrizität beruhende) Wirkung. Grundlage ist die Theorie der atomaren Struktur der Materie. Das Atommodell beschreibt, welche elementaren Teilchen es gibt und welchen elektrischen Ladungszustand sie haben. Computertechnik 12 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Bild 1.16: Schematisches Atommodell mit Atomkern und umgebenden Elektronen auf ihren Bahnen (Bohrsches Atommodell) Jedes Atom jedes Elementes besteht aus einer gleich großen Anzahl von Elektronen mit negativer Ladung und Protonen im Atomkern mit entgegen gesetzter, d.h. positiver Ladung. Dazu kommt eine bestimmte Anzahl von elektrisch neutralen Teilchen, den Neutronen. Ladungstrennung bedeutet in diesem Modell, dass ein Elektron das Atom verlässt und ein Ladungspaar mit entgegen gesetzter Ladung entsteht: ein negatives Elektron und ein positiver Atomrumpf. Elektrostatische Auf- und Entladungen Mit Hilfe dieser elementaren Ladungstrennung wird das Kamm-Haar-Phänomen schlüssig erklärbar: die Reibung des Kamms an den Haaren erzeugt so viel Energie, dass sich Elektronen der Atome an den Haar-Oberflächen lösen und sich auf den Zahnoberflächen des Kamms sammeln. Der Kamm hat mehr Elektronen, als seinem neutralen Ladungszustand entspricht. Sein Ladungszustand ist negativ bzw. er ist negativ geladen. Die Haare haben einzeln weniger Elektronen, als ihrem neutralen Zustand entspricht. Ihr Ladungszustand ist positiv bzw. sie sind positiv geladen. Die Tatsache, dass die Ladungen sich statisch auf den Gegenständen Kamm und Haare sammeln und nicht durch Abfluss bzw. Zufluss von Elektronen wieder neutral werden, liegt daran, dass Kamm bzw. Haare aus elektrisch nicht leitendem Material sind. Das Phänomen der (elektrischen) Aufladung entsteht durch Reibung von Gegenständen aus elektrisch nicht leitendem, also isolierendem Material. Andere Szenarien, die auf dem gleichen Phänomen beruhen, sind für die Elektronik wichtiger (Bild 1.17, entnommen aus http://www.db0bel.de/ESD-Grundlagen.pdf ). Bild 1.17: Typische Spannungen durch elektrostatische Aufladung bei Reibung Computertechnik 13 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Sobald man mit Schuhen über einen Boden läuft, die beide nicht leitend sind, entsteht Aufladung durch Ladungstrennung. Bei der Trennung wird (Reibungs)Arbeit aufgewendet, die in der Gesamtheit der getrennten Ladungspaare steckt. Die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten, wird als Energie bezeichnet. Sie ist gleich der Arbeit, die in den oder die Ladungsträger gesteckt wurde - im vorliegenden Fall, die beim Trennen der Elektronen aufgebracht wurde. Dabei entsteht Spannung, wie man sieht, können recht große Spannungen entstehen. Die Größe der Spannung, die bei der Reibungstrennung entsteht, darf man nicht mit der Größe der Gefährlichkeit gleich setzen, wie man das gewöhnt ist. Maßgeblich für die Gefährlichkeit ist die Arbeit, die man in alle getrennten Elektronen gesteckt hat. Nur diese Energie kann man beim Entladen wieder gewinnen. Die Arbeit, die durch die Reibungstrennung hinein gesteckt wird, ist so gering, dass sie für den Menschen ungefährlich ist, wenn sie beim Entladen frei wird. Vorgang der Entladung: Die durch die Reibung entstandenen Ladungen können sich von den Schuhen aus im gut leitenden Körper verteilen. Sobald man mit einem Körperteil in die Nähe eines Leiters kommt, entsteht zwischen der Oberfläche des Leiters und der Körperfläche, die ihr am nächsten ist, eine Wechselwirkung. Angenommen, der Körper ist negativ aufgeladen. Die negativen Ladungen auf der Hautoberfläche bewirken bei der Annäherung an den Leiter, dass an der Leiteroberfläche Elektronen verdrängt werden und in den Leiter wandern, während an der Oberfläche positive Atomrümpfe zurück bleiben. Je näher man dem Leiter mit dem Köperteil kommt, umso mehr Elektronen sammeln sich (aus der Gesamtheit der Aufladung des Körpers) in der Körperoberfläche, die dem Leiter am nächsten ist. Entsprechend viele positive Atomrümpfe bilden sich auf der Gegenseite im Leiter. Dieser Vorgang wird Influenz genannt. Spätestens bei der Berührung kommt es zum Ladungsausgleich. Dass der Ladungsausgleich bei geringem Abstand sogar durch einen überspringenden Funken eintritt, ist nicht selten. Der Ladungsausgleich macht sich als ein unangenehmes, aber ungefährliches Impulsgefühl bemerkbar, z.B. wenn man nach dem Laufen über einen Teppichboden eine Türklinke anfasst. Für Elektronik kann sie aber „tödlich“ sein, weil sie „empfindliche“ Halbleiterstrukturen in ICs zerstören kann. Ein dadurch bedingter Totalausfall ist ärgerlich, aber schnell bemerkt. Heimtückischer sind Ausfälle, die nur Schaltungsteile betreffen und erst nach mühsamen Tests offenbar werden. Das Alles sind Gründe, warum z.B. folgender Hinweis gegeben wird (Bild 1.18). Bild 1.18: Beispielhafter Hinweis in einem Intel-Handbuch zur Vorbeugung gegen statische Entladung Computertechnik 14 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Der Elektronenfluss bei der statischen Entladung ist ein Beispiel für eine „Quelle eines Stromflusses“. Die Energie, die man in die Trennung der Ladungspaare gesteckt hat, wird beim kurzzeitigen Stromfluss der Entladung zurück gewonnen. Mit dem Abbau der Energie bricht natürlich auch die Fähigkeit zum Stromfluss zusammen. Genau das will man bei echten Stromquellen nicht. Bevor technisch wichtige Stromquellen zur Sprache kommen, sollen einige Grundlagen zum Spannungsbegriff geklärt werden. Elektrisches Potential, elektrische Spannung, elektrisches Feld Am vorangegangenen Beispiel wurde die grundsätzliche Bedeutung des Vorgangs deutlich, wenn man Elektronen von Atomen trennt. Es entsteht dann eine Wechselwirkung. Denn beide Ladungsträger ziehen sich an. Wenn man Kraft aufwendet, um einen Gegenstand entlang eines Weges fortzubewegen, verrichtet man Arbeit. Messbar wird die Arbeit auf der Grundlage der physikalischen Definition der Arbeit. Wenn Kraft und Weg gleich gerichtet sind und die Kraft konstant ist, gilt Arbeit = Kraft . Weg bzw. ∆W = F . ∆s Wenn die Kraft sich auf dem Weg ändert, dann gilt: ∆W = IF . ds Eine typische Situation, in der Arbeit verrichtet wird, ist das Erklettern eines Bergs, z.B. mit einem Fahrrad. Die aufgebrachte Kraft dient der Überwindung der Erdanziehungskraft und der Weg ist die Höhe, die man gewinnt. Die Erdanziehungskraft kann im Bereich der Kontur der Erdkruste als unabhängig vom Weg angesehen werden. Nimmt man das Niveau des Meeresspiegels als Ausgangspunkt der Höhenmessung, dann verrichtet man bis zum Erreichen eines Gipfelpunktes Arbeit, die man beim Herabfahren wieder gewinnt, wenn man zum Ausgangsniveau zurückkommt. Bild 1.19: Äquipotentialflächen im Falle von Massen- bzw. Ladungsanziehung Computertechnik 15 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Die Fähigkeit, die bis zum Erreichen der Höhe aufgebrachte Arbeit wieder zu gewinnen, nennt man Energie, im beschriebenen Fall: potentielle Energie. Man kann sich die Oberfläche einer Kugel denken, deren Mittelpunkt im Erdmittelpunkt liegt und die die Höhe h bezogen auf die (ebenso gedachte) MeeresniveauKugel hat. Die Kugel schneidet aus der Erdoberfläche eine Höhenlinie. Auf dieser Höhenlinie bzw. auf der gesamten Kugeloberfläche gewinnt und verliert man keine potentielle Energie. Man nennt die Flächen deshalb Äquipotentialflächen (Bild 1.19). In diesem Sinne sind die Höhenlinien Äquipotentiallinien. Eine Karte mit den Höhenlinien beschreibt zweidimensional die Verteilung der potentiellen Energie in einem bestimmten Geo-Raumausschnitt. Üblicherweise gibt man die Höhenlinien für ganz bestimmte diskrete Werte an, z.B. als Vielfache von 100 m. Aber man kann die Werte auch dichter wählen. Im Prinzip veranschaulicht die Karte (mit frei gewählter Genauigkeit) die Zuordnung eines eindeutigen skalaren Werts zu jedem zweidimensionalen Punkt. Man nennt diese Zuordnung skalares Feld. Die Verteilung der potentiellen Energie ist ein skalares Feld, das auch als Potentialfunktion bezeichnet wird. Wie man aus der Praxis weiß, ist die Kraft, die man beim Aufsteigen aufwenden muss, dann am größten, wenn man der Falllinie entgegen läuft. Die Falllinie aber steht senkrecht auf der Höhenlinie. Man kann also aus dem skalaren Potentialfeld die maximalen Abtriebskräfte ableiten (Bild 1.20, entliehen von http://www.physik.fu-berlin.de/~brewer/vm_elpot.html). Bild 1.20: Die Richtung der Kräfte entlang der Falllinien In jedem Raumpunkt gibt es eine Richtung, die das größte Gefälle hat. Die Senkrechten auf die Höhenlinien ergeben die Richtung der Falllinien. Mathematisch erhält man die Richtung und den Wert des „Gefälles“, wenn man die Potentialfunktion in x-, y- und z-Richtung im Oberflächenpunkt differenziert (man sagt auch: ihren Gradienten in dem Punkt bildet). Bestimmt man den Kraftvektor für jeden Raumpunkt, dann erhält man das Vektorfeld der maximalen Abtriebskräfte entlang der Oberflächenkontur der Erde. Das, was hier über das Potentialfunktion und das Vektorfeld der Kräfte im Falle der Massenanziehung gesagt wurde, lässt sich analog auf den Fall der elektrischen Anziehung übertragen. Als Beispiel dient zuerst die Anziehung von zwei entgegengesetzt geladenen Punktladungen im leeren Raum. Computertechnik 16 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Sobald man ein Elektron aus dem Bereich der atomaren Kräfte entfernt hat und die Ladungen weit genug entfernt sind, kann man den positiven Atomrumpf und das Elektron als Punktladungen ansehen. Allgemein gültiger ist der Fall, dass man das Elektron mit der Elementarladung q0 von einem Gegenstand mit der Ladung q1 entfernt, der bei genügendem Abstand als punktförmig angenommen werden kann. Entgegen gesetzte Ladungen ziehen sich an, gleichsinnige stoßen sich ab. Im Folgenden soll es nur um die Beträge der Kräfte gehen, nicht um deren Vorzeichen. Das Gesetz, dem die Größe der Kraft folgt, ist eines der ersten, das im Zusammenhang mit der Erklärung von Elektrizität entdeckt wurde (Coulomb). Der Betrag der Kraft (in radialer Richtung) folgt folgender Proportionalität: mit r = Abstand der Ladungen. Das bedeutet im vorliegenden Fall: mit q0 = Elementarladung. F ~ Q1 . Q2 / r2 F ~ q0 . q1 / r2 , Hat man also die Ladungen bis zum Abstand r voneinander entfernt, dann gilt für die aufgebrachte Arbeit: ∆W = IF . dr ~ I q0 . q1 / r2 . dr Man bezieht die Arbeit auf die bewegte Elementarladung q0: ∆W / q0 = ~ I q1 / r2 . dr Jede Bewegung der Elementarladung aus einer Kugeloberfläche mit dem Radius r1 über einen radialen Abstand ∆r in die Kugeloberfläche mit dem Radius r2 = r1 + ∆r erfordert die gleiche ladungsbezogenen Arbeit ∆W /q0. Für jede Kugeloberfläche im Abstand r gilt sinngemäß das Gleiche wie für die Kugeloberfläche der potentiellen Energie im Massenanziehungsfall der Erde. Bei der Bewegung des Elektrons auf dieser Fläche wird weder Arbeit nötig noch wird Energie frei. Die Analogie legt auch gleiche Begriffe nahe: analog zur Bezeichnung potentielle Energie wird die aufgebrachte ladungsbezogenen Arbeit, die als Fähigkeit zur Verfügung steht, dieselbe Arbeit frei zu setzen, als elektrisches Potential bezeichnet. Die Potentialfunktion, die für das Erdprofil definiert wird, ist nicht geschlossen darstellbar. Die Komplexität erfordert - in dieser oder jener Form - tabellarische Zuordnungen. Im Falle der beiden Punktladungen kann man von der Radialsymmetrie der Potentialfunktion ausgehen. Sie ist nur vom Abstand r abhängig. Differenziert man die Funktion nach der Variablen r, dann erhält man den radial gerichteten Kraftvektor. Das so bestimmbare Feld der Kraftvektoren ist radialsymmetrisch. In Fällen mit komplexeren Potentialfunktionen ist es nicht so einfach und man muss die dreidimensionalen Gradienten bilden. Computertechnik 17 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Da das Feld der Kraftvektoren auf der Wirkung von elektrischen Ladungen beruht, wird es elektrisches Feld genannt. Man definiert die elektrische Feldstärke als Kraft, die auf die Elementarladung bezogen wird: Elektrische Feldstärke = Kraft / Elementarladung bzw. E = F / q0 wenn man die Beziehung der Beträge auswerten möchte, bzw. E = F / q0 wenn man die Vektorbeziehung auswerten möchte (Vektoren werden hier durch Unterstrich gekennzeichnet). Es wird elektrostatisches Feld genannt, wenn sich die Feldstärke nicht mit der Zeit ändert. Die Feldstärke- und die Kraftvektoren in einem elektrischen Feld haben die gleiche Richtung und unterscheiden sich nur durch einen Faktor in den Beträgen. Soweit die Analogie zum Fall der potentiellen Energie, die den Einstieg in die Begriffe der elektrischen Felder erleichtern sollte. Nun gibt es nicht nur den Fall einer Punktladung, sondern Gegenstände beliebiger Form mit beliebiger Ladungsverteilung. Jeden Gegenstand umgibt ein skalares Potentialfeld, dem man durch Differenzierung ein vektorielles Kraftfeld bzw. ein elektrisches Feld zuordnen kann. Alle Aussagen, die für den Beispielfall gemacht wurden, gelten auch allgemein für diese Gegenstände. Im Falle der potentiellen Energie auf der Erdoberfläche muss man für die Bestimmung der Potentialfunktion an jedem Oberflächenpunkt die Höhe über dem Meeresspiegel messen. Die Wahl des Meeresspiegels als Null-Niveau ist zwar sinnvoll, aber aus prinzipieller Sicht willkürlich. Man könnte auch eine andere Referenz bei der Differenzbildung wählen. Und was misst man im Falle des elektrischen Felds? Man misst auch eine Differenz, und zwar misst man die Potentialdifferenz zwischen zwei Punkten als die Spannung U zwischen den beiden Punkten. Oder mit anderen Worten: Das Maß für die Arbeit bei der Bewegung einer Elementarladung zwischen zwei Punkten eines elektrischen Felds ist die Spannung zwischen den beiden Punkten. ∆W / q0 = U Aus folgt ∆W = IF . ds ∆W / q0 = IF/q0 . ds = IE . ds Damit ist die Beziehung zwischen der Spannung und der elektrischen Feldstärke: IE . ds = U Mit Worten: Das Wegintegral der elektrischen Feldstärke ist gleich der Spannung zwischen den Endpunkten des Wegs. Computertechnik 18 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Bezugspotential Es ist ein Referenz-Potential (Bezugspotential) festzulegen, auf das man alle Spannungen bezieht. Der Meeresspiegel ist das Null-Niveau bezogen auf das Feld der potentiellen Energie. In Analogie dazu bezeichnet man das Bezugspotential manchmal auch als Null-Potential. Dabei muss man berücksichtigen, dass jeder Gegenstand ein elektrisches Umfeld hat, das seine Funktion beeinflussen kann, wenn es entsprechend empfindlich ist. Die Wirkung des elektrischen Felds, das den Gegenstand umgibt und unabhängig von ihm wirkt, kann man als Spannung zwischen einem beliebigen Punkt im Gegenstand und einem beliebigen Punkt auf der Erdoberfläche messen. Nimmt man eine elektrische Schaltung als Gegenstand, dann wird als Messpunkt in der Schaltung der Bezugspunkt der erzeugten (Nutz-)Spannungen gewählt. (Bild 1.21). Bild 1.21: Erzeugung einer Störspannung durch ein elektrisches Feld Die Störspannung kann Stromkreise (rot) erzeugen, die sich den nützlichen Stromkreisen (grün) überlagern und deren richtige Funktion beeinträchtigen können. Wenn man die Störspannung durch einen guten elektrischen Leiter kurzschließt und damit unwirksam macht, wird auch die Störwirkung vernachlässigbar. Aus diesen praktischen Gründen bindet man das Bezugspotential einer Funktionseinheit meistens an das Potential der Erdoberfläche (Erdpotential). Das Potential der Erdoberfläche ist kein absolutes Null-Potential: denn insgesamt ist die Erde negativ geladen. Das ist aber für den Betrieb von elektronischen Schaltungen unerheblich. Dafür ist auch unerheblich, dass es ein relativ starkes elektrisches Gleichfeld zwischen der Ionosphäre in 60-80 km Höhe und der Erdoberfläche gibt, auf dessen Schwankungen aber entsprechend disponierte Menschen empfindlich reagieren können. Zwischen Ionosphäre und Erdoberfläche existiert eine elektrische Gleichspannung von 200 - 300 kV. Das elektrische Gleichfeld verändert sich mit den Jahreszeiten, mit dem Wettergeschehen und mit dem Ort. Die elektrische Feldstärke beträgt im Schönwetterfeld über dem flachen Land 135 V/m, bei Gewittern (verursacht durch die starke Ladungstrennung in Wolken) bis zu 10000-20000 V/m. Die Feldlinien des elektrischen Gleichfeldes verlaufen senkrecht zur Erdoberfläche. Die Äquipotentialflächen verlaufen parallel zur Erdoberfläche. Häuser, Bäume usw. bilden zusammen mit der Erdoberfläche eine Äquipotentialfläche. Über den Spitzen dieser Objekte kommt es zu hohen Feldstärken. Kondensator Für die Erklärung der Definitionen zum elektrischen Feld wurde das Feld einer positiven Punktladung genommen. Ein gutes Beispiel für die Anwendung der Feldgrößen ist das klassische Element zur Speicherung von Ladungen: der Kondensator. Computertechnik 19 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Bei einem Plattenkondensator stehen zwei gleich große Leiterplatten sich parallel auf kurzem Anstand gegenüber. Zwischen den Platten befindet sich entweder Luft oder Materie mit besonderen (dielektrischen) Eigenschaften. Bei einem Wickelkondensator werden zwei leitende Folien durch eine dünne (dielektrische) Trennschicht voneinander isoliert und zu einer Rolle aufgewickelt. Abgewickelt stehen sich auch hier zwei „Platten“ auf gleichem, geringem Abstand gegenüber. Wenn man nun eine Spannung U an die beiden Platten legt, lädt sich die Platte am positiven Pol der Spannungsquelle positiv auf, die Platte am negativen Pol negativ. Dabei fließen Elektronen von der sich positiv aufladenden Platte ab und die gleiche Anzahl Elektronen fließen zu der sich negativ aufladenden hin. Das Ende der Aufladung ist erreicht, wenn die Spannung zwischen den Platten gleich der angelegten Spannung ist. Der aufgeladene Kondensator hat die Ladung Q = N . q0 aufgenommen. Im Folgenden interessiert zunächst dieser aufgeladene Zustand. Ändert man die Spannung U und misst die aufgenommene Ladung Q, stellt man folgende Proportionalität fest: Q~U bzw. Q=C.U Der Proportionalitätsfaktor ist eine Konstante, die den Zuwachs an Ladungseinheiten pro Spannungseinheit (Amperesekunden pro Volt, As/V) festlegt. Sie wird Kapazität des Kondensators genannt. Ihre Einheit 1 As/V heißt Farad. Untersucht man nun, von welchen Größen die Kapazität abhängt, dann stellt man wieder durch Messung der Ladung folgende Proportionalität fest: Q ~ (Fläche/Abstand) . U Zu der Abhängigkeit von geometrischen Größen kommt aber noch eine Abhängigkeit von der Materie zwischen den Platten. Man betrachtet den Fall, bei dem keine Materie (Vakuum) zwischen den Platten liegt, als Bezugsfall bzw. die dabei erzeugte Ladung als Bezugsladung. Für diesen Fall legt man eine Konstante fest, so dass folgende Gleichung gilt: Q = ε0 (Fläche/Abstand) . U Die Konstante ε0 heißt Dielektrizitätskonstante des leeren Raums. Sie ist eine der Naturkonstanten, die (noch) nicht weiter erklärbar sind. Irgendwelche Materie zwischen den Platten erzeugt entweder die gleiche oder eine größere Ladung bei sonst gleichen Bedingungen. Das Verhältnis Qmit Materie / QVakuum = εr legt einen von der Materie abhängigen Faktor fest, den man durch Messung bestimmt und bei der Berechnung der Ladung für den Fall mit dieser Materie einsetzen kann (relative Dielektrizitätskonstante): Q = ε0 . εr . (Fläche/Abstand) . U Mit ε0 . εr = ε wird die (im konkreten Fall wirksame) absolute Dielektrizitätskonstante definiert, so dass gilt: Q = ε . (Fläche/Abstand) . U Computertechnik 20 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Was hier für den Kondensator entwickelt wurde, verbirgt eine grundsätzliche Eigenschaft des elektrischen Felds, um die es im Folgenden gehen soll. Elektrische Feldstärke und die Ladungsverteilung beim Kondensator Die elektrische Feldstärke wird definiert als die Kraft, die im leeren Raum auf eine einzige Elementarladung wirkt, bezogen auf (also geteilt durch) die Elementarladung. Was bedeutet es nun, wenn an einem Raumpunkt eine bestimmte Feldstärke herrscht, dort aber mehrere freie Ladungen möglich sind? Am Feld in einem Plattenkondensator kann man das Problem beispielhaft deutlich machen. Die Eigenschaften dieses Felds sollen zuerst bestimmt werden. Bei der Bestimmung der Feldgrößen des Kondensators kann man messtechnisch und/oder analytisch vorgehen. Veranschaulicht man das Ergebnis, dann gibt man meistens nur die Feldlinien der elektrischen Feldstärke an. Sie verbinden die Raumpunkte mit Feldstärkevektoren gleichen Betrags. Da die Äquipotentialflächen und die Feldlinien senkrecht aufeinander stehen, kann man sich die Form der Äquipotentialflächen gut dazu ergänzen. Bestimmt man die elektrische Feldstärke für einen Plattenkondensator, dann ergibt sich, dass die Feldstärkevektoren im Innern senkrecht zu den Plattenoberflächen stehen und in jedem Raumpunkt den gleichen Betrag haben, Das bedeutet, dass die Feldlinien geradlinig von Platte zu Platte verlaufen. Außerhalb der Platten nimmt der Betrag der Feldstärke schnell ab, je weiter entfernt die Messpunkte liegen. Die Feldlinien verlaufen dort bogenförmig Die Feldstärke im Innern lässt sich unter diesen Umständen aus der Spannung und dem Abstand der Platten einfach bestimmen: IE . ds = E . Abstand = U bzw. E = U / Abstand. Das bedeutet, dass man für den Kondensator einen Zusammenhang zwischen seiner Feldstärke im Innern und der gesamten aufgenommenen Ladung herstellen kann: Q / Fläche = ε . U / Abstand bzw. Q / Fläche = ε . E bzw. D=ε.E Die elektrische Feldstärke im Innern legt die Ladungsdichte D in den Platten des Kondensators fest. Das gilt nun nicht nur für den Kondensator als Ganzes. Vielmehr man kann das auch für die Raumpunkte im Innern feststellen. Computertechnik 21 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Elektrische Feldstärke und Ladungsverteilung an einem Raumpunkt An jedem inneren Raumpunkt des Kondensators ist mit der Feldstärke auch die Kraft auf ein einzelnes Elektron bekannt. Angenommen, man positioniert an dem Raumpunkt ein Metallplättchen von punktartiger Flächengröße, das parallel zu den Platten des Plattenkondensators steht. In dem Metallplättchen gibt es mehr als eine bewegliche Ladung in Form von freien Elektronen. Wie wirkt sich die elektrische Feldstärke auf diese aus? Die Feldstärke sorgt im metallischen Elementarplättchen für eine Trennung von Ladungen in Elektronen und positiv zurückbleibende Atomrümpfe so, dass die Elektronen auf die Oberfläche wandern, die der positiv geladenen Platte gegenüber liegt, und auf der anderen Oberfläche die positiven Atomrümpfe zurückbleiben, die der negativen Platte gegenüber liegt. Es kommt also zu einer Verschiebung von Ladung. Die Menge der Ladung dQ, die sich auf dem Probe-Elementarplättchen pro Oberfläche dFläche bildet, also die am Raumpunkt mögliche Ladungsdichte, wird durch die elektrische Feldstärke festgelegt: mögliche Ladungsdichte am Raumpunkt = dQ / dFläche = ε E Die elektrische Feldstärke legt die an einem Raumpunkt mögliche Ladungsdichte fest. Bezieht man nun die verschiebende Bewegung der Ladungen bei der Ladungstrennung mit in die Betrachtung ein, dann ergibt sich eine ortsfeste Ausrichtungsbewegung von Elektronen gegen die Richtung des Feldstärkevektors bzw. ein Fluss von positiven Ladungen in Richtung des Vektors der elektrischen Feldstärke. Man definiert die Ladungsdichte deshalb als Vektor in Richtung des elektrischen Feldstärkevektors und nennt ihn den Vektor der Dichte des Verschiebungsflusses oder Verschiebungsdichte. D=ε.E Die Ladung Q in einer Fläche ergibt sich durch Integration der Ladungsdichte über der geschlossenen Fläche: Q = ID . dA über geschlossene Fläche In jeder nicht kompressiblen Strömung ist die Teilchendichte überall gleich. Der Begriff Verschiebungsfluss greift in diesem Sinne das Bild einer Strömung auf. Die Ladungsdichte ist in jedem Querschnitt senkrecht zur Richtung der Strömung gleich, d.h.: Die Ladungsdichte auf der sich positiv aufladenden Platte geht am Rand über in die gleich große Verschiebungsdichte des Verschiebungsflusses, die durchgehend gilt bis zum Übergang in die Ladungsdichte auf der sich negativ aufladenden Platte des Kondensators. Das kann man mit Hilfe der Aufladung des Probe-Elementarplättchens auch durch Messung bestätigen. Computertechnik 22 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Auf der Strecke des Verschiebungsflusses kann leerer Raum oder nicht leitendes Material liegen, in dem ortsfeste Ladungen voneinander getrennt (verschoben) werden können. Diese ortsbegrenzte Verschiebebewegung nennt man auch Polarisieren der (dielektrischen) Materie. Verschiebungsstrom Bisher wurde das elektrostatische Feld des Kondensators untersucht, das im aufgeladenen Zustand vorliegt. Daraus kann man den Fall des sich (langsam) ändernden Felds entwickeln. Wenn eine (über der Zeit) konstante Änderung der Spannung vorliegt, gilt folgender Zusammenhang: ∆Q / ∆t = C . ∆U / ∆t Wenn die Änderung selbst zeitabhängig ist, muss man zu den Differentialquotienten übergehen: dq / dt = C . du / dt Diese Gleichung bestimmt den Strom von bzw. zum Kondensator: dq / dt = i = C . du / dt Beim Kondensator fließt Strom nur bei Änderung der Spannung. Konstante Spannung bedeutet kein Strom! Strom bedeutet eine zeitliche Änderung der Ladungsdichte an den Platten des Kondensators, die mit einer zeitlichen Änderung des elektrischen Felds verbunden ist: dq / dt /Fläche Kondensatorplatte = Strom i / Fläche Kondensatorplatte = Stromdichte Kondensatorplatte = ε . dE /dt Wie im elektrostatischen Fall kann man die Stromdichte an einem Raumpunkt im Kondensatorzwischenraum bestimmen: dq / dt /Fläche Raumpunkt = Strom i / Fläche Raumpunkt = Stromdichte Raumpunkt = ε . dE /dt bzw. in Vektorform: J = ε . dE /dt Die Stromdichte J im Raumpunkt wird die Dichte des Verschiebungsstroms durch den Raumpunkt genannt. Der Verschiebungsstrom selbst ist das Integral der Stromdichte über der Fläche des Querschnitts, in dem er „fließt“. Der Verschiebungsstrom bedeutet keinen Fluss von Ladungsträgern entlang eines Strompfads. Er ist ein Quasistrom, der die raumübergreifende Wirkung durch das Feld zwischen den beiden Platten als Ersatzgröße angibt, die gut als Rechengröße verwendbar ist. Das Bild der Bewegung durch den Raum ist dabei zutreffend, weil das Feld die Kraft zur Ladungsverschiebung (eigentlich Trennung und damit Erzeugung) durch den Raum von einer Platte zur anderen trägt. Computertechnik 23 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Der Verschiebungsstrom wird gedacht als die kontinuierliche Fortsetzung des Teilchenstroms von der einen Kondensatorplatte durch das nicht leitende Material zur Oberfläche der gegenüber liegenden Platte, wo er wieder als Teilchenstrom fortgeführt wird. Mit diesem Modell entstehen in Stromkreisen mit Kondensatoren durchgehende Stromflüsse, was die Berechnung und anschauliche Deutung von solchen Stromkreisen vereinfacht. Man spricht also nicht mehr vom Strom vom bzw. zum Kondensator, sondern vom Strom durch den Kondensator. Elektrische Quellen Eine Quelle, die durch elektrostatische Aufladung entsteht, ist eher eine Störquelle als eine nützliche Stromquelle. Die entsteht erst dann, wenn die Fähigkeit zum Stromfluss nicht abbricht. Das ist z.B. der Fall, wenn die Fähigkeit zu einem zeitlich konstanten Strom erhalten bleibt. Das bedeutet, dass man zeitlich konstant Energie für die Ladungstrennung aufbringt, was man an einer zeitlich konstanten Spannung misst. Das ist die Gleichspannung einer Gleichspannungs- bzw. Gleichstromquelle. Im (technisch wichtigsten) alternativen Fall wird die Energie zur Ladungstrennung mit Hilfe der Drehung einer Spule in einem konstanten Magnetfeld zeitlich sinusförmig aufgebracht. Das führt zur typischen Wechselspannung einer Wechselspannungsbzw. Wechselstromquelle, eines Generators. Die Spannung, die unmittelbar mit der Ladungstrennung verbunden ist, heißt die eingeprägte Spannung oder Urspannung oder Leerlauf-Spannung der Gleichstrom- oder der Wechselstrom-Quelle. Im täglichen Umgang mit elektrischen Quellen wird auf die zeitliche Konstanz der Spannung wert gelegt, sei es, dass z.B. eine Batterie ihren Gleichspannungswert konstant hält, sei es, dass das Wechselstromnetz seine Wechselspannung konstant hält, womit man den Amplitudenwert des sinusförmigen Spannungsverlaufs meint. Die Bezeichnungen Spannungsquelle oder Stromquelle sind dabei gleichwertig. In der Elektronik dienen beide Ausdrücke aber zur Unterscheidung zweier unterschiedlicher Typen von Quellen: • Spannungsquelle heißt eine Quelle, bei der die gelieferte Spannung möglichst unabhängig von einem sich ändernden Strom im Stromkreis ist, der mit der eingeprägten Spannung betrieben wird (Konstantspannungs-Quelle); • Stromquelle wird eine Quelle genannt, bei der der gelieferte Strom möglichst unabhängig von sich ändernden Spannungsverhältnissen im Stromkreis ist; d.h. die Spannung der Quelle stellt sich von selbst so ein, dass der Strom einen gewünschten Wert behält (Konstantstrom-Quelle). Als Ersatzbilder für Quellen gelten folgende Symbole: Computertechnik 24 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Bild 1.22: Ersatzschaltbilder für Quellen U0 bzw. U sind die eingeprägten Spannungen. Batterien/Akkus als Gleichspannungsquellen Durch den Gebrauch im Alltag ist man mit Batterien vertraut, die nicht wieder aufladbar, also nur einmal nutzbar sind, aber auch mit solchen, die wieder aufladbar sind und die auch als Akkumulatoren oder kurz Akkus bezeichnet werden. Fachsprachlich unterscheidet man zwischen (nicht wieder aufladbaren Primärzellen) und (wieder aufladbaren) Sekundärzellen. Im Folgenden sollen der Aufbau und das Funktionsprinzip einer nicht wieder aufladbaren Batterie an einem Fall mit vertrauten Elementen erläutert werden. Bildquelle: http://www.chempage.de/theorie/galvanischezelle.htm Die elementare Baueinheit ist die galvanische Zelle. Das sind zwei, durch eine Membran getrennte Kammern mit unterschiedlichen Metallsalz-Lösungen (Elektrolyt). Je eine Platte des Metalls ist in die Lösung seiner Kammer eingetaucht. Bild 1.23: Schnitt durch eine galvanische Zn-Cu-Zelle Die Membran verhindert eine Durchmischung der Salzlösungen. Sie ist aber für geladene Teilchen durchlässig, wenn ein Ladungsungleichgewicht zwischen den Lösungen entsteht und sich ausgleichen soll. Man nennt die in die Halbkammern eingetauchten Körper Elektroden. Welcher Vorgang erzeugt nun die Ladungstrennung und damit die Spannung? Maßgeblich ist der chemische Prozess, dass sich Metallatome der Elektroden an den Grenzflächen zerteilen und als positive Metall-Ionen in die Flüssigkeit übergehen, während die Elektronen im metallischen Körper bleiben (Bild 1.24). Computertechnik 25 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Der Zerteilungsprozess ist ein Angebot der Natur, die Energie für die Ladungstrennung daraus zu gewinnen, dass man zwei Stoffe geschickt miteinander kombiniert. Das führt aber nicht zu einer unbegrenzten Erzeugung immer neuer Elektronen/Metall-Ionen-Paare. Paare können sich auch wieder zu neutralen Atomen vereinigen, d.h. der Zerteilungsprozess wird von einem Rekombinationsprozess begleitet. Beide Prozesse streben einem (elektrochemischen) Gleichgewichtszustand zu, in dem es gleich viele Zerteilungs- und Rekombinatiosvorgänge pro Zeiteinheit gibt. Wenn dieser Gleichgewichtszustand erreicht ist, hat sich eine (im Mittel über der Zeit) stabile Anzahl von Elektronen/Metall-Ionen-Paaren gebildet, die an den Grenzflächen gesammelt sind. Sie erzeugen eine Spannung (elektrochemisches Potential). Bild 1.24: Ladungsverteilung in einer galvanischen Zn-Cu-Zelle Nimmt man den gesamten flüssigen Inhalt der galvanischen Zelle mitsamt den Elektroden, dann ist dieser nach außen elektrisch neutral; denn die Bildung der Ladungspaare bedeutet keine Hinzufügung oder Beseitigung von Ladungen, sondern nur eine Trennung. Man kann von jedem beliebigen Punkt des Innern eine leitende Verbindung zur neutralen Erde herstellen: es gibt keine Spannung zwischen den Endpunkten der Leitung und es wird folglich kein Ladungsausgleich stattfinden (wenn einer nicht vorher bewusst durch Reibung für eine elektrostatische Aufladung des evt. Kunststoff-Gehäuses gesorgt hat und so entstandene Ladungen in das Innere gelangten). Spannungen stellt man zwischen zwei Punkten im Innern fest, wobei die Spannung zwischen den beiden Elektroden die wichtige ist. Das elektrochemische Potential, das sich zwischen dem Metall und dem Elektrolyt bildet, hängt von der Auswahl des Metalls ab. Bei Zink ergeben sich wesentlich mehr Elektronen/Metall-Ionen-Paare als bei Kupfer. Computertechnik 26 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Das bedeutet, dass sich auf der Zink-Elektrode mehr Elektronen befinden als auf der Kupfer-Elektrode. Die Zink-Elektrode ist der negative Pol der Spannungsquelle, die Kupfer-Elektrode ist der positive Pol. Man misst zwischen den Polen einer Zn-Cu-Zelle ohne Stromfluss eine eingeprägte Spannung von 1,1 Volt. Andere Beispiele: Nickel-Cadmium-Akkus haben eine Zellen-Spannung von 1,2 Volt, Bleiakkus (Autobatterien) haben eine von 2 Volt. Diese Spannung setzt sich aus den Teilspannungen an den Elektroden zusammen. Deren Größe wird auf der Basis einer Referenz-Elektrode definiert. Die Details vertiefen elektrochemische Merkmale, die hier nicht diskutiert werden sollen. Nicht wieder aufladbare Primärzellen bilden die maximale Anzahl von Ladungspaaren, sobald der Zerteilungs- und Rekombinationsprozess zum ersten Mal ins Gleichgewicht kommen. Die getrennten Ladungsträger verteilen sich über die Elektroden-Oberfläche (Ladungsdichte). Die flächenhafte Schicht der Ladungsträger in der Elektrode und die flächenhafte Schicht der Ladungsträger in der Lösung liegen sich auf Abstand gegenüber. Sie stellen sich mit ihrer Ladungsdichte und ihrem Abstand so ein, dass man insgesamt das charakteristische elektrochemische Potential feststellt. Wenn man die Oberflächen der Elektroden vergrößert, bleibt das gemessene Potential das gleiche. Die größere Zahl an Paaren mit getrennten Ladungen verteilt sich mit entsprechendem Schichtabstand über die größere Fläche, so dass das gleiche elektrochemische Potential entsteht. Die Zahl der Ladungspaare an der negativen Elektrode, die über die Zahl der Ladungspaare an der positiven Elektrode hinausgeht, legt die Kapazität der Zelle fest. Ermöglicht man einen Ladungsausgleich zwischen den Polen, indem man einen elektrischen Leiter zwischen beide schaltet, dann können mit der Zeit nur so viele Elektronen insgesamt fließen, wie im Überschuss enthalten sind (Bild 1.25). Bild 1.25: Stromfluss durch einen elektrischen Widerstand zwischen den Polen einer galvanischen Zelle Beim Stromfluss fließen Elektronen vom negativen zum positiven Pol und neutralisieren Kupfer-Ionen, die sich auf der Kupfer-Elektrode sammeln. Zink-Ionen sind nicht mehr gebunden und wandern frei in die Lösung. Ionen wandern durch die Membran, um den Gesamtausgleich zu schaffen. Computertechnik 27 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Durch die Änderung der Ladungsverteilung an den Elektroden nehmen die elektrochemischen Potentiale an den Elektroden, also die eingeprägte Spannung der Spannungsquelle, beim Betrieb ständig ab, bis eine unbrauchbare Spannung entstanden ist. Das tritt in aller Regel ein, bevor die Zelle vollständig entladen ist, also der vorhandene Ladungsüberschuss vollständig abgebaut ist. Die Stromstärke ist der Fluss einer Ladungsmenge ∆Q im Zeitintervall ∆t, also I = ∆Q / ∆t Wenn sich die Stromstärke I während der Betriebszeit t nicht ändert und dabei insgesamt die Ladungsmenge Q geflossen ist, dann ist die Stromstärke des konstanten Stroms I=Q/t Die Einheit der Stromstärke ist Ampere. Die Ladungsmenge, die bei einer Stromstärke von 1 Ampere während einer Sekunde geflossen ist, ist die Landungsmenge von einem Coulomb: 1 Coulomb = 1 Ampere . sec. Man gibt die Kapazität einer Zelle als Ladungsmenge Q beispielsweise in AmpereStunden an. Ist der von der Zelle gelieferte Strom konstant über der Zeit und steht die Ladungsmenge Q zur Verfügung, dann hat die Zelle eine Betriebszeit von t = Q / I. Das ist die Zeit bis zur unbrauchbaren Spannung. Spannungen in einem Stromkreis Wenn man bei Stromfluss (der entlang dem Stromkreis überall dieselbe Stärke hat) die Spannung an den beiden Polen der Spannungsquelle misst, dann stellt man fest, dass sie kleiner ist als die eingeprägte Spannung. Bei Stromfluss entsteht also ein Abfall der Spannung gegenüber der eingeprägten Spannung. Was ist die Ursache? Im beispielhaften Stromkreis in Bild 1.25 kann man in Flussrichtung der Elektronen mehrere Leiterabschnitte unterscheiden: zuerst fließen die Elektronen durch das Zink-Elektroden-Material, dann durch ein Stück Kupferleitung, dann durch das Widerstandsmaterial, dann wieder durch ein Stück Kupferleitung und schließlich durch das Kupfer-Elektrodenmaterial (Bild 1.26). Misst man die Spannung zwischen dem Endpunkt jedes Abschnitts und dem Minuspol, so stellt man fest, dass die Spannung von Messung zu Messung immer mehr abfällt, bis sie am Minuspol Null geworden ist. Die Differenzen der Messwerte an den Endpunkten der Leiterabschnitte bilden die Beträge der Spannungsabfälle, die durch jeden Leiterabschnitt verursacht werden. Dann stellt man fest, dass die Summe aller Spannungsabfälle gleich der eingeprägten Spannung ist: U0 = ∆U1 + ∆U2 + ∆U3 + ∆U4 + ∆U5 Computertechnik 28 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Kupferleitung ∆U2 =U2-U1 ∆U3 =U3-U2 R U2 U1 Cu Kupferleitung U3 U4 ∆U4 =U4-U3 Zn ∆U1 =U1-U0 + eingeprägte Spannung U0 ∆U5 =0-U4 Bild 1.26: Spannungen im beispielhaften Stromkreis: Minus-Pol als Bezugspunkt Dahinter verbirgt sich eine grundsätzlich gültige Bilanz. Während im elektrostatischen Fall die Arbeit zur Trennung der Elektronen von den Atomrümpfen nur einmal aufgebracht wird, muss sie in einer brauchbaren elektrischen Quelle ständig aufgebracht werden. Das bedeutet, die Quelle muss pro Zeiteinheit ∆t eine bestimmte Trennarbeit ∆W aufbringen, die als Energie der getrennten Elektronen auftritt. Der Quotient ∆W / ∆t heißt Leistung. Das Maß für die Energie eines einzelnen getrennten Elektrons ist die Spannung U. Wenn man ∆N Elektronen pro Zeiteinheit ∆t trennt, dann bringt man pro Zeiteinheit die Trennarbeit ∆W = U . ∆N . Elementarladung = U . ∆Q auf: ∆W / ∆t = U . ∆N . Elementarladung / ∆t = U ∆Q / ∆t = U . I Die von einer Quelle gelieferte Leistung ist das Produkt aus ihrer eingeprägten Spannung und dem gelieferten Strom. Jede Komponente des Stromkreises, durch den der gelieferte Strom fließt, verbraucht nun einen Teil der Leistung. Sein Anteil muss sich nach dem gleichen Produkt ergeben, also aus dem Produkt aus dem Spannungsabfall, den er verursacht, und dem Strom I. Die Bilanz muss sein: gelieferte Leistung gleich Summe der verbrauchten Leistungen. In allgemeiner Form lautet die Bilanz: bzw. bzw. U0 . I = ∆U1 . I + ∆U2 . I + …+ ∆Un . I U0 = ∆U1 + ∆U2 + …+ ∆Un U0 - ∆U1 - ∆U2 - …- ∆Un = 0 Computertechnik 29 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Mit anderen Worten: Die Leistungsbilanz erzwingt, dass die Summe aller Spannungen entlang dem Stromkreis Null ist. Diese Tatsache formuliert man mit einer Regel, die Vereinbarungen zu den Vorzeichen der Spannungen voraussetzt (Schleifen- oder Maschenregel, Bild 1.27). Zählt man die angelegte Spannung von Plus nach Minus als positiv und verfolgt in dieser Richtung den Strompfad, dann zählen die Teilspannungen, die in gleicher Richtung wirken, als positiv, und diejenigen, die in entgegen gesetzter Richtung wirken, zählen als negativ. Bild 1.27: Schema für die Anwendung der Schleifenregel Die Summe aller Spannungen entlang einer Schleife ist Null. Wenn man die angelegte Spannung vom Plus- zum Minus-Pol den positiven Umlaufsinn festlegt, dann muss man bei den Teilspannungen im Umlaufsinn zuerst auf den negativen Pol treffen; denn dann sind die Teilspannungen entgegen gesetzt gerichtet.. Die eingeprägte Spannung U0 steht für die Energie jedes Elektrons, die beim Wandern des Elektrons zum Plus-Pol abgegeben wird, wo es keine Energie mehr hat und einen Atomrumpf neutralisiert. Man kann also mit gutem Recht behaupten, dass die Spannung die Elektronen antreibt bzw. den Strom verursacht. Die Frage ist nun, wie groß der Strom ist. Dabei ist ein andere physikalische Tatsache maßgeblich; die man an allen Komponenten des beispielhaften Stromkreises feststellt: bei jeder Komponente sind der Strom durch die Komponente und die angelegte Spannung zueinander proportional. Das führt zur Definition des elektrischen Widerstands als Proportionalitätsfaktor in der Proportionalität: U=R.I Für jeden Spannungsabfall an einer Komponente gilt also: ∆Ui = Ri . I Computertechnik 30 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Für die Summe aller Spannungsabfälle heißt das: U0 = ∆U1 + ∆U2 +…+ ∆Un = R1 . I + R2 . I +…+ Rn . I = (R1 + R2 +…+ Rn ) . I Für die Spannungsquelle ergibt sich ein Gesamtwiderstand, der aus der Summe der Einzelwiderstände gebildet wird. Damit ergibt sich die Größe des Stroms. I = U0 / (R1 + R2 +…+ Rn ) Die hier festgestellten physikalischen Eigenschaften stellt man in einem symbolischen Schaltschema dar, das man Ersatzschaltbild nennt (Bild 1.28). R RCu RCu Ri + tatsächliche Spannung + zwischen den Polen - eingeprägte Spannung U0 Bild 1.28: Ersatzschaltbild mit Spannungsquelle und Innenwiderstand Das Ersatzschaltbild einer Gleichspannungsquelle fasst alle Widerstandskomponenten innerhalb der Spannungsquelle im sog. Innenwiderstand zusammen. Alle anderen Komponenten werden durch ihren Widerstand repräsentiert. Zusammen mit der eingeprägten Spannung stellt man damit in anschaulicher Form alle Größen zusammen, die die Strom- und Spannungsverhältnisse festlegen. Der Spannungsabfall in der Quelle ist im Beispielfall: ∆Ui = Ri / (2RCu + R). Computertechnik 31 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Netzteile als Gleichspannungsquellen Spannungsquellen bzw. Stromversorgungen für Personal Computer werden Netzteile genannt. Sie wandeln Wechselstrom in mehrere unterschiedliche Gleichspannungen um (Bild 1.29). Bild 1.29: Gleichspannungen an einem typischen Netzteilstecker Alle Spannungen haben einen gemeinsamen Pol. Alle Spannungen beziehen sich auf diesen gemeinsamen Pol. Er wird hier (in der englisch/amerikanischen Nomenklatur) mit Ground bezeichnet. Das soll ausdrücken, dass er üblicherweise mit der Erde verbunden (geerdet) ist. Der Bezugspol der Spannungen einer Stromversorgung hat das Bezugspotential. Durch den guten Leiter zur Erde nimmt es das Erdpotential an. Die Erdoberfläche kann (bis auf genau bestimmbare Ausnahmefälle) als idealer Leiter angesehen werden, in der zu jeder Zeit ein schneller und vollständiger Ladungsausgleich stattfindet. Erdet man einen Gegenstand, dann bezieht man den Ladungsausgleich zwischen Gegenstand und Erdoberfläche in den allgemeinen Ladungsausgleich auf der Erdoberfläche ein. Das nutzt man zu Schutzmaßnahmen, indem man berührbare Teile elektrisch leitende Teile einer Funktionseinheit, die sich gefährlich aufladen könnten, über ein Schutzleitersystem mit der Erde verbindet. Das Schutzleitersystem ist unabhängig von den Wechselstromleitern (drei Phasen-Leiter plus Neutral-Leiter). In den meisten elektrischen Einheiten (z.B. in Personal Computern) nutzt man das Schutzleitersystem, um auch das Bezugspotential an das Erdpotential zu binden. Üblicherweise wird mit der metallischen Verschraubung des Metallgehäuses auch eine leitende Verbindung zum Bezugspol hergestellt, was die Bezeichnung Ground begründet. Man bezeichnet elektrische Signale, deren Spannungswerte an das Erdpotential gebunden sind, als potentialgebunden. Wenn das nicht der Fall ist, heißen sie potentialfrei. Die Bindung eines elektrischen Signals an das Erdpotential vermeidet man immer dann, wenn sein Stromkreis einen Strompfad durch Verbindungen zur Erde oder sogar durch die Erde einschließt, der Störungen hervorrufen kann. Davon später Genaueres, z.B. bei Computernetzen. Computertechnik 32 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Eine andere Möglichkeit, das Bezugspotential zu binden, ist die Verbindung mit einem metallischen Leiter großer Masse, z.B. dem metallischen Gehäuse. Deshalb bezeichnet man das Bezugspotential auch oft als Masse. Sowohl die Bezeichnung Bezugspotential als auch die Bezeichnung Masse legen nicht fest, dass es auch eine Verbindung zur Erde gibt. Das muss man eigentlich zusätzlich angeben. In Schaltbildern werden deshalb auch verschiedene Symbole verwendet. Bezugspotential, Masse Erde Schutzleiter Schaltnetzteile Für Personal Computer bzw. Workstations werden üblicherweise Schaltnetzteile eingesetzt. Man unterscheidet primär und sekundär getaktete Schaltnetzteile. Bild 1.30 zeigt das Aufbauprinzip von primär getakteten Schaltnetzteilen. Bild 1.30: Aufbauprinzip von primär getakteten Schaltnetzteilen Zentrales Element bei der Umsetzung der Wechselspannung in Gleichspannung ist ein Transformator, der mit Hilfe einer magnetischen Kopplung eine zeitlich sich ändernde Spannung einer Eingangsspule (Primärseite) in ein oder mehrere zeitlich sich ändernde Spannungen an einer Ausgangsspule (Sekundärseite) wandelt. Die Netzspannung wird gleichgerichtet, d.h. die negativen Spannungsanteile werden durch Vorzeichenumkehr positiv gemacht. Danach wird ein ladungsspeicherndes Element (Kondensator) eingesetzt, dessen Spannung proportional zu seinem Ladungszustand ist. Die Kondensatorschaltung sorgt dafür, dass sich ein zeitlich konstanter Ladungsmittelwert bildet, der nur wenig im Takte der angelegten Spannung schwankt. Die am Kondensator erzeugte Spannung folgt diesem Ladungsverhalten. Diese „Fast-Gleichspannung“ wird mit Hilfe von elektronischen Schaltern zerhackt und der Primärseite des Transformators zugeführt. Auf der Sekundärseite erzeugt man dann wieder durch eine gleiche Funktionskette Gleichspannungen. Computertechnik 33 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Elektrotechnik Der Zweck des Zerhackens ist die Tatsache, dass man die Ausgangsspannung zurückführen kann und so für eine Regelung einsetzen kann, dass (in einem bestimmten Arbeitsbereich) die Ausgangsspannung vom Strombedarf unabhängig wird. Mit anderen Worten: man eliminiert die Wirkung des Innenwiderstands. Ein sehr wichtiger Aspekt beim Aufbau von Netzteilen, die den Gleichstrom aus Wechselstrom gewinnen, ist die Tatsache, dass es keine leitende Verbindung zwischen dem Wechselstomnetz und den erzeugten Gleichspannungen gibt (galvanisch getrennt) (Bild 1.31). Bild 1.31: Die galvanische Trennung zwischen der Primär- und der Sekundärseite eines primär getakteten Schaltnetzteils Bei sekundär getakteten Schaltnetzteilen wird die Zerhackung der gleichgerichteten Spannung auf der Sekundärseite des Transformators ausgeführt (Bild 1.32). Insgesamt entsteht ein geringerer Schaltungsaufwand als für die primär getakteten. Diese haben aber einen anderen Vorteil. Die Frequenz der transformierten Spannung ist im einen Fall 50Hz, im anderen ist die Frequenz 103 Mal höher. Das ist maßgeblich für die Baugröße der Trafos. Trafos für primär getaktete Netzteile können deutlich kleiner ausgelegt werden als die für sekundär getaktete; damit sind auch die Netzteile insgesamt kompakter und leichter zu bauen. Bild 1.32: Aufbauprinzip von sekundär getakteten Netzteilen Die Zerhackung des Wechselstroms hat natürlich Rückwirkungen ins Wechselstromnetz und muss dort kompensiert werden. Computertechnik 34 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Halbleitertechnik 1.5 Ausgewählte Grundlagen der Halbleitertechnik Atom- und Bändermodell Die Phänomene der elektrischen Leitfähigkeit von elektrischen Leitern beruhen auf atomaren Eigenschaften (Bild 1.33) Quelle für Teile folgender Bilder: Experimental Physik I, Uni Würzburg. Bild 1.33: Bahnen bzw. Energieniveaus im Bohr/Sommerfeld-Atommodell Die Bahnen bzw. Energieniveaus der Elektronen werden durch die Quantenzahl voneinander unterschieden, die aus einem Tupel von vier Werten besteht: Bahnnummer n (entspricht der alten Schalennummer), Form der Bahn l (z.B. Ellipse), Neigung der Bahn m und Spin s). Jedes Elektron eines Atoms hat eine eindeutige Quantenzahl, d.h. kein anderes Elektron des Atoms hat dieselbe. Das heißt auch, dass ein Elektron eine eindeutige Bahn bzw. ein eindeutiges Energieniveau hat bzw. dass ein Energieniveau nur mit einem einzigen Elektron besetzt ist. Die Übergänge im Energiezustand eines Elektrons sind wichtig, um die Strahlung zu erklären, was hier nicht vertieft wird. Hier geht es um die elektrische Leitfähigkeit in Festkörpern. Man muss also das Modell auf zwei (Bild 1.34) und mehr Atome erweitern. Bild 1.34: Aufspaltung der Energieniveaus im molekularen Verband Computertechnik 35 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Halbleitertechnik Im molekularen Verband spalten sich die Energieniveaus durch die gegenseitige Beeinflussung der Atome auf. In einem Festkörper bündeln sich die Energieniveaus der einzelnen Elektronen zu Energiebändern (Bild 1.35). Bild 1.35: Bänder von Energieniveaus in Festkörpern Mit Hilfe des Bändermodells kann man nun die elektrischen Eigenschaften von Festkörpern quantitativ gut beschreiben. Hier werden die Modelle nur für qualitative Aussagen herangezogen. Bänder können besetzt oder leer sein: das hängt vom Energiezustand der Elektronen im Festkörper ab. Maßgeblich ist das Band mit den höchsten Energieniveaus, das noch vollständig besetzt ist. Dieses Band wird als Valenzband bezeichnet. Das darüber liegende Band ist das Leitungsband (Bild 1.36). Bild 1.36: Bandmodell für die elektrische Leitung in Festkörpern Die Bewegung von Elektronen (Träger negativer Einheitsladung) ist nur im Leitungsband möglich. Das bedeutet, dass man einem Festkörper Energie zuführen muss, um Elektronen auf ein Energieniveau im Leitungsband zu „heben“. Es bedeutet auch, dass das umso schwerer ist, je größer der Abstand zwischen dem Valenzband und dem Leitungsband ist. Das aber ist eine Stoffeigenschaft. Bei guten elektrischen Leitern (Kupfer, Aluminium) ist der Abstand minimal oder verschwindet und bei schlechten Leitern (Isolatoren) ist er groß. Die Abstände für die sog. Halbleiter liegen dazwischen. In Metallen sind die äußeren Energieniveaus des Valenzbands nicht vollständig besetzt, da sich schon bei normalen Temperaturen genügend Elektronen im Leitungsband befinden. Weil man kein komplett gefülltes Valenzband hat, spricht man von Überlappung der Bänder (Bild 1.37). Der Grund dafür liegt im Atomaufbau, bei dem die Energieniveaus der äußeren Bahnen (Elektron in der äußeren Schale) sehr nahe an den unteren des Leitungsbandes liegen. Computertechnik 36 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Halbleitertechnik Bild 1.37: Valenz- und Leitungsband in Metallen Elektrische Leiter Kupfer ist ein guter elektrischer Leiter. Maßgeblich für die elektrische Leitfähigkeit ist die Tatsache, dass Kupfer nur ein einziges Atom in der äußeren Schale besitzt, das nur schwach an den Rest des Atoms gebunden ist. Schon sehr geringe Energie von außen (Wärmeenergie) bewirkt, dass das Elektron sich ungebunden frei bewegen kann und je ein Atomrumpf mit einer positiven Ladung übrig bleibt (Bild 1.38). Bild 1.38: Atom-Modell des Kupfers: schwache Bindung zwischen Rumpf und Elektron in äußerer Schale Als Festkörper tritt Kupfer in kristalliner Form auf. Im Kristall sind die Atome in einer typischen Weise angeordnet (kubisch-flächenzentrierte Struktur). Bild 1.39: Elementare Gitterstruktur von Kupfer Die „Clusterung“ dieser Idealstruktur beschreibt die Nahordnung in Kristalliten (Körnern) von Kupfer-Festkörpern. Durch Energiezufuhr lösen sich die Elektronen aus den Atomen (vom Valenzband). Computertechnik 37 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Halbleitertechnik Sie erreichen höhere Energieniveaus im Leitungsband, so dass sie durch Anlegen einer äußeren Spannung bewegt werden können. Ein ergänzendes Modell der Elektronenbewegung deutet die freien Elektronen als ein Elektronengas. Die Elektronen werden in Analogie zu den Molekülen eines Gases als frei beweglich gedacht und ihre Bewegungsenergie nimmt wie die der Gasmoleküle mit zunehmender Temperatur zu. Dieses Modell ist zur quantitativen Beschreibung unzureichend. Für qualitative Aussagen ist es aber hinreichend und wird im Folgenden benutzt. Bild 1.40: Repräsentatives Gitterelement mit einer beispielhaften Verteilung freier Elektronen Die freien Elektronen bewegen sich willkürlich im Gitter-Raum, und zwar umso mehr, je höher die Temperatur ist. Durch die willkürliche Richtung der Bewegung der Elektronen im Gitter gibt es keine „Vorzugsrichtung“ der Elektronen, also keinen Elektronenstrom. Dadurch, dass sich die Elektronen aus den äußeren Schalen lösen, bleiben Atomrümpfe mit 1+-Ladung zurück. Aber insgesamt ist die Zahl der negativen und der positiven Ladungen gleich groß, d.h. es herrscht ein elektrisch neutraler Zustand. Regeln zum elektrischen Stromfluss Sobald man einer Stelle des Festkörpers den positiven Pol eine Spannungsquelle legt und an eine andere Stelle den negativen Pol, erhält die Bewegung der freien Elektronen eine gemeinsame Richtung, und zwar zum positiven Pol (Bild 1.41). Der Fluss der Elektronen bildet den elektrischen Strom mit einer bestimmten Stromstärke, also mit einer bestimmten Menge von elektrischen Ladungen, die pro Zeiteinheit durch den Strompfad fließen. Auf der Ebene der Volumenelemente mit elementarer Gitterstruktur sind die Vorgänge mit Hilfe von theoretisch schlüssig begründeten Modellen erklärbar, die aber nur im Grundsätzlichen messtechnisch bewiesen sind. Die messtechnische Erfassung einzelner Vorgänge des Ladungstransports ist nicht möglich. Makroskopischer betrachtet, kann man an den Festkörpern messbare Größen erfassen: Spannung und Stromstärke. Die wesentliche Feststellung: Die Stromstärke ist entlang dem Strompfad überall gleich groß, d.h. es fließen in einer (frei gewählten) Zeiteinheit N Elektronen aus einem stromdurchflossenen Kristallausschnitt hinein. Genau so viele fließen heraus. Das muss so sein; denn es gibt weder „Erzeuger“ noch „Vernichter“ von Elektronen in dem Ausschnitt. Computertechnik 38 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Halbleitertechnik Bild 1.41: Beispielhafter Elektronenfluss durch einen repräsentativen KupferFestkörper, verursacht durch eine äußere Spannung: Detail an einem Volumenelement mit elementarer Gitterstruktur Im vorliegenden Beispiel gibt es nur einen einzigen zufließenden und einen einzigen abfließenden Strom. Gibt es mehrere zu- und abfließende Ströme an einem elektrisch leitenden Objekt, so gilt genauso: die Bilanz über alle Ströme muss Null ergeben, wenn es keine Erzeuger oder Vernichter von Ladungsträgern gibt. Das formuliert man als allgemein gültige Regel, wobei das Objekt, an dem die verschiedenen Ströme zu- und abfließen, Knoten genannt werden soll: Die Summe aller Ströme an einem Knoten ist Null. Zu- und abfließende Ströme gehen mit zueinander inversen Vorzeichen in die Bilanz ein. D.h., dass zu- und abfließende Ströme sich gegenseitig aufheben. Die ergänzende Regel, die den Zusammenhang zwischen der angelegten Spannung U und den Teilspannungen ∆Ui herstellt, ist schon eingeführt. Computertechnik 39 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Halbleitertechnik Bild 1.42: Spannungsverhältnisse in geschlossenen Strompfad-Schleifen Die Summe der Teilspannungen ∆Ui der leitenden Teilobjekte eines Strompfads ist gleich der eingeprägten Spannung. Die Regel gilt also auch dann, wenn man den Strompfad durch Materie verfolgt, wobei deren Eigenschaften der elektrischen Leitfähigkeit sich ändern können. Computertechnik 40 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Halbleitertechnik Der gleichwertige Fluss positiver Elementarladungen Beim Stromfluss bewegen sich die negativ geladenen Elektronen vom Minus-Pol (dem Pol mit einem Überschuss an Elektronen) zum Plus-Pol (dem Pol mit einem Mangel an Elektronen). Die physikalische Begründung dafür liegt nun vor. Theoretisch kann man aber auch einen anderen Standpunkt vertreten: man ersetzt den Fluss der negativen Elektronen durch einen Fluss von positiven Ladungsträgern in der Gegenrichtung. Positive Ladungsträger haben eine Elementarladung, die der eines Elektrons entgegengesetzt ist. Sie tragen sozusagen einen Mangel an einer negativen Elementarladung (Bild 1.43). Bild 1.43: Gleichwertiger Stromfluss von positiven Ladungsträgern Es kommt in der Zeiteinheit folgender Fluss von positiven Ladungsträgern zustande: Wenn N negative Elementarladungen abfließen, dann ist ein gleich großer Mangel an negativen Ladungsträgern entstanden, d.h. es sind N positive Ladungsträger hinein geflossen, oder physikalisch exakter: es sind N Atomrümpfe mit1+ übrig geblieben. Wenn N negative Ladungsträger hineinfließen, ist ein gleich großer Mangel am negativen Pol entstanden, d.h. es sind N positive Ladungsträger zum negativen Pol geflossen. Also zusammengefasst: es sind N positive Ladungsträger vom Plus-Pol zum Minus-Pol der Spannungsquelle geflossen. Man kann den Stromfluss auf zwei komplementäre Arten beschreiben: entweder als Fluss von negativen Ladungsträgern oder als (dazu inversen) Fluss von positiven Ladungsträgern. Hat man zwei zueinander inverse, aber gleichwertige alternative Stromrichtungen, dann muss man sich entscheiden, welche man als positiv und welche man als negativ zählt. In der Elektrotechnik ist es üblich, die Stromrichtung der positiven Ladungsträger als positiv zu zählen. Computertechnik 41 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Halbleitertechnik Elektrische Halbleiter Die Phänomene der elektrischen Leitfähigkeit von Halbleitern werden (wie bei Leitern) mit Hilfe des Atommodells erklärt. Silizium-Atome (oder auch Germanium-Atome) haben vier Elektronen in der äußeren Elektronenschale. Sie gehen mit anderen Atomen eine Bindung (Atombindung) ein, indem sich Elektronenpaare bilden. Elektronenpaare bestehen aus Elektronen, deren Quantenzahl sich nur im entgegen gesetztem Spin unterscheidet. Im Bahnmodell ausgedrückt: die Elektronen des Paares haben die gleiche Bahn auf der gleichen Schale, aber einen entgegen gesetzten Spin. Quelle für Teile der folgenden Bilder: R. Lindner, TU Darmstadt: http://www.gris.informatik.tu-darmstadt.de/~lindner/RTII-Web/Vorlesung/rt2-kapitel3_1.pdf Jedes einzelne Atom geht insgesamt 4 Elektronenpaar-Bindungen ein (Bild 1.44). Bild 1.44: Räumliches und ebenes Modell der Elektronenpaar-Bildung eines SiliziumAtoms Die Struktur-Regelmäßigkeit, die in der Nah- und der Fernordnung in einem SiliziumEinkristall gleich ist, ist mit Hilfe einer charakteristischen Elementar-Struktur der Atome erklärbar. Ein Atom verbindet sich durch vier Elektronenpaar-Bindungen mit vier Nachbar-Atomen (Bild 1.45). Bild 1.45: Räumliches und ebenes Strukturmodell der vollständigen ElektronenpaarBildung eines Silizium-Atoms und seiner vier Nachbar-Atome Eine Gruppe von 19 Atomen bildet eine Struktur, die als elementare Gitterstruktur für die Nah- und Fernordnung im Silizium-Einkristall gilt (Diamant-Struktur, Bild 1.46). Computertechnik 42 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Halbleitertechnik Bild 1.46: Elementare Gitterstruktur der Silizium-Atome eines Silizium-Einkristalls (im Quader liegende Atome ohne Punkt); Schema des ebenen Ladungsmodells (Matrix mit einem zusätzlichen Atom vervollständigt) Die Elektronen sind paarweise stark gebunden und die Paare binden die Atomrümpfe stark untereinander. Hochreines monokristallines Silizium enthält bei normaler Zimmertemperatur nur wenige Elektronen mit schwacher Bindung an die Atomkerne (Folgen der Zuführung von Wärmeenergie und von Unregelmäßigkeiten in der Struktur und von Verunreinigungen). (Bild 1.47) Bild 1.47: Bildung eines freien Elektrons durch Zuführung von Wärmeenergie Die Bindung eines Elektronenpaars wird überwunden und aufgelöst: der zurückbleibende Atomrumpf hat 5+. Es ist ein Nichtleiter mit einem sehr großen elektrischen Widerstand, d.h. eine angelegte Spannung erzeugt einen Strom mit einer vernachlässigbaren Stromstärke. Um die elektrische Leitfähigkeit zu erhöhen, muss man die Zahl der freien Elektronen erhöhen. Das geschieht dadurch, dass man Atome mit fünf Atomen in der äußeren Schale einbaut. Dann gehen vier davon eine Elektronenpaar-Bindung ein und das fünfte bleibt ungebunden, also frei. Geeignet sind Arsen- oder Phosphor-Atome. Computertechnik 43 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Halbleitertechnik Bild 1.48: Bildung von vier Elektronenpaaren und eines freien Elektrons beim Einbau eines fünfwertigen Atoms Das Einbringen dieser Atome geschieht entweder beim Herstellen der Siliziumschmelze oder dadurch, dass man die Wafer-Oberfläche an den gewünschten Stellen der gasförmigen Form des gewünschten Elements aussetzt. Dabei dringen Atome in die Oberfläche ein und bauen sich in die Struktur des Substrats ein. Der Vorgang wird Dotierung genannt. Da je ein eingebautes Atom ein Elektron spendet, werden die Atome Donatoren genannt. Die dotierte Zone heißt n-dotiert (n = negativ). Der Strom der freien negativen Elementarladungen erfolgt nach den gleichen Prinzipien wie in einem elektrischen Leiter (Bild 1.49). Bild 1.49: Elektronenfluss in einem Kristallausschnitt von n-dotiertem Silizium Detail in einem Volumenelement mit elementarer Gitterstruktur: 5 Donator-Atome eingebaut: 2 Elektronen fließen in der Zeiteinheit ab und werden durch 2 zufließende ersetzt. Computertechnik 44 Jacob Ausgewählte Grundlagen der Halbleitertechnik Die Dotierung ist in aller Regel so stark, dass ein sehr guter Leiter entsteht. Der Strom im Stromkreis muss deshalb durch einen Widerstand begrenzt werden. Die Bezeichnung Halbleiter soll die Tatsache wiedergeben, dass Silizium im nicht dotierten Zustand ein schlechter Leiter und im dotierten Zustand ein guter Leiter ist. Im Falle einer Dotierung mit Atomen, die nur 3 Atome in der äußeren Schale haben, fehlt ein Elektron zur Bildung eines Elektronenpaares. Geeignet sind Indium-, Boroder Selen-Atome. Bild 1.50: Bildung von drei Elektronenpaaren und eines Mangel-(Defekt-)Elektrons beim Einbau eines dreiwertigen Atoms Im Bild 1.50 ergibt sich folgender Strom von Ladungsträgern: Im vorliegenden Fall wird die Bewegung der Elektronen von oben nach unten unterstützt, d.h. oben ist der negative Pol, unten der positive Pol einer angelegten Spannungsquelle. Eine Spannungsquelle erzeugt ein elektrisches Feld, das eine Kraft auf die negativen Ladungsträger im Feld ausübt, die zum Pluspol gerichtet ist. Je größer diese Kraft ist (d.h. je größer die angelegte Spannung ist), umso eher geht ein Elektron aus einer Elektronenpaar-Bindung in die Fehlstelle über, die der Fehlstelle benachbart ist (durchgezogene Elektronenbahn). Damit ist die Fehlstelle (Loch) in umgekehrter Richtung gewandert, die wiederum durch ein nächst benachbartes Elektron besetzt werden kann, das aus seiner Paarbindung gelöst wird usw. (gepunktete Elektronenbahnen). In einem Leiter wie Kupfer wandern die Elektronen und hinterlassen ionisierte Atomrümpfe. Dem Pfad des Wanderns eines Elektrons entspricht eine rückwärts hinterlassene Spur von positiv zurückgelassenen Rümpfen, was man als Wandern eines positiv geladenen Ladungsträgers in umgekehrter Richtung interpretieren kann. Dieser positive Ladungsträger ist aber fiktiv, weil es ihn physisch nicht gibt und damit auch keine physische Fortbewegung festgestellt werden kann. Hier gibt es nun bewusst in die atomare Struktur eingebaute Stellen, die eine negative Elementarladung aufnehmen können. Ein Mangel an einer negativen Ladung entspricht einer positiven Elementarladung. In diesem Sinne bedeutet das Wandern von Löchern auch eine echte Fortbewegung von positiven Ladungsträgern (Löcherleitung). Computertechnik 45 Jacob Das Funktionselement Transistor Im Falle der freien Elektronen in n-dotiertem Silizium wirkt die Kraft durch das elektrische Feld auf bindungslose Elektronen. Hier nun muss man für die Bewegung eines Elektrons zuerst Energie aufwenden, um die Bindung aus dem Elektronenpaar aufzulösen, bevor es frei wird und ein benachbartes Loch besetzen kann, was gleichzeitig den Ortswechsel des Lochs in das aufgebrochene Elektronenpaar bewirkt. Diese Bewegung eines Loches ist schwerer zu erreichen als die Bewegung eines Elektrons im Falle der n-Dotierung. Man spricht auch von einer geringeren Beweglichkeit der Löcher. Da je ein eingebautes Atom eine Fehlstelle (Loch) liefert, die von einem Elektron besetzt werden kann, werden die Atome auch Akzeptoren genannt. Die dotierte Zone heißt p-dotiert (p = positiv), weil die Fehlstelle einen Mangel an einer negativen Elementarladung bedeutet, also eine positive Elementarladung. 1.6 Das Funktionselement Transistor Der Transistor ist das maßgebliche elementare Schaltelement der Computertechnik. In diesem (eingeschränkten) Sinn wird er im Folgenden eingeführt. Genauso wichtig ist die Anwendung als Verstärker-Element. Das ist aber Gegenstand von allgemeiner gültigen Einführungen. Bei einem Schaltelement gibt es immer auslösende und ausführende Teilfunktionen. Als Beispiele können manuell betätigte Schalter bzw. Relais dienen. Beim manuellen Schalter ist die auslösende Aktion die Betätigung des Schalthebels. Die Bewegung des Schalthebels verändert die Stellung eines Kontaktes, der einen Stromkreis öffnet oder schließt. Der Schalthebel mit der Bewegungsübertragung erfüllt die auslösende Aufgabe. Der Kontakt erfüllt die ausführende Aufgabe. Tatsächlich verändert der Kontakt beim Schalten den Widerstand im Stromkreis. In der einen Stellung ist der Widerstand sehr groß, in der anderen Stellung sehr klein. Das ist die eigentliche Schaltfunktion. Beim Relais wird bei der auslösenden Aktion der Strom durch eine Magnetspule ein- oder ausgeschaltet. Eine Magnetspule zieht dabei einen Kontakt an oder sie lässt ihn los. Dadurch, dass sich die Stellung des Kontaktes verändert, kann ein Stromkreis geöffnet oder geschlossen werden. Ein Transistor enthält ebenfalls eine auslösende und eine ausführende Teilfunktion. Die ausführende Funktion beruht - genau so wie in den Beispielen mit Kontakten auf einer Veränderung des elektrischen Widerstandes. Aber die physikalische Realisierung ist anders. Im Folgenden wird die physikalische Funktion eines NMOSTransistors genauer beschrieben. Der polierte Wafer ist hochreines Silizium, das (im Falle eines NMOS-Transistors) schon bei der Herstellung schwach p-dotiert wird. Die gewünschte Transistorfunktion erhält man dadurch, dass man eine ganz bestimmte Dotierungsstruktur in die Waferoberfläche einprägt (Bild 1.51). Computertechnik 46 Jacob Das Funktionselement Transistor Bild 1.51: Ausschnitt einer Waferoberfläche für die Realisierung eines Transistors Man überzieht den Wafer zuerst mit einer Glasschicht (Siliziumoxid) und dann mit einer Fotoschicht. Man unterscheidet Verfahren, bei denen die belichteten Stellen der Schicht beim Entwickeln verschwinden, und Verfahren, bei denen die belichteten Stellen beim Entwickeln erhalten bleiben. Entsprechend wird die Maske angefertigt, die beim Belichten die gewünschten Strukturen in die Fotoschicht einprägt. Im Beispiel werden die belichteten Teile beim Entwickeln frei gelegt. Die nichtbelichtete Fotoschicht bleibt erhalten und wirkt als Schutz beim nachfolgenden Abtragen der Glasschicht, z.B. durch chemisches Ätzen (Bild 1.52). Bild 1.52: Abbildung des Maskenbilds auf die Fotoschicht Beschichtungen und Die freiliegende Glasschicht wird abgetragen, die geschützte Glasschicht bleibt erhalten. Man hat die Maskenstruktur in die Glasschicht eingeprägt (Bild 1.53). Bild 1.53: Für die Dotierung vorbereitete Glasschicht Computertechnik 47 Jacob Das Funktionselement Transistor Das Alles ist die Vorbereitung für den Dotierungsprozess. Die so vorbereitete Waferoberfläche wird einer Atmosphäre mit dem gasförmigen Dotierungsstoff ausgesetzt. Die Bewegungsenergie der Gasatome bestimmt die Fortschrittsgeschwindigkeit des Diffusionsprozesses. Bild 1.54: Die Dotierung durch Diffusion Nach Entfernen der unbrauchbar gewordenen Glasflächen und Aufbringen des Leiterbahnmaterials, das (voneinander galvanisch getrennte) Leiterbahnen zu den maßgeblichen drei Zonen erzeugt, hat man die für einen NMOS-Transistor gültige Struktur erzeugt. Bild 1.55: Das Strukturschema eines NMOS-Transistors im senkrechten Schnitt Die Schichtung ist von oben nach unten: Metall-SiliziumOxid-Silizium, was zur Bezeichnung MOS zusammengefasst wird. Zwischen den Dotierungswannen entsteht ein schmaler, nicht negativ dotierter Zwischenraum. Das ist der entscheidende Bereich für die Schaltfunktion des Transistors. Angenommen, man versucht einen Stromkreis zu bilden, der über die beiden ndotierten Zonen führt (Bild 1.56). Bild 1.56: Stromkreis ohne Stromfluss über die beiden n-dotierten Zonen Computertechnik 48 Jacob Das Funktionselement Transistor Die Zone zwischen den beiden n-dotierten Zonen enthält nicht genügend Elektronen für einen Stromfluss. Sie wirkt wie ein sehr großer Widerstand. Es herrscht die Spannung U zwischen den Rändern der n-dotierten Zonen bzw. der am Plus-Pol liegenden Zone und dem Substrat-Anschluss. Aber es fließt kein Strom. Erst wenn es gelingt, zwischen den n-dotierten Zonen für eine Ansammlung von freien Elektronen zu sorgen, wird ein Stromfluss möglich; anders ausgedrückt: der Widerstand wird so gering, dass ein Strom fließt. Wie man das bewirken kann, ergibt sich aus folgender Schaltung (Bild 1.57). Bild 1.57: Ein ergänzender Stromkreis über den dritten Anschluss und das Substrat Es wird ein weiterer Stromkreis über den dritten Anschluss und das Substrat hinzugefügt, der wahlweise über ein Schaltelement an die beiden Pole der Spannungsquelle geschaltet werden kann. Im Bild 1.57 stellt das Schaltelement eine solche Verbindung her, dass eine Schleife ohne Spannungsquelle entsteht, d.h. es herrschen 0 Volt zwischen dem dritten Anschluss und dem Substrat. In der anderen Stellung wird aber die Spannung der Spannungsquelle zwischen den beiden wirksam. Das löst einen besonderen Effekt aus. Es fließen Elektronen am dritten Anschluss ab, und zwar an der Grenzfläche zur Glasschicht, und sie wandern zum Plus-Pol der Spannungsquelle. Gleich viele Elektronen fließen vom Minus-Pol der Spannungsquelle über das Substrat zu dessen Grenzfläche an der Glasschicht, indem Löcher aus dem pdotierten Substrat Richtung Minuspol der Spannungsquelle fließen. Es sammeln sich entgegengesetzt geladene Ladungspaare in den beiden Grenzschichten: ein (vom Elektron verlassener) positiv geladener Atomrumpf auf der einen Seite, ein dem weggewanderten entsprechendes Elektron auf der anderen Seite. Je mehr solche Paare sich sammeln, umso größer wird die durch sie erzeugte Spannung. Wenn diese Spannung gleich derjenigen der Spannungsquelle ist, hört der Stromfluss auf. Dieser qualitativ geschilderte Vorgang entspricht dem Aufladevorgang eines Kondensators. Die Glasschicht wirkt mit den angrenzenden Leitern als Kondensator. Das Ergebnis des Aufladevorgangs ist eine Schicht von Elektronen, die von der einen n-dotierten Zone zur anderen reicht (Elektronenbrücke). Damit sind im Zwischenraum genügend freie Elektronen für den Stromtransport im Hauptstromkreis. Computertechnik 49 Jacob Das Funktionselement Transistor Bild 1.58: Elektronenbrücke zwischen den n-dotierten Zonen für den Stromfluss im Hauptstromkreis eines NMOS-Transistors Der Strom der Elektronen erfolgt vom Source-Anschluss zum Drain-Anschluss. Der dritte Anschluss wird Gate genannt, weil seine Steuerspannung (wie beim Öffnen und Schließen eines Gattertors) den Strom im Hauptstromkreis zulässt (positive Versorgungsspannung) oder nicht (0 Volt). Mit Hilfe des Schaltelements sollte die Einprägung der Steuerspannung plausibel gemacht werden. Im Ersatzschaltbild des Transistors interessiert nicht die Darstellung der Methode, wie die Steuerspannung hergestellt wird, sondern nur ihr Wert (Bild 1.59). Der Minus-Pol der Spannungsquelle wird als Bezugspunkt genommen. Als Spannungsbezeichnung ist Vdd (Voltage drain drain) üblich. Bild 1.59: Ersatzschaltbild und Ersatzschaltung des NMOS-Transistors Mit der Gate-Spannung kann man die Spannung an Drain steuern: • eine positive Gate-Spannung erzeugt einen Stromfluss von Vdd zum Bezugspunkt. Weil der Widerstand zwischen Drain und Source sehr gering ist, ist auch der Spannungsabfall zwischen Drain und dem Bezugspunkt sehr gering, praktisch 0 Volt; • die Gate-Spannung 0 Volt macht den Widerstand zwischen Drain und Source sehr groß, d.h. an Drain liegt Vdd. Die Schaltung realisiert einen Inverter, ein Beispiel für ein wichtiges Element einer integrierten Schaltung. Computertechnik 50 Jacob Gefertigte MOS-Transistoren 1.7 Gefertigte MOS-Transistoren Der Schnitt durch einen beispielhaften gefertigten Transistor zeigt die Übereinstimmung mit den schematischen Schnitten und die maßgeblichen Größen (Bild 1.60). Man erkennt einen symmetrischen Aufbau. Die schwarzen Bereiche rechts und links unten sowie oben in der Mitte sind die Zonen für den Anschluss von Leiterbahnen. Es gibt zwei charakteristische Größen für die Leistungsfähigkeit eines Fertigungsprozesses: die physikalische Gatelänge, die gemäß dem aufgebrachten elektrisch leitenden Gate-Material den Abstand zwischen den beiden stabilisierenden „Seitenstützen“ angibt (im Bild 1.60: 70 nm) und die effektive Gatelänge, die den Abstand zwischen den Rändern des Source- und des Drain-Bereiches angibt (im Bild 1.60: 130 nm). Bild 1.60: Schnitt durch einen Transistor Der Prozess wird von Intel gemäß der effektiven Gatelänge 130 nm Prozess genannt. Die Transistorfunktion als gesteuerte Änderung eines Widerstandes Ein Transistor ist eine Einheit mit drei Polen: Source, Drain, Gate. Source und Drain sind die Anschlusspunkte auf dem Substrat. Legt man zwischen Source und Drain eine Spannung an, so wirkt die Substrat-Zone dazwischen als ein variabler elektrischer Widerstand. Die Spannung am Gate steuert die Größe des Widerstandes in der Substrat-Zone. Das hat dem Transistor auch den Namen gegeben: transfer resistor. In der Digitaltechnik sind eigentlich nur zwei Zustände des Widerstandes maßgeblich: • Widerstand sehr groß: es fließt also kein Strom durch die Zwischenzone, • Widerstand sehr klein: es kann Strom durch die Zwischenzone fließen; begrenzt wird er durch der Widerstand im Stromkreis der zu- und abführenden Leitungen. Beim Übergang der Gate-Spannung von 0 Volt auf den positiven Endwert fließen negative Ladungsträger über das Gate ab zur Spannungsquelle und von dort zum Zwischenraum zwischen dem n-dotierten Source- und Drain-Bereich hin. Beim Übergang der Gate-Spannung auf 0 Volt fließen die negativen Ladungsträger im umgekehrten Sinn vom Zwischenraum zwischen Source- und Drain-Zone zum Gate zurück. Computertechnik 51 Jacob Schaltungsbeispiel: SRAM-Speicherzelle Die Schnelligkeit des Umschaltens eines MOS-Transistors Maßgeblich dafür, dass beim Übergang kleine Ströme in kurzer Zeit fließen, ist das Funktionselement, das von der Glasschicht und den an sie unmittelbar angrenzenden Zonen gebildet wird, also der Gate- sowie der gegenüberliegenden Substrat-Zone. Die Größe der Fläche, die sich in den begrenzenden Zonen gegenüber liegen, und ihr Abstand, also die Dicke der Glasschicht, bestimmen, wie viele Ladungen sich maximal sammeln können; denn Fläche und Abstand bestimmen die Kapazität eines Kondensators. Man versucht also, die Glasschicht möglichst dünn und den Zwischenraum zwischen den n-dotierten Source- und Drain-Zonen möglichst schmal zu machen, um eine kurze Schaltgeschwindigkeit zu erreichen. Diese ist maßgeblich für die Arbeitsgeschwindigkeit der Schaltung, die mit einer Vielzahl solcher Transistoren aufgebaut wird. Die Glasschicht ist im Schliffbild (Bild 1.60) kaum erkennbar, weil sie nur einige Nanometer dick ist. Der wesentliche Vorteil der MOS-Technologie ist, dass der Flächenbedarf der gefertigten Transistoren immer kleiner, d.h. dass die Transistordichte auf einem Chip immer größer gemacht werden kann (large scale integration = LSI, very large scale integration = VLSI). Dass damit auch eine Vergrößerung der Umschaltgeschwindigkeit verbunden ist, ist ein angenehmer Begleiteffekt. Außer der Technologie der MOS-Transistoren gibt es noch die der bipolaren Transistoren, die aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften vom Prinzip her schneller sind als MOS-Transistoren. Aber sie haben prinzipiell einen größeren Flächenbedarf als MOS-Transistoren. Verstärkerfunktion Der sehr kleine Strom, bei dem wenige Elektronen zwischen dem Gate und dem Zwischenraum zwischen Source- und Drain-Bereich in sehr kurzer Zeit verschoben werden (Verschiebungsstrom), hat eine „große Wirkung“: der „geschaltete“ Strom zwischen Source und Drain ist wesentlich größer. Kleine Ursache, große Wirkung: das deutet auf eine andere grundsätzliche Funktion von Transistoren hin: die Verstärkerfunktion. Sie ist eine der wichtigsten Funktionen der Transistoren, die für die Analogtechnik konzipiert werden. 1.8 Schaltungsbeispiel: SRAM-Speicherzelle Die Transistoren werden zum Aufbau von Schaltungen mit einer bestimmten Funktion eingesetzt. Die Funktion erreicht man durch eine zweckdienliche elektrische Verbindung der Pole der Transistoren. Aus diesem Blickwinkel ist nicht mehr die Physik eines einzelnen Transistors interessant, sondern die geeignete Bildung der Leiterbahnen. Das ändert auch die Methoden der Veranschaulichung. Bei der Festlegung der Transistorfunktionen sind Schnitte maßgeblich. Bei der Festlegung von Schaltungsfunktionen sind die Aufsichten zur Festlegung der Leiterbahnen (Bild 1.61). Computertechnik 52 Jacob Schaltungsbeispiel: SRAM-Speicherzelle Bild 1.61: Aufsicht auf eine SRAM-Speicherzelle mit 6 Transistoren (Intel 130 nm Prozess. Der Bereich der Transistoren ist rot markiert. Man erkennt die weißgrauen Leiterbahnen der elementaren Verbindungsstruktur zwischen den Transistoren im Substrat, deren Aufsicht durch die Leiterbahnen teilweise verdeckt ist. Die Funktion dieser Speicherzelle wird bei der Erklärung der Speichersysteme noch einmal genau erläutert. Bild 1.62: Aufsicht auf eine SRAM-Speicherzelle mit Markierung je eines Schnitts durch einen NMOS-Transistor, exemplarische Vergrößerung eines Schnitts Bild 1.62 zeigt mit Hilfe von Schnittlinien und einer exemplarischen (schematischen) Vergrößerung die Funktionszonen der NMOS-Transistoren. Die Leiterbahnen bilden ein Netz von Linien, die bei komplexen VLSI-Schaltungen in mehreren Ebenen realisiert werden (multilayer). Die Transistoren im Substrat können nur so eng beieinander liegen, wie die minimale Distanz der Leiterbahnen bei der Fertigung sein kann. Sie ist (wie schon gesagt) ein grundsätzliches Merkmal des technologischen Fortschritts. Computertechnik 53 Jacob Die minimale auflösbare Strukturbreite 1.9 Die minimale auflösbare Strukturbreite Bei der Herstellung einer integrierten Schaltung wird die Struktur mit Hilfe von Masken eingeprägt. Die Herstellung und Anwendung dieser Masken legt die Grenzen für die Mindestgrößen des Abstandes und der Breite der Leiterbahnen fest (Bild 1.63). Bild 1.63: Struktur der Leiterbahn-Schichten eines ICs (Intel 130 nm Prozess) Die hohen Anforderungen an die Fertigung von integrierten Schaltungen werden noch deutlicher, wenn man sich die Strukturen im Schnitt ansieht. Er zeigt den schichtenweisen Aufbau sowie die Größe und Abstände der metallischen Strukturelemente (Bild 1.64). Bild 1.64: Schnitt durch die Schichten eines ICs (Intel 130 nm Prozess) Die Abstände in der Leiterbahn-Ebene 1, die der elementaren Verbindung der Transistoren dient, sind am engsten. Dort entscheidet entweder der minimale Flächenbedarf der Transistoren oder die minimale Strukturbreite, wie eng die Transistoren beieinander liegen können. Dort entscheidet sich also der Integrationsgrad der Chips, die mit dem durch diese Größen charakterisierten Herstellungsprozess gefertigt werden können. 1.10 Die Entwicklung der Speicher-ICs und Mikroprozessoren Die augenfälligste Revolution, die durch die Fortschritte der Halbleitertechnologie entstand, ist die Miniaturisierung der Komponenten von Computern, nämlich der Prozessoren und der Speicher (Bild 1.65, Quelle: Intel). Computertechnik 54 Jacob Die Entwicklung der Speicher-ICs und Mikroprozessoren Bild 1.65: Entwicklung der Transistor-Dichte von Prozessor- und Speicher-Chips, Speicherkapazität in Bits Die Entwicklung der Transistordichte nach 2002 ist noch zügiger als in der Vergangenheit, nämlich eine Verdopplung der Transistordichte pro Jahr (Bild 1.66) Bild 1.66: Die Entwicklung der Transistor-Dichte nach 2002: Verdopplung pro Jahr Das darf aber nicht den Blick auf die nahe liegenden Probleme verstellen: man nähert sich dem atomaren Bereich. Doch zuerst ein Blick auf die vergangene Entwicklung. Computertechnik 55 Jacob Die Entwicklung der Speicher-ICs und Mikroprozessoren Blick in die Vergangenheit Der erste marktbeherrschende Ansatz, zentrale Prozessorfunktionen eines Computers als großintegrierten IC zu realisieren, war der Mikroprozessor 8080 von Intel. Da es geeignete Speicher-ICs schon gab und bald solche ICs folgten, die den Datenverkehr mit Peripheriegeräten unterstützten, entstand in kürzester Zeit eine neue Klasse von Computern: die Mikrocomputer. Die Entwicklung der Computertechnik wurde seit diesem Start maßgeblich von der Weiterentwicklung der großintegrierten Prozessoren bestimmt. Dabei waren zu Beginn durchaus mehrere IC-Hersteller im Rennen. Neben INTEL gab es maßgebliche IC-Hersteller wie AMD, IBM, NATIONAL SEMICONDUCTORS, MOTOROLA, TEXAS INSTRUMENTS. Dass Intel heute die mächtigste Rolle unter ihnen hat, liegt an der eigenen Erfindungs- und Herstellerkraft und an der erfolgreichen Allianz mit dem Software-Hersteller MICROSOFT auf dem Massenmarkt der PCs. Der Mikroprozessor 8086/8088 brachte Ende der 70er Jahre den entscheidenden Durchbruch zum Personal Computer, dem Computer für Jedermann. Der Ruhm der ersten Idee wird immer mit dem Firmennamen APPLE verbunden sein, die breite Durchsetzung des Konzeptes mit dem Namen IBM. IBM stellte 1982 sein PC-Konzept IBM-PC/XT auf der Basis des Prozessors 8088 von INTEL vor. Alle Details des inneren Aufbaus des Computers wurden offen gelegt. Damit war ein Quasi-Standard geschaffen. Dieser Computer wurde zum Urvater vieler Anwendungen in der Industrie und im Büro. Computer wurden bis Ende der 70er Jahre vor allem von zahlungskräftigen Institutionen der Industrie und der öffentlichen Hand angewandt. Da Computer teuer waren, versuchte man auf einem einzelnen Computer möglichst viele Aufgaben zu konzentrieren. Mit dem Erscheinen der Mikrocomputer setzte der umgekehrte Trend ein. Die Aufgaben wurden wieder einzeln gesehen und mehreren Computern kleinerer Leistung zugeordnet. Das brachte - mit angepasstem Aufbau - die Klasse der Microcomputer auch in industrielle Anwendungen. Es folgten weitere PC-Generationen, über den IBM-PC/AT mit dem Mikroprozessor 80286 zu den PCs mit den Mikroprozessoren 80386 und 80486. Die Entwicklung jeder neuen PC-Generation unterlag immer der Forderung, dass Anwenderkomponenten, die für die vorhergehenden Generationen entwickelt worden waren, auf den PCs der neuen Generation weiterhin einsetzbar sind. Diese Forderung nach Kompatibilität wird von Entwicklern neuer Systeme häufig als Hemmnis betrachtet, von Anwendern aber als notwendiger Investitionsschutz. Umso mehr muss man bei den Weiterentwicklungen bewundern, mit welchen Ideen die Entwickler neue Leistungen ermöglichen, ohne alte Vorgaben zu verletzen. Computertechnik 56 Jacob Die Entwicklung der Speicher-ICs und Mikroprozessoren Mit dem 80486 war eine Leistungsstufe erreicht, die nahe an den Prozessoren lag, die aufgrund ihrer Struktur und der Taktraten leistungsfähiger waren als die damaligen Personal Computer auf der Basis der Intel-Prozessoren und als Workstations bezeichnet wurden. Der nächste Schritt, der Pentium-Prozessor, brachte Intel den Einbruch in die Domäne der Workstation-Leistungsklasse. Die Pentium-Prozessoren gehören zur sog- IA-32-Architektur. Die Itanium-Prozessoren gehören zur IA-64-Architektur. Während die Pentium4-Prozessoren noch mit einer Prozessor-Wortbreite von 32 Bit arbeiten, haben die Itanium-Prozessoren eine Prozessorwortbreite von 64Bit. Das ist die Wortbreite, mit der die WorkstationProzessoren der Konkurrenz von Intel (Sun und Hewlett-Packard) in Workstations schon arbeiteten, als die PCs mit Hilfe der Pentium4-Prozessoren immer leistungsfähiger wurden. Mit den Itanium-Prozessoren drang Intel dann endgültig in den Workstation und Server-Markt ein. Die Leistungsfähigkeit von Prozessoren kann man dadurch verbessern, dass man die Programmlaufzeit durch schnellere Verarbeitung der Befehle verringert und dadurch kürzere Programmbearbeitungszeiten erzeugt. Der methodische Ansatz zur Verkürzung der Verarbeitungszeit der Befehle ist die sog. Fließband-Struktur (pipeline). Je kürzer die Verarbeitungszeit pro Verarbeitungsstufe ist, umso höher kann die Taktrate eingestellt werden, so dass mehr verarbeitete Objekte pro Zeiteinheit das Fließband verlassen. In diesem Sinne wurde der Leistungsumfang der Verarbeitungsstufen der Pentium4-Prozessoren verringert und die Zahl der Verarbeitungsstufen erhöht. Das ist die Grundlage für die Vergrößerung der Taktrate. Zur Zeit setzt Intel weniger auf die Verbesserung der Leistungsfähigkeit durch Vergrößerung der Taktrate als auf die Strategie, Simultanarbeit mehrerer autonomer Prozessorkerne auf einem Chip (Dual/Multi-Core Chips, Bild 1.67). Bild 1.67: Doppel-Prozessor-Chip (Pentium D bzw. Pentium XE) Computertechnik 57 Jacob Die Entwicklung der Speicher-ICs und Mikroprozessoren Blick in die Zukunft Für die nahe Zukunft wird ein konkretes Ziel ins Auge gefasst: der 20nm-Transistor (Bild 1.68). Die Siliziumoxid-Schicht beträgt nur noch 12 Angström, was etwa drei Atomlagen im Kristallgitter entspricht. In diesen Größenordnungen werden die Anforderungen an die Genauigkeit des Herstellungsprozesses so groß, dass man an die Grenzen der Beherrschbarkeit stößt. Bild 1.68: Die zukünftige Miniaturisierung von MOS-Transistoren Die Glasschicht beim 20 nm Transistor hat eine Dicke von etwa 12 Angström. Das entspricht drei Atomlagen. Im atomaren Bereich ergeben sich die Grenzen der Silizium-Technologie und man muss nach Alternativen suchen. Die Prognose in Bild 1.66, dass dabei eine Verdopplung der Transistordichte pro Jahr möglich ist, ist eine hoffnungsvolle Prognose aus der Sicht von Intel. Computertechnik 58 Jacob