D ie Nordse e Naturraum und Wirtschaftszone Zustand und Entwicklung 2006–2007 Berichte des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie N r. 5 1 / 2 0 1 3 In der Reihe „Berichte des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie“ werden Themen mit Dokumentationscharakter aus allen Bereichen des BSH veröffentlicht. Durch die Publikation nimmt das BSH zu den Inhalten der Beiträge keine Stellung. Die Veröffentlichungen in dieser Berichtsreihe erscheinen nach Bedarf. Die Nordsee im Internet: www.bsh.de (Menü: Produkte R Bücher R Berichte des BSH) © Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Hamburg und Rostock 2013 www.bsh.de ISSN-Nr. 0946-6010 Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des BSH reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Inhaltsverzeichnis 3 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2 Der Zustand der Nordsee in den Jahren 2006–2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.1 Atmosphärische Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.2 Meeresphysikalische Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3 Belastungen der Nordsee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3.1 Einträge durch Seeschifffahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3.2 Einträge durch Flüsse und Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3.3 Trends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3.4 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 4 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Einleitung 1 Einleitung Steigender Schiffsverkehr durch eine Zunahme des globalen Welthandels, boomende Kreuzfahrtbranche und neue maritime Industrien wie die Offshore Windenergie führen zu einer zunehmenden Nutzung der Meere. Damit ist eine wachsende Belastung des marinen Ökosystems verbunden. Dabei gehört besonders die Nordsee im Bereich der Deutschen Bucht zu den weltweit am stärksten beanspruchten Meeresregionen. Die International Maritime Organization (IMO) ist bemüht, durch Erarbeitung international gültiger Regelungen eine Balance zwischen Schutz und Nutzung der Meere herzustellen. In der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) wird ein erstrebenswerter Umweltzustand formuliert, der durch die Entwicklung geeigneter Strategien und Maßnahmen erreicht werden soll. Wesentliche Grundlage und Voraussetzung der Zustandsbewertung der Nordsee sind die vom BSH routinemäßig erhobenen hydrographischen und chemischen Messungen. Sie erlauben Rückschlüsse auf den Zustand der Meeresumwelt und zeigen u. a. die Folgen des Klimawandels auf. Sie helfen aber auch, den Umfang des Eintrags von Schadstoffen aus der Luft, den Flüssen und dem Hinterland, sowie der Schifffahrt selbst, zu bewerten und Hinweise für eine notwendige Reduzierung solcher Einträge zu geben. Abb. 1: RV Celtic Explorer in schwerer See (Mit freundlicher Genehmigung des irischen Marinen Instituts) 5 6 Einleitung Mit seinen aktuellen Beobachtungsdaten und Analysen leistet das BSH einen erheblichen Beitrag zur Sicherheit der Seeschifffahrt. Informationen zu Strömungen, Wellenhöhen, Wasserstand oder Eisgang unterstützen die Nautiker in ihrer Schiffsführung. Die Umweltüberwachung des BSH erfasst die Belastung durch bekannte Schadstoffe und schafft so eine Datengrundlage zur Bewertung der Wirksamkeit von Reduktionsmaßnahmen. Daneben werden neue stoffliche Belastungen identifiziert und eine Informationsbasis für die Weiterentwicklung von Schutzmaßnahmen geschaffen. Das vorliegende Dokument bietet einen kompakten Überblick über den Nordseezustand in den Jahren 2006 und 2007 und stützt sich dabei auf fundierte Analysen und Bewertungen, die unter dem Titel „System Nordsee“ in der Publikationsreihe „Berichte des BSH“ als Nr. 49 veröffentlicht wurden. Der Zustand der Nordsee in den Jahren 2006–2007 Der Zustand der Nordsee in den Jahren 2006–2007 2 Der Zustand der Nordsee in den Jahren 2006–2007 Seegang, Wasserstand, Strömungen, Wassertemperaturen, Salzgehalte und Eisverhältnisse beeinflussen Küstenschutz, Schifffahrt, Offshore-Aktivitäten sowie die Meeresumwelt. Der Zustand der Nordsee ist sehr variabel und vielfältigen Belastungen ausgesetzt, die das marine Ökosystem beeinflussen. Es bedarf einer ständigen Beobachtung des Systems, da dieser höchst empfindliche Lebensraum auf kleinste Veränderungen stark reagieren kann. 2.1 Atmosphärische Bedingungen Das Wettergeschehen bestimmt im Wesentlichen den physikalischen Zustand der Nordsee. Änderungen der Atmosphäre haben Auswirkungen auf das Meer und können zu einer Änderung der räumlichen Verteilung von Schad- und Nährstoffen führen, was einen negativen Einfluss auf die Lebensbedingungen der Pflanzen- und Tierwelt mit sich bringen kann. Die 12-monatige Periode von Juli 2006 bis Juni 2007 war nicht nur für die Nordsee, sondern auch für die Nordhemisphäre insgesamt wärmer als jedes Abb. 2: Windrichtung und -geschwindigkeit im 10-Minuten-Mittel in Knoten (kn) bei Orkan „Tilo” am 9. 11. 2007 mittags. Erläuterung: pink: Bft 12 (ab 118 km/h) rot: Bft 11 und 12 (103 bis 117 km/h) orange: Bft 8 bis 10 (62 bis 102 km/h) 7 8 Der Zustand der Nordsee in den Jahren 2006–2007 Kalenderjahr der vergangenen 130 Jahre. Hauptursachen hierfür waren ungewöhnlich starke und großräumige Hitzewellen im Juli 2006 und das extrem hohe Sturmtiefaufkommen im Herbst/Winter, welches zu einer verstärkten Zufuhr milder atlantischer Meeresluft führte. Die jahreszeitlichen Temperaturen von Herbst 2006 bis Frühling 2007 erreichten vielfach Rekordwerte. Die Temperatur der Nordseeregion lag ständig um zwei Grad, die der Deutschen Bucht um drei Grad über dem vieljährigen Mittelwert (Bezugsperiode 1971–1993). Herbst und Winter waren mit einem ungewöhnlich hohen Sturmaufkommen (54 Sturmtage) verbunden und lagen damit praktisch gleichauf mit den extremen Häufungen von 1989/90 (57 Sturmtage) und 1994/95 (56 Sturmtage). Am 18. Januar 2007 zog der Orkan „Kyrill“ über Deutschland hinweg. EU-weit forderte er fast 50 Menschenleben und verursachte volkswirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe. Die Orkane „Britta“ (1. November 2006) und „Tilo“ (9. November 2007) lösten schwere Sturmfluten aus, die zu erheblichen Deichschäden und Sandabtragungen vor allem im ostfriesischen Insel- und Küstenraum führten. 2.2 Meeresphysikalische Bedingungen 2.2.1 Wassertemperatur und Salzgehalt Das Jahresmittel der Nordseeoberflächentemperatur lag sowohl 2006 als auch 2007 auf der erstmals 2002 erreichten Rekordhöhe von 11,0 °C. Die Mitteltemperatur für die Zeitspanne Juli 2006 bis Juni 2007 (vgl. Abb. 3) übertraf diesen Höchstwert um weitere 0,6 Grad und lag damit außergewöhnlich weit über dem Jahresmittel der Bezugsperiode 1971–1993 von 9,9 °C. Nach einem relativ kalten Frühjahr 2006 wurde während der Gesamtaufnahme der Nordsee im August eine außergewöhnlich warme Deckschicht vorgefunden, die jedoch von so geringer Stärke war, dass der Gesamt-Wärme-Inhalt der Nordsee sogar leicht unter dem 10-Jahresmittel lag, während er im Sommer 2007 leicht über dem Mittel lag. Das von Norden einströmende atlantische Wasser mit einem Salzgehalt von mehr als 35 (das sind 35 g Salz pro Kilogramm Meerwasser) drang ganzjährig bis 55,5° N nach Süden vor. Der gesamte Salzinhalt lag nur geringfügig unter dem langjährigen Mittel 2000–2009. Das extrem hohe Sturmaufkommen im Herbst/Winter 2006/07 hatte zur Folge, dass im Jahr 2007 das atlantische Wasser von Norden her bis auf 54,2° N vordrang. Gleichzeitig schob sich eine Zunge atlantischen Wassers aus dem Kanal in die südliche Nordsee. Der gesamte Salzinhalt im Sommer 2007 entsprach dem 10-Jahresmittel der vergangenen Dekade. Der Zustand der Nordsee in den Jahren 2006–2007 Abb. 3: Jahresgänge 2006/2007 der über die Nordsee gemittelten wöchentlichen Oberflächentemperaturen mit Ensemble der Jahresgänge seit 1971 sowie langjährigen Monatsmitteln (1971–1990) und zwischenjährlichen Standardabweichungen (Kreisradius). 2.2.2 Eisgang An der deutschen Nordseeküste traten im betrachteten Zeitraum keine nennenswerten Schifffahrtsbeschränkungen durch Eisvorkommen auf. Im Winter 2005/06 dauerte der als „schwach“ klassifizierte Eiswinter bei Eisdicken von 5–20 cm, die ausschließlich an der nordfriesischen Küste auftraten, knapp eine Woche an. Im Winter 2006/07 blieb die deutsche Nordseeküste vollständig eisfrei. Die durch verstärkte Westwinde bedingten geringen Abkühlungsraten reichten bei dem hohen Wärmegehalt des Meerwassers der Deutschen Bucht nicht aus, um zu Winterbeginn den Gefrierpunkt zu erreichen. 9 10 Der Zustand der Nordsee in den Jahren 2006–2007 2.2.3 Seegang, Gezeiten und Wasserstand Die mittleren Wellenhöhen lagen 2006 und 2007 häufig über den entsprechenden Werten der Vorjahre. Bei den Sturmereignissen „Britta“ und „Tilo“ kam es am 1. November 2006 und 9. November 2007 in der südlichen Nordsee zu außergewöhnlich großen signifikanten Wellenhöhen (die durchschnittliche Höhe des obersten Drittels der während eines bestimmten Zeitraums beobachteten Wellenhöhen) von mehr als 10 m (siehe Abb. 4b) und maximale Wellenhöhen von 17–18 m, die u. a. auch Schäden an der Forschungsplattform FINO-1 55 km nördlich von Borkum verursachten. Vor der ostfriesischen Küste wurde am 1. November 2006 noch eine signifikante Wellenhöhe von 9,8 m gemessen. Eine solch große Höhe war bisher noch nicht beobachtet worden. Im betrachteten Zeitraum haben sich die Gezeiten, der Windstau oder die Sturmfluthäufigkeit nicht signifikant verändert. Die Anzahl der Sturmfluten lag nur geringfügig über dem Mittel der Jahre 1951–2007. Die Veränderung des relativen mittleren Meeresspiegels bewegte sich weiter im Rahmen des langjährigen Anstiegs von etwa 20 cm pro Jahrhundert. Abb. 4a, b: Seegang an der Forschungsplattform FINO 1 am 1. November 2006 während des Orkans „Britta“ Der Zustand der Nordsee in den Jahren 2006–2007 2.2.4 Strömung Die Oberflächenzirkulation der Nordsee war in den Jahren 2006 und 2007 über längere Zeiträume hinweg nur schwach ausgeprägt und nicht über längere Zeiträume stabil. Der Herbst/Winter 2006/07 stellte hier aufgrund des höchsten Sturmaufkommens zwischen 1948 und 2010 eine Ausnahme dar. Nordseeweit bildete sich eine starke zyklonale (gegen den Uhrzeigersinn drehende) Oberflächenströmung aus. Im Februar 2007 kam diese Zirkulation jedoch durch vorherrschende Südwinde wieder zum Erliegen. Der über lange Zeit reduzierte Baltische Ausstrom bahnte sich mit sehr hoher Intensität seinen Weg in die nördliche Nordsee. In der Deutschen Bucht trat, auf den Referenzzeitraum 2000–2009 bezogen, das zyklonale Strömungsmuster in diesem Jahr mit der geringsten Häufigkeit auf, während das antizyklonale (rechts drehende) Muster eine Rekordhäufigkeit von 71 Tagen (vergleichbar mit 2004) erreichte. 11 Belastungen der Nordsee Belastungen der Nordsee 3 Belastungen der Nordsee 3.1 Einträge durch Seeschifffahrt Meeresverschmutzungen werden zu einem großen Teil von Öleinträgen hervorgerufen, von denen die meisten von illegalen Einleitungen von Bunkerölresten stammen. Bei der Bestimmung von Einzelsubstanzen wurden im Meerwasser wie auch im Sediment Ölbestandteile nachgewiesen. Einzelne erhöhte Konzentrationen im Wasser ließen auf akute Verschmutzungen schließen. Quellen für die erhöhten Konzentrationen im Sediment in der Nähe einer Hauptschifffahrtsroute konnten nicht eindeutig identifiziert werden. Die räumliche Verteilung der Schadstoffe macht deutlich, dass diese zusätzlich auch durch Fluss- und atmosphärische Einträge ins Meer gelangen, wobei die gemessenen Stoffmuster auf Verbrennungsrückstände aus fossilen Brennstoffen hinwiesen. Eine weitere potentielle Schadstoffquelle stellen Schiffsanstriche dar, die eine Ansiedlung von Pflanzen und Tieren auf Schiffsrümpfen verhindern sollen. Mit dem 2008 wirksam werdenden Verbot von organozinnhaltigen Schiffsanstrichen kommen schon seit einiger Zeit vermehrt kupfer-, irgarol- und diuronhaltige Anstriche zum Einsatz. Dem zufolge hat die Belastung durch organozinnhaltige Substanzen in den letzten Jahren stark abgenommen, während nunmehr alle Ersatzstoffe im Wasser der Deutschen Bucht eindeutig nachgewiesen werden konnten. Das starke Eintragssignal aus der Elbe macht es allerdings schwierig, die von der Schifffahrt durch die Verwendung der Ersatzstoffe verursachte Belastung von der, die durch andere Anwendungen herbeigeführt wurde, zu unterscheiden. Punktuelle Einträge von Gefahrstoffen durch Schiffsunfälle fanden in den Jahren 2006 und 2007 nicht statt und die durchgeführten Untersuchungen lieferten auch keine Hinweise auf andere nicht bekannte punktuelle Einträge. 13 14 Belastungen der Nordsee Abb. 5: Unterschiedliche Quellen der Nähr- und Schadstoffeinträge in die Meeresumwelt. 3.2 Einträge durch Flüsse und Luft Heute sind die landseitigen Einträge der Nähr- und Schadstoffe wesentlich bedeutender als die Direkteinträge durch Schifffahrt, Offshore-Industrie oder illegale Verklappung. Für die meisten Stoffeinträge durch die Flüsse zeigen sich von der Küste zur offenen See hin abnehmende Konzentrationsgradienten. 3.2.1 Nährstoffe Die Nährstoffgehalte an den Küsten und in der Deutschen Bucht entsprechen im Januar 2006 und im Januar 2007 denen der Vorjahre. Die Phosphatgehalte erreichen in der äußeren Deutschen Bucht den von der OSPAR-Kommission angestrebten Orientierungswert von 0,6 µmol/L, während im Küstenwasser ca. 60 % höhere Werte gemessen wurden (Abb. 6 oben). Hohe Stickstoffkonzentrationen (Abb. 6 unten) zeigen eine nach wie vor erhebliche Nährstoffbelastung an. Die Einträge aus der Landwirtschaft und aus Haushalten, die früher hauptsächlich über die Flüsse in die Nordsee gelangten, sind rückläufig. Gleichzeitig nehmen atmosphärische Einträge wie z. B. der Niederschlag der Schiffsemissionen aus der Luft an Bedeutung zu. Belastungen der Nordsee Concentration [µmol/L] 3 Phosphate 2 1 0.6 µmol/L 0 36 // 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 Concentration [µmol/L] 80 DIN 60 40 20 0 12 µmol/L 36 // 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 Abb. 6: Zeitserien der winterlichen Phosphat- und DIN-Konzentrationen (DIN-gelöste anorganische Stickstoffverbindungen) im Küstenwasser der Deutschen Bucht mit 95 % Vertrauensbereich. Die schwarzen Linien geben den angestrebten Orientierungswert von 0,6 µmol/L (Phosphat) bzw. 12 µmol/L (DIN) an. 3.2.2 Organische Schadstoffe Die Verteilungsmuster der meisten Stoffe weisen primär auf Einträge durch Elbe und Rhein hin. Das Nordseewasser wies jedoch für viele Schadstoffe, bedingt durch diffuse Einträge, auch eine deutliche Hintergrundbelastung aus. Die Verteilung flüchtiger Substanzen deutete auf Einträge aus der Luft hin. In der Kategorie der klassischen Schadstoffe lagen die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, die hauptsächlich bei der Verbrennung von Holz, Kohle, Öl, Diesel und Tabak in die Umwelt gelangen und zum großen Teil krebserregend sind, mit hoher Konzentration an erster Stelle. Die Gesamtbetrachtung zeigte jedoch, dass in der Deutschen Bucht höchste Konzentrationen von „neuen“ Stoffen wie Pestizide und Korrosionsschutzmittel gemessen wurden. Auch sehr beständige fluorhaltige Tenside, die aus vielfältigen Anwendungen in Haushalt und Industrie stammen, wurden erstmals nachgewiesen. 15 16 Belastungen der Nordsee Abb. 7: Konzentrationen neuer Schadstoffe (fluorhaltige Tenside: PFOA, PFOS) in einem Sedimentkern aus dem Skagerrak (57° 48’ N, 8° 00’ E) vom August 2005 im Vergleich zu „klassischen“ Schadstoffen (chlorierte Kohlenwasserstoffe: CB153, pp’-DDD und HCB). 3.2.3 Metalle Besonders belastet durch die Elemente Quecksilber, Cadmium, Blei, Kupfer und Zink im Wasser der Deutsche Bucht waren das Elbeästuar und die Mündungsgebiete von Weser und Ems (vgl. Abb. 8). Die Schadstoffkonzentrationen überschritten während des Berichtszeitraums nahezu im gesamten Untersuchungsgebiet die natürlichen Hintergrundwerte, blieben aber unter den ökotoxikologisch begründeten, durch nationale und internationale Regelungen festgelegten Grenzwerten. Die Metallbelastung im feinkörnigen Oberflächensediment erreichte dagegen entlang der nordfriesischen Küste Gehalte, die negative biologische Effekte verursachen könnten. Dabei waren für alle untersuchten Metalle erhöhte Konzentrationen in Küstennähe zu verzeichnen, während küstenfern vermehrt Hintergrundbelastungen gemessen wurden. Eine Ausnahme bildete Blei, das in der gesamten Deutschen Bucht Werte oberhalb der Umweltqualitätsnormen zeigte. Belastungen der Nordsee Abb. 8: Räumliche Verteilung der Metalle Cadmium (Cd), Kupfer (Cu), Quecksilber (Hg), Nickel (Ni), Blei (Pb), und Zink (Zn) im Oberflächenwasser (10 m) im Januar 2006. 3.2.4 Radioaktive Stoffe Gegenüber früheren Jahren wiesen die Verteilungen der Aktivitätskonzentrationen der Radionuklide (Radiocäsium, Radiostrontium, Tritium und einige Transurane) in der Deutschen Bucht geringe Unterschiede auf. Die Konzentrationen lagen wenig über denen im Oberflächenwasser des Nordatlantiks, die auf den globalen Fallout atmosphärischer Kernwaffentests zurückzuführen sind. Im Vergleich zum Küstenbereich leicht erhöhte Konzentrationen von Radiocäsium in der nordwestlichen Deutschen Bucht kamen durch resuspendiertes Material aus dem hochbelasteten Sediment der Irischen See zustande. In den Konzentrationsverteilungen von Strontium 90 war ein deutlicher Eintrag aus der Elbe erkennbar. In der Elbe und in ihrem Mündungsbereich wurden erhöhte Transuran-Konzentrationen gemessen, die nicht auf den globalen Fallout oder den Beitrag lokaler Quellen zurückzuführen sind. Ein Erklärungsmodell könnten Transportprozesse entlang der Tideelbe sein. Radionuklide finden sich in der Nordsee nur in solch geringer Konzentration, dass ihre Anreicherung in der Nahrungskette zzt. weder für die Pflanzen- und Tierwelt noch für die Menschen eine Gefahr darstellt. 17 18 Belastungen der Nordsee 3.3 Trends Die vom BSH durchgeführten Meeresuntersuchungen wiesen für das Vorkommen der Elemente Kupfer und Nickel im küstennahen Wasser zwischen 2003 und 2007 eine zunehmende Tendenz auf. Die Messwerte lagen jedoch sehr deutlich unter den Grenzwerten, bei denen Auswirkungen auf Pflanzen und Tierwelt erkennbar werden. Die Ablagerung von Elbesedimenten aus dem Hamburger Hafen auf Deponieflächen in der Deutschen Bucht führte zu einer begrenzten Zunahme der Metallgehalte in der Feinkornfraktion des Oberflächensediments an den Ablagerungsorten. Allerdings ist davon auszugehen, dass diese lokalen Einträge nur einen zeitlich und räumlich begrenzten Einfluss auf die Metallgehalte im Meerwasser haben. Im Sediment der äußeren Deutschen Bucht wurden zwischen 1998 und 2007 signifikante abnehmende Metallbelastungen ermittelt. Nur in der inneren Deutschen Bucht wird seit 1999 eine deutlich höhere Variabilität der Quecksilbergehalte beobachtet. Das Verbot bestimmter Pestizide zeigt Wirkung, da die Konzentration dieser Stoffe im Meer eine abnehmende Tendenz aufweist. Aufgrund natürlicher Schwankungen oder zu kurzer Beobachtungszeiträume konnten bei vielen organischen Schadstoffen keine Trends festgestellt werden. 3.4 Bewertung Die in den Jahren 2006 und 2007 gemessenen Konzentrationen der einzelnen Schadstoffe (organische Schadstoffe, Metalle, Radionuklide) lagen unterhalb der Werte, bei denen Auswirkungen auf Pflanzen und Tierwelt erkennbar werden, aber fast immer oberhalb der natürlichen Hintergrundwerte. Da aber wesentliche Bewertungskriterien wie Kombinationswirkungen und chronischtoxische Effekte fehlen, besteht eine Unsicherheit bezüglich der Auswirkungen auf das Ökosystem. Die Bestimmung und Evaluation geeigneter Effektgrenzwerte für marine Ökosysteme ist nach wie vor Gegenstand der Forschung und wissenschaftlichen Diskussion. Ausblick Ausblick 4 Ausblick Maßnahmen zur Reduzierung von Schadstoffen und das Verbot besonders umweltbelastender Stoffe zeigen positive Wirkung. Trotzdem bedarf es ständiger Überwachung der Zustandsänderungen der Nordsee. Nur so kann die Wirksamkeit von internationalen und schifffahrts- und umweltrelevanten Übereinkommen überprüft und damit verbundene Maßnahmen bewertet und ggf. angepasst werden. Um den Anforderungen durch neue Belastungen gerecht zu werden, bedarf es zusätzlicher Forschungs- und Entwicklungsarbeit. So wird eine belastbare Informationsbasis geschaffen, die eine wesentliche Grundlage für Entscheidungsträger zur Ausgestaltung zukünftiger Abkommen und der damit verbundenen Maßnahmen darstellt. Deshalb muss sichergestellt sein, dass das BSH weiterhin ausreichend eigene Daten erhebt und zusammen mit Daten anderer Institutionen die Langzeitreihen fortführt und seine Überwachungsaufgaben erfüllt. 19