M E D I Z I N DISKUSSION Funktionelle Darmbeschwerden Das Reizdarmsyndrom (Colon irritable) Ergänzung notwendig Ihr Artikel bedarf einer Ergänzung, um nicht den Eindruck zu erwecken, daß diese Darmbeschwerden mit „erheblicher Bedeutung in der ambulanten ärztlichen Versorgung“ durch „Aufklärung, Beratung, psychoedukative Maßnahmen, Entspannungsverfahren und intensiver psychosomatischer Behandlungstechniken“ zu beheben sind. Dies kann für einige Fälle möglich sein. Zumeist handelt es sich aber um eine schwere Erkrankung mit verschiedenen Ursachen, die unter dem Namen „WegerSyndrom“ zusammengefaßt wurden. Innere Neurodermitis, ulzeröse Entzündung der Schleimhäute vom Mund bis zum After mit/ohne Allergie. Ursache: Als Stufe 3 der Allergie = innere Neurodermitis (1. Auge, Nase, 2. Mund, Rachen, 3. Darm, 4. Lunge, 5. Haut) oder durch Umweltgifte, Schwermetalle, Arsen und anderen Giften aber am häufigsten durch Antibiotika verursachte Störung oder Zerstörung der normalen Darmflora kommt es zur Besiedelung des Darmes mit pathogenen Keimen (Candida albicans, glabrata, verschiedene Streptokokken, auch aureus, Clostridien). Deren Stoffwechselprodukte werden über die ulzerös geschädigten Schleimhäute resorbiert und schädigen von innen her das Immunsystem. Diese Toxine will der Körper rasch durch vermehrte Darmperistaltik ausscheiden. Dadurch passiert die Nahrung rasch den Dünndarm und gelangt unverdaut in den Dickdarm, wo die Nahrung, insbesondere Eiweiß nicht mehr verdaut, sondern nur noch vergoren werden kann. Als Gärungsprodukte entstehen dabei auch giftige Gase wie zum Beispiel Methane, H2S und andere Gifte, die auch in den Körper aufgenommen werden und das Immunsystem zusätzlich vergiften. Über die ulzerös entzündete Darmschleim- haut werden „angedaute Fremdpeptide“ (Allergene) resorbiert (normal nur Aminosäuren) und können Ursache für MCS (Multiple Chemical Sensitivity), CFS (Chronical Fatigue Syndrome), „idiopathische Anaphyllaxie“ oder andere allergische Erkrankungen sein. Symptome: Übelkeit, Brechreiz (andauernd „kotziges Gefühl“), unangenehmer Geruch im Mund und auf der Haut nach „faulen Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med. Hans-Christian Deter und Prof. Dr. med. Martin Wienbeck in Heft 33/1998 Eiern“, langzeitige Ernährungsstörungen, Nahrungsmittelallergie, Obstipation, unterbrochen durch langzeitigen Durchfall mit extremen, kolikartigen Bauchschmerzen, Meteorismus, Dehnungsschmerz im Bereich des Dünn- und Dickdarmes (wie bei Bulimie), Appetitlosigkeit. Abdomen schmerzhaft gespannt, Abwehrspannung wie bei Appendicitis, ohne Lokalisierung. Intuitiv kommt es zu Eiweißunverträglichkeit, eiweißfreier Ernährung (Ekel gegen Eiweiß, weil es Symptome verstärkt). Die Folge ist Atrophie der gesamten Muskulatur mit starker Gewichtsabnahme, wobei sich die Muskelzellen verkleinern, sowie am Herzen (Herzmuskelatrophie als häufigste Todesursache) und Eiweißmangel im Hirn. Die pathogenen Keime aus dem Darm breiten sich in den Bauchorganen aus und führen zu Infekten der Leber, Harnblase, Prostata, Uterus, Vagina, Pankreas. Diagnose: Nachweis der pathogenen Keime im Stuhl, Blase, Vagina, Uterus (dadurch Sterilität), erhöhte Werte für BKS, Lymphozyten, B- und T-Zellen, Gamma-GT, Alpha-Amylase, Kupfer und Eisen, erniedrigte Werte für Alpha-1-Antitrypsin, Leukozyten, Ma- gnesium, Kalium, Selen, Bio-Elemente, Vitamine (B-Vitamine) mit beschriebenen Symptomen. Therapie: Gründliche und langzeitige stationäre Darmsanierung, allgemeine und spezifische Entgiftung, danach Substitution mit lebenden, magenresistent verabreichten Keimen der normalen Darmflora, aktive und passive Des-Immunisierung bei gestörtem Immunsystem. Heilung ist möglich. DD.: Bulimie, Morbus Crohn, Roemheld-Syndrom, SigmaDiverticulose, Colitis ulcerosa, Ulcus duodeni. Ich hoffe, daß Sie sich meiner Meinung insoweit anschließen können, daß bei den oft sehr leidenden Patienten mit Erkrankungen im Darmbereich eine kollegiale Zusammenarbeit erforderlich ist. Es kann nicht ärztlich verantwortet werden, daß der Gastroenterologe die Operation des Dickdarms veranlassen muß, um mit der durch Gärung im Dickdarm verursachten Kolik fertig zu werden und der Psychiater nur durch gute Gespräche dieses Leiden heilen will. Begleitende Psychotherapie führen wir durch, zum Teil so, wie in Ihrem Artikel aufgeführt wird, aber erst nachdem die Ursachen der Erkrankungsart diagnostiziert und ursächlich therapiert wurden. Prof. Dr. med. Nikolaus P. Weger Pharmakologe, Toxikologe Rhenanus-Euro-MedicaFachklinik Am Gradierwerk 4 37242 Bad Sooden-Allendorf Schlußwort Die Frage welche Krankheit bei Patienten mit irritablem Kolon vorliegt, führt nicht nur bei den betroffenen Patienten zu Unsicherheiten in der Diagnosestellung, sondern auch Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 18, 7. Mai 1999 (55) A-1211 M E D I Z I N DISKUSSION bei den beteiligten Ärzten, weil die Symptome der Erkrankung so verwirrend vielgestaltig, zeitweilig wechselnd und inkonstant sind. Ob wie der Kollege Weger schreibt, eine Entzündung der Darmschleimhaut mit entsprechenden immunologischen Folgen vorliegt, die durch Allergene oder Umweltgifte hervorgerufen sein könnte, muß natürlich ausgeschlossen werden. Wichtig erscheint uns, daß man eine solche allergische Reaktion auf Nahrungsmittel oder anderes nicht mit der Diagnose Reizdarm verwechselt, der als funktionelle Störung zu verstehen ist. Die Patienten klagen immer wieder über Nahrungsunverträglichkeiten, die partiell mit Diäten bekämpft werden. Bei genauerer Anamnese, beziehungsweise durch ein Eßprotokoll, lassen sich aber oft eine ganze Reihe anderer auslösender Bedingungen eruieren, die nur teilweise mit der Art der Nahrung oder mit Aspekten der Verdauung, dagegen oft mit Eß- und Lebensgewohnheiten und nicht selten mit psychosozialen Belastungen im Zusammenhang gesehen werden können. Hierbei wird deutlich, daß bei diesen Patienten eine auf den Darm bezogene Schmerz-, beziehungsweise Überempfindlichkeit besteht, die manchmal hypochrondrisch ausgestaltet wird und sich auf andere Körperbereiche ausdehnen kann. In diesen Fällen dürfte eine gründliche und langzeitige Darmsanierung unseres Erachtens nicht ausreichen. Wie in unserem Artikel ausgeführt, sind die Aspekte ei- ner guten internistischen und psychosomatischen (Ausschluß-)Diagnostik, die ambulante Langzeitbetreuung durch einen in der psychosomatischen Grundversorgung erfahrenen Kollegen und gegebenenfalls die rechtzeitige Überweisung zum psychosomatischen Speziaisten, das Mittel der Wahl. Prof. Dr. med. Hans-Christian Deter Fachbereich Humanmedizin Universitätsklinikum BenjaminFranklin Freie Universität Berlin Klinik und Poliklinik für Psychosomatik, Psychotherapie und Allgemeinmedizin Hindenburgdamm 30 12200 Berlin Die chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten des Hypoplastischen Linksherzsyndroms Maßlos verärgert Ich habe gerade in meiner Praxis eine Schwangerschaft mit hypoplastischem Linksherzsyndrom betreut und die Enttäuschung, das Leiden und die Trauer der Eltern nach dem Tod des Kindes miterlebt. Die Eltern haben sich nach eingehender Beratung in zwei Universitätsabteilungen gegen eine chirurgische Therapie entschieden. Was mich an dem Artikel so maßlos ärgert, ist die durchsichtige Intention, die Operation nach Norwood als das Normale darzustellen und damit die Entscheidung gegen chirurgische Interventionen moralisch negativ zu beurteilen. Zu dieser Ansicht komme ich, weil einerseits die von den Autoren genannte kumulative Letalität der Operationen von („bis zu 50 Prozent“) weit von dem abweicht, was mir aus der Kinderkardiologie Aachen mitgeteilt wurde (80 bis 95 Prozent)“, andererseits die Spätsterblichkeit nicht in Zahlen angegeben wird, sondern etwas verheimlichend als „nicht zu vernachlässigend“ bezeichnet wird. Die menschenverachtende Absicht, nicht eine ethische, individuelle Zu dem Beitrag von Priv.-Doz. Dr. med. Michael Weyand, Priv.-Doz. Dr. med. Dennis Kececioglu, Dr. med. Anne Schulze-Everding, Dr. med. Frank Louwen, Dr. med. Tonny Tjan, Dr. med. Norbert Roeder, Priv.-Doz. Dr. med. Dieter Hammel, Prof. Dr. med. Johannes Vogt, Prof. Dr. med. Hans Heinrich Scheld in Heft 37/1998 A-1212 (56) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 18, 7. Mai 1999 Entscheidung der Eltern zu ermöglichen, sondern Stimmung zu machen für die operative Intervention demaskiert sich in dem Satz: „muß [. . .] ein Gespräch mit den Eltern erfolgen, [. . .] um so das Einverständnis für ein operatives Vorgehen zu erhalten“. Bei aller Begeisterung für die operativen Erfolge der Autoren sollte doch vor der Annahme eines Artikels sowohl der sachlich-medizinische Gehalt als auch die gesellschaftlich-ethische Tragweite beurteilt werden. Dies ist ein Vorwurf, der sich sowohl gegen die Autoren in ihrer Betriebsblindheit als auch gegen die Redaktion des Deutschen Ärzteblattes richtet. Dr. med. Hubert Meier Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Brucknerallee 87 41236 Mönchengladbach ! M E D I Z I N DISKUSSION Schicksalhafte Erkrankung? In Anbetracht des erheblichen Aufwandes – nicht nur aber auch chirurgischer Art – für das Ziel einer endgültigen Palliation verwundert mich die Aussage der Autoren, daß das Hypoplastische Linksherzsyndrom heute nicht mehr als schicksalhafte Erkrankung betrachtet werden sollte. Gerade vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren erzielten kardiochirurgischen und kinderkardiologischen Verbesserungen muß eine fortbestehende nennenswerte Mortalität und langfristige Morbidität der Patienten auch Anlaß zu detaillierten Überlegungen über realistisch erreichbare Endpunkte der derzeit möglichen Therapie sein. Norwood – Fontan – Transplantation – Retransplantation? Dr. Martin A. G. Lewin Kinderkardiologie Wacholderweg 16 70794 Filderstadt Schlußwort Auch für uns sind Situationen, in denen wir trotz großen Engagements des gesamten Teams an unsere Grenzen stoßen und feststellen müssen, daß wir nicht helfen können, sehr schmerzlich. Dies ganz besonders dann, wenn es um den Tod eines Kindes geht. Aus diesem Grund haben wir auch Verständnis für die große Betroffenheit des Kollegen Dr. Meier. Die Intention unseres Übersichtsartikels war es, den Stand der medizinischen Wissenschaft im Jahre 1998 der Fachöffentlichkeit zu vermitteln und somit auf die zur Zeit bestehenden Möglichkeiten aufmerksam zu machen. Dabei war und ist uns bewußt, daß die beiden inzwischen medizinisch möglichen Behandlungsformen (Herztransplantation, NorwoodOperation) noch junge, weiter zu evaluierende Verfahren sind und daß neben der medizinischen Dimension auch deren psychologische, ethische und ökonomische Implikationen der öffentlichen Diskussion bedürfen. Die pränatale Diagnose eines Hypoplastischen Linksherzsyndroms stellt, wie vom Kollegen Dr. Meier in seinem Leserbrief ausgeführt, für die beteiligten Eltern eine Situation der Enttäuschung und Trauer dar. Wir halten es, neben der einfühlsamen Begleitung der Eltern, für eine ethische Verpflichtung, auf die zur Zeit bestehenden Behandlungsmöglichkeiten in ehrlicher und verständlicher Weise hinzuweisen. Wie in unserem Artikel ausgeführt, erfolgt nach Diagnosestellung seitens des Teams eine Empfehlung an die Eltern, die Treuhänder der Interessen des Kindes. Daran schließt sich, nach ausführlicher Beratung und gegebenenfalls Einholung weiterer ärztlicher Meinungen, eine Entscheidung seitens der Eltern an. Diese Gespräche werden bei Bedarf, vor allem wenn der Wunsch der Eltern besteht, von der Klinikpsychologin begleitet. Dabei werden die Eltern in ihrer Entscheidungsfindung weder beeinflußt noch bedrängt. Ihre Entscheidung, unabhängig davon wie sie ausfällt, wird in jedem Falle akzeptiert. Sehr betroffen hat uns Dr. Meiers Anmerkung gemacht, durch unseren Hinweis auf inzwischen bestehende Behandlungsmöglichkeiten würden wir uns menschenverachtend verhalten. Wir empfinden es nicht als menschenverachtend, Eltern in einer derartigen Situation auf die aktuellen Möglichkeiten der Medizin mit all ihren Vor- und Nachteilen hinzuweisen. Erst dadurch wird unseres Erachtens erst eine eigenständige Entscheidung ermöglicht. Wir halten diese Transparenz für das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern oder Betroffenen und dem behandelnden Team, welches bei so schwerwiegenden Erkrankungen mitunter auf eine harte Probe gestellt wird, für unerläßlich. Bei uns liegt die Sterblichkeit nach Norwood-Eingriff Stufe I und II zur Zeit < 30 Prozent, in manchen Zentren wie zum Beispiel bei Dr. Bove, USA (Bove E: J Pediatric Cardiol 1998; 19: 308–315) bei 25 Prozent, in anderen Zentren, wie von Dr. Meier angeführt, eventuell höher. Da wir den betroffenen Eltern die in unserem Artikel genannten Sterblichkeitszahlen sehr offen mitteilen, gibt es in unserem Team niemanden, der eine Entscheidung der Eltern gegen eine Operation als moralisch ne- gativ beurteilt. Interessanterweise ist aber nach unseren Erfahrungen ein Großteil der Eltern „trotz“ entsprechender Aufklärung, wie in unserem Artikel ausgeführt, so eingestellt, daß sie den schweren Weg für das Leben des Neugeborenen mit unserem Team gemeinsam zu gehen bereit sind. Insofern erscheint uns in der Praxis bereits das gegeben, was Dr. Meier fordert, nämlich auf der Basis eines sachlich-medizinischen Inhaltes im Gespräch mit den Eltern eine persönlich-ethische Gewissensentscheidung zu ermöglichen. Insofern können wir den Vorwurf der Betriebsblindheit, wie Dr. Meier abschließend bemerkt, nicht nachvollziehen. Allgemein ist dieser Vorwurf in Zeiten der Weiterentwicklung medizinischer Wissenschaft immer wieder in der gesellschaftlichen Diskussion zu hören gewesen, so auch bei der Einführung der Herztransplantation vor dreißig Jahren, die heutzutage eine etablierte Behandlungsmöglichkeit bei therapierefraktärer Herzinsuffizienz darstellt. Allein schon in diesem historischen Kontext ist die Diskussion, die wir durch unseren Artikel beabsichtigt haben, sehr zu begrüßen. Mit Dr. Levin stimmen wir damit überein, daß detaillierte Überlegungen über realistisch erreichbare Endpunkte auf dem Boden der jetzt möglichen chirurgischen Therapie notwendig sind. Dazu ist selbstverständlich die Langzeitbeobachtung der Gruppe von Kindern, deren Eltern die chirurgische Therapie wünschen, erforderlich. Sicher kann jedoch bereits jetzt gesagt werden, daß die gegenwärtigen Ergebnisse, nämlich die Verringerung der Ein-JahresSterblichkeit von 100 Prozent auf unter 30 Prozent, es rechtfertigen, davon zu sprechen, daß das Hypoplastische Linksherzsyndrom im Jahre 1998 keine schicksalhaft verlaufende Erkrankung mehr darstellt. Für die Verfasser Priv.-Doz. Dr. med. Michael Weyand Oberarzt der Klinik Prof. Dr. med. Hans H. Scheld Direktor der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie Westfälische Wilhelms-Universität 48129 Münster Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 18, 7. Mai 1999 (57) A-1213