1 + Geologie in Ludwigsburg 2 Geologie in Ludwigsburg Herausgeberin Auskünfte zu Geologie, Grundwasser, Baugrund, Altlasten Stadt Ludwigsburg und Erdwärmenutzung in Ludwigsburg erteilt: Fachbereich Tiefbau und Grünflächen Fachbereich Tiefbau und Grünflächen Wilhelmstraße 11 Abteilung Bodenschutz 71638 Ludwigsburg Telefon: 07141/910-2707 Telefax: 07141/910-2230 Bearbeitung und Beiträge Mail: [email protected] Dr. Wolfgang Goos Ingenieur-Geologe mit einem Beitrag von Kim Bleher cand. B.Sc.: Fossilien im Ob. Muschelkalk, Keuper und Quartär Stand: Mai 2017 Das Titelblatt zeigt über dem Luftbild von Ludwigsburg von links nach rechts den Schilfsandstein am Lemberg, Lösssedimente am Grünpark Hungerberg und Oberen Muschelkalk (Trigonodusdolomit) an der Burg Hoheneck. 3 Inhalt 1. Einleitung 4 2. Geologischer Bau und Erdgeschichte von Baden-Württemberg 7 2.1 Krustenbewegung und Landschaftsbild 7 2.2 Der Aufbau des Untergrundes 11 2.2.1 Grundgebirge 11 2.2.2 Deckgebirge 11 3. Geologie und Fossilien in Ludwigsburg 19 Tabelle 1: Geologische Gliederung, Schichtaufbau und Grundwasser in Ludwigsburg 20 Tabelle 2: Stratigraphische, lithologische, hydrogeologische und baugrundgeologische 21 Charakterisierung der Schichtfolge in Ludwigsburg 3.1 Buntsandstein 22 3.2 Muschelkalk 22 3.2.1 3.3 Keuper 3.3.1 3.4 Fossilien im Oberen Muschelkalk Fossilien im Keuper Quartär 3.4.1 Fossilien in den quartären Deckschichten 23 26 29 31 34 Bildtafeln 35 3.5 Geologische Karte und Profilschnitt von Ludwigsburg 38 3.6 Tektonik - Die Lagerung der Schichten 42 3.7 Lemberg und Hohenasperg als Zeugen der Erdgeschichte 42 4. Das Grundwasser im Untergrund von Ludwigsburg 44 5. Anhang 49 5.1 Gesteinskunde 49 5.2 Schichtung, Schieferung und Klüfte 53 5.3 Gesteinsverwitterung 53 5.4 Gesteinsfarben 55 5.5 Karst 56 5.6 Erdbeben 57 5.7 Vulkanausbrüche 60 Die Entstehung der Alpen 62 6.1 Pangäa zerfällt 62 6.2 Ozeanbildung und Sedimentation 63 6.3 Die erste Kompressionsphase der Alpenbildung in der Kreide-Zeit 64 6.4 Die zweite Kompressionsphase der Alpenbildung in der Paläogen- und Neogen-Zeit 64 6.5 Die Heraushebung der Alpen 65 6.6 Die Alpen vom Eiszeitalter bis heute 72 6. Exkurs 4 1. Einleitung Dieses Manuskript ist eine Zusammenfassung der geologischen und landschaftsgeschichtlichen Entstehung von BadenWürttemberg und der geologischen Verhältnisse im Raum Ludwigsburg. Die Gemarkung von Ludwigsburg liegt in der Mitte des Landschaftsraums des 1327 km2 großen Neckarbeckens und umfasst eine Fläche von 43,33 km2 (Abb. 1). Das wenig bewaldete, sehr fruchtbare und intensiv landwirtschaftlich genutzte Neckarbecken wird von den engräumig zertalten und weniger fruchtbaren Keuperwaldbergen umrahmt. Das sind im Süden und Osten der Glemswald, die Stuttgarter Bucht, der Schurwald und der Welzheimer Wald. Im Nordosten folgen der Mainharter Wald und die Löwensteiner Berge und im Nordwesten der Strom- und Heuchelberg. Nach Westen geht das Neckarbecken in die von verkarstetem Muschelkalk (Heckengäu) und Buntsandstein geprägte Ostabdachung des Nordschwarzwaldes über. Der Markungsbereich westlich des Neckars gehört zur Muschelkalk- und Lettenkeuperfläche des "Strohgäus", dessen östlicher Teil bis zum Neckartal "Langes Feld" genannt wird. Der Bereich östlich des Neckars gehört zur Gäufläche der "Backnan- ger Bucht". Im Strohgäu wird auf den fruchtbaren Lösslehmböden (Parabraunerden) überwiegend Ackerbau betrieben. Das Neckartal mit seinen Nebentälern und die Gäuflächen östlich des Neckars werden auch durch Obstbau und Weinbau geprägt. Die Keuperberge haben Höhen von bis zu 475 mNN im Stromberg, 450 bis 530 mNN im Stuttgart-Sindelfinger Raum und 500 bis fast 600 mNN im Mainharter Wald und im Welzheimer Wald. Nach Westen zum Nordschwarzwald hin steigen die Muschelkalk- und Buntsandsteinflächen auf über 500 bis 600 mNN an. Das Neckarbecken liegt im Süden bei über 300 mNN und fällt nach Norden auf etwa 160 mNN bei Heilbronn ab. Das Neckartal ist zwischen 250 mNN bei Plochingen und 150 mNN bei Heilbronn eingeschnitten. Die höchste topographische Erhebung in Ludwigsburg ist der Lemberg, ein sogenannter Zeugenberg am Ostrand der Gemarkung mit 365,1 mNN. Der tiefste Punkt liegt im Gewann Hofwiesen und Krautwiesen im Neckartal am Nordrand der Gemarkung bei ca. 195,8 mNN. Der Neckarwasserspiegel liegt an der Anlegestelle Hoheneck bei 196,2 mNN. Die Höhe des Marktplatzes von Ludwigsburg liegt bei ca. 292,0 mNN und der Salonwald ist mit 327,8 mNN die höchste Erhebung im Stadtgebiet. Im Raum Ludwigsburg fallen in Jahresdurchschnitt 750 mm Niederschläge mit einer Schwankungsbreite von 500 mm bis 1100 mm. Die Jahresdurchschnittstemperaturen liegen zwischen 9,2 und 12,0 °C an einer Messstelle außerhalb der Stadt, 200 m südlich des Salonwaldes. Heilbronn Sulm Brettach Heilbronner Berge 0 8 km Neckar SchozachHügelland Bottwar Kirchbach Metter Nord Löwensteiner Berge Schozach Zaber Mainhardter Wald Lauter Besigheim Murr Vaihingen/E. Mühlacker Strombergvorland Metterplatte Bietigheim/B. Marbach Backnang Grenzbach EnzGrenzbachHeckengäu GlemsStrudelbachPlatte Strudelbach Hagenschieß Glems Enz Buchenbach Ludwigsburg Langes Winnenden In den Berglen Feld Waiblingen Feuerbach Leonberg Schmidener Feld Rems Schorndorf Rankbach Esslingen Weil der Stadt Würm Sindelfingen Böblingen Schwippe Zeugenberge Abb. 1: Naturräumliche Gliederung im mittleren Neckarraum. Fils Körsch 5 Heilbronn HM Sulm Brettach Nord Kraichbach LM Schozach Neckar Zaber StM Bretten 0 8 km HhS Kirchbach Lauter Bottwar NJF Besigheim Metter PM Murr Bietigheim/B. Vaihingen/E. Backnang Marbach SFS Mühlacker Enz Buchenbach Schnittlage Würm Ludwigsburg Glems Grenzbach Strudelbach Pforzheim Winnenden Feuerbach Leonberg Waiblingen Schorndorf RB Stuttgart Rems B. Liebenzell LB Rankbach Esslingen Nagold Weil der Stadt KM HS Schwippe Calw FG SB Ostrand Schwarzwald Gäulandschaft, Neckarbecken FG SM Keuperbergland Reste von Gipskeuper Lettenkeuper Buntsandstein Fils Körsch Sindelfingen Böblingen Filderebene und Albvorland Reste von Frühem Jura Sandstein-/ Mergelkeuper, Schilfsandstein Gipskeuper-Hangfuß und vorgelagertes Gipskeuper-Hügelland Oberer Muschelkalk Mtl. und Unt.. Muschelkalk Mittlerer und , Früher Jura Miozäner Vulkanschlot (Basalttuff) Zeugenberge mit Sockel aus Gipskeuper und Kappe aus Schilfsandstein Wichtige tektonische Strukturen (Schichtlagerung, Schichtversatz): Sindelfinger Brüche (SB), Leonberger Brüche (LB), Hölzertal-Sattel (HS), Fildergraben (FG), Sulzbach-Mulde (SM), Körsch-Mulde (KM), Remstal-Brüche (RB), Schwäbisch-Fränkischer-Sattel (SFS), Neckar-Jagst-Furche (NJF), Pleidelsheimer Mulde (PM), Hessigheimer Sattel (HhS), Stromberg-Mulde (StM), Löwensteiner Mulde (LM). Heilbronner Mulde (HM). Abb. 1a: Geologische Grundschichten im mittleren Neckarraum. Die Karte zeigt die geologischen Grundschichten von Buntsandstein bis Jura ohne die jüngeren Deckschichten aus Löss-, Schutt- und Auensedimenten. Die Grenzen der Grundschichten sind oft unter den Deckschichten verborgen. Daher können Abweichungen vorkommen. W E/NW SE/N S Albvorland Schwäbische Alb mNN 800 mNN 800 Schwarzwald 600 Nagold Heckengäu und Strohgäu Würm Keuperbergland Filderebene Erms 600 Strudelbach Stuttgart Brauner Jura Körsch Neckar Glems 400 Weißer Jura Nesenbach 400 Schwarzer Jura 200 Gipskeuper Schilfsandstein 0 Grundgebirge: Gneise und Granite Oberer Muschelkalk Mittlerer- und Unterer Muschelkalk Buntsandstein Perm (Zechstein) Stubensandstein Bunte Mergel mit Kieselsandstein Rhätsandstein Knollenmergel Lettenkeuper Vulkanschlote Abb. 2: Bau des Schichtstufenlandes vom Nordschwarzwald bis zur Schwäbischen Alb. Der schematische und überhöhte Profilschnitt zeigt die Lage und die Neigung der sedimentären Grundschichten aus den Zeitperioden von Perm, Trias (Buntsandstein, Muschelkalk, Keuper) und Jura. Die Abb. 1a und 2 veranschaulichen dreidimensional den Bau des Schichtstufenlandes. Punktiert = Sandstein 200 0 6 Seit der Frühzeit ihrer Entwicklung haben die Hominiden, die direkten Vorfahren des Menschen und der Mensch, Werkzeuge aus Stein hergestellt. Gemahlene farbige Gesteine wurden für Felsmalerei und für Körperbemalung verwendet. Gefäße und Hütten wurden aus Ton und Lehm gebaut. Stonehenge, die Pyramiden und andere Kult- und Kulturstätten wurden aus Stein errichtet. Während der Jungsteinzeit wurden Kupfer und Zinn (Bronze) und später Eisen und weitere Metalle aus Gesteinen erschmolzen und zu Werkzeugen, Schmuck, Gefäßen, Waffen und in Bauwerken verarbeitet. Die ersten größeren Ansiedlungen des Menschen wurden oft dort gegründet, wo Wasser und Metalle in ausreichender Menge zur Verfügung standen. Mit Kohle, Erdöl, Erdgas und mit Uran kam die Industrialisierung in Schwung. Die komplexer werdenden Bauwerke, Brücken und Tunnels erfordern detaillierte Kenntnisse von Geologie, Boden- und Felsmechanik. Die Schätze der Erde wurden für den Menschen von großer Bedeutung, und die Kenntnisse über Vorkommen, Gewinnung, Eigenschaften und Anwendung wurden zwischen den Generationen weitergegeben und fortentwickelt. Mit der stark zunehmenden Bedeutung von Kohle und Erzen für die Metallverhüttung und für Dampfmaschinen und Eisenbahnen im 19. Jahrhundert sind die Geowissenschaften mit den Fachgebieten Geologie und Paläontologie, Geographie, Mineralogie, Geophysik, Geodäsie, Meteorologie und Bodenkunde entstanden. Die Geologie (gr. gé = Erde, logos = Lehre) ist die Wissenschaft vom Bau und der Entstehungsgeschichte der Erde. Zur Rekonstruktion der Erdgeschichte sind genaue Kenntnisse der unterschiedlichen Gesteine, ihrer Entstehung und Zusammensetzung, ihrer Entwicklung im Laufe der Jahrmillionen und ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften erforderlich. Durch Studium, Analyse und Kartierung der Art der Gesteine (Petrographie) und ihrer Lagerungsverhältnisse und Entstehungsbedingungen (Stratigraphie, Tektonik, Paläoklimatologie), durch die Erforschung und Klassifizierung der fossilen Lebewelt in den Gesteinsschichten (Paläontologie) und mit chemischen und physikalischen Methoden (Geochemie, Geophysik, Radiometrie) kann eine Systematik und Altersdatierung der Gesteine der oberen Erdkruste vorgenommen werden. Mineralogische, geophysikalische, geographische und kartographische Untersuchungen ergänzen die Geologie und führen zu unserem heutigen Bild von der Entstehung und Entwicklung der Erde, des Klimas und der Lebewelt. Die geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse auf der Gemarkung Ludwigsburg sind gut untersucht und auf 4 Kartenblättern mit Erläuterungen der Geologischen Karte von Baden-Württemberg 1 : 25 000 (GK 25) des Landesamtes für Geologie Rohstoffe und Bergbau (LGRB-BW, Freiburg) dargestellt: - Blatt 7020 Bietigheim-Bissingen - Blatt 7021 Marbach am Neckar - Blatt 7120 Stuttgart Nord-West - Blatt 7121 Stuttgart Nord-Ost Eine umfassende Übersicht zur Geologie von Ludwigsburg und Stuttgart zeigt die Geologische Karte 1 : 50 000 (GK 50) Blatt Stuttgart und Umgebung mit Erläuterungen. H. Brunner. 6. Auflage. LGRB-BW, Freiburg, 1998. Weiterreichende und überregionale Details zu Schichtfolge und Schichtaufbau, Tektonik, Fossilien, Hydrogeologie, Rohstoffe, Böden und Baugrund können bei O.F. GEYER & M.P. GWINNER 2011: Geologie von Baden-Württemberg, 5. Auflage und bei M.P. GWINNER & K. HINKELBEIN 1976: Stuttgart und Umgebung, Sammlung Geologische Führer, Bd. 61 nachgelesen werden. Die Baugrundkarte der Stadt Ludwigsburg mit Erläuterungen, 2017, 3. Auflage kann dort beim Fachbereich Tiefbau und Grünflächen eingesehen werden. Einen guten Überblick zu Landschaften und Natur im Landkreis Ludwigsburg gibt das Buch Naturkundliche Wanderungen im Kreis Ludwigsburg von H. GREB, 1993, 4. Auflage. Auf der Gemarkung Ludwigsburg liegen an der Erdoberfläche die jungen und relativ weichen Deckschichten aus dem jüngsten Erdzeitalter des Quartärs diskordant über den wesentlich älteren und festeren Grundschichten aus der Zeit der Trias. Die quartären Sedimente wurden während der letzten Würm-Kaltzeit vor 115.000 - 12.000 Jahren und z.T. während der vorangegangenen Riß-Kaltzeit abgelagert. Sie bestehen aus 0,5 m bis über 10 m mächtigen Lösssedimenten, Verwitterungsbildungen, Frostmischböden und Schutt- und Talsedimenten. Darunter liegen die hier insgesamt etwa 660 Meter mächtigen Gesteine des Gipskeupers, des Lettenkeupers, des Muschelkalks, des Buntsandsteins und des Perms. Diese Sedimente wurden vor etwa 290 - 220 Mio. Jahren in den Zeitperioden von Perm und Trias im großen Germanischen Sedimentbecken abgelagert, das teils vom Meer überflutet und teils mit Tieflandebenen bedeckt war. Diese Sedimente haben sich im Laufe langer Zeiträume zu felsartigen Gesteinen verfestigt. Die Gesteine des Oberen Muschelkalks sind im Neckartal als breit aufgeschlossene und stark geklüftete Felsbänder an den Prallhängen des Flusses zu sehen. Sie bilden zusammen mit den überlagernden und teils stark erodierten Gesteinen des Lettenkeupers und zum Teil des Gipskeupers die Unterlage der Gäuebene. Am Ostrand der Gemarkung trägt die Kuppe des 7 Lembergs eine dünne Bedeckung aus Schilfsandstein, der hier der Rest einer ehemals weitflächig verbreiteten und heute erodierten Sandsteinschicht ist. Dieser "Zeugenberg" ist aufgrund einer tektonischen Tieferlegung der Gesteinsschichten durch Reliefumkehr entstanden. Die jüngeren Trias-Schichten und die Schichten aus der Jura-Zeit wurden im Raum Ludwigsburg in den vergangenen 145 Mio. Jahren abgetragen. Die Grundschichten der Trias- und der Jura-Zeit haben in Baden-Württemberg großräumig eine flachwellige Neigung nach Südosten. Zum Schwarzwald hin steigt diese Schichtneigung an. Örtlich gibt es aber Schichtverbiegungen als Mulden- und Sattelstrukturen und Schichtverwerfungen als Graben- und Horststrukturen mit Sprunghöhen von wenigen Metern bis über 100 m. 2. Geologischer Bau und Erdgeschichte von Baden-Württemberg Während der mehr als 4 Milliarden Jahre alten Erdgeschichte kam es in und auf der Erdkruste zu großen Strukturveränderungen. Die Urerde ist kurz nach ihrer Entstehung mit einem etwas kleineren Planeten kollidiert und mit diesem verschmolzen. Aus den ins All geschleuderten Trümmern hat sich der Mond gebildet, der die Erdachse stabilisiert und mit seiner Gezeitenwirkung maßgeblich zur Entstehung des Lebens beigetragen hat. Nach dem Abkühlen der anfangs flüssigen Erdkruste bildeten sich feste Landmassen und durch Vulkanausbrüche und Meteoriteneinschläge kamen große Wassermengen in die Atmosphäre, aus denen Meere entstanden. Die ersten Kontinente sind auf dem zähplastischen Erdmantel auseinander und wieder zusammengedriftet. Durch Kontinentalkollisionen wurden Gebirge aufgefaltet und durch Erosion wieder abgetragen. Vulkanausbrüche gestalteten Landschaften und hatten ebenso wie Meteoriteneinschläge und Eiszeiten weitreichende Auswirkungen auf die Landschaftsbildung, auf das Klima und auf die Lebewelt. Aber auch das Leben selbst nimmt Einfluss auf die geologischen, morphologischen und klimatischen Abläufe. Neue Forschungen zeigen, dass Mikroorganismen in der Erdkruste bis in einige Tausend Meter Tiefe nachgewiesen werden können, ebenso in der Atmosphäre in einigen Tausend Metern Höhe. Die Entstehung vieler Minerale wird mit dem Einfluss von Mikroorganismen in Verbindung gebracht. Die britischen Wissenschaftler James Lovelock und Lynn Margqulis haben in ihren Arbeiten zur Auswirkung des Lebens auf das Klima der Erde auf diese Zusammenhänge hingewiesen und vertreten die Ansicht, dass die Lebewelt in ihrer ganzen Komplexität und Vielfalt entscheidenden Einfluss auf das Klima und wahrscheinlich auch auf einige geologische Vorgänge nimmt (Gaia-Theorie). Lovelock und Margqulis gehen soweit, die Erde als eine Art Superorganismus zu betrachten. Die Lebewelt reagiert nicht nur mit Anpassung, sondern viel flexibler auf äußere Gegebenheiten und kann das Klima und damit auch die Landschaftsgestaltung durch Reaktionen der biologischen Regelmechanismen mit beeinflussen. Sollte diese These zutreffen, hätten wir es auf der Erde mit weit komplexeren Mechanismen und Interaktionen zwischen Lebewelt, Klima und Landschaftsentwicklung zu tun, als es bisher für möglich gehalten wurde. Die dynamischen Vorgänge und Veränderungen innerhalb der Erdkruste halten an und werden auch in Zukunft die Erde gestalten und verändern. Sie sind für die Entstehung der Gesteine, für die Formung der Landschaften und auch für die Entwicklung der Lebewelt auf der Erde von großer Bedeutung. Während die Strukturen und Ablagerungen der ersten Jahrmilliarden der Erdgeschichte heute nur noch an wenigen Stellen fragmentarisch zu sehen sind und nur ein gröberes Bild der damaligen Zeiten rekonstruieren lassen, sind die Zeugnisse der letzten 600 Millionen Jahre zu Geologie, Klima und Lebewelt oft besser erhalten und gut rekonstruierbar. 2.1 Krustenbewegung und Landschaftsbild Der Aufbau der Erde gliedert sich in Erdkern, Erdmantel und Erdkruste (Abb. 3). Die zwischen 5 und 80 km mächtige ser Neubildung von Meeresboden driften die Platten langsam auseinander. Es bildeten sich weltumspannende Bruchsys- Erdkruste aus leichten, silikatischen Gesteinen ist in 7 Groß- teme, die ozeanischen Riftsysteme mit mächtigen mittelozea- platten und mehrere kleine Platten unterteilt (Abb. 3a). Diese nischen Gebirgsrücken. Im Bereich dieser ozeanischen Rift- "schwimmen" auf dem schwereren Magma des Erdmantels systeme hat sich tief am Meeresgrund im Umfeld der oft sehr heißen vulkanischen Aktivitäten eine reiche Lebewelt entwi- und sind, angetrieben durch konvektive Fließbewegungen des etwa 1000 - 3000 °C heißen und zähplastischen Magmas ckelt, die ihre Energie unabhängig von der Sonne aus chemi- ständig in langsamer vertikaler und horizontaler Bewegung. schen Prozessen gewinnt. Beim Auseinanderdriften kontinen- Die Vertikalbewegungen der Platten liegen bei wenigen mm taler Platten entstehen kontinentale Riftsysteme wie das ostaf- pro Jahr, die Horizontalbewegungen liegen bei bis zu 16 cm pro Jahr. Bei der Kollision der Platten werden die dünnen rikanische Grabensystem und das Rote Meer. Innerhalb der Platten bilden sich oft große Bruchstrukturen, wie z.B. das aber schwereren ozeanischen Krustenplatten unter die dicke- "Europäische Känozoische Riftsystem" mit Rhonegraben, Bres- ren aber leichteren Kontinentalplatten in den Erdmantel versenkt (Subduktion). Hier kommt es oft zur Bildung von Tief- segraben, Oberrheingraben und Niederrheingraben. Oft seegräben, Inselketten und Gebirgen mit Vulkanen, wie z.B. gen der Erdkruste. In die so entstandenen Gräben und Becken dringen Flüsse oder das Meer ein und es bilden sich Japan und die Anden. Bei der Kollision von Kontinenten kommt es ebenfalls zur Gebirgsbildung wie z.B. Alpen und Himalaya. Entlang der Plattengrenzen in den Ozeanen kommt es zu Rissen im Meeresboden und es tritt Lava aus. Mit die- kommt es auch zu weiträumigen Hebungen oder Absenkun- über lange Zeiträume mächtige Sedimentablagerungen, die von den umgebenden Festlandsgebieten abgetragen und abgeschwemmt werden. Diese Sedimente werden mit der Zeit 8 entwässert, kompaktiert und zu geschichteten Gesteinspake- Die Landmasse der Erde waren zu dieser Zeit zum Großkonti- ten verfestigt. Nach tektonischer Hebung und Trockenfallen nent "Pangäa" vereinigt, und sind dann im Laufe der vergan- dieser Gebiete, verursacht durch Plattenbewegungen und genen 200 Millionen Jahre zu den heutigen Kontinenten Gebirgsbildungen, werden die abgelagerten Gesteine durch die Erosion von Wasser, Eis und Wind wieder abgetragen auseinander gedriftet (Abb. 3a). Das Germanische Becken erstreckte sich von England und von Skandinavien bis nach (Kreislauf der Gesteine, Abb. 27). Im kleinräumigen Maßstab Polen, Süddeutschland und nach Burgund (Abb. 6). Im Laufe kommt es innerhalb der Erdkrustenplatten zur Bildung von Schichtverbiegungen, die als Mulden- und Sattelstrukturen der Zeit wurden hier die oft über 2000 m mächtigen Sedi- bezeichnet werden und zu horizontalen und vertikalen telalter) in den Zeitabschnitten von Trias, Jura und Kreide abgelagert. Gegen Ende der Jura-Zeit vor 145 – 140 Millionen Schichtversetzungen, die als Verwerfungen bezeichnet wer- mentschichten des Mesozoikums (mittleres Leben -> Erdmit- den. Diese sind oft als Graben- und Horststrukturen angelegt Jahren wurden Teile dieses Beckens in Süddeutschland über (Abb. 4). Diese dynamischen Bewegungsvorgänge innerhalb der Erdkruste werden unter dem Begriff "Tektonik" (= die Baukunst betreffend) zusammengefasst. Sie haben im Zu- den Meeresspiegel herausgehoben und unser Land ist seitdem Abtragungsgebiet. Durch die stärkere Heraushebung von sammenwirken mit der Verwitterung und der Abtragung der ogen-Zeit vor etwa 35 Millionen Jahren zum Einbrechen des Gesteine maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung von Flusssystemen und Landschaften. Das Zusammenspiel dieser Oberrheingrabens und zur Verkippung der ursprünglich horizontal abgelagerten Sedimentschichten nach Südosten. In- Kräfte führte gegen Ende der erdgeschichtlichen Zeitära des nerhalb der europäischen Erdkrustenplatte ist durch tektoni- Paläozoikums ("älteres Leben" -> Erdaltertum) vor etwa 255 sche Vorgänge schließlich die "Süddeutschen Scholle" entstanden, die weite Bereiche von Baden-Württemberg und Millionen Jahren im Raum des heutigen Mitteleuropa zur Bildung des so genannten "Germanischen Beckens" als flache Vogesen, Schwarzwald und Odenwald kam es in der Palä- Bayern umfasst (Abb. 4). Einsenkung und Randmeer des großen "Tethys-Ozeans". 1500 – 800 °C - 28 GPa 3000 - 1500 °C - 146 GPa 6000 - 3000 °C - 365 GPa Abb.3: Der Schalenbau der Erde. Die, relativ starren und leichten Platten der Erdkruste "schwimmen" auf den zähplastischen und schwereren Gesteinen des Erdmantels und werden durch sehr langsame Konvektionsströmungen im heißen Erdmantel bewegt. Der Erdkern besteht aus Eisen mit Nickel mit Spuren anderer Metalle. Der äußere Kern ist flüssig, der innere Kern ist aufgrund des hohen Drucks fest. Die Strömungen im flüssigen Kern erzeugen das Erdmagnetfeld, das die Erdoberfläche mit ihrer Lebewelt von den schädlichen Strahlungen der Sonne und aus dem Weltall abschirmt. Die hohen Temperaturen im Erdinneren stammen noch aus dem Bildungsprozess des Planeten und werden durch den Zerfall von radioaktiven Isotopen der Elemente Uran, Thorium und Kalium stabil gehalten. Die Erde besteht zu 90 % aus den Elementen Eisen, Sauerstoff, Silizium und Magnesium. In den Mineralstrukturen von Erdkruste und Erdmantel sind auch große Mengen an Wasser eingeschlossen, die bei plattentektonischen und vulkanischen Vorgängen eine große Rolle spielen. 9 1) Perm bis Trias vor ca. 70 Ma (Meerestransgression) Gondwana ist zerfallen Atlantik Pangäa Panthalassa 3) Späte Kreide Nordmeer vor 299 - 201 Ma Pangäa ist entstanden Alpidische Gebirgsbildung in der Paläogenund Neogen-Zeit Neo-Tethys Tethys Pazifik Cimmeria Pazifik Indik Permo-Karbon-Vereisung vor 300 Ma 2) Jura polare Eiskappe im Nordwinter vor 201 - 145 Ma Pangäa zerfällt Laurentia 4) Die Erde heute Eurasia Atlantik Neo-Tethys Pazifik Indik Gondwana polare Eiskappe im Südwinter Abb. 3a: Plattentektonik und Kontinentaldrift - Die Wanderung der Kontinente. Nach der Bildung der festen Erdkruste vor etwa 4 Milliarden Jahren sind einzelne Erdkrustenplatten, sogenannte Kratone entstanden. Diese begannen sich vor 3,5 Mia Jahren, angetrieben durch Konvektionsströmungen im heißen und plastischen Erdmantel gegeneinander zu bewegen und tun das bis heute. Vor 2,6 Mia. Jahren, vor 1,8 Mia. Jahren und vor 1,1 Mia. Jahren haben sich die Kratone und die sich darauf entwickelnden Kontinente zu den Großkontinenten "Ur", "Columbia" und "Rodinia" zusammengeschoben. Rodinia ist vor 750 Mio. Jahren wieder zerfallen. Bild 1: In der Zeit von Devon bis Frühe Trias vor ca. 400 - 250 Mio. Jahren haben sich die einzelnen Kontinente wieder zu einem Großkontinent zusammengeschoben, der "Pangäa" genannt wird und der von einem großen Meer -Panthalassa- umschlossen wurde. Bei diesen Kontinentalkollisionen kam es zur variscischen Gebirgsbildung während der Devon- und Karbon-Zeit, die hier gelb gestrichelt dargestellt ist. Die Klimabedingungen im Zentrum dieses Großkontinents waren sehr heiß und trocken, so dass sich das Leben bevorzugt an den tropisch-warmen Kontinentalrändern und im Meer entwickelt hat. Das Tethys-Meer ist ein Nebenmeer von Panthalassa, von dem später das heutige Mittelmeer als Restmeer übrig geblieben ist. Die variscischen Hochgebirge wurden seit der Perm-Zeit abgetragen Bild 2: Während der Zeit der Späten Trias wurde das Auseinanderbrechen von Pangäa in die Teilkontinente Laurasia und Gondwana durch das Öffnen von Spalten und durch die Förderung von Lava eingeleitet. Der Atlantik ist entstanden. Bild 3: In der Zeit der Späten Kreide vor 70 Ma hat sich nach dem Nordatlantik auch der Südatlantik geöffnet und verbreitert. Indien hat sich von Afrika gelöst und ist unter der Bildung des Himalaja-Gebirges mit Asien kollidiert. Die afrikanische Platte ist mit der europäischen Platte kollidiert, und die überwiegend im Tethys-Meer abgelagerten, mächtigen Gesteinsserien haben sich zu den Alpen aufgefaltet und überschoben. Bild 4 zeigt die heutige Situation mit den Plattengrenzen - punktiert - und mit den jungen alpidischen Gebirgen - gelb punktiert. Die Pfeile zeigen die Plattenbewegungen. Die Lage von Mitteleuropa ist rot umrandet. In den kommenden Millionen Jahren werden die Kontinente weiter auseinanderdriften. Durch die weitere Nordwanderung der afrikanischen Platte mit bis zu 6 mm/Jahr gegen die europäische Platte wird das Mittelmeer verschwinden und es wird ein weiteres großes Gebirge am Südrand der Alpen entstehen. Australien wird mit Südostasien kollidieren und Südamerika vereinigt sich mit Nordamerika, wobei das Karibische Meer verschwindet. In etwa 250 Mio. Jahren entsteht so vermutlich wieder ein Großkontinent. 10 Die intervallartige tektonische Hebung von Süddeutschland ab ein, als in den mittleren und nördlichen Landesteilen. Das der Kreide-Zeit führte zur verstärkten Abtragung der Gesteine führte in Verbindung mit der unterschiedlichen Abtragungsgeschwindigkeit der unterschiedlich widerstandsfähigen und und zum Einschneiden der Flusssysteme von Ur-Rhein und Ur-Donau durch rückschreitende Erosion. Im Bereich der wasserdurchlässigen Sedimentgesteine zur Bildung eines Hochgebiete von Schwarzwald und Odenwald wurden die Schichtstufenlandes mit einer asymmetrischen Auffächerung Sedimentschichten so weit abgetragen, dass die Gneise und der Schichtstufen nach Nordosten. Dieses Zusammenspiel Granite des alten Grundgebirges wieder zutage treten. Die starke Hebung von Schwarzwald und Odenwald führte ab der von Hebung und Schrägstellung durch Krustenbewegungen mit der Abtragung der Gesteinsschichten durch Bäche und Kreide-Zeit auch zur flachen Einkippung der ehemals weitge- Flüsse hat im Laufe der Jahrmillionen das "Schwäbisch- hend horizontal abgelagerten Sedimentschichten nach Südos- Fränkische Schichtstufenland" mit seinen Verebnungsflächen und Steilstufen geschaffen, das sich vom Klettgau bis zur ten. Wegen der noch stärkeren Hebung des Südschwarzwaldes fallen die Schichten dieses Tafeldeckgebirges dort steiler Rhön erstreckt (Abb. 7 und 8). Abb. 4: Die tektonischen Strukturen in Süddeutschland. eBecken Ludwigsburg Grafik ergänzt aus: C. Stier, H. Behmel & U. Schollenberger (1989): Wüsten, Meere und Vulkane, Baden-Württemberg in Bildern aus der Erdgeschichte. Peter Grohmann, Stuttgart. Nach O.F. Geyer & M.P. Gwinner (1991) und W. Carlè (1950). Fast ganz Baden-Württemberg und weite Teile von Bayern liegen im Bereich eines Erdkrustenteils, der "Süddeutschen Scholle" genannt wird (im Bild grün). Diese bildet ein Dreieck zwischen Oberrheingraben, Alpen, Böhmischer Scholle, Sächsischer Scholle, Soling Scholle und Rheinischem Schiefergebirge. Der nordwärts gerichtete Druck der afrikanischen Kontinentalplatte, der auch für die Auffaltung der Alpen verantwortlich ist, und der südostwärts gerichtete Druck der Mittelatlantischen Schwelle zerscherte die Europäische Kontinentalplatte in zahlreiche Brüche und Gräben. "Das setzte die gesamte süddeutsche Lithosphäre unter Spannung und führte zu einer Aufwölbung der Erdkruste um 1000 m und im Südschwarzwald um bis zu 2000 m. Die Süddeutsch Scholle riss am Oberrheingraben von Westeuropa ab und wurde seither wie ein Keil nordwärts in die mitteleuropäische Kruste vorgetrieben" (Zitat aus Geyer/Gwinner, Geologie von Baden-Württemberg, 2012, 5. Auflage, Seite 294.) Das Schollenmosaik der Süddeutschen Scholle ist in fraktaler Hierarchie vom Satellitenbild bis zur mikroskopischen Probe erkennbar. Der tektonische Bau, also Brüche und Gräben, Mulden und Sättel, Gewölbe, Falten, Abschiebungen und Aufschiebungen und auch die Gesteinsklüfte haben maßgeblichen Einfluss auf die Verwitterung und Abtragung und damit auch auf die Richtung der Flüsse und letztlich auf das Gesicht der Landschaft. Das kleine Bild rechts oben zeigt die Spannungsverhältnisse in Mitteleuropa und den linksseitigen Versatz um ca. 30 km am Oberrheingraben. Die weißen Pfeile zeigen die Einspannung der Krustenteile (Blöcke) zwischen der afrikanischen Platte mit den Alpen und dem nordeuropäischen Plattenteil. Der schwarze Pfeil deutet die Bewegung als Reaktion darauf an. Die Erdbebengebiete sind schraffiert. Die Bewegungen der Erdkruste sind auch heute noch aktiv. Im Südschwarzwald werden Hebungen von 0,1 mm pro Jahr gemessen und die Alpen heben sich mit ca. 0,3 1,8 mm pro Jahr über 1000 m/Mio. Jahre. Die Afrikanische Platte schiebt sich mit bis zu 6 mm/Jahr nach Norden gegen die Europäische Platte (Abb. 4a). Abb.4a: Geologischer Tiefenschnitt Südwestdeutschland - Alpen - Norditalien. Afrikanische Platte 50 Europäische Platte Der nicht überhöhte Nord-Süd-Schnitt zeigt das Abtauchen der Europäischen Erdkrustenplatte unter die Afrikanische Platte im Bereich der Südalpen. Grafik ergänzt aus O.F. Geyer & M.P. Gwinner (2012): Geologie von Baden-Württemberg, 5. Aufl., Schweizerbart, Stuttgart. 11 2.2 Der Aufbau des Untergrundes Der Geologe nennt den inneren Bau des Untergrundes "Gebirge", auch wenn kein Bergland im geographischen Sinne aufragt. Im oberen Bereich der Erdkruste sind in Baden-Württemberg zwei übereinander liegende geologische Baueinheiten zu unterscheiden: Das ältere "kris- talline Grundgebirge" (Grundgebirgssockel) und das jüngere "sedimentäre Deckgebirge" (Sedimenthülle). Das Grundgebirge bildet den Sockel unseres Landes und wurde im Schwarzwald und im Odenwald tektonisch um 1000 - 2000 m emporgehoben. Wegen der dadurch stark beschleunigten Abtragung der Sedimenthülle wurde das Gneis- und Granit-Grundgebirge dort freigelegt und es haben sich kuppige Waldund Bergwiesenlandschaften mit tief eingeschnittenen Tälern entwickelt. Im Bereich des östlich anschließenden Tafeldeckgebirges mit seinen unterschiedlich harten und unterschiedlich erosionsbeständigen Sedimentgesteinen hat sich eine teils landwirtschaftlich genutzte und teils bewaldete Schichtstufenlandschaft entwickelt. Das mit Sedimenten aus den Kaltzeiten überprägte Molassebecken in Oberschwaben ist eine Akkumulationslandschaft mit einem bis zu 5000 m tiefen Becken, das mit dem Abtragungsschutt der Alpen aufgefüllt wurde (Abb. 9). 2.2.1 Grundgebirge Die Gneise und Granite unter der Sedimenthülle werden als bis auf über 800 °C erhitzt und hohen gerichteten Drücken Grundgebirge bezeichnet. Es handelt sich um sogenannte mit bis zu 1,4 GPa ausgesetzt. Durch diese Beanspruchun- Kristallingesteine, bei denen sich die Minerale bei der Gesteinsentstehung in großer Tiefe durch langsame Kristallisati- gen haben sich andere Mineralgefüge gebildet (Rekristallisation), oder es sind vollkommen neue temperatur- und druck- on aus einer Gesteinsschmelze oder durch Umkristallisation stabile Minerale entstanden. Alle vorhergehenden Gesteins- bei der Gesteinsmetamorphose (Umwandlung) gebildet ha- strukturen und Fossilien wurden dabei zerstört. Es kam aber ben. Diese Minerale sind im Gestein oft gut sichtbar, im Gegensatz zu den oft sehr kleinen Mineralen der Sediment- nicht zur vollkommenen Gesteinsaufschmelzung. Metamorphe Gesteine sind oft an ihrer Schieferstruktur zu erkennen, gesteine, die durch Verwitterung und Abtragung zersetzt und die durch einseitig gerichteten Druck und durch die hohen zerrieben wurden oder sekundär neu entstanden sind. In Baden-Württemberg sind die Grundgebirgsgesteine die Reste Temperaturen entstanden ist. Die Granite werden als plutonisch-magmatische Gesteine (Tiefengesteine, Erstarrungsge- eines durch die Abtragung eingeebneten ehemaligen Falten- steine, Intrusionsgesteine) bezeichnet. Sie sind in Süd- gebirges. Dieses "Variszische Gebirge" bildete in der Zeit des deutschland während der variszischen Gebirgsbildung in Paläozoikums vor 400 bis 300 Millionen Jahren über weite Bereiche des heutigen Nordamerika, Europa und Asien einen Bereichen von tektonischen Schwächezonen in glutflüssigem Zustand aus großer Tiefe aufgestiegen. Dabei haben sie die Hochgebirgsgürtel, ähnlich wie heute die Alpen. Bei der älteren Gneise durchschmolzen und sind dann noch inner- Abtragung dieses Gebirges vor etwa 250 - 300 Millionen halb der Erdkruste unter hohem, allseitigem Druck langsam Jahren sind die in der Tiefe liegenden Kristallingesteine an vielen Stellen freigelegt worden. In Baden-Württemberg be- zu grobkristallinen Festgesteinen mit einem richtungslos körnigen Mineralgefüge erstarrt (Abb. 7). Durch Hebung, steht dieses Grundgebirge zu 2/3 aus Gneisen und zu 1/3 Gebirgsbildung, Verwitterung und Abtragung kommen die aus Graniten. Die Gneise sind metamorphe Gesteine, die durch die Umwandlung älterer Sedimentgesteine und Mag- Gneise und die Granit-Plutone mit der Zeit an die Erdoberfläche und bilden charakteristische Gebirgslandschaften, wie matite entstanden sind. Diese Ausgangsgesteine wurden in z.B. im Rheinischen Schiefergebirge, Bayerischen Wald, Süddeutschland durch tektonische Vorgänge in 10 bis über Odenwald, Schwarzwald und in Teilen der weltweiten Mittel- 30 Kilometer Tiefe versenkt, auf 500 °C und stellenweise und Hochgebirge. 2.2.2 Deckgebirge Vor ca. 280 Mio. Jahren war das an der Oberfläche anstehende "kristallinen Grundgebirge" in Baden-Württemberg durch Erosion flachwellig eingeebnet. Im sich dann bildenden Germanischen Becken wurden nun bis zum Beginn der Kreide-Zeit vor 145 Mio. Jahren über 2000 m mächtige Sedimente abgelagert. Diese Sedimenthülle wird als "Deckgebirge" bezeichnet. Das Grundgebirge und die oft verfestigten und felsartigen Sedimente des Tafeldeckgebirges bis zum Ende der Neogen-Zeit werden als "Grundschichten" bezeichnet. Darüber liegen die meistens locker gelagerten Sedimente aus der Quartär-Zeit vor 2,6 Mio. Jahren bis heute, die als "Deckschichten" bezeichnet werden. Die Einteilung von Grundgebirge und Deckgebirge in Süddeutschland • Quartär -> Holozän und Pleistozän • Paläogen und Neogen, in Ludwigsburg nicht abgelagert Kreide, in Bad.-Württ. nur vereinzelt abgelagert Jura, in Ludwigsburg abgetragen Trias -> Keuper, Muschelkalk, Buntsandstein Perm, Karbon, Devon, in Bad.-Württemberg stellenweise abgelagert und erhalten Gneise und Granite des Grundgebirges • • • • • DECKGEBIRGE (Sedimenthülle) Sedimentgesteine, schwach metamorphe Sedimentgesteine und vulkanische Gesteine DECKSCHICHTEN Lockergesteine und verfestigte Schotter des Quartärs, umgelagerte Grundschichten, bis 2,6 Mio. Jahre alt GRUNDSCHICHTEN GRUNDGEBIRGE (Sockel, Basement) Metamorphe und plutonische Kristallingesteine überwiegend Festgesteine und Halbfestgesteine, älter als 2,6 Mio. Jahre 12 Sedimentäre Grundschichten Während der langsamen und schubweisen Einsenkung des Mesozoikums werden in die Zeitperioden Trias (Buntsand- Germanischen Beckens in der Zeit des Mesozoikums kam es über einen Zeitraum von etwa 140 Mio. Jahren zur Ablage- stein, Muschelkalk, Keuper), Jura und Kreide untergliedert rung von stellenweise über 2.000 m mächtigen Sediment- "Germanische Trias" bezeichnet, im Gegensatz zur "Alpinen Trias", die im weiter südlich gelegenen und tieferen Meeres- schichten, teils unter flacher Meeresbedeckung (marine bzw. überwiegend chemische und chemisch-biogene Sedimente) und teils unter dem Einfluss von Tiefland-Flusssystemen (terrestrische, fluviatile, limnische, deltaische bzw. überwie- (Abb. 5). Im außeralpinen Deutschland wird die Trias als becken der Tethys abgelagert wurde. Am Übergang von der Jura-Zeit zur Kreide-Zeit vor etwa 145 bis 140 Mio. Jahren kam es in Süddeutschland zur einer stärkeren Heraushebung gend klastische Sedimente - Abb. 7). Die Klimaverhältnisse waren warm und trocken und oft wüstenhaft mit episodischen der Erdkruste über den Meeresspiegel und damit zum Ende Starkregenfällen und Sturzfluten (arides bis semiarides Kli- der Kreide-Zeit sind hier der Abtragung zum Opfer gefallen. In der Zeitära des Känozoikums ("jüngstes Leben" -> Erdneu- ma). Die Ursache für dieses Klima war die langsame Wande- der flächenhaften Sedimentation. Mögliche Ablagerungen aus rung der europäischen Erdkrustenplatte seit dem Ende der Karbon-Zeit aus der tropisch-feuchten Äquatorregion nach ogen- und Neogen-Zeit (früher Tertiär-Zeit genannt) das Al- Norden in die subtropische Wüstenzone (Abb. 3a). Die Ein- penvorland der Schweiz, Oberschwabens und Bayerns abge- senkung des Beckens wurde durch die Aufschüttung der senkt. Ursache waren u.a. Massenausgleichsvorgänge im Sedimente kompensiert, so dass die Sedimentationsoberfläche oft knapp über dem Meeresspiegel oder flach darunter Zuge der alpinen Gebirgsbildung. In diesem "Nordalpinen Molassebecken" wurde der Abtragungsschutt der rasch auf- lag (Tiefland, Schelfmeer). Die weichen, feinkörnigen und steigenden Alpen als bis über 5.000 m mächtige, sandig- locker gelagerten Sedimente wurden mit der Zeit durch den Prozess der "Diagenese" (Verdichtung) verfestigt. Die Sedi- tonige, teils karbonatische und alpennah konglomeratische Schichten, teils unter flacher Meeresbedeckung, in ausge- mente wurden durch den Druck der überlagernden Schichten dehnten Seen- und Flusslandschaften und durch mächtige entwässert und kompaktiert. In den winzigen Zwischenräu- kiesig-sandige Schichtfluten aus den Alpen heraus abgelagert men der Sedimentkörner wurden durch Lösungsvorgänge (Hochgrat-Schwemmfächer). Auch der einbrechende Ober- und durch Umkristallisation und Sammelkristallisation neue Kristalle gebildet (Kalk, Quarz, Tonminerale), die das Sedi- rheingraben wurde in dieser Zeit vom Meer überflutet und mit ment zu festem Gestein verkittet haben. Die Sedimente des umgebenden und aufsteigenden Hochländern aufgefüllt. zeit) hat sich vor 40 bis 5 Millionen Jahren während der Palä- dem bis über 4.000 m mächtigem Abtragungsschutt aus den Deckschichten Gegen Ende der Neogen-Zeit ist das warme Erdklima aus herrschte ein kaltes und trockenes Tundra- und Steppenkli- unterschiedlichen Gründen kälter geworden. Während der Zeitperiode des Quartärs vor 2,6 Mio. Jahre bis heute wurden ma mit bis zu 100 m tiefem Permafrost und mit einem spärlichen Bewuchs mit Gräsern und Sträuchern. Auf dieser Land- im "Pleistozän" (Eiszeitalter - "Das am meisten Neue") in ganz oberfläche haben sich durch sommerliche Frost-Tau-Wechsel Deutschland die vielfältigen Deckschichten-Sedimente der und Verwitterungs-, Umlagerungs- und Fließvorgänge Frost- Kaltzeiten und der dazwischen liegenden Warmzeiten auf den wesentlich älteren und schon stark erodierten Grundschich- mischböden, Frostschuttdecken, Fließerden und Schuttmassen gebildet. Darüber wurden in weiten Bereichen feinkörnige ten diskordant abgelagert. In mindestens 8 Kaltzeiten (Glazia- Lösssedimente durch Staubstürme herantransportiert und le) von jeweils 100.000 bis 200.000 Jahren Dauer schoben abgelagert. An den Talflanken lagerte sich lehmig-steiniger Hangschutt ab. Die Kaltzeiten wurden von den 10.000 bis sich mächtige Gletscher vom skandinavischen Schild nach 30.000 Jahre andauernden Warmzeiten (Interglaziale) unter- Norddeutschland vor. In Oberschwaben und in Bayern traten die Gletscher aus den Alpen ins Flachland und stellenweise brochen. Im dann warmen und feuchteren Klima waren die bis über die Donau heraus. Der Feldberg im Südschwarz- kaltzeitlichen Ablagerungen besonders intensiv der Verwitte- wald trug dann ebenfalls eine Eiskappe und die Hochlagen im Nordschwarzwald waren mit zahlreichen kleinen Kar- rung und Bodenbildung ausgesetzt und in den Flusstälern wurden sandige Schotter mit Torflinsen und Auenlehme ab- Gletschern bedeckt. Die Gletscher hinterließen nach jedem gelagert. Diese kaltzeitlichen Ablagerungen und Verwitterun- Vorstoß ihre Ablagerungen aus kuppigen und weitgeschwun- gen haben maßgeblich zur Bildung der fruchtbaren Böden in Süddeutschland beigetragen. Die Jetzt-Zeit wird als "Holozän" genen Moränenzügen, tiefreichenden Beckentonen mit Torfablagerungen und Seen und langgezogenen, ebenen und ("Das ganz Neue") bezeichnet und zählt seit dem Ende der rinnenförmig abgelagerten Schmelzwassersedimenten aus "Würm-Kaltzeit" vor etwa 11.700 Jahren. Das Holozän ist eine sandigen Flussschottern. In den nicht vom Eis bedeckten Warmzeit, auf die in einigen tausend Jahren vermutlich die sogenannten "Periglazialgebieten", so auch in Ludwigsburg, nächste Kaltzeit folgen wird. 13 Im Raum Ludwigsburg an der Oberfläche anstehende Gesteine. = Größerer Vereisungsphasen in der Erdgeschichte. ... abgetragene Gesteinsschichten. = Artensterben-Großereignisse ... in der Tiefe anstehende Gesteine. - sedimentäres Deckgebirge von Permokarbon und Trias und kristallines Grundgebirge (Gneise und Granite des abgetragenen variszischen Gebirges und älterer Zeit-Perioden). = Meteoriteneinschläge von Nördlinger Ries und Steinheimer Becken vor 14,8 Ma. Beide Krater stammen von einem Meteoriten, der sich beim Anflug geteilt hat. = Vermutete Änderungen in der Neigung der Erdachse. Abb. 5: Geologische Zeittafel und geologische Ereignisse in Südwestdeutschland. Altersangaben gerundet nach International Chronostratigraphic Chart v2016/12. Klima in MittelEuropa Kulturstufen Mya-Meer - warm - kühler - warm - kühler - warm - Neuzeit Kleine Eiszeit - Mittelalter Völkerwanderung - Altertum (Römer) - Eisenzeit (Hallstatt) - Bronzezeit (Pyramiden, Hügelgräber) Kleine Eiszeit ca. 1 - 1,5 °C kälter als heute. Größte Ausdehnung der Alpengletscher im Holozän. Im Mittelalter bis. 1 °C wärmer als heute. Die Römerzeit war bis 1 - 1,5 °C wärmer als heute, die Alpengletscher waren weit zurückgezogen. Subboreal Limnea-Meer Litorina-Meer - sehr warm... 5725 - 9285 Atlantikum Ca. 1 - 3 °C wärmer als heute, die Alpen waren bis in hohe Lagen fast eisfrei. 9285- 10705 10705- 11 700 Alter in 1000 a vor heute Boreal Präboreal Pleistozän-Gliederung in Baden-Württemberg Ancylus-See Yoldia-Meer Gliederung in NW-Europa u.a. nach LGRB 2011, 10. Ausgabe und stratigraphy.org, Quartanary v2016a u.a. nach Quartanary v2016a 11,7 - 115 Würm-Glazial Weichsel-Komplex 11,7 - 23 - Spät-Würm 11,7 - 14,50 11,67- 12,68 12,68 - 13,35 13,35 - 13,54 13,54 - 13,67 13,67 - 13,80 13,80 - 14,50 14,5 - 23 14,5 Spätglazial - Jüngere Dryas Hasenweiler- Alleröd Interstadial Formation - Ältere Dryas - Bölling Interstadial - Älteste Dryas - Meiendorf Interst. Hochglazial (Jungmoränen) -> Tettnang-(Eis-)Vorstoß (Innenwall) -> Kißlegg-Vorstoß (Außenwall) 23 - 60 60 - 115 - Mittel-Würm (Früh- Früh-Würm glazial) 115 - 126 Eem- Warmzeit 126 - 380 Riß-Glazial IlmenseeFormation Baltischer Eisstausee 380 380 - 416 416 - 480 480 - Früh-Riß (Frühglazial) Holstein-Warmzeit Hoßkirch-Glazial (früher Mindel) Eem-Warmzeit Saale-Komplex - Warthe - Trenthe SteinentalFormation Bavel-Zeit ~1,3 Ma Menap-Kaltzeit Waal-Warmzeit 1,8 Ma [Günz] Calabrium - Dorste-Kaltzeit (kalt) - Linge-Kaltzeit (glazial) ->Unterpfauzenw.-Vorstoß [Haslach - Mindel] 860 Tiefere "Jüngere Decken schotter" (kristallinreich) Tiefere "Ältere Deckenschotter" (kristallinarm) Eburon-Kaltzeit [Biber-Donau] Gelasium 2,588 – 5,3 Ma Jäger und Sammler, Höhlenmaler, Steinaxt. - kalt - wärmer - kalt - wärmer - glazial - kalt 11700 – 40000 a - kalt, glazial - kalt, kühl - warm - kühl, kalt - 2 bis 3 mal glazial Abwechselnd kühl, kalt und glazial-trocken mit kurzen und feuchteren Warmphasen. - Glaziale c, b, a - Interglazial I - IV Bavel-Zeit - Dorste - Leerdam - Linge - Bavel Waal-Warmzeit Eburon-Kaltzeit Pliozäne Höhenschotter (Höhensedimente) - MittelPaläolithikum H. neandertalensis 200 T – 40 T 40000 - 300000 a - Vor 74000 a Ausbruch des TobaCaldera-Vulkans in Indonesien. Nur wenige Tausend Hominiden haben weltweit überlebt. - AltPaläolithikum (Altsteinzeit) ? 300 T – 2,588 Ma - kalt und glazial Ab Bavel zunehmend glazial. Menap-Kaltzeit Höhere "Älteste Deckenschotter" (dolomitreich, Basis kristallinreich) Höhensedimente Cro MagnonMensch H. floresiensis 1,5 - 0,02 H. denisova H. naledi - JungPaläolithikum Cromer-Komplex Tegelen-Warmzeit Prätegelen ~ 4200 - 11700 a (Kupfersteinzeit,Ötzi, mögliche Sintflut.) (6500 – 11700 a) - warm Tegelen-Warmzeit 2,588 Ma - Neolithikum Ackerbau, Viehzucht. Agrarrevolution (Mesolithikum) Holstein-Warmzeit Elster-Komplex -> Vilsingen-Vorstoß (Innenwall) -> Steinhausen-Vorstoß (Außenwall) 781 Matuyama - kühler - wärmer - kalt, kühl DietmannsFormation - Glaziale C, B, A Brunhes Klimaoptimum des Holozäns Homo sapiens sapiens 195 T Jahre - heute, mit 0 - 4 % Genanteil des H. neandertalensis. Auswanderung aus Afrika vor etwa 60 T 90 T Jahren. Besiedelung von N-Amerika vor etwa 50T Jahren. - glazial -> Dürmentingen-Vorstoß (Innenwall) -> Scholtterhaus-Vorstoß (Außenwall) Pliozän - kühler (Löbben Kaltphase) Möglicher Stammbaum der Hominiden Mit zunehmendem Alter werden die Kenntnisse der Klimaverhältnisse und die Gliederung der Kaltzeiten unschärfer. Prätegelen Komplex -Kaltzeit Warmzeiten mit kurzen Kaltphasen Reuver warm kühl H. steinheimensis ~ 300 T H. heidelbergensis 620 T – 200T ? H. antecessor 1 Ma – 600 T Faustkeil, Nutzung des Feuers. H. erectus 1,8 Ma - 40 T Die Zeitscala ist nicht linear! Subatlantikum Cromer-Zeit Frühes Pleistozän Ostseestadien früher H. sapiens 2465 - 5725 Vegetations-Zeitstufen in Europa Vegetationszeitstufen Spätholozän MittelTarantium Alter in Jahren vor heute Heute 2465 B.P. - Spät-Riß Spät-/Hochglazial (Altmoränen) Ionium Mittleres Pleistozän Spätes Pleistozän Früh- Holozän 14 H. ergaster 2 Ma - 500T H. robustus 20 - 1,0 Ma H. habilis 2,1 – 1,5 Ma H. rudolfensis 2,5 – 1,8 Ma Australopithecäen (Lucy) 4,4 – 1,0 Ma Abb. 5a: Zeittafel von Holozän und Pleistozän (Quartär) in Deutschland (Die Zeitskala ist nicht linear). Die stratigraphische Einteilung und die absolute Altersgliederung der Zeitabschnitte im "Pleistozän" (Eiszeitalter) sind Gegenstand der aktuellen Forschung, die noch nicht abgeschlossen ist. Kenntnisse über die Temperaturen stammen aus Auswertungen von Eisbohrkernen, Sedimenten, Muschelschalen, Tropfsteinen, Pollen und Baumringen. Im Mittleren und Späten Pleistozän gab es stärkere Klimaschwankungen, als im Frühen Pleistozän. Die Kenntnisse zur Entwicklung der Hominiden sind noch sehr lückenhaft. Man muss annehmen, dass der menschliche Stammbaum wesentlich komplexer ist, als heute bekannt. Als Ursprungsort der Menschheit ist Afrika belegt. Die Auswanderung auf die anderen Kontinente erfolge über die arabische Halbinsel in mindestens 3 Wellen. Von zahlreichen Hominidenarten ist der heutige Mensch als einzige Art übriggeblieben. 1536 Perm, Zechstein Trias, Buntsandstein Trias, Muschelkalk Trias, Unterkeuper 259-252 Millionen Jahre (Ma) 252-244 Ma 244-236 Ma (Lettenkeuper) 236-234 Ma Fennoskandisches Hochland Trias, Mittlerer- und Später Jura (Weißer Jura) Paläogen und Neogen Quartär Oberer Keuper 234-201 Ma 164-145 Ma 66-2,58 Ma 2,58 Ma bis heute gestichelt = Land in Früher Kreide Dargestellt ist die Situation im Eiszeitalter (Pleistozän) Fennoskandisches Hochland Gletscher der Würm-Kaltzeit größte Vergletscherung flaches Randmeer Molasse Becken Paratethys Abb. 6: Das Germanische Becken - Die Verteilung von Land und Meer in Europa. Paläogeographische Karten der Sedimentationsräume in Deutschland und in Europa (Germanisches Becken) für die Zeiträume von Perm bis Quartär. Gut zu erkennen sind das Fenoskandische- und das Vindelizische Hochland, die Liefergebiete für die mächtigen klastischen Sedimente im Germanischen Becken waren. Seit dem Ende der Jura-Zeit sind weite Teile von Süddeutschland Festland. Die Kreidezeit ist nicht dargestellt. Die breiten Pfeile verdeutlichen das episodisch einströmende Meerwasser in das Muschelkalk-Becken. Die schmalen Pfeile verdeutlichen den Transport der klastisch-fluviatilen Sand-, Schluff, und Tonsedimente in die Kontinentalbecken der Buntsandstein- und Keuper-Zeit. Grafik ergänzt nach R. Schoch, Staatliches Museum für Naturkunde, Stuttgart, www.naturkundemuseum-bw.de. Zeitangaben gerundet nach International Chronostratigraphic Chart v2016/12. 16 Vindelizisches Ludwigsburg Land Ludwigsburg Die Abbildung zeigt die hier rot gefärbten Gneise, die von den helleren Granit-Plutonen in der Devon-Karbon-Zeit durchschmolzen wurden. Ludwigsburg Rheingraben Ludwigsburg Schwäb. Alb Molassebecken Abb. 7: Die Erdgeschichte von Baden-Württemberg. Paläogeographische Blockbilder der Landschaften für die Zeitabschnitte von Bundsandstein, Muschelkalk, Keuper, Paläogen und Neogen. Blockbilder ergänzt nach C. Stier, H. Behmel & U. Schollenberger (1989): Wüsten, Meere und Vulkane, Baden-Württemberg in Bildern aus der Erdgeschichte. Peter Grohmann, Stuttgart. Während der Buntsandstein-Zeit war das Germanische Becken eine fluviatile Aufschüttungsfläche mit einem Zur Jura-Zeit drang wieder das Meer von Süden in das Germanische Becken vor und lagerte in einem flachen bis wüstenartigen Klima. Aus den randlichen Hochgebieten haben Flüsse und Sturzfluten sandige Sedimente mit Tonen und Geröllen in die oft abflusslosen Tiefebenen transportiert. Während der Muschelkalk-Zeit drang tiefen Schelfmeer Ton- und Kalkschlämme und mächtige Riffkalke ab (kein Bild). Gegen Ende der Jura-Zeit und mit Begin der Kreide-Zeit vor etwa 145 bis 140 Mio. Jahren wurde unser Land tektonisch angehoben und wurde das Meer in das Becken vor und lagerte Kalk- und Tonschlämme ab. Zur Zeit des Mittleren Muschelkalks war dieses Randmeer zeitweise vom großen Ozean abgeschnitten, so dass das Meerwasser im trockenheißen Klima (arides Klima) verdunstete und sich Evaporitsedimente als Gips, Anhydrit und Steinsalz abgesetzt haben. Zur Keuper-Zeit herrschten wieder festländische Ablagerungsverhältnisse mit gelegentlichen Abtragungsgebiet (Abb. 16). Auf dem Festland entwickelte sich durch die Erosion der schräg gestellten und unterschiedlich widerstandsfähigen Sedimentschichten das Schwäbisch-Fränkische-Schichtstufenland. Der Stress der afrikanisch-europäischen Plattenkollision (Alpenbildung) während der Zeit des Paläogens (früher marinen Einflüssen bei einem oft trockenen und kontinentalen Klima vor. Zur Zeit des Gipskeupers kam es zur Ausscheidung von Gips und Anhydrit im verdunstenden Meerwasser. Die höheren Keuperschichten werden von mächtigen Tonmergel-Sedimenten und von Sandsteinlagen aufgebaut, die von Flusssystemen aus Norden und Südosten in das Becken transportiert wurden. Tertiär) vor etwa 40 Millionen Jahren führte zum Einbrechen der europäischen Grabensysteme und zur Heraushebung der Grabenschultern von Schwarzwald und Vogesen. Im Oberrheingraben wurden unter Meeresbedeckung bis zu 4.000 m mächtige Sedimente abgelagert. Im Alpenvorland wurden der bis über 5.000 m mächtige Abtragungsschutt der Alpen im teils marinen und teils limnisch-fluviatil geprägten Molassebecken abgelagert. 17 Odenwald Keuper Quartär + Paläogen/ Neogen Bauland Hohenlohe Neckar Rheingraben Kraichgau Keuper Heuchelberg Hohenloher Ebene Kaiserstuhl Vulkanruine Gäue H eckengäu Gäue Murr Buntsandstein Perm,+ Karbon Schwäbische Alb Baar NordSchwarzwald Hegau Keuper Enz Murg Schwarzwald OberrheinGraben Schnittlage in Abb. 9 MeteoritenKrater Nördlinger Ries und Steinheimer Becken Oberschwaben Alpenvorland Ludwigsburg Strohgäu Backnanger Bucht Welzheimer Wald Stuttgart Schurwald Glemswald Keuper Oberes Gäu Neckarbecken SchwäbischFränkische Waldberge Zabergäu Stromberg Muschelkalk, teils mit Lettenkeuper Nagold Kraichgau Löwensteiner Berge Mainhardter Wald Filder Rems Fils Früher Jura AlbVorland Schönbuch Klettgau Deckgebirge Grundgebirge Molassebecken Gneise + Granite Abb. 8: Baden-Württemberg heute - Die geologische Anatomie unseres Landes. Keuper Muschelkalk, teils mit Lettenkeuper Mittlerer Jura Später Jura Schwäb. Alb Geologische Reliefbilder ergänzt nach G. Wagner & A. Koch (1961), bearbeitet durch R. Hüttner. Quelle: LGRB-BW. Die räumliche Darstellung zeigt vereinfacht die Verbreitung der Gesteinsschichten in Baden-Württemberg. Östlich der fluviatilen Terrassenlandschaften des Oberrheingrabens erhebt sich das kristalline Grundgebirge Über dem Keuper liegen die Tonsteine, Mergelsteine und Sandsteine des Frühen Juras (blaugrau). Darüber bilden im Alb-Vorland die mächtigen Tonsteinserien des Mittleren Juras (braun) den kuppigen Anstieg zur (rot) und bildet zusammen mit Sedimentresten von Karbon und Perm (grün) die stark bewaldete, kuppige und tief zertalte Mittelgebirgslandschaft von Schwarzwald und Odenwald. Im Nordschwarzwald und im Odenwald liegt der Buntsandstein (beige) als älteste sedimentäre Schichtstufe auf dem Grundgebirge und steilen Schichtstufe der Schwäbischen Alb. Der Felstrauf der Schwäbischen Alb wird von den verkarsteten Karbonatgesteinen des Späten Juras (hellblau) gebildet, die den derzeitigen Haupterosionsrand der Jurastufe leitet den Übergang von der Grundgebirgslandschaft zur nach Osten folgenden Schichtstufenlandschaft ein. Über dem Buntsandstein folgt die Stufe und Verebnungsfläche des z.T. verkarsteten Muschelkalks in Baden-Württemberg markieren. Die roten Punkte (Auswahl) im Vorland und auf der Alb sind Reste von Vulkan-Tuff-Schloten des Kirchheim-Uracher Vulkangebiets aus der Miozän-Zeit. Die zunächst kuppige und (rosa), der zusammen mit dem geringmächtigen Lettenkeuper - Unterer Keuper (gestichelte Linie in der ab der miozänen Meeres-Klifflinie ebenere Albhochfläche geht entlang der Donau in die teils hügelige und teils flächige Akkumulationslandschaft von Oberschwaben über. Diese wird von den mächtigen Ton-, Sandund Kiesschichten des Molassebeckens aus der Zeit von Paläogen und Neogen (gelb) aufgebaut. Die Molas- Abb. rechts) die weiten und oft waldfreien Gäuflächen und das Neckarbecken bildet. Darüber folgt die Schichtstufe des Gipskeupers und des Sandsteinkeupers - Mittlerer und Oberer Keuper (grün), deren Hochflächen die bewaldeten Keuperbergländer rund um Stuttgart und Heilbronn und die SchwäbischFränkischen Waldberge bilden. Das Ausgreifen der Keuperschichtstufe nach Westen im Glemswald bei Leonberg wird durch die Reliefumkehr im Fildergraben verursacht. seschichten werden großteils von den Ablagerungen der Gletscher (Moränenzüge) und deren Schmelzwässer (Schotterflächen) des Pleistozäns – Eiszeitalter und von kiesig-sandig-lehmigen Talablagerungen des Holozäns - Jetztzeit (ocker) bedeckt. 18 West Ost Nord-Vogesen Rheingraben Nord-Schwarzwald Nord Gäue Filder Merkur ehemalige Sedimentbedeckung Permokarbon bis Jura Haguenau Rhein Schwäbische Alb Achalm Murg Baden-Baden Süd Nagold B. Liebenzell Oberschwaben Tautschbuch Neckar Höchsten Donau Ludwigsburg Stuttgart Thurgau Alpen Säntis Bodensee Mengen St. Gallen Helvetikum ehemalige Gletscherbedeckung Grundgebirge Grabenfüllung der Paläogen- und Neogen-Zeit Permokarbon Buntsandstein Muschelkalk Pliozäne Vulkanschlote Keuper Süddeutsche Scholle Früher- Mittlerer- Später Jura Pleistozäne und holozäne Sedimente Subalpine Molasse Beckenfüllung der Paläogen- und Neogen-Zeit Abb. 9: Geologischer Profilschnitt Vogesen - Rheingraben - Schichtstufenland - Oberschwaben - Alpen. Der Profilschnitt zeigt vereinfacht und etwa 10-fach überhöht die Lage der Sedimentschichten (gelb) über dem Grundgebirge in Baden-Württemberg. Die Pfeile verdeutlichen die vertikalen und horizontalen Bewegungen der Erdkruste. Bei der Abtragung des variszischen Gebirges in Südwestdeutschland während der Perm-Zeit vor ca. 250 bis 300 Mio. Jahren wurden die über dem Grundgebirge liegenden Gesteine aus den Zeitperioden von Devon und Karbon bis auf örtliche Reste entfernt. Dabei kam es zur Ablagerung von grobkörnigen terrestrischen Sedimenten in langgestreckten Becken (Rotliegendes) und zu flächenhaften, marinen und terrestrischen Ablagerungen in Baden-Württemberg (Zechstein). Während der nun beginnenden Einsenkung des großen Germanischen Beckens wurde in den Zeitabschnitten von Trias (Buntsandstein, Muschelkalk, Keuper) und Jura eine über 1.500 m mächtige Sedimenthülle flächig auf dem Grundgebirgssockel abgelagert. Ab dem Ende der Jura-Zeit hat sich das Gebiet des Rheinischen Schildes im Zentrum von Europa weiter aus dem Meer herausgehoben und auch Südwestdeutschland in die Hebung miteinbezogen. Im Bereich von Schwarzwald und Vogesen kam es zu einer lokalen Aufwölbung, verursacht durch thermische Konvektionsprozesse im oberen Erdmantel (Manteldiapir). Als Folge dieser Heraushebung ist in der Paläogen-Zeit vor etwa 45 - 35 Mio. Jahren der 300 km lange und bis zu 40 km breite Oberrheingraben als mittlerer Teil des "Europäischen Känozoischen Riftsystems" entstanden, der sich heute noch mit 0,1 - 0,2 mm/Jahr absenkt und verbreitert. Die Sedimentgesteine auf den herausgehobenen Grabenschultern von Vogesen, Schwarzwald und Odenwald wurden nun rasch abgetragen. Im stärker herausgehobenen mittleren und südlichen Schwarzwald werden heute weite Teile der Mittelgebirgslandschaft von den Gneisen und Graniten des Grundgebirges aufgebaut. Im nördlichen und östlichen Schwarzwald bedecken die Sedimentgesteine der Schichtstufe des Buntsandsteins viele Bergrücken und reichen oft bis in die Täler. Der Rheingraben war während der Paläogen-Zeit vom Meer überflutet und wurde mit bis zu 4.000 m mächtigen Sedimenten gefüllt. Durch die ungleichmäßige Hebung von Schwarzwald und Odenwald in Verbindung mit der Einsenkung des Nordalpinen Molassebeckens wurden die Sedimentschichten in Baden-Württemberg nach Profilschnitt verändert und ergänzt nach O.F. Geyer & M.P. Gwinner (1991): Geologie von Baden-Württemberg. 4. Aufl. Schweizerbart, Stuttgart. ihrer Ablagerung nach Südosten verkippt. Das hat zusammen mit der Abtragung der unterschiedlich erosionsbeständigen Gesteine zur Bildung eines sich nach Nordosten asymmetrisch aufgefächerten Schichtstufenlandes geführt. Unter der Schwäbischen Alb und unter Oberschwaben nimmt das Schichtfallen zum Molassebecken hin wieder zu (Molasseflexur). Das Molassebecken hat sich in der Zeit von Paläogen und Neogen (früher Tertiär) als Massenausgleichsbewegung zu den rasch aufsteigenden Alpen eingesenkt und war zeitweise vom Meer überflutet. Diese Akkumulationslandschaft nimmt bis heute den Abtragungsschutt der Alpen auf. Es wurden sandigtonige, kiesige und konglomeratische Sedimente mit einer Mächtigkeit bis über 5.000 Meter abgelagert. Vor dem Alpenrand biegt die Schichtlagerung der Molasse um und bildet die "Aufgerichtete Vorlandsmolasse". Ursache dafür sind die sich nach Norden vorschiebenden Alpen, die die Molasseschichten verbiegen, stauchen, falten, abscheren und überschieben. Die gefalteten und abgescherten Bereiche bilden als alpenparallele Hügelketten eine Schichtrippenlandschaft und werden "Subalpine Molasse" oder "Faltenmolasse" genannt. Während der Auffaltung der Alpen wurden ältere Flysch-Sedimente über die jüngere Faltenmolasse überschoben. Der Flysch entstand während der Kreide-Zeit durch marine Trübeströme (Turbidite) im tiefen Meeresbecken der Tethys. Die Felsgesteine der Helvetischen Decken, die am Säntis über dem weichen Flysch liegen, wurden in einem weit südlich nahe Afrika liegenden, flachen Schelfmeer der Kreide-Zeit abgelagert und dann hunderte Kilometer weit nach Norden überschoben (siehe Kap. 6). In Oberschwaben und im Thurgau werden die Molasseschichten großteils von kuppig-weitgeschwungenen und steinig-lehmigen Gletschermoränenzügen, von langgezogenen und ebenen, kiesig-sandigen Schotterflächen ehemaliger Schmelzwasserrinnen und von den tonig-torfigen Beckenfüllungen des Pleistozän (Eiszeitalter), sowie von den jüngsten klastisch-fluviatile Ablagerungen aus der aktuellen Zeit des Holozän bedeckt. 36 19 3. Geologie und Fossilien in Ludwigsburg In den Zeitperioden von Oberkarbon bis Perm vor etwa 320 bis 250 Millionen Jahren wurden die variszischen Hochgebirgszüge stark abgetragen. Die Abtragungsprodukte wurden in Baden-Württemberg als grobkörniger, terrestrischer Schutt in langgestreckten und von Südwesten nach Nordosten verlaufenden Becken abgelagert (Rotliegendes). Darüber wurden im nördlichen Baden-Württemberg marine Sedimente und terrestrisch-fluviatile Sedimente (Zechstein) in einer großen Meeresbucht sedimentiert. Eine Kette von Vulkanen hat große Mengen an Lava und Tuffen ausgestoßen und abgelagert. Im sich dann weiter ausdehnenden und einsinkenden Germanischen Becken wurden in den Zeiten von Trias und Jura und stellenweise während der Kreide-Zeit kontinentale und marine Sedimente weitgehend horizontal abgelagert. Die Schichten aus der Jura-Zeit und die höheren Schichten aus der Keuper-Zeit wurden in Ludwigsburg in den vergangenen 145 - 140 Mio. Jahren abgetragen. Die Mächtigkeiten der abgelagerten Gesteinsschichten schwanken zwischen den Randbereichen und dem Beckeninneren. Nachfolgend werden die Schichtmächtigkeiten im Raum Ludwigsburg angegeben. Bei einer hypothetischen Tiefbohrung auf der Stohgäufläche in Ludwigsburg würde man diese Schichtfolge antreffen: Jetztzeit: An der Oberfläche 20 - 50 cm humoser Oberboden und stellenweise 0,5 - über 2 m anthropogene Auffüllungen. Quartärzeit: 0,5 - 8 m und stellenweise bis über 10 m relativ weiche und körnig-bindige Deckschichten der Kaltzeiten und der Jetztzeit. Je nach Standort Lösslehm, Löss, Frostmischböden, Fließerden, Schuttsedimente, Auen- und, Seesedimente, Flusskiese. Gipskeuper: Stellenweise wenige Meter bis maximal 35 m mächtige Tonsteine und Gipsauslaugungsreste (Zellendolomite). Lettenkeuper: Je nach Abtragung bis maximal 23 m Wechsellagerung von Tonsteinen, Dolomitsteinen und Sandsteinen. Oberer Muschelkalk: 85 - 88 m Dolomitsteine und massige Kalksteine mit dünnen Tonsteinlagen. Mittlerer Muschelkalk: Ca. 65 m Kalk- und Dolomitsteine, Auslaugungstone der Salzgesteine und teilausgelaugte Sulfatschichten. Ab dem Mittleren Muschelkalk sind die Schichten auf der Gemarkung Ludwigsburg nicht mehr an der Oberfläche aufgeschlossen. Unterer Muschelkalk: Ca. 56 m Kalk- und Dolomitsteine. Buntsandstein: Ca. 300 m Sandsteine mit Gerölllagen und vereinzelten Tonsteinlagen. Perm (Rotliegendes und terrigener Zechstein): Ca.100 m Sandsteine, Konglomerate, Tonsteine, Dolomitsteine. Gneise und Granite des Grundgebirges (Kristallingesteine) als Basis unter dem sedimentären Deckgebirge. Die hier beschriebene Schichtfolge ist z.T. in Tabelle 2 und im geologischen Profilschnitt in Abb. 19b dargestellt. Je nach Lage auf der Gemarkung ist der Obere Muschelkalk durch Erosion in seiner Mächtigkeit reduziert. Der Gipskeuper und der Lettenkeuper sind örtlich ganz abgetragen. Östlich des Neckars liegt auf der Kuppe des Lembergs ein 25 m mächtiger Erosionsrest des Schilfsandsteins als jüngste erhaltene Keuperschicht auf der Gemarkung. Darunter liegt hier die nahezu vollständige Schichtfolge des ca. 100 m mächtigen Gipskeupers. Die Kenntnisse über die geologische Gesteinsschichtfolge in Baden-Württemberg wurden in den vergangenen 200 Jahren durch geologische Kartierungen an der Erdoberfläche, beim Tunnelbau, beim Bergbau, durch zahlreiche tiefe Bohrungen und bei seismischen Untersuchungen erlangt. In Ludwigsburg wurden zwei tiefe Bohrungen bis in den oberen Bereich des Buntsandsteins niedergebracht. Neben der Art und Ausbildung der Gesteine geben auch die in den Gesteinen eingeschlossenen Fossilien einen guten Einblick in die Lebensräume und zu den Klimaverhältnissen zur Zeit der Sedimentation. Die Gesamtheit aller Fossilien zeigt die Entwicklung des Lebens und des Klimas auf der Erde und macht oft eine zeitliche Gliederung und eine weiträumige Vergleichbarkeit der Gesteinsablagerungen möglich (stratigraphische Gliederung mit Hilfe von sogenannten Leitfossilien).Teile von verendeten und abgestorbenen Lebewesen können unter bestimmten Gegebenheiten in feinkörnige Sedimente eingebettet werden. Mit der Verfestigung und Entwässerung der Sedimente kam es bei geeigneten Ablagerungsbedingungen - keine schnelle Zersetzung, Sauerstoffabschluss, Mumifizierung durch Austrocknung etc.- zur Fossilisation dieser Tier- und Pflanzenreste. Das sich nur langsam zersetzende organische Material wurde entwässert, flachgedrückt und mit der Zeit durch Minerale aus der Sedimentumgebung als chemische Substanzumwandlung ersetzt. Dabei wurden Schalen, Zähne, Skelettteile und Pflanzenreste z.B. durch Karbonate, Siliziumverbindungen oder durch Pyrit versteinert. Die Morphologie der ehemaligen Lebewesen und v.a. die der Hartteile blieb dann an den Grenzflächen als Abdruck, Steinkern und Lebensspuren sichtbar erhalten. Abdrücke von Horn, Haut, Federn und Organen sind ebenso möglich, wie Reste von Wohnbauten, Fress- und Kriechspuren und Ausscheidungen. Kaum zersetzte Reste von Landpflanzen wurden unter Luftabschluss in Torf und bei höheren Temperaturen und Drücken in der Tiefe in Braunkohle und Steinkohle umgewandelt (Inkohlung). Die bei der Verwesung von marinen Mikroorganismen (Plankton, Algen, Faulschlamm) entstanden Flüssigkeiten und Gase wurden in der Tiefe unter bestimmten Druck- und Temperaturbedingungen in Erdöl und Erdgas umgewandelt. Zur Ablagerungszeit der verschiedenen Gesteinsschichten gab es unterschiedliche Lebens- oder lebensfeindliche Bedingungen, weshalb nicht in jeder Schicht Fossilien zu finden sind. In früheren Zeiten lag der Süddeutsche Raum nahe am Äquator und war oft von flachen und warmen Meeren bedeckt. Hier finden sich fossilisierte marine Fauna und Flora. Im Laufe der Zeit zog sich das Meer auch zurück und es gab Sümpfe und Trockengebiete mit amphibischem und terrestrischem Leben und den zugehörigen Fossilien. 20 Tabelle 2: Stratigraphische, lithologische, hydrogeologische und baugrundgeologische Charakterisierung der Schichtfolge in Ludwigsburg. Alle Angaben sind Durchschnittswerte und ersetzen keine spezifischen Untersuchungen bei einzelnen Bauvorhaben. 21 22 3.1 Buntsandstein (252 bis 244 Millionen Jahre) Der Buntsandstein ist die älteste und unterste Sediment-Schichtstufe in Baden-Württemberg. Er bildet die bewaldeten Höhenzüge des Buntsandstein-Schwarzwaldes und -Odenwaldes und im Nordschwarzwald die Hochlagen von Schliffkopf, Hornisgrinde, Merkur und Hohloh. Über der durch Erosion wellig eingeebneten Rumpffläche des Grundgebirges mit den langgezogenen Ablagerungströgen (fluviatil-limnische Sedimentation). Die Grenze zum jüngeren Muschelkalk bilden die unter Meereseinfluss abgelagerten der Karbon- und Perm-Zeit wurden die Schichten des Bunt- Röt-Tone. In Ludwigsburg beginnt die etwa 300 m mächtige sandsteins bei einem wüstenartigen Klima in einer Land- Gesteinsserie des Buntsandsteins im Neckartal ca. 140m schaft vergleichbar mit Inner-Australien flächig und diskordant abgelagert. Die oft rötlich gefärbten und grob- bis und auf der Gäufläche ca. 200 - 240 m unter der Geländeoberfläche. Die obersten Schichten des Buntsandsteins, die feinkörnigen Sandsteine mit Geröll- und Tonsteinlagen wur- Röt-Tone und der Plattensandstein wurden bei den Solewas- den von Flüssen aus den randlichen Hochgebieten in breiten Schwemmfächern als Schichtfluten in die oft abflusslosen serbohrungen in Ludwigsburg-Hoheneck und im ehemaligen Mathildenhof in der Rosenstraße bei 59 bzw. 67 mNN ange- Ebenen des Germanischen Beckens geschüttet bohrt (Abb. 19b). 3.2 Muschelkalk (244 bis 236 Millionen Jahre) Der Muschelkalk ist die zweite Schichtstufe in Baden-Württemberg und bildet zwischen Klettgau und Bauland die Neckar- und Taubergäuplatten. Während der Muschelkalkzeit kam es durch den Anstieg des Meeresspiegels zur Überflutung des Germanischen Beckens durch ein flaches und warmes Randmeer des großen Tethys-Meeres zwischen Afrika und Eurasien. Bei trocken-heißen Klimaverhältnissen, ähnlich denen im Persischen Golf wurden im stark salzhaltigen Meerwasser feinkörnige Ton- und Karbonatschlämme, karbonatische Schalenreste von Meerestieren und evaporitische Sedimente abgelagert (bioklastische, chemisch-biogene und chemische Sedimentation, Abb. 6). Der Untergrund der Gäuhochebene wird von den etwa 56 m Kristallstruktur von Kalk eingebaut (CaCO3 mächtigen Mergel-, Kalk- und Dolomitschichten des Unteren Unter dem Dolomit folgen unterschiedlich mächtige, plattige Muschelkalks aufgebaut. Der etwa 65 m mächtige Mittlere bis gut gebankte, geklüftete und gelbgrau bis graublau gefärbte Kalksteine, die oberflächennah plattig-steinig verwit- Muschelkalk besteht großteils aus evaporitischen Gesteinen CaMg(CO3)2). (Anhydrit, Gips und Steinsalz) und aus Dolomitsteinbänken und tritt in Ludwigsburg nicht zutage. Die Evaporite wurden tern. Sie bestehen teils aus mikrokristallinen Blaukalken, die durch Ausfällung aus dem verdunstenden Meerwasser in Mineralien übersättigten und sauerstoffarmen Meer gebildet haben und teils aus zertrümmerten Gehäuseresten von Mee- einem sehr warmen Meeresgebiet mit einem stark verringerten Wasseraustausch abgelagert. In den Landesteilen, wo sich aus ausgefällten Kalkschlämmen in einem warmen, an restieren (bioklastische Kalke, Schalentrümmerkalke) aus heute die Bedeckung durch höhere Gesteinsschichten ganz sauerstoffreichen und lichtdurchfluteten Flachwasserberei- oder teilweise abgetragen ist, so auch im Raum Ludwigsburg,, chen. Im Unteren Hauptmuschelkalk findet man Trochitenkalke, die fast vollkommen aus versteinerten Stielgliedern von wurden die Salzgesteine des Mittleren Muschelkalks durch das Sicker- und Grundwasser ausgelaugt. Hier sind nur noch die schluffig-tonigen Lösungsrückstände übrig geblieben. Auch die Gips- und Anhydritgesteine befinden sich hier im Seelilien (Crinoiden) aufgebaut sind. Die Kalksteinbänke werden durch zahlreiche dünne, dunkler gefärbte und z.T. dolomitische Tonmergelsteinfugen voneinander getrennt, was Stadium der Auslaugung was im Stroh- und Heckengäu örtlich zur Bildung von Lösungshohlräumen mit Durchbrüchen eine gute lithostratigraphische Gliederung des Oberen Mu- bis zur Erdoberfläche als Erdfälle führt. Erdfälle treten auch bereich zum Vorfluter und v.a. an den Talrändern und unter den Talsohlen kommt es vermehrt zur Verkarstung der Kar- im Lettenkeuper bevorzugt in der Nähe der Grenze zum Oberen Muschelkalk auf, weil das zunächst oberirdisch fließende Wasser hier versickert und die Kalklösung dann an geeigne- schelkalks über weite Entfernungen möglich macht. Im Nah- bonatgesteine des Oberen und Mittleren Muschelkalks. Durch ten Kluftsystemen im Muschelkalk beginnt. Die Schichtgrenze die Lösung der Karbonate durch zirkulierendes Grund- und Sickerwasser erweitern sich die schmalen Klüfte und Schicht- Mittlerer/Oberer Muschelkalk liegt etwa 15 - 25 m unter der fugen zu Spalten und Hohlräumen bis hin zu Erdfällen. Das Talauen-Oberfläche des Neckartals. erhöht dann die Grundwasserführung und Durchströmung Der etwa 88 m mächtige Obere Muschelkalk wird in seinem dieser Schichten erheblich und kann Baugrundprobleme verursachen. Der Mineralwasserbrunnen und der Brunnen obersten Teil vom 5 - 11 m mächtigen, gelbgrauen, massigen und kavernösen Trigonodusdolomit gebildet, der sandig- des Freibades Hoheneck sind in verkarsteten Muschelkalk- schluffig verwittert. Bei der Dolomitisierung wird nach der Wasserdurchlässigkeit führen bei Karbonat- und Sandsteinen oft zur Tiefenerosion der Flüsse, während die viel besser Sedimentablagerung Magnesium aus dem Meerwasser in die schichten gefasst. Gerade die Klüftigkeit und damit die gute 23 abdichtenden Tonsteine mehr in die Breite erodiert werden. Neckar und die Nebenflüsse tief in das harte, klüftige und An den steilen Prallhängen der Flüsse zwischen Hoheneck z.T. verkarstete Gestein einschneiden und winden sich in und Poppenweiler treten die Gesteinsformationen des Oberen engen Mäandern durch die Täler. Die harten Kalksteinbänke Muschelkalks als stark zerklüftete Felsbänder breit zutage und es kommt hier öfter zu gefährlichen Steinschlägen. Die werden oft in Steinbrüchen abgebaut und zu Bausteinen, Schotter und Zement verarbeitet (ehem. Stbr. Hubele, ehem. Strohgäufläche wurde durch den Schwäbisch-Fränkischen- Stbr. im Blühenden Barock etc.). Sattel tektonisch empor gehoben. Hier mussten sich der 3.2.1 Fossilien im Oberen Muschelkalk Der Obere Muschelkalk ist sehr fossilreich. In den beiden Hauptschichten Trochitenkalk (mo1) und Ceratitenkalk (mo2) lassen sich Schalentrümmerbänke und Lagen mit Fossilanreicherungen, zudem Abdrücke von Schlangenseesternen und Bohrgänge finden. Häufig sind auf den Bankoberflächen Funde von Schuppen und Fischzähnen im gesamten Oberen Muschelkalk anzutreffen. Fossilien treten auch häufig in den mergeligen Schichten auf. Der über dem Ceratitenkalk liegende Trigonodusdolomit ist fossilarm. Neben Muscheln (Trigonodus sandbergeri) kommen dort auch Brachiopoden, Schnecken, Foraminiferen und Wirbeltierreste vor. 3 1 2 5 6 7 4 9 10 8 13 11 12 Abb. 10: Rekonstruktion der Lebewelt im Muschelkalkmeer. Zeichnung und Text verändert nach H. Hagedorn und Th. Simon (1985) aus C. Stier, H. Behmel, U. Schollenberger (1989): Wüsten, Meere und Vulkane, Baden-Württemberg in Bildern aus der Erdgeschichte, Grohmann, Stuttgart. Die tiefste und älteste in Ludwigsburg im Neckartal zutage Haßmersheimer Mergel. auf. Neben Seelilien sind auch tretende Gesteinsschicht ist der Trochitenkalk. Trochiten Muscheln, Gastropoden (Schnecken) und Brachiopoden sind versteinerte Stielglieder von Seelinien, die im Gestein oft (Armfüßer) häufig anzutreffen. Im Grenzbonebed zum Ceratitenkalk, einer Ansammlung von Fossilienresten, lassen sich in Massen auftreten und in einigen Horizonten auch gesteinsbildend sind. Im Trochitenkalk trat das erste Mal die sogenannte Encrinus liliiformis (Abb. 11, Nr. 4) auf, eine zusätzlich noch Schuppen und Zähne von verschiedenen Seelilienart, die sich besonders gut hier und auch in ganz Fischarten finden. Knochenfunde von Reptilien, Amphibien und Saurierarten sind dagegen selten. Baden-Württemberg finden lässt. Es gibt aber auch Schalentrümmerbänke ohne Trochiten, dafür mit vielen Terebratula Der Ceratitenkalk verdankt seinen Namen der Ammonoidea- vulgaris, einer Brachiopodenart. Ceratitenfunde sind in dieser Schicht eher selten, dennoch treten auch hier schon die Ordnung Ceratitida (Nr. 1, 11). Ceratiten sind die Leitfossilien des Oberen Muschelkalks und machen dort eine bio- frühsten Ceratiten, die Serpiantites sp. in der Schicht der stratigraphische Gliederung über weite Bereiche möglich. 24 Funde sind im Raum Ludwigsburg aber selten. Dennoch symmetrisch. Die Terebratula vulgaris ist hier nur noch teil- sind Ceratiten im Ceratitenkalk häufiger vertreten als im weise vertreten. Im Ceratitenkalk lassen sich auch Schalen- Trochitenkalk. Vorherrschend sind aber Muscheln und trümmerbänke vorfinden. Eine dieser Bänke stellt das Brachiopoden, z.B. Coenothyris cycloides in der Cycloides bank. Muschel und Brachiopoden lassen sich durch ihre Hauptlager der Muschelart Pecten subtilis, dar. Dann gibt es sich immer noch Seelilienteile, zudem auch Steinkerne von Klappen unterscheiden. Muscheln besitzen zwei gleiche Chemnitzia hehli (Nr. 22), gewundene Turmschnecken und Klappen und sind lateralsymmetrisch. Brachiopoden dagegen besitzen eine Schale und einen Deckel, sie sind nicht die Natutilidenart Nautilus bidorsatus. Abb. 11: Lebewelt und Fossilien des Oberen Muschelkalks. Zeichnung und Text aus H. Brunner (1998): Geologische Karte von Baden-Württemberg 1 : 50 000, Erläuterungen Stuttgart und Umgebung, Hrsg.: Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Bad.-Württ., (LRGB-BW), Freiburg. 36 25 Stratigraphie Obere Sulfatschichten HeilbronnFormation (Ceratitenkalk) DiemelFormation Meißner-Formation Obere Dolomite Rottweil-F. Oberer Muschelkalk Trochitenkalk-Formation Zwischendolomit SteinsalzSchichten Untere Sulfatschichten Untere Dolomite Liegende Kalkmergel KarlstadtFormation Unterer Muschelkalk Abb. 12: Geologische Profile des Mittleren Muschelkalks aus Tiefbohrungen (Diemel-, Heilbronn- und Karlstadt-Formation). Links: Mittlerer Muschelkalk in der Grundwasserbohrung Mathildenhof in Ludwigsburg mit ausgelaugten Steinsalzschichten und Sulfatschichten in fortschreitender Auslaugung. Rechts zum Vergleich: Mittlerer Muschelkalk in Stuttgart mit vollständiger Sulfat- und Salinarformation. Schichtprofile ergänzt aus: H. Brunner (1998): Geologische Karte von Baden-Württemberg 1 : 50 000, Erläuterungen Stuttgart und Umgebung. LGRB-BW, Freiburg. Abb. 13: Geologisches Standardprofil des Oberen Muschelkalks (Rottweil-, Meißner- und Trochitenkalk-Formation) im Raum Stuttgart. 36 26 3.3 Keuper (236 bis 201 Millionen Jahre) Ausgelöst durch tektonische Vorgänge im Zusammenhang mit der Wanderung der Kontinente hat sich das Muschelkalkmeer wieder langsam zurückgezogen. Während der nun folgenden Keuper-Zeit wurden wieder festländisch geprägte, brackische, deltaische, limnische, fluvioklastische und äolische Sedimente in breiten und reliefarmen Tiefland-Flussebenen, in Seen und in Buchten abgelagert (85 % Tonsteine). Das Klima war tropisch-feucht-warm und im Zentrum des Pangäa-Großkontinents ein trocken-heißes Kontinentalklima. Dieser flache Ablagerungsraum war nur durch schmale Pforten mit gelegentlichen und kurzen Meerwasserzuflüssen mit dem Weltmeer verbunden. In den abgeschnürten Meeresbecken kam es im sehr warmen und an Mineralien übersättigten Wasser zur Eindampfung und Absetzung von Karbonatsedimenten, Sulfatsedimenten und Salzen. Zur Lettenkeuper-Zeit kam es auch zu feinkörnigen Sandeinschüttungen durch ein großes Flussdelta aus dem weit nördlich gelegenen "Fenno-Skandischen Hochland", das im Bereich des heutigen Baltikums und Skandinavien lag. Warme Winde haben v.a. zur Zeit des Mittleren Keupers große Staubmassen in das Keuperbecken transportiert, aus denen mit der Zeit die mächtigen, rötlich und auch grünlich-grau gefärbten Tonsteine der Dunkelroten Mergel, der Bunten Mergel und des Knollenmergels entstanden sind. Mit dem Schilfsandstein, Kieselsandstein, Stubensandstein und Rhätsandstein treten dann z.T. mächtigere Sandsteinlagen auf. Diese wurden teils von Hochgebieten aus dem weit entfernten "Fennoskandischen Hochland" (feinkörniger Schilfsandstein) und teils aus dem viel näher und südöstlich gelegenen "Vindelizischen und Böhmischen Hochland" (grobkörniger Kieselsandstein, Stubensandstein und Rhätsandstein) in breit verzweigten Flusssystemen und in großen Schwemmfächern in die warmen und trockenen Tieflandebenen des Germanischen Beckens eingeschwemmt (Abb. 6). Je länger die Transportstrecke der Sandsedimente ist, desto feinkörniger ist später der abgelagerte und verfestigte Sandstein. Die weicheren und weniger stabilen Gesteinskomponenten werden beim Transport zerrieben, so dass mit zunehmender Entfernung vom Liefergebiet der Anteil der erosionsbeständigen Quarzkörner aus den abgetragenen Kristallingesteinen zunimmt. Auf den waldarmen Gäuflächen in Baden-Württemberg, so Schichten gegenüber der Umgebung und der damit verbun- auch im Bereich des Strohgäus und des Langen Feldes wird die breite Ausstrichsfläche des Oberen Muschelkalks oft von denen verstärkten Abtragung verantwortlich ist. Die Gesteine des Lettenkeupers wurden in Ludwigsburg in den ehemali- den wechselnd mächtigen und eher weich geformten Erosi- gen Steinbrüchen in Hoheneck und in Eglosheim-Mäurach onsresten des Lettenkeupers bedeckt. abgebaut und als Baumaterial verwendet. Der Lettenkeuper (Unterer Keuper) bildet keine eigene land- Westlich des Neckars liegen über dem Lettenkeuper stellen- schaftliche Schichtstufe und hat im Raum Ludwigsburg je weise die Erosionsreste des ursprünglich über 100 m mäch- nach Abtragungszustand eine Mächtigkeit von wenigen tigen Gipskeupers (Mittlerer Keuper). Die überwiegend ter- Metern bis maximal 23 m. Der Lettenkeuper bezeugt den Wechsel von der rein meeresgeprägten Muschelkalk-Zeit zu restrischen Ablagerungsverhältnisse mit der Ablagerung von mächtigen Ton(Mergel-)sedimenten wurden hier immer den stark festländisch beeinflussten Ablagerungsverhältnis- wieder durch kurze Meeresvorstöße mit der Bildung von sen der Keuper-Zeit. Er besteht aus einer engen Wechselfolge von geringmächtigen, gelblichen bis grauen Dolomitstein- dünnen Kalk/Dolomitablagerungen und wechselndmächtigen Sulfatablagerungen bei einem ariden Klima un- bänken (spätdiagenetisch dolomitisierte Kalksteine), grau- terbrochen. Die Sulfatgesteine bestehen aus Anhydrit, der grünen bis blaugrauen, z.T. dolomitischen Ton- und Schluff- nahe der Erdoberfläche durch Wasseraufnahme und unter steinen und graugrünen, feinkörnigen Sandsteinlagen und bänken. Die Sande wurden von Flusssystemen aus dem weit Volumenszunahme in Gips umkristallisiert ist. Die Sulfatgesteine unterliegen oberflächennah, in Hangbereichen, in nördlich gelegenen Baltikum herantransportiert. Die Karbo- Tallagen und in Klingen bevorzugt der Auslaugung durch natsteinbänke lassen sich über hunderte von Kilometern korrelieren. Die Tonsteine verwittern oberflächennah zu einsickerndes und zirkulierendes Wasser (Subrosion). Das kann zur Bildung von Hohlräumen führen, hat Auswirkungen weichen Tonmergeln, die Karbonat- und Sandsteine werden auf die Baugrundqualität und kann zu komplexen Grund- von der Verwitterung steinig-mergelig zerlegt. Vom Muschel- wasserverhältnissen führen. Die höchste Restmächtigkeit im kalk ausgehend sind örtlich Erdfälle möglich. Die Dolomit- westlichen Markungsgebiet hat der Gipskeuper mit ca. 30 35 m im Bereich des Salonwaldes. Die Gips- und Anhydrit- steine und die Sandsteine sind zum Teil sehr fossilreich. Im "Hohenecker Kalk", der im Raum Ludwigsburg eine Flach- gesteine in den ehemals ca. 15 - 18 m mächtigen, dolomiti- wasserfazies des Lingula-Dolomits ist, wurden zahlreiche schen Grundgipsschichten an der Basis des Gipskeupers Versteinerungen von Muscheln und Wirbeltieren gefunden. wurden hier und westlich des Neckars durch einsickerndes Niederschlagswasser und durch Grundwasser aufgelöst und In der Innenstadt ist der Lettenkeuper im Bereich des Tälesbachs schon stark abgetragen, während er im westlichen und östlichen Markungsgebiet bei Eglosheim, bei Neckarweihingen/Poppenweiler und im südlichen Stadtgebiet bis abgeführt. Hier sind nur noch schwachschichtige und bröckelige Tonsteine mit unruhiger Lagerung und wabenartige, tonig-karbonatische Lösungsrückstände, sogenannte "Zel- zum Salonwald oft bis zur vollen Mächtigkeit erhalten ist. Die Ursache für die starke Abtragung der Keuperschichten im lendolomite" übrig geblieben. Hohlraumbildungen im Gips- westlichen Bereich von Ludwigsburg ist der "Schwäbisch- In den flachwelligen Landschaftsteilen des Strohgäus und Fränkischen Sattel", der für die tektonische Hochlage der am Fuß der Keuperberge haben sich im Gipskeuper als keuper sind in Ludwigsburg bisher nicht bekannt geworden. 27 Folge der Sulfatauslaugung oft flache und breite Talzüge und nördlich gelegenen Fennoskandischen Hochland und Gebir- Geländesenken mit Sumpfflächen gebildet (Subrosionsland- ge bis zum Tethys-Meer im Süden als flaches und breit schaft). In Ludwigsburg sind das der Altachgraben und die verflochtenes Flussarmsystem und Delta erstreckt hat Tallagen im Bereich Monrepos. Man nimmt an, dass die Bildung der Strohgäufläche stark mit der Auflösung der (Nordischer Keuper). Durch den langen Transportweg ist dieser Sandstein feinkörniger, als die jüngeren und nicht so Sulfatschichten im Gipskeuper auf breiter Front zusammen- weit transportierten Keupersandsteine von Stubensandstein, hängt. Östlich des Neckars ist der Gipskeuper unter der Kuppe des Lembergs in nahezu vollständiger Mächtigkeit Kieselsandstein und Rhätsandstein aus dem Vindelizischen Hochland (Vindelizischer Keuper). Der Schilfsandstein tritt in erhalten. Er wird hier in einer tektonischen Tieflage (Mulden- zwei Faziesausbildungen auf (Fazies = Gesicht): Die "Rinnenfazies" wird von den bis zu 35 m mächtigen, braunroten und und Grabenbildung) unter einer Kappe aus Schilfsandstein bis heute vor der Erosion geschützt. Der Gipskeuper am Lemberg besteht aus mächtigen, violettrot, grünlich oder olivgrau gefärbten und undeutlich geschichteten Ton- grünlichen Sandsteinformationen gebildet, die innerhalb der schmalen und lang gestreckten Delta-Arme sedimentiert wurden und die sich oft in den unterlagernden Gipskeuper (Mergel)steinserien mit vielen Lagen von feinschichtigen, plattig gebankten und knolligen Sulfatgesteinen. Nahe der erosiv eingeschnitten haben. Diese Sandsteine treten heute Erdoberfläche sind auch hier die Sulfatgesteine oft ausge- ander verzweigte, rinnenförmige Sandsteinstränge an den Rändern und in den Tälern der Keuperbergländer in Baden- laugt. Geringmächtige, aber über weite Bereiche verfolgbare Dolomitsteinhorizonte durchziehen und untergliedern den Gipskeuper, z.B. Anatina-Bank, Acrodus-Corbula-Bank, als von Nordosten nach Südwesten verlaufende und mitein- Württemberg in Erscheinung und zeichnen den ehemaligen Bleiglanzbank und Bochinger Bank. Diese können sich in Verlauf des breit verzweigten Flussdeltas nach. Die Sandsteinbänke wurden von der Erosion an den Steilstufen und in Hangbereichen durch schwache Geländeknicke und den Bachklingen oft deutlich herauspräpariert und bilden Verebnungen bemerkbar machen. Entlang der zusammenhängenden Keuperbergländer rund um das Neckarbecken oberhalb des Gipskeupers eine kleine Schichtstufe, gelegent- bildet der Gipskeuper einen breiten und oft welligen Hangfuß lich auch mit Felswänden und darüber mit oft gut erkennbare Verebnungsflächen. Nach der Mineralzusammensetzung und den ersten Steilanstieg der Keuperschichtstufe mit Streuobstwiesen und Weinbergen. Die Gesteine und v.a. die mit Quarz, Feldspäten, Glimmer und Schieferteilchen ist der Tonsteine von Lettenkeuper und Gipskeuper sind an der von 5 - 20 Meter mächtigen, dunkelrotbraunen und feinsandig-siltigen Tonsteinlagen gebildet, die in den breiten Flach- Oberfläche und unter den jungen, kaltzeitlichen Deckschich- Schilfsandstein eine "Grauwacke". Die "Normalfazies" wird ten zu lehmig-steinigen Frostschuttdecken verwittert und oft mit Lösssedimenten vermischt. Schon an flachen Hängen wasserbereichen zwischen den Delta-Armen abgesetzt wur- sind sie oft zu Fließerden und Hanglehmen umgelagert. Die tion aus und tritt an den Erosionsränder der Keuperschichtstufe im Gegensatz zur mächtigeren Rinnenfazies morpholo- unausgelaugten Grundgipsschichten wurden früher in Asperg und in Leonberg abgebaut und zur Gipsherstellung verwendet. Die bewaldete Kuppe des Lembergs wird vom dort etwa 25 m mächtigen Schilfsandstein (Mittlerer Keuper) als Erosionsrest einer ehemals weitflächigen Bedeckung gebildet. Die Entstehung dieses Zeugenberges wird in Kapitel 3.7 be- den. Sie macht mehr als die Hälfte der Schilfsandsteinforma- gisch oft kaum in Erscheinung. Der Schilfsandstein am Lemberg besteht aus gut gebankten, feinkörnigen und kalkig gebundenen Sandsteinen der Rinnenfazies mit feinsandigen Tonsteinlagen (Abb. 25). Die Sandsteine zeigen oft eine Schrägschichtung und Rippelbildung, die durch die Ablagerung im fließenden Wasser entstanden ist. Die Verhältnisse zur Schilfsandsteinzeit sind mit denen im heutigen Missis- schrieben. Den Namen erhielt der Schilfsandstein von den versteinerten Schachtelhalmresten, die man früher für Schilf sippi Delta in Louisiana, USA vergleichbar. Im Stuttgarter hielt. Die Sedimente des Schilfsandsteins wurden durch eine chen abgebaut und auch in Ludwigsburg zum Bau von Häusern und Mauern verwendet. riesige Flusslandschaft herantransportiert, die sich vom weit Raum wurde der Schilfsandstein in zahlreichen Steinbrü- Die flächig abgelagerten höheren Keuperschichten aus Schilfsandstein, Bunten Mergeln, Kieselsandstein, Stubensandstein, Knollenmergel und Rhätsandstein bilden die Steillagen, Verebnungsflächen und Hochflächen der oft bewaldeten Keuperbergländer rund um das Neckarbecken. Sie wurden in Ludwigsburg seit der Heraushebung unseres Landes aus dem Meer vor etwa 145 Mio. Jahren aber ebenso abgetragen, wie die noch höher liegenden und jüngeren Schichten des Juras. Durch diese Abtragung ist in der Kreide-Zeit eine Rumpfflächenlandschaft mit flachen und nach Süden und Südosten zur Urdonau entwässernden Tälern entstanden. Die nördlichen Bereiche dieser Bäche und Flüsse mit geringer Erosionskraft sind seit der Neogenzeit durch rückschreitende Erosion des nordöstlich und tiefer liegenden und damit stärker erodierenden RheinNeckarsystems angezapft und nach Norden und Osten umgelenkt worden. (Abb. 20 und 26). Im Eiszeitalter seit 2,6 Ma kam es während der Kaltzeiten zu einer verstärkten physikalischen Verwitterung und Abtragung der Böden und Gesteine durch Frostverwitterung -> Durchmischung und Abschwemmung durch oberflächliche Frost-Tauwechsel im wassergesättigten Permafrostboden. Es kam zu Ablagerungen von windgetragenen Lösssedimenten auf Hochflächen und im Windschatten von Erhebungen und zur Ablagerung von Auensedimenten in den Tälern. Die heutige Landschaftsoberfläche zeigt den Zustand nach der letzten Würm-Kaltzeit. Auf den alten, stark erodierten, verwitterten und oft felsartigen Grundschichten der Muschelkalk- und der Keuper-Zeit liegen tonig-steinige Verwitterungsbildungen und die weicheren und grob- bis feinkörnigen Deckschichten-Ablagerungen aus der viel jüngeren Würm-Kaltzeit mit Resten aus der Riss-Kaltzeit und älterer Kaltzeiten (Abb. 17). 28 36 (StuttgartFormation) Abb. 14: Geologisches Standardprofil des Lettenkeupers (Erfurt-Formation) - Unterer Keuper- im Raum Stuttgart. Schichtprofile aus: H. Brunner (1998): Geologische Karte von Baden-Württemberg 1 : 50 000, Erläuterungen Stuttgart und Umgebung. LGRB-BW, Freiburg. Abb. 15: Geologisches Standardprofil des Gipskeupers (Grabfeld-Formation) - Mittlerer Keuper- im Raum Stuttgart im Raum Stuttgart. 36 29 3.3.1 Fossilien im Keuper Im Vergleich zum marin geprägten Muschelkalk verändern sich die Klima- und Ablagerungsbedingungen im Keuper deutlich. Der Meerwasserzufluss in das Germanische Becken wurde immer mehr eingeschränkt. Es bildeten sich flache und verlandende Buchten und Rinnen mit Sumpfgebieten, die im kontinentaler werdenden Klima immer wieder austrockneten. Die marine Lebewelt wurde zunehmend von brackischen und limnischen Lebensformen abgelöst. In abgeschnürten Meeresbecken und nach vereinzelten, kurzen Meeresvorstößen, kam es im sehr warmen und an Mineralien übersättigten Wasser zur Eindampfung und Absetzung von Karbonatsedimenten, Sulfatsedimenten und Salzen. Der Keuper ist wegen der für das Leben oft schwierigen Verhältnisse in den terrestrisch und fluviatil geprägten Lebensräumen insgesamt fossilarm. Mit den gefundenen Fossilien können die damals vorherrschenden Lebens- und Klimabedingungen aber gut rekonstruiert werden. Lettenkeuper Im engschichtig gegliederten Lettenkeuper findet man Fossilien aus dem festländischen Milieu, aus Brackwasser und Flachwasserbereich mit recht günstigen Lebensbedingungen vermuten, der sich von den weniger fossilreichen und Süßwasser und auch marine Fossilien. Eine biostratigraphi- gleichalten Lingula-Schichten durch viele Fossilreste abhebt. sche Altersgliederung ist wegen dem Fehlen von Leitfossilien nicht möglich. Daher wird der Lettenkeuper lithostratigra- Eine große Muschelfauna, die von Myophoria intermedia, Costatoria goldfussi, Unionites, Bakevellia substriata, phisch mit Hilfe der Karbonatsteinbänke gegliedert. Durch Pleuromya und Pseudocorubla dominiert wird, zeigt ein einen Anstieg der Salinität des Meeres in der betrachteten deutlich marines Gepräge. Zusätzlich sind noch Gastropoden Region wurden die Lebensbedingungen schlechter und die Fauna verarmte. Im oft flachen Brackwasser fehlen daher (Schnecken) zu finden. Teilweise wurden größere Wirbeltierknochen und Zähne verzeichnet, die aber meist stark zer- Ceratiten und kalkschalige Brachiopoden. Muscheln wie brochen und abgerollt waren, was auf einen Transportweg Myophoria goldfussi sind darum entscheidend für die Zu- schließen lässt. Auch Haifisch-Zähne (Nr. 7, 8) und Flossen- ordnung der Schichten. Eine Änderung der biomischen Bedingungen lässt auch Funde von Fisch- und Saurierresten stacheln gibt es im Hohenecker Kalk. Doch erst durch zahlreiche Funde von Reptilien und Lungenfisch-Zahnplatten der zu. Auch Fossilien von landlebenden Sauriern treten auf. Gattung Ceratodus und Ptychoceratodus wurde der Kalk Somit gab es zumindest Zeitweise eine Verbesserung der Lebensbedingung für diese Arten. An der Basis des Letten- berühmt. Dennoch war auch für diese großen Fische hier nicht immer der richtige Lebensraum, da viele der Zahnplat- keupers liegt das fossilreiche und oft nur 1 cm mächtige ten Abrollerscheinungen zeigen, also noch zerbrochen und Grenzbonebed mit Schuppen und Zähnchen von Fischen transportiert wurden. Erstmalig gelang es ein zusammen- und Knochenresten von Sauriern. Im höheren Unteren Keuper findet man in der sogenannten Anthrakonit-Bank reich- hängendes Skelett von einem Pachypleurosaurier, den Neusticosaurus, freizulegen. Es wurden sogar etwa 100 lich Fossilien und Bonebed-Lagen. Im dolomitischen Mergel- dieser kleinen Saurier auf einer Stelle gefunden, was natür- schiefer treten dann neben Bonebed-Lagen Palaeestherien, Linguliden - eine Brachiopoden Art (Abb. 16, Nr. 6) und lich sehr ungewöhnlich ist. Daher werden hier besondere Umstände, wie ein kleines, lokales Massenaussterben ver- Ostracoden - winzige Muschelkrebse von 0,5-2 mm auf (Nr. mutet. Die toten Tiere wurden dann von der Strömung ver- 5). In den Unteren Dolomiten lassen sich Bonebed Nester driftet und an einer geeigneten Stelle zusammenge- mit Lingula-Schalen finden, zudem Grabgänge und Pflanzenreste. Das häufigste Auftreten von Pflanzenresten, die schwemmt, abgelagert und fossilisiert. Knochenreste von mehren Meter großen Nothosaurus giganteus wurden auch stellenweise als mächtige, inkohlte Lagen (Lettenkohle) auf- gefunden. treten können, findet sich jedoch im jüngeren AnoplophoraDolomit. Schachtelhalme (Nr. 11) sind hierfür ein gutes Beispiel. Im nördlichen Bereich von Ludwigsburg zwischen Hoheneck und Eglosheim wurde im stratigraphischen Bereich des Lingula-Dolomits und der Grünen Mergel eine spezielle Fazies (Ausbildung) des Gesteins gefunden. Fundstätten dieses "Hohenecker Kalks" sind zwei ehemalige Steinbrüche in Hoheneck beim Tierheim und in Eglosheim-Mäurach. Der Hohenecker Kalk ist ein gelblicher, körniger und stark poröser, recalcitisierten Dolomit mit einer Mächtigkeit von 8 - 9 m. Die Porosität und somit seine gute Bearbeitbarkeit macht ihn zu einem guten Baumaterial. Die dort gefundene, reichliche Fossilienfauna und -flora lässt einen eng begrenzten 30 36 Abb. 16: Lebewelt und Fossilien des Unteren und des Mittleren Keupers. Zeichnung und Text aus H. Brunner (1998): Geologische Karte von Baden-Württemberg 1 : 50 000, Erläuterungen Stuttgart und Umgebung, Hrsg.: LGRB-BW, Freiburg. Gipskeuper Die mächtigen Tonmergelsteine des Gipskeupers werden den kompakten Grundgipsschichten und weiter oben auch keupers finden sich zudem Muschelschalennester mit kleinen Knochenbruchstücken die sich bis hin zu Lagen aus- von engschichtigen und knolligen Sulfathorizonten durchzo- breiten können. Erst in den Estherienschichten tritt eine genen. Dünne Karbonatsteinhorizonte machen eine lithostratigraphische Gliederung möglich. In den Tonsteinen reichhaltigere Fauna mit verschiedenen Muschelarten der Lamellibranchiaten (Abb. 16, Nr. 1 - 4) auf. Auch das Leit- finden sich vereinzelt Muscheln, wie Myophoria goldfussi, fossil des Gipskeupers Palaeestheria fimbricata wurde in die Krebstiere Euestheria minuta, Fische und nicht näher dieser Schicht abgelagert. bestimmbare Schnecken. In der Bleiglanzschicht des GipsSchilfsandstein Über dem Gipskeuper folgen die teilweise in diesen erosiv eingeschnittenen Gesteine des Schilfsandsteins. Namens- feinsandigen Stillwasserbereichen ausgebreitet haben. gebend waren hier die häufig gefundenen Reste von Schach- erkennen. Diese bildeten sich nach Anschwemmung und telhalmgewächsen (Abb. 16, Nr. 11), die man früher für Anhäufung der abgestorbenen Vegetation und Inkohlung durch den hohen Druck der überlagernden Schichten. Ne- Schilf hielt. Die ebenfalls gefundenen fossilisierten oder inkohlten Reste von anderen Pflanzenarten (Abb. 16, Nr. 9 14), lassen auf üppig bewachsenen Sumpflandschaften schließen, die sich zwischen den sandigen Flussarmen eines interferierenden (weitverzweigten) Flusssystems in den tonig- Örtlich lassen sich auch dünne Kohleschichten im Gestein ben Fossilien der Flora sind im Schilfsandstein gelegentlich auch Muscheln und Reste von Dachschädellurchen, von Theropoden - eine Unterordnung der Saurier und eine kleine Panzerechse, Dyoplax arenaceus zu finden. 3136 3.4 Quartär (2,6 Millionen Jahre bis heutige Zeit) Am Übergang von der Neogen-Zeit in die Quartär-Zeit vor etwa 2,6 Mio. Jahren hat sich das Klima auf der Erde grundlegend verändert. Die zuverlässig milden bis sehr warmen Klimaverhältnisse von der Perm-Zeit bis zum Beginn der Neogen-Zeit wurden unbeständiger und kälter. Es kam zu zyklisch auftretenden Wechseln von längeren Kaltzeiten und kurzen Warmzeiten. Während der jüngeren Kaltzeiten des Pleistozäns (Würm, Riß, Hoßkirch, Cromer, Bavel) kam es durch die Abkühlung in der Atmosphäre zur Bildung von großen Eismassen, die von den Polen bis in die Kontinente der gemäßigten Breiten vorgestoßen sind. Auch viele Mittel- und Hochgebirge und deren Vorländer wurden von diesem Klimawandel erfasst und es haben sich dort große Gebirgs- und Vorlandgletscher gebildet. Durch die Umwandlung von viel Meerwasser über Schneeniederschläge in Eis kam es auch zu einer Absenkung des weltweiten Meeresspiegels um bis zu 140 m. Der Raum Ludwigsburg war immer eisfrei, aber es herrschte hier ein kaltes und trockenes Tundra- und Steppenklima mit Permafrostböden und spärlichem Bewuchs. Die heutige Landschaftsoberfläche im Strohgäu wird zu einem großen Teil von mehreren Metern Lösssedimenten, von Verwitterungsbildungen und örtlich von Schuttsedimenten und Talsedimenten aus dem Periglazial der Riß-Kaltzeit und v.a. aus der letzten Würm-Kaltzeit gebildet. Diese bedecken fast überall die über 200 Mio. Jahre älteren und erodierten Schichten des Muschelkalks und des Keupers. Ohne die Lösssedimente und dem Verwitterungsprodukt Lösslehm wäre der Anbau von Nutzpflanzen im Strohgäu nicht so ertragreich. Die heutige Landoberfläche wird fast überall von den 0,5 bis über 10 m mächtigen und oft wenig verfestigten Deck- lehm verwittert. Wegen der rhythmischen tektonischen He- schichten aus der Zeit des Quartärs gebildet. Das Quartär bung unseres Landes schnitten sich die Flüsse vor allem während der schmelzwasserreichen Phasen zu Beginn und gliedert sich in das Pleistozän = Eiszeitalter vor ca. 2,6 Milli- am Ende der Kaltzeiten in die Landschaft ein und hinterlie- onen Jahren bis 11.700 Jahren und in das Holozän = Jetztzeit und Warmzeit seit 11.700 Jahren. Während der Kaltzei- ßen auf den Hochflächen und an den Talflanken Reste ihrer ten im Pleistozän gab es im heutigen Strohgäu nie eine sandigen Schotter in der Aue des Neckartals mit örtlichen Gletscherbedeckung. Der Boden in diesem trocken-kalten Faulschlammlinsen stammen aus der Würm-Kaltzeit und Periglazialgebiet mit Klimaverhältnissen wie heute in Nordsibirien war aber bis zu 100 m tief gefroren und zum Teil mit aus dem Holozän. Die Sande und Schotter aus Jurakalken Gräsern und niedrigen Sträuchern bewachsen. In den kur- und in der Bauindustrie verwendet. Die 10 bis 20 m über der Talaue liegenden Schotterterrassen stammen aus den zen Sommern tauten die Permafrostböden an der Oberfläche zu einer breiigen und schon bei leichter Hangneigung fließfähigen Masse auf. Die Festgesteine des Gips- und Lettenkeupers und des Muschelkalks wurden im wasserge- Schotterablagerungen als Höhen- und Terrassenschotter. Die wurden im Neckartal in zahlreichen Kiesgruben abgebaut Riß-Kaltzeiten, die höher liegenden Schotterreste stammen aus älteren Kaltzeiten. Die über den Neckarschottern liegenden, braunen und schluffig-feinsandig-tonigen Auenleh- sättigten Boden durch Frost-Tauwechsel entfestigt, aufgearbeitet und zu tonig-schluffig-steinigen Verwitterungslehmen, me wurden großteils durch Hochwasserereignisse im Alter- Frostmischböden, Fließerden und Abschwemmmassen verwit- großflächig betriebene Waldrodung, die zu starken Boden- tert und umgelagert. An Hängen und Talflanken entstanden abschwemmungen geführt hat. Im Neckartal gibt es am durch Frostverwitterung und Fließvorgänge (Solifluktion) Zipfelbach bei Poppenweiler und bei der Kläranlage Hoheneck flache Schwemmfächer mit kiesig-lehmigen Ablagerun- tonig-sandige Fließerden und Hanglehme, z.T. mit Löss und tum und im Mittelalter abgelagert. Ursache war die damals steinig-kantiger Hang- und Talschutt. In den flachen Tälchen gen aus den in das Neckartal eintretenden Seitentälern. haben sich lehmig-tonige Bachablagerungen, oft vermischt Durch die Verringerung des Gefälles vom steileren Seitental mit organischen Bestandteilen und mit gemischtkörnigen Abschwemmmassen und Lösslehm abgelagert. V.a. im in das flachere Neckartal werden die gröberen und schwereren Sedimente nicht weitertransportiert und hier fächerför- Bereich des Gipskeupers gibt es, bedingt durch die Auslau- mig abgelagert. An einigen Quellen und Bächen in Ludwigs- gung der Grundgipsschichten und der damit verbundenen Gefällsreduzierung, ausgedehnte und sehr feuchte anmoori- burg findet man Süßwasserkalke. Diese entstehen durch das ge Flächen mit einem hohen Anteil an organischen Bestand- Ausfällen von Kalk beim Erwärmen und Verdunsten des Wassers. Der Kalk umschließt oft auch Pflanzen, wie z.B. teilen (Monrepos, Altach-Graben). Während der Riß-Kalt- Moos, und erhält dann eine poröse Struktur. zeiten vor 380.000 - 125.000 Jahren und während der Würm-Kaltzeit vor 115.000 - 11.700 Jahren wurde Gesteinsstaub durch starke Südwestwinde aus den vegetationsarmen Östlich von Poppenweiler an der Straße nach Hochdorf wurde früher in einer kleinen Kiesgrube Travertin abgebaut. und oft trockenen Schotterebenen des Oberrheingrabens Travertin (Lapis Tiburtinus nach einem Vorkommen am ausgeblasen und auf den östlich gelegenen Grassteppen und baumlosen Tundraflächen des heutigen Strohgäus als Tiber bei Rom) ist eine Quellkalkablagerung, die überwie- gelblich-grauer Löss abgelagert. Dieser ist heute an der gend während der Warmzeiten gebildet wurde. Das Grundwasser wurde hier mit aufsteigendem Kohlendioxid (CO2) Oberfläche oft 0,5 - 2 m tief zu rostbraun gefärbtem Löss- aus dem Erdmantel angereichert und ist als kohlensaures 32 Wasser (H2CO3) an tektonischen Störungszonen ausgetreten. der Innenstadt, in Cannstatt, Münster und Untertürkheim, Durch das Entweichen des Kohlendioxids am Quellaustritt die als Werksteine abgebaut wurden. Der Travertin wurde infolge der Temperaturzunahme und des Druckabfalls ha- dort an den Austrittstellen der kohlensäurehaltigen Mineral- ben sich die eisenhaltigen und gelbbraun gebänderten Sauerwasserkalke, oft mit Einschlüssen von Pflanzen- und Tier- quellen v.a. in den warmen Zwischeneiszeiten und im Holozän großflächig abgelagert. Diese Quellen sind seit etwa resten gebildet. Das heute zugeschüttete Kiesvorkommen ist 500.000 Jahren im Bereich von Störungszonen des Filder- der Rest einer Schotterterrasse aus dem Frühen Pleistozän. Sehr bekannt sind die großen Travertinvorkommen von grabens aktiv und bilden das bedeutendste Mineralwasservorkommen in Deutschland. Stuttgart in Gäuflächen Lösslehm Löss LB-Innenstadt Frost- und Verwitterungsschutt (Frostmischböden), Fließerden Höhenschotter Neckartal Abschwemmmassen, Bachablagerungen, Talauen Hanglehme, Fließerden Auffüllung LB-Neckarweihingen Reste kaltzeitlicher Schotterablagerungen: - Höhenschotter (Pliozän und Frühes Pleistozän) - Höhere Terrassenschotter (Mittleres Pleistozän) - Tiefere Terrassenschotter, Hoch- und Niederterrassenschotter der Riß- und Frühwürm-Kaltzeit (Mittleres- und Spätes Pleistozän) Erdfall Reste von Gipskeuper und Lettenkeuper Hangschutt, Talschutt Auffüllung: Lehmig-sandiger Schutt, Steine, Schlacken, Schadstoffe. Auenlehme Sandige Talkiese mit Schlicklinsen Schotter von Würm-Kaltzeit und Holozän Lössführende Fließerde Lösslehm: Gelblich-rostbrauner, entkalkter, verlehmter und verdichteter Schluff und Ton. Oft vermischt mit Abschwemmmassen und Frostschutt. Löss: Während der Kaltzeiten durch Wind transportierter, fahl-gelbgrauer, kalkhaltiger und poröser Schluff (= Korngröße zwischen Ton und Sand). Frost- und Verwitterungsschutt: Kaltzeitliche Böden und Solifluktionsböden mit umgelagerten Keuper- und Muschelkalksteinchen in bindiger Matrix aus feinsandigem Ton und Schluff. Oberer Muschelkalk z.T. verkarstet Mittlerer Muschelkalk Abschwemmmassen, Bachablagerungen, Talauen: Graubraune, schluffig-tonige Zusammenschwemmungen mit Sand und kantigen Gesteinsbruchstücken und oft vermischt mit Lösssedimenten. Oft weich bis breiig und mit organischen Resten. Alte, mit Lehm und Ton plombiere Tälchen. Salze ausgelaugt, Anhydrit und Gips in Auslaugung. Kaltzeitliche Terrassenschotter: Gelbliche bis bräunliche und sandige, wenig gerundete Flussschotter in unterschiedlichen Höhenlagen über der Talaue. Oft löchrig und konglomeratisch verfestigt. Unterer Muschelkalk Hanglehm, Fließerde: Brauner Verwitterungslehm aus Keupertonsteinen mit wechselnd steinigen Anteilen. Oft vermischt und verzahnt mit abgeschwemmtem Lösslehm, gelegentlich rutschend. Hangschutt: Brauner Verwitterungslehm mit hohen kiesig-steinigen Anteilen bis hin zu einem tragfähigen Steingerüst aus schwerer verwitterbaren Gesteinen von Gipskeuper, Lettenkeuper und Muschelkalk. An Steilhängen gelegentlich rutschend. Talschutt: Steinige Schuttmassen und Blöcke am Talfuß (Gesteinsschutt) in tonig-, sandig-, schluffiger Grundmasse. Auenlehm: Braune, feinsandig-tonige Schluffe mit schwarzen, organischen Bestandteilen (abgesetzte Hochflutsedimente). Großteils im Altertum und Mittelalter infolge von Waldrodung und Ackerbau abgelagerte Abschwemmungen. Talkies (Neckarschotter): Sandige und wenig gerundete Jurakalke mit Schlicklinsen aus Würm-Kaltzeit und Holozän. Erdfälle: Vertikale Lösungshohlräume im Muschelkalk. Hochbrechen bis an die Oberfläche. Oft Plombierung mit Lehm und Steinen. Abb. 17: Profilschnitt der quartären Deckschichten auf den Gäuflächen, in Hangbereichen und im Neckartal. (schematisch und überhöht). Löss und Lösslehm Löss ist ein vom Wind getragenes (äolisches) Sediment aus Gletschern und aus weitläufigen Flussebenen durch starke überwiegend schluffigem und gut sortiertem Gesteinsstaub, das etwa 10 % der Landoberfläche der Erde bedeckt. Löss und beständig wehende Winde ausgeblasen. Heutzutage findet Lösssedimentation z.B. in Zentralasien statt, wo Staub wurde vor allem während der kalten und trockenen Hochgla- aus Wüstengebieten in die randlichen Grassteppen ausge- zialzeiten innerhalb der Riß- und Würm-Kaltzeiten aus den blasen wird. Im Strohgäu ist Löss flächig verbreitet und das vegetationsarmen und oft trockenen Schotterflächen vor den Verwitterungsprodukt Lösslehm begründet die hohe Frucht- 33 barkeit dieser Landschaft. Der Löss im Raum Ludwigsburg verwitterten die oberen 0,5 - 2 m des Lösses zu gelbbraun wurde aus oft den abgetrockneten Überschwemmungsgebie- bis rostbraun gefärbtem, dichtem, schluffig-tonigem Löss- ten der Schotterebenen des Oberrheingrabens und in gerin- lehm mit hoher Kapillarität. Hier kann sich die Bodenfeuchte gem Umfang von den Hochflächen des damals waldfreien Schwarzwaldes durch beständig wehende Westwinde ausge- lange halten und oberflächennahes Grund- und Schichtwasser kann kapillar aufsteigen. Das ist zusammen mit dem blasen und nach Osten transportiert. Bei diesem luftgetrage- hohen Mineralgehalt und mit der guten Bearbeitbarkeit die- nen Transport wurden die großen und schweren Sandpartikel schon nach kurzer Transportstrecke wieder abgelagert, ses Bodens mit ausschlaggebend für die hohen landwirtschaftlichen Erträge im Strohgäu. Bei der Verwitterung wer- wie z.B. die Dünen bei Hockenheim und Schwetzingen, den die Karbonate durch das kohlensäurehaltige Nieder- während die feinen und leichten Schluff- und Tonpartikel schlagswasser und durch die Humussäuren der Waldböden weiter transportiert wurden. Mit nachlassender Windgeschwindigkeit wurde der Staub im Windschatten von Tal- gelöst und in tiefere Bodenhorizonte verlagert. Dort werden sie oft in Kalkkongretionen als sogenannte "Lösskindl" ausge- und Beckengebieten, auf den weiten Verebnungen der schieden. Durch die Oxidation der Eisenverbindungen im Gäuflächen, am Fuße der Keuperberge und auf der Filderebene abgelagert. Unterstützt wurde die Sedimentation karbonatischen Bindemittel kommt es zur rötlich-braunen durch das Einfangen des Staubes von den Gräsern und Verfärbung des Bodens (Goethit, Limonit). Dabei überzeihen die Eisenhydrooxide als dünne Häutchen die Mineralkörner. Sträuchern in der baumlosen Steppe und Tundra. Mit zu- Die Feldspäte und andere Silikate werden zersetzt, in Ton- nehmender Sedimentbildung wurde die Vegetation zugeschüttet und hat nach ihrem Absterben und Auflösung in minerale umgewandelt und der Boden verschlämmt und vielen Lössablagerungen eine vertikal-haarröhrenförmige verdichtet sich. Durch weitere bodenbildende Prozesse (Tonverlagerung etc.) entstehen schließlich die fruchtbaren Textur hinterlassen, die stabilisierend und gut drainierend Braunerden, Parabraunerden und Schwarzerdeböden. An den wirkt. Das führt zusammen mit der kantigen Kornform der Lösskörner und mit der sekundären Kalkzementation zu Hängen östlich des Neckars ist der Lösslehm oft mit Fließer- einer hohen Standfestigkeit und macht die Anlage von Hohl- den umgelagert. Lösslehm ist oft feucht, kann breiige Zonen enthalten und ist dann rutschgefährdet. Er ist durch den wegen mit senkrechten Wänden möglich. Wird der Löss jedoch fluviatil umgelagert und verwittert (Sekundärlöss, und schlechtere Baugrundeigenschaften als unverwitterter Tongehalt plastisch und hat eine geringere Standfestigkeit Lösslehm, Schwemmlöss), verliert er diese Struktureigen- Löss. Bei Austrocknung, v.a. im Sommer und Herbst, können schaften. Er wird weich und ist rutschgefährdet. Der gelb- Lösslehm und tonhaltige Böden bis in Tiefen von um die 2 m graue bis fahlbraune Primärlöss ist ungeschichtet, homogen und schwach durch Kalk verfestigt. Löss besteht zu 50 - schrumpfen. Der Boden wird dann rissig und zerfällt in klei- 80% aus Quarzkörnern mit bis zu 30% Karbonaten (Kalk und Dolomit), mit Beimengungen von 10 - 20% Feldspäten, ca. 10% Tonmineralen und aus anderen Mineralen. Charak- ne Stücke. Setzungen an flach gegründeten Gebäuden können die Folge sein. Lösssedimente sind empfindlich gegenüber Winderosion (Deflation). Im Strohgäu wurde der Lösslehm auf vielen Geländekuppen nach der Rodung der Wäl- teristisch ist die poröse Struktur mit einem Porenvolumen der durch Winderosion in seiner Mächtigkeit reduziert und von bis zu 40%. Die Korngröße liegt je nach dem Ausgangs- stellenweise ganz abgetragen. Der Lösslehm wurde früher in Gruben abgebaut und zur Ziegelherstellung verwendet gestein und der Entfernung zum Liefergebiet im Mittel- bis Grobschluffbereich (0,006 bis 0,063 mm) und oft mit Bei- (Steinbruch Hubele, ehem. Ziegelwerke am Römerhügel). mengungen von Feinsand und Ton. Im Löss werden oft Die weit verbreiteten und fruchtbaren Lösssedimente auf der Reste von Schneckengehäusen und gelegentlich Zähne und Erde sind mitverantwortlich dafür, dass heute fast 8 Milliarden Menschen ernährt werden können. Knochen von Säugetieren gefunden. Im feuchten und warmen Klima der Warmzeiten (Eem-Warmzeit und Jetztzeit) Am Ostrand der Grünanlage-Hungerberg in Ludwigsburg-Hoheneck sind Löss, Lösslehm und Schotter der Würm- und RissKaltzeiten in einem geologischen Fenster zu sehen und auf einer Schautafel beschrieben. 34 3.4.1 Fossilien in den quartären Deckschichten Während der Kaltzeiten war das Klima in Mitteleuropa außerhalb der Gletscherbedeckung überwiegend kühl000 bis kalt undalten trocken und der del des etwa 300 000 bis 400 Jahre Urmenschen Boden war gefroren. In den kurzen Warmzeiten war es gemäßigt-warm und feuchter und zum Teil wärmer als heute. Die kaltzeitlichen Homo steinheimensis (Nr. 15) geborgen werden. Eine Tundren und Steppen waren meist baumlos und waren oft mit Gräsern und niedrigen Sträuchern bedeckt (Wermut und Heidekraut). Sie wurden von großen Säugetieren bevölkert, die sich an das raue und wechselhafte Klima angepasst haben. Wenn in den Wärmephasen oder in Zwischenkaltzeiten die Gletscher schmolzen und die Permafrostböden in den eisfreien Gebieten aufgetaut sind, konnten sich vermehrt Bäche, Seen und Sümpfe mit einer daran angepassten Flora und Fauna bilden. Am Häufigsten lassen sich im Löss die kleinen, weißen Ge- umfangreiche warmzeitliche und z.T. auch kaltzeitliche Flora häuse der Landschnecken Trichia hispida, Fructicicola und Fauna aus dem Quartär wurde in den bis zu 30 m hispida, Succinea oblonga und Pupilla muscorum (Abb. 18, Nr. 3-5) finden. Auch ein vollständiger Schädel mit den mächtigen Travertinablagerungen (Sauerwasserkalke) im Austrittsbereich der Cannstatter Mineralquellen in Stuttgart Stoß- und Backenzähnen (Nr. 7) eines Mammuts (Abb. 9) im Neckartal und im Nesenbachtal gefunden. Gegen Ende oder ein vollständiges Geweih, Gebiss und Skelettteile von der der Würm-Kaltzeit bis vor etwa 8.000 Jahren sind plötz- einem Riesenhirsch (Nr.16) wurden aus den Lössschichten schon ausgegraben. Ebenso andere Wirbeltierreste, z.B. von lich viele große Säugetiere, wie z.B. das Mammut, das Wollnashorn und der Säbelzahntiger ausgestorben. Die Gründe Wildpferden (Nr. 11) und Wollnashörnern (Nr. 8). In einer sind noch nicht geklärt. Möglicherweise war eine schnelle Kiesgrube in Steinheim am Neckar konnte ein Frauenschä- Abkühlung das Klimas in Verbindung mit dem sich vermehrenden und jagenden Menschen die Ursache. Abb. 18: Lebewelt und Fossilien des Pleistozäns. Zeichnung und Text aus H. Brunner (1998): Geologische Karte von Baden-Württemberg 1 : 50 000, Erläuterungen Stuttgart und Umgebung, Hrsg.: LGRB-BW, Freiburg. 35 Bildtafeln Bild 1 links: Löss und Lösslehm mit "Lösskindl" an der geologischen Schautafel im Grünpark Hungerberg. Bild 2 rechts: Neckarschotter aus der Riss-Kaltzeit über Kalksteinen des Oberen Muschelkalks im Grünpark Hungerberg. Bild 3 links: Schilfsandstein am Lemberg (Rinnenfazies). Bild 4 rechts: Lösslehm und Löss über freigelegter Baugrubensohle aus Gipskeuper (ausgelaugte Grundgipsschichten). 36 Bild 5: Hohenecker Kalk (Lingula Dolomit) des Lettenkeupers im ehem. Steinbruch Mäurach. Bild 6: Kalksteinbänke des Oberen Muschelkalks im Grünpark Hungerberg (ehem. Steinbruch Hubele). Beräumung der Felswand zur Absicherung des Fußweges. Bild 7: Erdfall im Favoritepark. Lösungsvorgänge im tieferen Untergrund haben zum Durchbrechen der schlotartigen Aushöhlung bis an die Erdoberfläche geführt. Der Erdfall ist mit Versturzmassen plombiert. Das Regenwasser versickert bis in den Muschelkalk. 37 ca. 235 mNN 10 Humus: durchwurzelt, dunkelbraun. Entkalkter Löss: Schluff, z.T. schwach feinsandig, 9 mehlig, trocken, entkalkt, ungeschichtet, hellgrau, locker gelagert. 8 Lösslehm: Schluff, tonig, feinsandig, entkalkt, 7 braun, fest. 6 Löss: Schluff, kalkhaltig, gelbbraun, halbfest. 5 Bodenrest: Schluff, humos, bröckelig, braun, Mn - Ca - Kongretionen. 4 Lösslehm: Schluff, entkalkt, tonig, braungelb, fest. 3 Flussschotter: Kies, 0,5 - 5 cm, sandig, löchrig, 2 kalkhaltig, oft verfestigt, teils geschichtet und eingeregelt, ockergelb. Oft flache und kantengerundete Weißjuragerölle. Basis ca. 225 - 226 1 mNN. Aufarbeitungshorizont: Kalkgerölle, Blöcke bis 0 30 cm, brecciös, sandig, gelbbraun, fest. Oberer Muschelkalk: Kalkstein, feinkristallin, dünn gebankt, geklüftet, blaugrau, hart. Verfestigte Flussschotter (Konglomerat). 5 cm Bild 8: Profil der quartären Deckschichten an der NW-Wand des ehem. Steinbruchs Hubele, heute Grünpark Hungerberg (Der Aufschluss wurde 1989 verfüllt). 38 3.5 Geologische Karten und geologischer Profilschnitt von Ludwigsburg Die geologische Karte in Abb. 19 zeigt einen Ausschnitt aus der "Geologischen Karte (GK 50) von Stuttgart und Umgebung" des LGRB-BW, 1998. Hier ist der Ausstrich der geologischen Schichten an der Erdoberfläche dargestellt. Ein großer Teil der Fläche auf der Gemarkung Ludwigsburg wird hier von den Deckschichten aus Lösslehm, Löss, Frostmischböden, Verwitterungslehmen, Fließerden, Hangschutt und Auesedimenten bedeckt, die in der Quartär-Zeit und dort v.a. während der Würmund Riß-Kaltzeiten abgelagert wurden. Die geologische Karte in Abb.19a zeigt den Ausstrich (das Auftreten) der geologischen Grundschichten aus der Trias-Zeit unterhalb der Deckschichten (abgedeckte Karte) und die Talauen-Sedimente aus der Quartär-Zeit. Die 0,5 bis über 10 m mächtigen Deckschichten, welche die Grundschichten flächig bedecken, wurden hier aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht dargestellt. Der geologische Profilschnitt in Abb. 19b zeigt schematisch und überhöht die heute noch ca. 600 - 700 m mächtigen Sedimentschichten des erodierten Deckgebirges über dem kristallinen Grundgebirgssockel. Die Sedimentschichten liegen flachwellig und diskordant auf dem Grundgebirge und werden von Verwerfungen gegeneinander versetzt. Im Bereich von Hohenasperg und Lemberg sieht man die Muldenlage und die tektonische Grabenstruktur, die für die Reliefumkehr dieser Zeugenberge verantwortlich sind. Im Bereich des Neckartals sieht man die Hochlage der Muschelkalkschichten, die durch den von Südwesten nach Osten verlaufenden "Schwäbisch-Fränkischen Sattel" verursacht wird (siehe auch Abb. 2 und 21). Die Lage des Profilschnittes ist in der geologischen Karte markiert. Der Vergleich beider Darstellungen soll die räumliche Lage der geologischen Schichten in Ludwigsburg veranschaulichen. 39 36 Abb. 19: Geologische Karte von Ludwigsburg. Ausschnitt aus: H. BRUNNER (1998): Geologische Karte von Baden-Württemberg 1 : 50 000, Blatt Stuttgart und Umgebung, Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, Baden-Württemberg, Freiburg.. Holozäne und pleistozäne Deckschichten Keuper Muschelkalk Künstliche Auffüllungen Lösslehm und Löss, l Travertin von Poppenweiler, qk Mittlerer Keuper Schilfsandstein, km2 Stuttgart-Formation Talablagerungen, h Anmoorige Flächen, hm Pleistozäne Flussschotter: Jüngere Flussschotter, g = Würm- und Rißkaltzeit Älterer Flussschotter, H = Schotter älterer Kaltzeiten Höhenschotter Mittlerer Keuper Gipskeuper, km1 Grabfeld-Formation Hangschutt 0 Tektonische Störungen, z.T. vermutet Unterer Keuper Lettenkeuper, ku Erfurt-Formation Nord Oberer Muschelkalk (Hauptmuschelkalk) Trigonodusdolomit, mod, = Rottweil Formation Oberer- und Unterer Hauptmuschelkalk, mo2+1 = Meißner- und Trochitenkalk-Formation 1 km 40 Abb. 19a: Geologische Übersichtskarte der Grundschichten in Ludwigsburg. Marbach Freiberg Neckartal Affalterbach Tamm Darstellung ohne Deckschichten aus Lösssedimenten, Schuttdecken und Hangschuttmassen (siehe Abb. 19). L 1129 B 27 L 1130 Monrepos Lemberg Schnittlage Neckarweihingen Talauen; Tallehme und Abschwemmmassen, im Neckartal über Schottern der Würm-Kaltzeit, Heilwasserbrunnen Hoheneck. Bekannte Erdfälle; Schlotartige Hohlräume im Untergrund mit verstürzten Gesteinsmassen und lehmigen Füllungen. ? Bekannte Reste kaltzeitlicher Terrassenschotter; Hohenasperg Riß-Kaltzeiten und ältere Kaltzeiten, oft konglomeratisch verfestigt. Hoheneck Eglosheim Asperg Kaltzeitlicher Blockschutt; Gerundete Blöcke aus Stubensandstein als Reste kaltzeitlicher Blockströme aus dem Hochgebiet des Ur-Aspergs. Poppenweiler Favorite Schilfsandstein (Mittlerer Keuper); Sandsteine und feinsandige Tonsteine (Erosionsreste). A 81 Schloss Gipskeuper (Mittlerer Keuper); Tonsteine mit einzelnen ? Karbonatsteinbänken, Sulfatgesteine, Gipsauslaugungsreste. Hochdorf Lettenkeuper (Unterer Keuper); Wechsellagerung Bhf. Oßweil L u d w i g s b u r g von Karbonatsteinen, Tonsteinen und Sandsteinen. L 1100 WN-Bittenfeld Oberer Muschelkalk; Im oberen Bereich Dolomitsteinbänke, darunter Kalksteinbänke, getrennt durch dünne Tonsteinlagen. Möglingen Hochberg Verwerfungen (Schichtversatz), z.T. vermutet Pflugfelden Lage des Profilschnitts L 1140 Pflugfelden L 1140 Leudelsbach Die Grundschichten werden von 0,5 m bis über 10 m mächtigen quartären Deckschichten aus Lösslehm, Löss, Frostmischböden, Salonwald Nord 1 km Grünbühl Kornwestheim K 1692 B 27 Remseck 0 Fließerden und Hangschutt bedeckt. Diese wurden aus Gründen der 1 km Übersichtlichkeit hier nicht dargestellt (abgedeckte Karte). Pattonville West Ost ASPERG Hohenasperg LUDWIGSBURG Eglosheim Schilfsandstein Hoheneck Neckar Neckarweihingen Deckschichten der Kaltzeiten Terrassenschotter Gipskeuper AFFALTERBACH Lemberg mNN Schilfsandstein 350 Verwerfung 300 Talaue Gipskeuper Lettenkeuper 25 Abb. 19b: Geologischer Profilschnitt. (4-fach überhöht) Mittlerer Muschelkalk; Kalkstein- und Dolomitsteinbänke. In Ludwigsburg Auslaugungstone von Salzgesteinen, Sulfatgesteine in Auslaugung. Untere Muschelkalk; Kalkstein- und Dolomitsteinbänke, 200 Tonmergelsteine. Oberer Muschelkalk 150 Buntsandstein; Sandsteine mit Gerölllagen Mittlerer Muschelkalk 100 und vereinzelten Tonsteinlagen. Unterer Muschelkalk 50 Perm; In Ludwigsburg Rotliegendes und terrigener Zechstein (Tonsteine, Dolomitsteine, Konglomerate, Sandsteine). . Grundgebirge; Im Raum Ludwigsburg vermutlich Gneise und Migmatite. Lettenkeuper Heilwasserbrunnen Hoheneck (Sole) Buntsandstein Das Grundwasser im Buntsandstein ist gespannt. 0 -50 -100 -150 -200 -250 -300 Perm Grundgebirge -350 Die gestrichelten Linien sind Grundwasseroberflächen in den drei Hauptgrundwasserstockwerken bzw. die Druckfläche im Oberen Bundstandstein (Abb. 20). Im Neckartal ist der Heilwasser-Sole-Brunnen mit dem artesischen Aufstieg des gespannten Grundwassers aus dem Oberen Buntsandstein eingezeichnet. 0 1 2 km 36 41 West Ost Jurameer Ablagerung von Bild 1: Ende der Jura-Zeit vor ca. 145 Mio. Jahren. Karbonatsedimenten Süddeutschland war während der Jura-Zeit von einem flachen Randmeer mit einem subtropischen Klima am Nordrand des großen Tethys-Ozeans bedeckt (Abb. 6). Es wurden Kalkschlämme, z.T. mit Resten von Kalkschalen und Tonschlämme, ähnlich wie bei den Jura heutigen Bahamas abgelagert. Im flacheren Wasser kam es zur - Kalk- und Dolomitsteine, Riffkalke, Tonsteine, vereinzelt Sandsteine Bildung von großen Schwamm- und Korallenriffzügen, wie heute am Great-Barrier-Rif vor Australien. Gegen Ende der Jura-Zeit kam Keuper - Kalk- -und Dolomitsteine, Tonsteine, Keuper Tonsteine, Sandsteine, Kalk- Sandsteine, und Dolomitsteine, Sulfatgesteine (Anhydrit, Gips) Evaporitgesteine (Anhydrit, Gips) Muschelkalk die Absenkung im Germanischen Becken allmählich zum Stillstand und es folgte eine tektonische Hebung von Teilen von Europa (Belgisch-, Rheinisches-, Böhmisches Land). Es kam zum Ende der marinen Sedimentation und Süddeutschland wurde Festland. Auf der neuen kreidezeitlichen Landoberfläche begann die Verwitterung - Kalk- und Dolomitsteine, Tonsteine, Evaporitgesteine (Salz, Anhydrit, Gips) und Abtragung der ehemals im Meer und in Tiefländern abgelager- Buntsandstein, Perm, Grundgebirge - Sandsteine, Tonsteine, Dolomite, Die Absenkung geht zu Ende Hebung zum Beginn der Kreide-Zeit Konglomerate, Vulkanite, Gneise und Granite ten Gesteinsschichten. Bei einem tropischen Klima entstand eine flachwellige Rumpfflächenlandschaft mit einer Entwässerung durch Flüsse nach Süden. Bild 2: Oligozän-Zeit bis Miozän-Zeit vor 33,9 - 5,3 Mio. Jahren. "Albtrauf" in der Späten Miozän-Zeit Im Oligozän setzte in Süddeutschland wieder eine verstärkte LandEntwässerung nach hebung ein und die Gesteinsschichten wurden durch plattentekto- Südosten zur Ur-Donau nische Vorgänge auch im Zusammenhang mit der Bildung der Alpen und der Heraushebung des Schwarzwaldes weiter verbogen und an Verwerfungen gegeneinander versetzt. Im Miozän war die Hebung wieder schwächer und es kam zur flächenhaften Abtragung und zu einem weitgehenden Reliefausgleich. Das Zusammenwirken der unterschiedlich starken Abtragung der Gesteine mit der tektonischen Verkippung des Tafeldeckgebirges nach Südosten führte ab dem Späten Miozän zur Grobformung von Süddeutsch- Starke Hebung und Verkippung im Oligozän und am Ende des Miozäns land mit der Bildung des "Schwäbisch-Fränkischen Schichtstufenlandes". Es hat sich ein flacher Erosionsrand (Trauf) des Juras gebildet, der allmählich in Richtung Osten und Südosten verlegt Deckenschotter, Entwässerung seit wurde. Bei einem Anfangs noch tropischen aber zunehmend kühler und trockener werdenden Klima schnitten sich die Flüsse tiefer in etwa 5 Ma nach Norden zum Rhein die Rumpffläche ein. Bild 3: Pliozän-Zeit vor 5,3 - 2,6 Mio. Jahren. Zur Wende Miozän-Pliozän hat sich das Land und v.a. der Südschwarzwald wieder stärker und schubweise gehoben. Die Flüsse schnitten sich weiter ein und erodierten in weichen GesteiSchubweise Hebung, Verkippung nen breite Täler. Das Klima wurde kühler und trockener (semiariden bis warm-gemäßigt). Es bildete sich ein Vorläufer des Neckars und es kam zur Ablagerung von Talsedimenten. Die Schichten des Juras wurden hier bis auf Reste abgetragen. Bild 4: Quartär-Zeit seit, 2,6 Mio. Jahren bis heutige Zeit. Ab dem Mittleren Pliozän und im Quartär wurde Süddeutschland Ehemalige Landoberfläche vor 145 Mio. Jahren. wieder stärker gehoben, wodurch sich die Erosion der Flüsse Abtragung von 900 - 1100 m Gesteinsschichten Hohenasperg Ludwigsburg Blockschutt Neckar Decken/Höhenschotter Talsedimente Lemberg Terrassenschotter Erdfall Keuper verstärkt und vertieft hat. Es wurde kühler und es kam schließlich zu einem Wechsel von Warm- und Kaltzeiten mit einem trockenen, polaren Klima. Die Schichten des Keupers sind schon stark abgetragen. Der Schilfsandstein des Mittleren Keupers ist in tektonischen Muldenlagen durch Reliefumkehr am Hohenasperg und am Lemberg in isolierten Resten erhalten geblieben (Zeugenberge). Auf den Gäuflächen gibt es vereinzelte Reste von Blockschutt aus Stubensandstein, von fluviatilen Höhenschottern und ein flächige Muschelkalk Bedeckung mit kaltzeitlichen Sedimenten, wie Lösssedimenten, Buntsandstein, Perm, Grundgebirge Hebung, ab der WürmKaltzeit nachlassend Fließerden und Frostschutt. Die Täler haben sich v. a. während der stärkeren Erosionsphasen zu Beginn und am Ende der Kaltzeiten weiter eingeschnitten. Man nimmt an, dass während der Kaltzeiten im Strohgäu mindestens 50 m Gesteinsschichten abgetragen wurden und sich der Neckar um ca. 80 m eingetieft hat. An den Abb. 20: Die Landschaftsentwicklung im Raum Ludwigsburg ab der Jura-Zeit. Talrändern gibt es Reste von Terrassenschottern, die von den Schematische und überhöhte Profilschnitte. Vgl. mit Abb. 7. gert wurden. Auslaugungsvorgänge im Untergrund haben zur Flüssen während der kaltzeitlichen Akkumulationsphasen abgelaBildung von Erdfällen geführt. Bis in die jüngste Zeit wurden Talsedimente und v. a. Hochflutlehme im Neckartal abgelagert. 42 3.6 Tektonik – Die Lagerung der Schichten Ludwigsburg liegt im Bereich der nach Südosten verkippten wurde der Keuper hier oft stärker abgetragen, während die Süddeutschen Scholle. Das tektonische Hauptelement in Flanken vom Keuperstufenrand umsäumt werden. Am Nord- Ludwigsburg ist der "Schwäbisch-Fränkische Sattel" (SFS). Es handelt sich hier um eine etwa 15 km breite und linienhafte westrand des Schwäbisch-Fränkischen Sattels verlaufen kleinere Mulden- und Sattelstrukturen, wie z.B. die Pleidels- Aufwölbung der Sedimentschichten (Leistenscholle), deren heimer Mulde, der Heutingsheimer Sattel und die markante 150 km lange Achse von der Hornisgrinde im Nordschwarz- Neckar-Jagst-Furche. Im Osten von Ludwigsburg wird der wald bis zum Kocher im Welzheimer Wald verfolgt werden kann. Die Sattelachse verläuft von Südwesten nach Nordos- Schwäbisch-Fränkische Sattel von der Lemberg-Struktur ten quer durch die Ludwigsburger Markung. Der SFS wird im Norden von der Stromberg Mulde und von der Neckar-Jagst- Tieflage der Schichten um bis zu 50 m und für die Reliefumkehr am Lemberg verantwortlich ist. Dort ist eine Kappe Furche und im Süden vom Fildergraben eingerahmt (Abb. 2). aus Schilfsandstein über weicherem Gipskeuper erhalten Wegen der Hochlage der Schichten im Bereich des Sattels u geblieben. unterbrochen, eine Verwerfungszone und Mulde, die für die PM NJF Marbach Freiberg HS Lemberg SFS LS SB Hoh. Nwh. E-heim Ppw. HM HHS Bittenfeld Oßw. Ludwigsburg Neckar Pfld. 260 ? Grünb. SFS 250 Nord 1 km Kornwestheim Höhenlage (mNN) des Bezugshorizontes - Grenze Ob. Muschelkalk/Lettenkeuper mit Fallrichtung Neckarrems Verwerfung (gestrichelt = vermutet) Sattelachse LS Lemberg-Struktur Muldenachse HHS Hirschberg-Hoheneck Störungszone PM Pleidelsheimer Mulde SB Säubrunnen Störung HS Heutingsheimer Sattel HM Hochdorfer Mulde SFS Schwäbisch-Fränkischer Sattel NJF Neckar-Jagst-Furche Abb. 21: Schichtlagerung und tektonische Strukturen im Raum Ludwigsburg. Die wellige Lagerung der geologischen Schichten (Mulden- und Sattelstrukturen) wird durch Linien gleicher Höhe an der Schichtgrenze Oberer Muschelkalk/Lettenkeuper dargestellt. Dieser Bezugshorizont wurde durch zahlreiche Baugrundbohrungen punktuell erfasst und ist auch im Gelände oft zu finden. Durch rechnerische Interpolation der einzelnen Punkte erhält man eine flächige Darstellung der Höhenlage dieser Schichtgrenze. Die tektonischen Störungszonen (Verwerfungen, Auf- und Abschiebungen) sind am Versatz der Höhenlinien erkennbar. Grafik ergänzt nach H. Brunner (1998): Geologische Karte von Baden-Württemberg 1 : 50 000, Erläuterungen Stuttgart und Umgebung. LGRB-BW, Freiburg. 43 3.7 Lemberg und Hohenasperg als Zeugen der Erdgeschichte Der Lemberg und der Hohenasperg ragen als inselartig iso- Rand des Verwerfungssystems auf gleicher Höhe mit den lierte "Zeugenberge" aus der Gäufläche auf und bilden charakteristische Landmarken. Im Bereich dieser heutigen Er- älteren Tonsteinschichten des Gipskeupers. Wegen ihrer Härte und vor allem wegen ihrer guten Wasserdurchlässig- hebungen verliefen im Zeitabschnitt des Schilfsandsteins vor keit sind die Sandsteine aber widerstandsfähiger gegenüber etwa 226 Mio. Jahren die Strömungsarme eines breit ver- der Abtragung, als die weichen und wasserstauenden Ton- zweigten und in den Untergrund eingeschnittenen Flussdeltas. In diesen Deltaarmen wurden mächtige Sandschichten steine. In den folgenden Jahrmillionen wurde der Schilfsandstein daher weniger stark und schnell abgetragen als die abgelagert, die später zu hartem Sandstein, der sogenannten weichere Gipskeuper-Umgebung und schützt so bis heute "Rinnenfazies" verfestigt wurden. Im Bereich des heutigen den unterlagernden Gipskeuper vor der Erosion. Auf diese Lembergs wurden diese Gesteinsschichten nach ihrer Ablagerung und Verfestigung durch ein mulden- und grabenarti- Weise wurden im Bereich der tektonischen Eintiefungen der Lemberg und der Hohenasperg als Hochgebiete erosiv her- ges Verwerfungssystem, und im Bereich des Hohenaspergs auspräpariert und belegen als "Zeugenberge" die ehemals durch Muldenbildung in einem eng umgrenzten Bereich gegenüber der Umgebung um ca. 20 bis 50 m tiefer gelegt. flächig ausgedehnte Verbreitung des jüngeren Schilfsandsteins. Diese Vorgänge werden als "Reliefumkehr" bezeichnet Die Ursache waren tektonische Beanspruchungen in der und haben in größerer Ausdehnung auch maßgeblich zum Erdkruste durch die ständige Bewegung der Kontinente und Erhalt der Schichten des höheren Keupers (Stubensandstein hier vor allem durch die Bewegung der afrikanischen Platte in Richtung Norden gegen die europäische Platte. Nach der etc.) am Stromberg und Heuchelberg, der Löwensteiner Berge und der Keuperberge und Filderhochfläche im Raum tektonischen Eintiefung lagen die Sandsteinschichten am Stuttgart und Leonberg beigetragen (Fildergraben). Sandstein Abtragung Tonstein Nach Ablagerung und Diagenese Grabenbildung Reliefumkehr, heutiger Zustand Abb. 22: Schema der Entstehung eines Zeugenbergs durch Reliefumkehr in einer tektonischen Graben- und Muldenstruktur. Geomorphologische Umwandlung von einer Tieflage zu einer Erhebung durch Abtragung des umgebenden weichen Gesteins. N Zustand am Ende des "Späten Juras" nach der Heraushebung aus dem Meer. Einmuldung und Abtragung, vermutlich seit der Paläogen-Zeit. 1. Reliefumkehr: Weitere Abtragung. Entstehung des ersten Zeugenbergs aus Jura-Gesteinen. Fortschreitende Abtragung. Nach Entfernung der harten Weißjura-Gesteine und der weichen Braunjura-Gesteine entstand eine Verebnung auf den harten Schwarzjura-Gesteinen, ähnlich der heutigen Filderfläche südlich von Stuttgart. 2. Reliefumkehr: Nach weiterer Abtragung der exponierten Umgebung entstand in der Mulde erneut ein Zeugenberg, zunächst noch mit einer Kappe aus Schwarzjura, die weiter abgetragen wurde. Heutiger Zustand. Schilfsandstein und Stubensandstein bilden die schützende Kappe. In der Umgebung Abtragung bis auf die Keuper-Muschelkalk Gäufläche. Möglicher Zustand in der geologischen Zukunft. Nach der Abtragung der harten Keupersandsteine bildet sich auf dem Oberen Muschelkalk wieder eine Verebnung in einer Mulde. Abb. 23: Die Entstehung von Stromberg und Heuchelberg durch Reliefumkehr in einer tektonischen Mulde Hypothetisch und schematisch Verändert nach O.F. Geyer & M.P. Gwinner (1991): Geologie von Baden-Württemberg. 4. Aufl. Schweizerbart, Stuttgart. 44 4. Das Grundwasser im Untergrund von Ludwigsburg In Ludwigsburg fallen im langjährigen Durchschnitt 750 mm Niederschläge pro Jahr mit Schwankungen von 500 bis 1100 mm/a. Davon verdunsten 60 - 75 % teils direkt und teils über die pflanzliche Transpiration (Evapotranspiration). Ein Teil wird über Bäche und Flüsse abgeführt. 10 - 25 % versickert im Boden und sammeln sich in den Poren und Klüften der Gesteine als zusammenhängendes Grundwasser (in Ludwigsburg ca. 100 - 150 mm/a). Die verschiedenen Gesteine haben unterschiedliche Eigenschaften hinsichtlich der Speicher- und Leitfähigkeit des Grundwassers. Die locker gelagerten und grob- bis feinkörnigen Deckschichten des Quartärs speichern das Grundwasser in den Zwischenräumen der Sedimentkörner und werden als Poren-Grundwasserleiter oder Lockergesteins-Grundwasserleiter bezeichnet. Die Kiese und Sande im Neckartal sind gute Grundwasserspeicher und -leiter und haben oft eine hohe Ergiebigkeit. Je größer aber der Feinkornanteil (Schluff und Ton) eines Sedimentes ist, desto geringer ist die Wasserdurchlässigkeit. Der in Ludwigsburg weit verbreitete Lösslehm wird wegen seines hohen Schluff- und Tonanteils als Grundwasser-Geringleiter bezeichnet. Hier halten starke Kapillarkräfte zwischen den winzigen Partikeln das Wasser fest. Das ist auch der Grund, warum die Versickerung von Oberflächenwasser in Ludwigsburg nur eingeschränkt sinnvoll ist. Die Festgesteine von Keuper, Muschelkalk und Buntsandstein speichern das Grundwasser in den zahlreichen engen Klüften und Schichtfugen, die durch tektonische Beanspruchung und durch Auflockerung in Oberflächennähe entstanden sind. Diese Gesteine werden als Kluft-Grundwasserleiter oder Festgesteins-Grundwasserleiter bezeichnet. Die Karbonatgesteine und Sandsteine sind Grundwasserleiter mit oft mittlerer Ergiebigkeit, während die Tonsteine Grundwassergeringleiter sind. In den Karbonatgesteinen des Muschelkalks kommt es stellenweise zu stärkeren Lösungsvorgängen und zur Bildung von weiten Klüften und Hohlräumen (Verkarstung). Dann spricht man von einem Karst-Grundwasserleiter. Das trifft in Ludwigsburg v.a. auf die Muschelkalkschichten im Bereich des Neckartals zu. Durchgehende Lagen von Gips und Anhydrit sind GrundwasserGeringleiter. Salzgesteine, die noch nicht von der Auflösung betroffen sind und weiche Tonen sind so dicht, dass nur sehr langsame Fließbewegungen stattfinden. Sie werden daher auch als Grundwasser-Nichtleiter bezeichnet. Im Raum Ludwigsburg gibt es drei Hauptgrundwasserstockwerke: Das obere Grundwasserstockwerk wird von den fein- und stadt oft mit "leichtflüchtigen halogenierten Kohlenwasser- gemischtkörnigen quartären Deckschichten im Verbund mit stoffen" (LHKW) und mit Nitrat verunreinigt. den porig-klüftigen Gesteinen des gering durchlässigen Gipskeupers und des schichtigen Kluftgrundwasserleiters des Lettenkeupers gebildet. Das Grundwasser zirkuliert in den Klüften und Schichtfugen der Festgesteine und in den Poren Das mittlere Grundwasserstockwerk wird von den klüftigen und v.a. in Talnähe oft verkarsteten Gesteinen des Oberen Muschelkalks zusammen mit den Oberen Dolomiten des der Deckschichten. Das Niederschlagswasser sickert durch Mittleren Muschelkalks gebildet. Hier sind der Mineralbrun- die oberste Humusschicht und durch die Deckschichten, wo es durch Filtrations- und Sorptionsprozesse gereinigt wird. nen von Hoheneck mit knapp über 1.000 mg/l gelöste Feststoffe, der Brunnen des Freibades und Teile der Notwasser- Dann speist es die engen Klüfte und Poren des ausgelaugten versorgung von Ludwigsburg im Neckartal bei Oßweil ge- Gipskeupers und die Klüfte der Karbonatstein- und Sand- fasst. Die Ergiebigkeit dieses wenig homogenen Grundwasserleiters ist, abhängig von der Anbindung an ein Kluft- oder steinbänke des Lettenkeupers. Die quartären Kiese im Neckartal sind stärker wasserführend und stehen mit dem Karstsystem, gering bis mittel und gelegentlich hoch. Der Grundwasser im Oberen Muschelkalk in Verbindung. Im wasserführende Kieskörper (Porengrundwasserleiter) im Lettenkeuper können der Hauptsandstein und der verkarstete Grenzdolomit zum Gipskeuper stärker wasserführend sein. Neckartal bildet ein Drainagesystem für das Kluft- und Karstgrundwasser des Mittleren und Oberen Muschelkalks. An der Basis des Lettenkeupers bilden die Tonsteine der Esterienschichten die Abdichtung zum Oberen Muschelkalk. Das untere Grundwasserstockwerk liegt bei ca. 50 mNN im Dort, wo diese Schichtgrenze zum Oberen Muschelkalk in Oberflächennähe ausstreicht, kommt es bevorzugt zu Versi- klüftigen Plattensandstein des Oberen Buntsandsteins unter den abdichtenden Röttonen. Im Neckartal in Hoheneck wird ckerungen in das nächst tiefere Stockwerk und stellenweise aus einer 177 m tiefen Bohrung eine stark salz- und sulfat- zu Quellaustritten. Das Grundwasser und die Quellen im haltige Heilwasser-Sole mit 29.000 mg/l gelöste Feststoffe Lettenkeuper hatten für die Besiedelung des Strohgäus eine große Bedeutung und wurden in früheren Zeiten auch in mit geringer Ergiebigkeit gefördert. Dieses Wasser steht dort unter artesischem Druck und steigt im Bohrloch auf 198 bis Ludwigsburg stark genutzt. Der Gipskeuper ist im Allgemei- 203 mNN auf. Der artesische Druck wird durch den höheren nen gering wasserdurchlässig. Die örtlich verkarsteten Grundgipsschichten können aber stärker wasserführend Grundwasserspiegel im Bereich des Einsickerungsgebietes am Rande des Nordschwarzwalds verursacht. Das Grund- sein. Auch die Karbonatsteinbänke können örtlich eine stär- wasser im Plattensandstein kann dabei nicht durch die über- kere Wasserführung haben. Gespannte Verhältnisse sind v.a. lagernden und dichten Röttone durchsickern, so dass die in Tallagen möglich. Das obere Grundwasserstockwerk ist von geringer bis mittlerer und im Neckartal auch von hoher Grundwasserdruckfläche im Neckartal ca. 150 m über dem Grundwasserleiter liegt. Das Alter dieses Grundwassers wird Ergiebigkeit. Es ist im Bereich der Innenstadt und der West- auf 30.000 Jahre und älter geschätzt. 45 Die oberflächennahen Grundwasserstände liegen in Ludwigs- Salzstreuung auf Fuß- und Radwegen hat die Chloridbelas- burg in den Tälern und in flachen Senken von Pflugfelden, tung im Grundwasser in den letzten Jahren zugenommen. Monrepos, Innenstadt, Poppenweiler und Neckartal bei ca. 1 - 5 m unter Gelände. Auf den Flächen und auf Kuppen in Im mittleren Grundwasserstockwerk im Oberen Muschelkalk Eglosheim, in der Weststadt, Oststadt, Favoritepark, Hohe- gibt es nur weinige geogen bedingte Schwellenwertüber- neck und östlich von Neckarweihingen liegen sie bei 5 bis über 10 m unter Gelände. Die Grundwasserstände schwan- schreitungen, z.B. bei Mangan und Sulfat. Stellenweise ken in Abhängigkeit der Niederschläge und der Jahreszeiten auftretende Spuren von LHKW unterhalb des Schwellenwertes zeigen, dass die Verunreinigung des oberen Grundwas- um ca. 0,5 - 1,5 Meter in Tallagen und um bis über 3 Meter serstockwerks diesen für die Notwasserversorgung wichtigen im Bereich von Hochflächen und Kuppen. Im Frühjahr und im Frühsommer liegen die Grundwasserstände oft am höchs- Grundwasserleiter bereits erreicht hat. Die LHKW-Werte haben hier aber in den vergangenen Jahren abgenommen. ten, im Herbst und im Frühwinter am niedrigsten. Örtlich sind gespannte Grundwasserverhältnisse möglich. Die Hauptgrundwasseroberfläche liegt im Oberen Muschelkalk Aus dem Unteren Grundwasserstockwerk im Buntsandstein zwischen 192 mNN im Neckartal und ca. 210 - 225 mNN im Werte für Chlorid, Sulfat und anderen Elemente und Verbindungen geologisch bedingt auf hohem Niveau. Diese Brun- Südwesten der Gemarkung. Im Neckartal und in Poppenweiler gibt es zwei kleine Trinkwasserschutzgebiete. Nahezu die gesamte Gemarkung ist Vorläufiges Heilquellenschutzgebiet wird eine hochmineralisierte Sole gefördert. Hier liegen die nen haben Heilwasserstatus und werden im Heilbad Hoheneck genutzt. Zone B/1 zum Schutz des Solebrunnens in Hoheneck. Bohrungen, z.B. für Erdwärme werden hier in ihrer Tiefe begrenzt. In den oberflächenahen Grundwässern von Baden-Württemberg wird der Schwellenwert für Nitrat an jeder zehnten Messstelle überschritten. Insgesamt hat die mittlere Nitrat- Die Grundwasserqualität in Ludwigsburg ist unterschiedlich. konzentration zwischen 1994 und 2015 aber um 22 % ab- Im oberen Grundwasserstockwerk im Quartär, im Gipskeuper genommen. Auch die Belastung mit Pflanzenschutzmitteln und deren Abbauprodukten hat sich in den vergangenen und im Lettenkeuper gibt es im Bereich der Weststadt und der Innenstadt oft flächenhafte Verunreinigungen mit leichflüchtigen halogenierten Kohlenwasserstoffen (LHKW) ober- Jahren verringert. Andere Schadstoffe kommen nur in Spu- halb des Schwellenwertes der Trinkwasserverordnung. Diese ren oder in sehr eng begrenzen Schadensherden in erhöhter Konzentration vor, wie z.B. LHKW oder Mineralölkohlenwas- Verunreinigungen stammen von ehemaligen chemischen serstoffe in Ballungsräumen. Süßstoffe können in einem Reinigungen und von Gewerbe- und Industriebetrieben. In Einzelfällen kann diese Verunreinigung so hoch sein, dass Drittel der Messstellen nachgewiesen werden. Röntgenkon- das Wasser bei einer Grundwasserhaltung bei Bauvorhaben trastmittel können in zwei Dritteln der risikobasiert ausgewählten Messstellen in Spuren nachgewiesen werden. Die über Aktivkohle gereinigt werden muss. Dann ist oft auch Nitrateinträge und die Einträge von Pflanzenschutzmitteln in eine aufwändige Abdichtung des Untergeschosses gegen das Eindringen dieser flüchtigen und gesundheitsschädli- das Grundwasser müssen weiter minimiert werden. Das betrifft auch das Donauried bei Ulm, aus dem der Raum chen Substanzen erforderlich. In den vergangenen Jahr- Stuttgart zum Teil mit Trinkwasser versorgt wird und wo der zehnten wurden viele dieser Schadensfälle mit großen finanziellen Aufwendungen saniert. Dennoch nimmt die Verunrei- Nitratgehalt mit 35 ug/l noch unter dem Schwellenwert von nigung des Grundwassers durch LHKW nur langsam ab. 50 ug/l liegt. Das Bodenseewasser hat nur einen geringen natürlichen Nitratgehalt von 4 - 5 ug/l. Reste von Arznei- Erhöhte Werte von Mineralölkohlenwasserstoffen und von mittel etc. könnten in Zukunft im Grundwasser zunehmen. aromatischen Kohlenwasserstoffen kommen in Ludwigsburg im Grundwasser nur in wenigen, sehr eng begrenzen Berei- Hier müssen Maßnahmen, v.a. in den Kläranlagen getroffen che vor, wo früher Tankstellen oder Lagerplätze betrieben werden. Die tieferen Grundwasserhorizonte, aus denen zum Teil Trinkwasser gewonnen wird und die für die Notwasser- wurden. Pestizide (Pflanzenschutz) und Nitrate (Düngung) versorgung von Bedeutung sind, sind weitgehend frei von können in wenigen Brunnen knapp oberhalb der Schwellenwerte nachgewiesen werden, was dort jeweils mit der Nut- anthropogenen Schwellenwertüberschreitungen. zung als Gärtnereibetrieb zusammenhängt. Schwermetalle können in den Ludwigsburger Brunnen nicht oberhalb der Schwellenwerte nachgewiesen werden. In einigen Ludwigsburger Brunnen im Stadtbereich liegt der Chloridgehalt knapp unterhalb und oberhalb des Schwellenwertes. Ursache ist die Salzstreuung im Winter. Durch die verstärkte 36 46 25 Osten Westen mNN mNN Monrepos 320 Eglosheim 300 km1 280 Favoritepark Erdfall Hoheneck 300 Hg ku 240 abdichtende Basisschichten Neckartal km1 280 Mineralwasserbrunnen und artesischer Solebrunnen ku 260 km1 ? ? ? 220 200 320 Nußbäumle L hm 260 Neckarweihingen Steinbr. Hubele h mo Hg 180 160 ? 140 160 abdichtende Sulfatgesteine und Auslaugungstone mm mm 140 120 120 100 mu mu 0 1000 m 10-fach überhöht nach oben abdichtende Röttone Bach- und Talsedimente: Sandige Tone und Schluffe und sandig-schluffige Kiese mit Schlicklinsen. Anmoor: Weiche, stark wasserhaltige Tone mit Pflanzenresten. Lösslehm, Löss, Wanderschutt/Fließerden, Frostmischböden, Hangschutt. Kaltzeitliche Schotterreste: Sandige, oft nur kantengerundete Konglomerate. 60 20 so 0 Mesozoische Grundschichten (in Ludwigsburg und im tieferen Untergrund ca. 224 – 260 Mio. Jahre alt) km2 km1 Schilfsandstein: Am Lemberg gebankte Sandsteine, überwiegend in der Rinnenfazies. Gipskeuper: Im Stadtbereich tonig-karbonatische Gipsauslaugungsreste (Zellendolomite) der Grundgipsschichten. Vereinzelt Gipsreste. Am Lemberg Wechselfolge von Tonsteinen mit einzelnen Karbonatsteinbänken und Gips-/Anhydritlagen, die oberflächennah ausgelaugt sein können. ku Lettenkeuper: Enge Wechsellagerung von Tonsteinen, Karbonatsteinen und Sandsteinen. mo Oberer Muschelkalk: Kalksteinbänke und Dolomitsteinbänke mit Tonsteinfugen. mm Mittlerer Muschelkalk: Kalkstein- und Dolomitsteinbänke, Sulfatgesteine, Auslaugungsreste der Salinar- und Sulfatgesteine, Tonsteine. mu Unterer Muschelkalk: Kalkstein- und Dolomitsteinbänke, Tonmergelsteine. so Oberer Buntsandstein: Röttone und Plattensandstein. In der Tiefe weitere Sandsteinbänke des Buntsandsteins (sm, su) und Sedimente des Perms. Abb. 24: Hydrogeologischer Profilschnitt Eglosheim - Neckarweihingen. 100 80 40 Quartärzeitliche Deckschichten (in Ludwigsburg bis ca. 300.000 Jahre alt, stellenweise älter) hm L Hg 220 200 mo 180 h 240 Deckschichten der Quartär-Zeit aus Lösslehm, Löss, Fließerden und Frost/Hangschutt etc. Im Neckartal mittelalterliche Auenlehme über sandig-schluffigen Kiesen von Würm-Kaltzeit und Holozän. Schotterreste aus der Riß-Kaltzeit. Das Grundwasser korrespondiert mit dem in den Grundschichten. Gespannte Grundwasserverhältnisse, v.a. in Tallagen sind möglich. Deckschichten; Reste kaltzeitlicher Terrassenschotter (Riß-Kaltzeit und Älter). Grundschichten der Buntsandstein-, Muschelkalk- und Keuper-Zeit. Bekannte Gesteinsbereiche mit einer mehr oder weniger zusammenhängenden Grundwasserführung in Poren, Klüften und Schichtfugen (Grundwasserstockwerke). Im Lettenkeuper schichtiger Kluftgrundwasserleiter in den klüftigen Karbonat- und Sandsteinen, gekoppelt mit dem Porengrundwasserleiter in den Deckschichten. Wasserstauend sind die Tonsteine der Basisschichten. Das Grundwasser kann örtlich gespannt sein. Der Obere und Mittlere Muschelkalk stellt keinen homogen gebauten Kluftgrundwasserleiter dar. Bereichsweise sind die Karbonatgesteine verkarstet. Bei geringer oder fehlender Verkarstung gibt es über der auf den Vorfluter eingestellten Grundwasseroberfläche eine höher liegende Sickerwasserzone (schwebender Grundwasserhorizont). Wasserstauend sind die Auslaugungstone der Salinar- und Sulfatgesteine im Mittleren Muschelkalk. Das Grundwasser in den Klüften des Oberen Buntsandsteins ist im Solebrunnen im Neckartal artesisch gespannt. Wasserstauend nach oben sind hier die Röttone. Haßmersheimer Schichten im Oberen Muschelkalk. Mergelsteine und einzelne dünne Trochitenkalkbänke mit eingeschränkter hydraulischer Stockwerksverbindung. Verwerfung, z.T. vermutet Der Profilschnitt zeigt die drei Hauptgrundwasserstockwerke im Raum Ludwigsburg. - Oberes Stockwerk: Quartäre Deckschichten, Gipskeuper, Lettenkeuper (Porengrundwasserleiter und schichtiger Kluftgrundwasserleiter, stellenweise gespannt). - Mittleres Stockwerk: Oberer Muschelkalk mit den Oberen Dolomiten des Mittleren Muschelkalks (Kluftgrundwasserleiter, z.T. verkarstet), Neckarkiese (Porengrundwasserleiter). - Unteres Stockwerk: Plattensandstein im Oberen Buntsandstein (gespannter Kluftgrundwasserleiter mit artesischem Austritt aus Bohrloch im Neckartal). 47 ku 10 * Hohenasperg Eglosheim Favoritepark Hoheneck Neckar Neckarweih mo ku km1 3 km1 km2 4 ? ku 14 11 6 mo mo 8 km1 * 9 ku 12 ku mo ku km1 Legende km1 geologische Geländeaufschlüsse bekannte Erdfälle Steinschlag und Felssturz ku Steinschlag * = Baumschlag Ausstrich der Grundschichten unter den Deckschichten, teils vermutet km1 = = = = ku mo 2 km2 km1 ku mo km1 7 5 ku 13 ? 1 ku km2 km1 Schilfsandstein Gipskeuper Lettenkeuper Oberer Muschelkalk Aufschlüsse 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Ehem. Steinbruch Mäurach; Lettenkeuper km1 Bahnunterführung Hundshalde; Lettenkeuper Tierheim Hoheneck; Lettenkeuper Burg Hoheneck; Trigonodus-Dolomit (mo) Heimengasse Hoheneck; Oberer Muschelkalk Grünpark Hungerberg, Oberer Muschelkalk, Löss-Sedimente, kaltzeitliche Schotter Lechtsteige Neckarweihingen; Löss-Hohlweg Otto-Konz-Weg; Oberer Muschelkalk Blüba, Märchengarten; Oberer Muschelkalk Hörnle, L 1100; Oberer Muschelkalk Neckarschleife Poppenweiler; Oberer Muschelkalk Sommerhalde Poppenweiler; Oberer Muschelkalk Lemberg; Schilfsandstein Erdfall im Favoritepark; Lettenkeuper, Ob. Muka Abb. 25: Geologische Geländeaufschlüsse, Erdfälle, Steinschläge und Felssturz. Lemberg Der Schilfsandstein am Lemberg Sicherheitshinweis Fußweg Rinnenfazies Weinberge ku Normalfazies Gipskeuper An steilen bis senkrechten Erd- und Felswänden kann man Gesteine und Fossilien gut studieren. Hier besteht aber eine erhebliche Steinschlaggefahr, Absturzgefahr und damit Verletzungsgefahr und Lebensgefahr! 48 2) Vor 2 - 3 Mio. Jahren 1) Vor 5 - 6 Mio. Jahren 3) Vor 0,5 Mio. Jahren bis heutige Zeit Nordsee Mittleres bis Spätes Pliozän Spätes Miozän bis Frühes Pliozän Pleistozän und Holozän Ijssel Ehemalige Fließrichtung im trocken fallenden Molassebecken. Haupt-Wasserscheiden Einzugsgebiete Ems, Weser, Elbe Stuttgart Ruhr Benelux Deutschland UrRhone FaltenJura Alpenrand Aare-Donau Main Maas Rhein Saar Frankreich Neckar Altmühl Mosel Einzugsgebiet Saone Doubs Rhone Heraushebung und Nordverlagerung der Alpen Abb. 26: Die Flussgeschichte von Südwestdeutschland. Iller * Einzugsgebiet Donau Einzugsgebiet Po Schweiz Rhone Italien Aare Lech Donau Alpenrhein Ur-Donau Einzugsgebiet Rhein Ur-Rhein Einzugsgebiete Loire, Seine, Schelde Lahn Inn Österreich Karten nach E. Villinger (1998): Zur Flussgeschichte von Rhein und Donau in Südwestdeutschland. Jber. Mitt. oberrhein. geol. Ver., NF., 80. Die Veränderung der Einzugsgebiete der Flüsse durch Erosion und Tektonik Vor etwa 140 Mio. Jahren wurde das Rheinische Festland zusammen mit dem nördlichen Teil von Süddeutschland aus dem Jurameer herausgehoben und der Abtragung durch das sich bildende Flusssystem ausgesetzt. An Flüsse ging hier schneller voran als im Donau-System, so dass vor etwa 3 Mio. Jahren der Doubs die Alpenflüsse Aare und Reuss bei Waldshut erreicht hat und durch den Sundgau zum Mittelmeer umlenken konnte. seinem Südrand sind die Flüsse zum sogenannten Tethys-Meer geflossen. Im Bereich des Schweizer Mittellandes, Bild 3: Die Walliser Rhone wurde im Bereich des heutigen Genfer Sees von Westen her angezapft und zum Mittel- Oberschwabens und des Allgäus hat sich im Zuge der Alpenbildung an deren Nordrand als Massenausgleichsbe- meer umgelenkt. Die Flusssysteme des heutigen Neckars und Mains wurden vom Oberrheingraben her angezapft, wegung dann das Molassebecken mit Meeren und Seen gebildet. Nachdem das Molassebecken vor 10 bis 8 Mio. zum Teil in ihren Fließrichtungen umgekehrt und der Nordsee zugeführt. Vor etwa 2,5 Mio. Jahren hat dann die Jahren wegen der ständigen Hebung der Erdkruste allmählich trocken gefallen war, hat sich zunächst eine Seen- Erosionsfront des Rheins das Aare-Doubs-System bei Basel und am heutigen Hochrhein erreicht und zur Nordsee umgelenkt. Durch weitere rückschreitende Erosion wurde vor etwa 600.000 Jahren der Ur-Alpenrhein im Bereich und Flusslandschaft mit einer Hauptabflussrichtung nach Südwesten zur Ur-Rohne gebildet. Durch die anschließende Verkippung der Erdkruste und Heraushebung des Südschwarzwaldes hat sich die Fließrichtung nach Osten zum Pontischen Meer, dem Vorläufer des Schwarzen Meeres umgekehrt und es ist vor 5 - 6 Mio. Jahren die Ur- des Bodenseebeckens der Donau entrissen und ebenfalls der Nordsee zugeführt. Dabei haben auch die Gletschervorstöße aus den Alpen und deren Erosions- und Ablagerungsvorgänge in den Kaltzeiten eine Rolle gespielt. Donau als Hauptentwässerung von Süddeutschland und des nördlichen Alpenraumes entstanden. Bild 1: Vor etwa 5 - 6 Mio. Jahren sind die nördlichen Alpenflüsse der Schweiz, Ur-Rhone des Walliser Rhonetals, Der Rhein konnte sich wegen seiner starken Erosionskraft also weite Gebiete der hypsographisch flacheren Donau- Ur-Aare, Ur-Reuss und Ur-Alpenrhein nach Norden und Nordosten zur Donau geflossen (Aare-Donau). Ebenso und Rhone-Systeme einverleiben. Damit waren die Grundlagen für die heutigen Flusssysteme in Südwestdeutsch- haben der Ur-Neckar über die Ur-Lohne (Fils), die Ur-Brenz (Jagst) nach Südosten zur Donau entwässert. Bild 2: Das Gefälle der Donau auf ihrem langen Weg zum Schwarzen Meer war und ist aber recht flach, so dass land mit den europäischen Hauptwasserscheiden und den Zuflüssen zur Nordsee und zum Schwarzen Meer geschaffen. Zeugnisse dieser grundlegenden Veränderungen der Flusssysteme sind Schotterablagerungen in expo- das Donau-System in Süddeutschland eine relativ geringe erosive Kraft hat. Das Rhone-System mit dem Ur-Doubs im Südwesten und das Rhein-System mit dem Ur-Neckar im Norden hatten und haben bis heute auch durch das nierten Hochlagen, alte geköpfte Talböden am Nordrand der Schwäbische Alb und die scharfen Richtungsänderun- Einbrechen des Rhone- und Rheingrabens, durch die Austrocknungen des Mittelmeeres von 6 Mio. Jahren und gen von Aare, Rhein, Neckar und deren Nebenflüsse im Bereich der Anzapfgebiete. Der Kampf der Flusssysteme von Rhein und Donau um das Einzugsgebiet dauert an und ist heute in der Wutachschlucht bei Blumberg gut zu wegen der bis heute andauernde Hebung von Schwarzwald und Vogesen ein höheres Gefälle und eine größere Erosionskraft. Das macht sich dort auch durch schroffere Talformen bemerkbar. Die rückschreitende Erosion der wird sich in Zukunft die beiden Quellflüsse der heutigen Donau - Brigach und Breg - einverleiben (*). sehen. Dort hat vor 20.000 Jahren das Rhein-System mit der Wutach die sogenannte Feldbergdonau angezapft und 49 36 5. Anhang 5.1 Gesteinskunde, der Kreislauf der Gesteine Gesteine sind natürlich vorkommende und feste Gemenge aus Mineralen, Mineralbruchstücken und Organismenresten. Vulkanische Gläser und Bimsstein bestehen aus nichtmineralischer, amorpher Substanz. Kohle und Torf sind aus Pflanzenresten entstanden. Gesteine unterscheiden sich stark hinsichtlich der Farbe und der Größe ihrer Kristalle, ihrer Härte und ihre Beständigkeit gegenüber der Verwitterung und Abtragung. Man unterscheidet drei Hauptgesteinsarten: Magmatische Gesteine, die glutflüssig aus dem heißen Erdmantel aufsteigen und noch tief innerhalb der Erdkruste oder an der Erdoberfläche abkühlen und kristallisieren, Sedimentgesteine, die durch Abtragung, Verwitterung und anschließender Verfestigung nahe der Erdoberfläche entstehen und metamorphe Gesteine, die tiefer in der Erdkruste unter hohen Druck- und Temperaturbedingungen -aber ohne aufzuschmelzen- entstehen. Diese drei Hauptgesteinsarten befinden sich innerhalb der Erdkruste in einem ständigen und langsamen Kreislauf zwischen Bildung, Versenkung, Heraushebung und Abtragung (Abb. 23). Magmatische Gesteine (Magmatite; gr. magma = geknetete oberfläche und im Meer. Man unterscheidet klastische Masse) sind Primärgesteine. Sie entstehen beim Aufstieg sehr Sedimente, chemische und chemisch-biogene Sedimente. Die tief liegender und 1000 - 1300 °C heißer, zähplastischer Gesteinsschmelzen aus dem Erdmantel in die überlagernden, oft in großen Kontinental- und Meeresbecken abgelagerten festen Gesteine und durch vulkanische Aktivitäten an der verdichtet und entwässert. Sie verfestigen sich unter dem Erdoberfläche. Die überlagernden Gesteine werden dabei oft Druck der überlagernden Schichten zu Festgesteinen wie z.B. Konglomeraten, Sandsteinen, Schluff- und Tonsteinen, Kalk- mit aufgeschmolzen. In Abhängigkeit der Ausgangsgesteine werden beim Aufstieg und bei der Abkühlung neue Kristalle Sedimente werden mit der Zeit tiefer versenkt und dabei und Dolomitsteinen. Dieser Prozess wird "Diagenese" und und Strukturen gebildet. Gesteinsschmelzen, die in höherlie- "Lithifizierung" genannte und führt auch zur Neubildung von genden Festgesteine eindringen, aber noch in der Tiefe langsam zu ungeregelt grobkristallinen Gesteine erstarren, werden Mineralen, oft Kalk oder Quarz, als zementartige Verbindung Plutonite (Intrusivgesteine) genannt, z.B. Granit, Syenit, (Matrix) zwischen den einzelnen Sedimentkörnern (Kompaktion, Rekristallisation, Zementation). Eingeschlossene Skelett- Diorit und Gabbro. Durch Hebungen im Rahmen von platten- und Schalenreste von Lebewesen werden dabei oft in verstei- tektonischen Vorgängen kommen viele Plutonite mit der Zeit an die Erdoberfläche und werden abgetragen. Zu den Plutoni- nerte Fossilien umgewandelt. Durch die stetige und gleich- ten gehören auch die Pegmatite -> groß- bis riesen-körnige mäßige Subsidenz (Absenkung) der Erdkruste in den Sedimentationsräumen und wegen der mehr oder weniger gleich- Gesteine, auskristallisiert aus einer an flüchtigen Bestandtei- hohen Sedimentationsrate entsteht ein Gleichgewicht, so dass len reichen plutonischen Restschmelze und die Ganggesteine -> Übergangsmagmatite und Intrusionsgesteine in schmalen Sedimentbildungen von hunderten bis tausenden Metern Mächtigkeit entstehen können. Klastische Sedimente (gr. Gängen im Umgebungsgestein, z.B. Mineralgänge, Erzgänge, klasis = zerbrechen) entstehen durch physikalische und Lamporphyr, Lamproit und Kimberlit. Die bei Vulkanausbrü- chemische Verwitterung und Abtragung von Gesteinskomple- chen ausfließenden Laven und ausgeworfenen Gesteine werden Vulkanite (Eruptivgesteine) genannt, z.B. Rhyolith, xen und mechanischer Zerkleinerung beim Transport durch Trachyt, Andesit, Basalt, pyroklastische Aschen, Tuffe, Bims- Schwerkraft, Wasser, Wind (Löss) und Eis. Die Erosionsprodukte, Blöcke, Kies, Sand, Schluff und Ton werden in Fluss- stein. Durch die Druckentlastung an Schwächezonen in der tälern, im Vorland von Gletschergebieten, in terrestrischen Erdkruste wird das Gestein (Magma) flüssig, spezifisch leichter und steigt bis zur Erdoberfläche auf. Dort kommt es oft Becken oder landnah im Meer, z.B. als Flussdelta transportiert und dabei weiter zerkleinerten, sortiert, klassiert und zum explosiven Austritt von gelösten Gasen und Aschen. Der schließlich abgelagert. Sie werden mit der Zeit durch kalkiges, Gas- und Wasseranteil im Magma hat einen großen Einfluss kieseliges oder toniges Bindemittel zu Konglomeraten, Sand- auf die Charakteristik eines Vulkans. Vulkanite sind wegen ihrer schnellen Erstarrung an der Erdoberfläche meistens steinen, Schluff- und Tonsteinen diagenetisch verfestigt. Chemische und chemisch-biogene Sedimente werden haupt- ungeregelt feinkristallin und bei sehr schneller Erstarrung sächlich im limnischen und im marinen Milieu ausgeschie- auch als Gesteinsglas (Obsidian) ausgebildet. Sie können aber auch mit grobkristallinen Einsprenglingen (Porphyre) den. Chemische Sedimente i.e.S. entstehen durch Verwitte- versehenen sein. Vulkanite werden auch oft geschichtet abge- mem, an Salzen übersättigtem Wasser, auch unter der Beteiligung von Mikroorganismen. Wichtige Vertreter sind Kar- lagert, z.B. als Stratovulkane oder als weiträumige Flutbasalte, rung, Lösung und anschließender Ausfällung in sehr war- z.B. in Indien, in Sibirien und in Oregon-USA. Vulkanische Gesteine treten bevorzugt an tektonischen Plattenrändern bonatgesteine, wie mikrokristalline Kalksteine, Kalksinter und und an Subduktionszonen auf, z.B. pazifischer Feuerring, ozeanische Rücken etc. Die häufigsten Minerale sind Quarz, Kalksteine) und die als Evaporite (lat. "aus Verdunstung") bezeichneten Sulfat- und Karbonatgesteine - Gips, Anhydrit, Feldspäte, Glimmer, Pyroxene, Amphibole und Olivine. Natron und Chloridgesteine -Steinsalz und Kalisalz. Weitere Dolomitsteine (durch Magnesiumeinlagerung umgewandelte chemische Sedimente sind Bändereisenerze. ChemischSedimentgesteine (lat. sedimentum = Bodensatz) sind Se- biogene Sedimente i.e.S. entstehen aus Resten von Organis- kundärgesteine und entstehen an oder knapp unter der Erd- men, so z.B. bioklastische Kalksteine aus Kalkschalen des 50 Umwandlung, Wachstum und Neubildung (Rekristallisation) Planktons, von Muscheln, Brachiopoden, Ammoniten, Seelilien, Schwämmen und Korallen. Kreide aus Foraminiferen- der sedimentären und magmatischen Minerale und der Ge- schalen und Kieselgesteine aus Skeletten der Kieselalgen. steinsstrukturen. Alle vorhergehenden Strukturen, wie z.B. Auch phosphorhaltige Gesteine (Phosphorite) und einige Erze entstehen unter der Mitwirkung von Organismen. Hornsteine, Schichtung und Fossilien gehen dabei verloren. Typische Vertreter der metamorphen Gesteine sind gefaltete und oft auch Feuerstein oder Flint genannt, können sowohl rein stark deformierte Schiefergesteine (Tonschiefer), Phyllite und chemisch, als auch biochemisch aus Kieselsäure (SiO2) gebildet werden. Rein biogene Sedimente sind durch pflanzliche Gneise. Ein wichtiges Erkennungsmerkmal ist oft eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Schieferung (Foliation). Sie Ablagerungen entstandene Torfablagerungen und Faul- entsteht durch Mineraleinregelung, Mineralneubildung und schlämme und bei Temperaturen ab 120 °C Kohlegesteine Mineralentmischung, (v.a. Minerale der Glimmer- und Chlo- und Erdöl/Erdgas als Produkte der Verwesung von tierischem Gewebe und Flüssigkeiten. Bei sehr intensiver Verwitterung entstehen Rückstandssedimente wie z.B. Kaolin und Bauxit. ritgruppe), unter dem hohen und oft gerichteten Druck (Spannung) und durch hohe Temperatur (gebänderte Gnei- se). Es gibt aber auch ungeschieferte (isotrope) Metamorphi- ihre Schichtung, die durch geringfügige oder markantere te, wie z.B. Marmor aus Dolomit- und Kalkstein, Quarzite aus quarzreichem Sandstein und Hornfelse, die bei der Kontakt- Wechsel der Ablagerungsbedingungen oder durch Windabla- metamorphose entstehen. Metamorphite aus Sedimenten gerung aus unterschiedlichen Richtungen entsteht, z.B. bei Sanddünen (Kap. 5.4). Kompakte Riffkalke, viele glaziale bezeichnet man als Paragesteine, aus Magmatiten als Ortho- Ein wichtiges Erkennungsmerkmal der Sedimentgesteine ist Moränen und manche Schuttbildungen sind ungeschichtet. gesteine. Sehr tief in der Erdkruste versenkte Metamorphite schmelzen ab ca. 700 - 800 °C teilweise auf und werden Die häufigsten Minerale sind Quarz, Feldspäte, Glimmer, dann Anatexite und Migmatite genannt. Durch Hebungen im Tonminerale, Karbonate (Kalk- und Dolomitstein), Sulfate (Gips, Anhydrit) und Salze (Stein-und Kalisalz). Rahmen von plattentektonischen Vorgängen wie z.B. Gebirgsbildungen kommen viele metamorphe Gesteine mit der Zeit an die Erdoberfläche, bilden oft Gebirgslandschaften und Metamorphe Gesteine (Metamorphite; gr. metamorphoos = werden abgetragen. Beispiele sind Schwarzwald, Bayerischer umgestaltet) entstehen durch tektonische Versenkung von Wald, Rheinisches Schiefergebirge und Teile der weltweiten großen Gesteinspaketen in die Erdkruste bis in ca. 2 km bis z.T. 60 km Tiefe bei Kontinentalkollisionen und bei der Ge- Mittel- und Hochgebirge (Alpen, Anden, Himalaya, Appalachen etc.). Die häufigsten Minerale sind Quarz, Feldspäte, birgsbildung. Die Druck- und Temperaturzunahme im Erdin- Glimmer, Pyroxene, Amphibole, Karbonate (Marmor), Grana- neren von 0,2 bis über 2 GPa und 150 - 800 °C führt zu einer te, Staurolith und Disthen. Die Entstehungs- und Ablagerungsbedingungen der drei Hauptgesteinsarten Magmatite (Intrusiv- und Eruptivgesteine, Erstarrungsgesteine) magmatisch vulkanisch = Erstarrungsgesteine (Vulkanite und Plutonite). = Vulkanite -> Gashaltige Ergussgesteine, Eruptivgesteine, Effusivgesteine: Durch vulkanische Vorgänge an der Erdoberfläche ausgestoßene Aschen, Steine, Tuffe (Pyroklasten) und ausgeflossene und erstarrte Gesteine (Lava). Oft feinkristallin oder glasig durch die rasche Abkühlung, oder mit kristallinen Einsprenglingen, z.B. Tuff, Quarzporphyr, Rhyolith, Andesit, Trachyt, Basalt, Obsidian. Ignimbrite -> Gesteine aus pyroklastischen Strömen, Bimsablagerungen und Aschen. Plutonite -> Tiefengesteine, Intrusivgesteine: In großer Tiefe aus zähflüssigem Magma entstandene Gesteine. plutonisch = Pegmatite = Groß- bis riesenkörnige Intrusionsgesteine, auskristallisiert aus einer an flüchtigen Bestandteilen reichen plutonischen = Restschmelze, die unter hohem Druck in das Umgebungsgestein gepresst wurde. Übergangsmagmatite und Intrusionsgesteine in schmalen Gängen im Umgebungsgestein (Mineralgänge, Erzgänge, Oft grobkristallin durch die langsame Abkühlung innerhalb der Erdkruste, z.B. Granit, Syenit, Diorit, Gabro. Ganggesteine Lamporphyr, Lamproit und Kimberlit). Sedimente (Schicht- und Absatzgesteine), Sedimentationsräume kontinental = Auf dem Festland abgelagerte Sedimente. terrestrisch = Unter festländischem Einfluss entstandene und abgelagerte Sedimente. Terrigen = festländische Herkunft klastisch = Durch mechanische Zerstörung und Zerkleinerung bei der physikalisch-chemischen Verwitterung (Erosion) und Sedimentation entstandene Trümmergesteine (Gerölle, Sande, Schluffe, Tone -> Konglomerate, Sandsteine, Schluff- und Tonsteine). konglomeratisch = Karbonatisch verfestigte, klastische Sedimente aus gerundeten Geröllen mit längeren Transportwegen, brecciös = z.B. Nagelfluh im Oberallgäu. Karbonatisch verfestigte klastische Sedimente aus kantigen Geröllen mit kurzen Transportwegen, z.B. Gesteinsbildungen Fanglomerat limnisch = = Schlammbreccie, oft im ariden Klimabereich. Schlammfächer mit unsortiertem Material aller Korngrößen, oft eckig. In den Gewässern des Festlandes gebildete Sedimente. fluviatil = Durch Flüsse abgelagerte Sedimente (Kiese, Sande, Tone, Schlick, Konglomerate und Schuttbildungen, Deltasedimente). lakustrin = In Binnenseen abgelagerte Sedimente (Tone, Schlick, Sande, Kiese, Deltasedimente, Evaporite). alluvial äolisch = = Schwemmlandablagerungen in Niederungen, Tälern und an Küsten. Durch Wind transportierte, sortierte und abgelagerte terrestrische (Staub-)Sedimente (Löss, Dünensand, Vulkanasche). durch Vulkanausbrüche und Bergstürze. 51 periglazial = In Kaltzeitphasen und rezent in den Polargebieten außerhalb des Einflussbereichs der Gletscher abgelagerte Sedimente. Durch Frost-Tauwechsel und fluviatile Vorgänge entstandene oder umgelagerte Sedimente, äolische Sedimente (LössSedimente, Solifluktionsböden, Frostmischböden, Fließerden, Schuttsedimente, Schotter, Beckentone und Torflager). In Kaltzeitphasen und rezent im unmittelbaren Einflussbereich von Gletschern abgelagerte oder umgelagerte Sedimente glazial = glazi-fluvial = Durch Schmelzwässer von Gletschern in Schmelzwasserrinnen transportierte und abgelagerte Sedimente (Blöcke und glazi-lakustrin = sandige Schotter, Sande, Bändertone). Durch Schmelzwässer von Gletschern in ehemalige Gletscherstauseen transportierte und abgelagerte Beckensedimente arid, semiarid = (Moränen, Geschiebelehme, Beckentone und von Gletschern ausgehende Schmelzwassersedimente -> glazi- fluvial). (Schotter, Sande und Bändertone, Deltasedimente, Driftblöcke). Ablagerungen in Gebieten mit Wassermangel (mehr Verdunstung als Niederschlag). Sand, Staub und Steine, abgelagert in episodisch fließenden Gewässern und durch Wind in Wüsten und Halbwüsten. humid, semihumid = Ablagerungen in Gebieten mit Wasserüberschuss. Unterschiedliche Sedimente in den Tropen und gemäßigten Breiten. chemisch (biogen) = Kalksinter, Kalktuffe, Tropfsteine, Travertin und Kieselsinter -> kontinental-fluviatile, chemisch-biogene Sedimente. brackisch = Ablagerungen im Grenzbereich zwischen Süß- und Salzwasser. Kennzeichnend ist eine artenarme jedoch individuenreiche Fauna. marin = Im Meer abgelagerte Sedimente. glazio-marin = Von Eismassen aus Gletschern im Meer ausgeschmolzene und abgelagerte Sedimente (Driftblöcke, Schotter). epikontinental flachmarin = = In einem Flachmeer abgelagerte Sedimente, das flache Bereiche des Festlandes zeitweise überflutet hat. In einem Flachmeer (Schelfmeer) festlandsnah abgelagerte Sedimente (Tonmergelsteine, Kalksteine, Dolomitsteine, litoral lagunär = = Deltasedimente). In der Uferregion (Küstenbereich) von Seen und Meeren und in Lagunen abgelagerte Sedimente. In lagunenartigen und flachen Buchten abgelagerte Sedimente (litoral), z.B. Riffkalke, Kalk- und Dolomitsteine und Evaporite. neritisch = In seichtem und lichtdurchflutetem Flachmeer abgelagerte Sedimente. bathyal = In tiefem und lichtlosem Flachmeer abgelagerte Sedimente. hemipelagisch pelagisch = = Im Bereich der Kontinentalabhänge abgelagerte Sedimente in 200 bis 4000 m Tiefe (Trübeströme). Im Bereich der Tiefsee festlandsfern abgelagerte Sedimente (Tiefseetone). eupelagisch = In Tiefen unter 2700 m abgelagerte Sedimente. euxinisch = In sehr sauerstoffarmen Bereichen eines Meeres abgelagerte Sedimente. Schwefelwasserstoffreiches Wasser, sehr lebensfeindlich, Faulschlämme, Erdölmuttergesteine, z.B. tiefe Bereiche des Schwarzes Meeres. turbiditisch = Zyklische Abfolge von dünnen, fossilarmen Ton-, Kalk- und Sandsteinschichten. Oft als marine Trübeströme (Turbidite, Flysch) = im tieferen Meer als Erosionsprodukte der Gebirgsbildung entstanden, z.B. Flyschgesteine im Bregenzer Wald -> Grauwacken. Durch Tier- und Pflanzenreste geprägte, marine und kontinentale Sedimente, z.B. bioklastische Sedimente (Schalentrümmer- (Flysch) chemisch-biogen kalke), biogene Riffe, Kalktuffe. Hornstein -> kieselige Bildungen -> Feuerstein/Opal/Kieselerde/Radiolarit. Schlick, Phosphatlager bioklastisch = stätten, Torf, Kohle, Bitumina -> Öl/Gas/Harze, Bändereisenerze, Bone-Beds. Geringe Anteile an klastischem Material. Durch Schalentrümmer z.B. von Muscheln, Seelilien, Brachiopoden oder Riffbildnern (Korallen, Schwämme) geprägte Sedimente, z.B. bioklastische Kalksteine, Schalentrümmerkalke, z.B. Trochitenkalke im Oberen Muschelkalk. Bioklastische Sande aus Schalen- und Korallenresten. Versteinerte Knochenreste, Blatt- und Holzreste. Geringe Anteile an klastischem Material. chemisch = Unter sehr warmen Klimaverhältnissen durch Verdunstung und Ausfällung aus einer übersättigten Meerwasser-Lösung entstandene und abgelagerte Sedimente (mikrokristalline Kalksteine, Dolomitsteine, Evaporite). evaporitisch = Unter ariden Klimaverhältnissen (heiß und trocken) durch Verdunstung (Eindampfung) einer übersättigten MeerwasserLösung ausgeschiedene Sulfat- und Salinargesteine (Evaporite = Gips und Anhydrit, Steinsalz und Kalisalz). salinar = Ablagerung von Salzgesteinen (Halogenide, Chlorid- und Kaligesteine) bei starker Verdunstung von übersättigten Meerwasser. = Scharf begrenzte Flutablagerungen von starken Meer- und Seeüberflutungen (Tsunami), ausgelöst durch Seebeben, Vulkane, Tsunamit Erdrutschen, Meteoriten. Wenn jung, mäßig-festes Trümmergestein in Strandnähe. Chaotisch weitgestuft mit Ton, viel Sand, Gesteinsbruchstücken und Steinblöcken aller Größen. Reste von Meerestieren (Schalen, Korallen) und oft mit menschlichen Artefakten (Holz, Ziegel, Putzreste, Glas). Wenn älter, oft verfestigt, ohne menschliche Artefakte und gelegentlich großflächig mit charakteristischen Strömungsmerkmalen, z.B. Chevron-Marken auf Madagaskar und in Nord-Australien. Tempestit Sedimentablagerungen von Sturmfluten. Sand mit Trümmergesteinen, wellig-ballige Lagerung und in den Untergrund eingetieft. Metamorphite (Umwandlungsgesteine) metamorph = Entstehung aus Sedimenten (Paragesteine) und aus Magmatiten (Orthogesteine), die tektonisch in Tiefen von 2 bis z.T. 50 km versenkt wurden. Dort wurden sie unter hohen Druck- und Temperaturbedingungen in ihrer Mineralzusammensetzung und in ihrem Gesteinsgefüge verändert, aber nicht aufgeschmolzen (Rekristallisation). Metamorphite sind oft grobkristallin und haben durch den gerichteten Druck oft eine geschieferte Textur (Foliation), z.B. Tonschiefer, Phyllite, Glimmerschiefer, Gneise. Es gibt aber auch ungeschieferte Metamorphite, wie z.B. Quarzit und Marmor. Unter bestimmten Bedingungen bilden sich großkristalline Porphyroblasten in einer feinkristallinen Matrix. Migmatite = Teilgeschmolzenes Mischgestein aus Metamorphit und Magamatit. Anatexite = Teilaufschmelzung sehr tief versenkter Metamorphite in größerem Ausmaß durch hohe Temperaturen (> 650 – 750°C). Bezeichnungen für Lockersedimente bzw. Gesteinen aus Lockersedimenten Ton (-stein) = Feinklastisches Lockersediment und Verwitterungsprodukte mit einer Korngröße von < 0,002 mm. Umwandlung der Silikatminerale in Tonminerale. Teilentwässert –> plastisch oder entwässert und zu Tonstein verfestigt. Schieferton = Ton mit schieferähnlichem Parallelgefüge entlang von Schichtflächen. Nicht zu verwechseln mit "Tonschiefer"... ...das ist ein niedrig-metamorpher Tonstein, dem durch die Metamorphose eine echte Schieferung aufgeprägt wurde. 52 Schluff (-stein) = Feinklastisches Lockersediment mit einer Korngröße von 0,002 – 0,06 mm. Entsteht durch feinste Zerkleinerung von Gesteinen. Sand (-stein) = Klastisches Lockersediment mit einer Korngröße von 0,06 – 2 mm. Entsteht durch die Zerkleinerung von Steinen und Geröllen in Flüssen, in Wüsten- und in Küstengebieten. Sandstein besteht oft aus Quarzkörnern (Quarzarenith) mit unterschiedlichen Anteilen an Feldspatmineralen, Ton und Gesteinstrümmern (Arkose, Litharenit, Grauwacke). Es gibt auch Sande und Sandsteine aus Kalkschalenresten von Muscheln und Korallen, aus vulkanischen Gesteinen, aus verwitterungsbeständigen Mineralen Kies (Konglomerat) = Löss = (Granat) und in ariden Gebieten aus Gips, z.B. Gipssande im "White Sands National Monument", NM-USA. Grobklastisches Lockersediment mit einer Korngröße von 2 – 63 mm (Schotter, Gerölle). Verfestigt = Konglomerat. Zerkleinerung und Rundung an Küsten und durch Transport in Flüssen und in Schmelzwasserrinnen in und vor Gletschern etc. Äolisches und staubartiges Lockersediment. Quarz- und kalkhaltiger Schluff, z.T. mit Feinsand- und Tonanteilen. Durch starke Wind v.a. während der Glazialzeiten aus oft trockenen und vegetationsarmen Schotterebenen ausgeblasen und mit nachlassender Lösslehm = Windgeschwindigkeit in grasbewachsenen Muldenlagen, auf Verebnungsflächen und in Leegebieten abgelagert. Bei der Verwitterung von Löss entsteht entkalkter, verlehmter, verdichteter und feuchterer Lösslehm mit Bodenbildungen zu Braunerden und Schwarzerden. Lösslehm hält die Feuchtigkeit gut, was mitausschlaggebend für seine Fruchtbarkeit ist. Lehm = Verwitterungsprodukt und Gemisch aus Ton, Schluff und Sand, kalkarm bis entkalkt. Letten = Lokale Bezeichnung für sandig-schluffige und halbfeste bis felsartige Tone (-steine), mit geringem Kalkgehalt. Mergel (-stein) = Gemenge aus Ton und Kalk. Je nach Kalk-Tongehalt wird mergeliger Kalk, Mergelkalk, Kalkmergel, Mergel, Tonmergel, Mergelton und mergeliger Ton unterschieden. Vorgänge Asche, Gerölle, Steine, Gase, Wasserdampf Verwitterung, Zerkleinerung und Lösung der Gesteine durch mechanisch-physikalische und chemischbiogene Verwitterung unter dem Einfluss von Niederschlägen, Wasser, Temperaturunterschieden, Atmosphärillien, Wind, Eis, Wellenschlag, Pflanzen und Mikroben, Schwerkraft und in Gebirgen auch durch Blitzschlag. Staub und Meteorite, ca. 2 Mio. t/Jahr Gliederung Lithosphäre Erdkruste - Oberkruste, granitisch Dichte 2,7 - 2,9 g/cm3 Druck 0 - 0,9 GPa -> mechanisch steif -> Bruchtektonik Leichte kontinentale- und schwerere ozeanische Erdkruste aus leichten Silikaten (Si, Al, Mg, K). Mächtigkeit im Bereich der Gebirge bis über 60 km, im Bereich der Ozeane 5 - 8 km. Conrad-Diskontinuität Dichtesprung in ca. 15 km Tiefe. - Unterkruste, basaltisch Dichte 3,3 g/cm3 Druck bis 1,5 GPa –> teils duktil. Lithosphärischer Erdmantel aus Gesteinen höherer Dichte (Mg, Fe, Peridotit), 3,5 - 4 g/cm3, Druck bis 40 GPa, ~ 1100 °C -> fest aber duktil. Bis ca.100 km Tiefe, unter Gebirgen tiefer. Oberer Erdmantel "Asthenosphäre" -> plastisch und partiell geschmolzen, ~ 1500 °C, Dichte 4,6 g/cm3, >40 GPa. Bis ca. 250 km Tiefe. Gleitschicht für die Lithosphärenplatten. Jüngere Vulkanite Gletscher Terrestrisches Sedimentbecken Alte Plutonite herausgehoben Magmakammer Marines Sedimentbecken Magmatite, Metamorphite und Sedimentgesteine an der Erdoberfläche. Sedimente Erstarrung der Magmatite Lockergesteine Vulkanite an der Erdoberfläche, Plutonite in der Tiefe. Hebung oder Versenkung der Gesteinspakete durch Plattentektonik und Gebirgsbildung. Aufstieg von geschmolzenem Magma im Bereich von tektonischen Schwächezonen. Erdkruste Sedimente verfestigt, bis 4 km Tiefe, bis ca. 150°C. Metamorphite 2 - 50 km tief, 150 - 650 °C, 0,2- 1,2 GPa Druck. Beginn der Aufschmelzung je nach Tiefe ab 650 - 900 °C. Migmatite, Anatexite. Magma-Intrusion mit ca. 1100 - 2000 °C, z.B. bei der Plattensubduktion mit wasserhaltigen Sedimenten oder durch Hot-Spot (Mantelplum). Darunter duktile Silikatgesteine des Erdmantels. Lithosphärischer Erdmantel Asthenosphäre Abtragung und Transport durch Schwerkraft, Gletscher, Wind, Bäche und Flüsse -> Strömungen, Schlammfluten. Einbau von gelösten Karbonaten in Schalen von Tieren. Ausfällung, Eindampfung , Sedimentation und beginnende Kompaktion in Tälern, Seen, Meeren und in absinkenden Sedimentbecken. Bildung von Schalentrümmerkalken im Meer. Temperatur- und Druckzunahme Mohorovicic-Disk. in BW in 24 - 30 km Tiefe. 500 - 950 °C. Grenze Kruste/Mantel Asche, Lava Versenkung, Entwässerung, Kompaktion und Verfestigung (Diagenese, Lithifizierung) in Becken und bei der Gebirgsbildung. Bildung von Festgesteinen und Fossilien, Kohle, Erdöl und Erdgas. Hebung oder weitere Versenkung und Metamorphose z.B. durch Gebirgsbildung. Gesteinsumwandlung durch hohe Drücke und hohe Temperaturen, Rekristallisation in festem Zustand. Partielle Aufschmelzung einzelner Minerale je nach Tiefe ab ca. 650 °C. Je nach den Bedingungen vollkommene Aufschmelzung möglich > 1100 °C. Gleitschicht für die Lithosphärenplatten bei der Kontinentalverschiebung. Abb. 27: Kreislauf der Gesteine (schematisch und nicht-maßstäblich überhöht!). Mit der Verwitterung der Gesteine an der Erdoberfläche wird der Gesteinsschutt aus Blöcken, Kiesen, Sanden, Schluffen und Tonen in Täler, Seen, Senken und in die Meeresbecken transportiert und abgelagert. Dort kommt es mit der Zeit zur Verfestigung der Sedimente bis hin zur Gesteinsbildung. Durch die ständigen Bewegungen der Erdkrustenplatten (Tektonik) werden Gesteinspakete örtlich tiefer versenkt und an anderen Stellen, z.B. bei Gebirgsbildungen herausgehoben. So entsteht ein vertikaler Kreislauf der Gesteine innerhalb der Erdkruste. Bei sehr tiefer Versenkung werden die Sedimentgesteine unter hohem Druck und hohen Temperaturen umgewandelt (Rekristallisation) und auch aufgeschmolzen. Die Zumischung und Auskristallisation von aufsteigenden Magmen aus dem Erdmantel vervollständigt die Gesteinsvielfalt, aus der sich die unterschiedlichen Landschaften an der Erdoberfläche bilden. 53 5.2 Schichtung, Schieferung und Klüfte Schichtgrenzen sind weitgehend parallel verlaufende Grenz- Schieferungsflächen sind charakteristische Grenzflächen in flächen in Sedimentgesteinen. In Baden-Württemberg ver- metamorphen Gesteinen, z.B. in Schiefern und in Gneisen. Sie werden durch den hohen gerichteten Druck (Spannung) laufen sie je nach den tektonischen Verhältnissen überwiegend leicht geneigt bis flachwellig-horizontal. In Gebirgen sind sie oft komplex verfaltet. Schichtgrenzen entstehen, und hohen Temperaturen tief in der Erdkruste verursacht wenn die Sedimentablagerung unterbrochen wird, oder wenn sich die Ablagerungsbedingungen ändern und es zu einem die Entmischung, Einregelung und Neubildung der zuvor regellos verteilten Minerale, z.B. Quarz, Feldspat und Glim- Materialwechsel oder zu einem Wechsel der Korngröße mer im Granit entstehen Gneise mit einer hell-dunkel- kommt. Das kommt unter Wasser vor, wenn die Ablagerung Bänderung. Marmor ist ungeschiefert und regellos körnig. (Schieferung = lagig eingeregelte Minerale, Foliation). Durch von feinem Kalk auf gröberen Kalk oder auf Kalkschalen- Klüfte sind Bruchstellen und Trennflächen in ehemals kom- trümmer wechselt, wenn nach einer längeren und homogenen Kalkablagerung Sande oder Tone abgelagert werden pakten Gesteinen. Innerhalb der harten Sediment- und Kris- (Materialwechsel) oder wenn auf Kiese grobe Sande und Feinsande abgelagert werden (Wechsel der Korngröße gradierte Schichtung, Flysch). Auch bei der Sedimentation oft parallele Gesteinsklüfte. Sie entstehen durch tektonische bei Gebirgsbildungen, durch Abkühlung und Kontraktion des von Sanddünen kommt es durch wechselnde Windrichtun- Gesteins und bei der Erosion, einhergehend mit Druckentlas- gen und Windgeschwindigkeiten zur Bildung einer Schich- tung v.a. bei der Talbildung. Auch starke Erdbeben, Vulkan- tung (Kreuzschichtung, Schrägschichtung und gradierte ausbrüche und große Meteoriteneinschläge können kompakte Schichtung), die in der später verfestigten Düne gut sichtbar Gesteinspartien durch Klüfte zerlegen. Die Klüfte stehen ist. Sedimente, die nach der Ablagerung einige Zeit an der zunächst sehr eng und verzahnt. An der Erdoberfläche und Erdoberfläche liegen, bilden oft eine kalkhaltige oder man- an Talböden und -rändern sind sie durch Erosion und der gan- und eisenhaltige Kruste. Nach weiterer Sedimentation kann das dann eine sichtbare Grenze sein (Änderung der damit einhergehenden Druckentlastung oft Millimeter bis Zentimeter zu Spalten geöffnet. Die chemische, biogene und Mineralart, -Größe und -Farbe). Biologisch verursachte dün- physikalische Gesteinsverwitterung greift bevorzugt in Klüften tallingesteine verlaufen mehr oder weniger eng stehende und Kräfte bei der langsamen Bewegung der Erdkrustenplatten, ne Überzüge oder Reste von Schalen und Knochen (Bone- und an Schichtfugen an und erweitert diese. In lösungsfähi- beds) auf Ablagerungen an der Erdoberfläche oder unter gen Gesteinen, wie z.B. in Karbonat- und Sulfatgesteinen kommt es dann zur Bildung von Spalten, Gängen, Höhlen Wasser können nach der Verfestigung zu Gestein sichtbare Grenzen im Gestein bilden. Auf Schichtflächen ist die Rei- und Erdfällen durch Auslaugung (Karst). In Klüften lagern bungs- und Verbandsfestigkeit oft abgemindert und sie kön- sich oft Minerale, wie z.B. Kalzit, Quarz, Gold und Erze aus nen nach sekundären Veränderungen, z.B. durch Verwitterung leicht zu Gleitflächen werden und bei Belastung oder heißen, fluiden Lösungen aus dem Erdinneren ab. Gesteine brechen und gleiten bevorzugt entlang von Schichtflächen, Durchfeuchtung abrutschen (v.a. tonhaltige Gesteine). Schieferungsflächen und Kluftflächen. 5.3 Gesteinsverwitterung Die bei der Diagenese verfestigten Gesteine werden in Ober- Hydrolyse (Aufspaltung und Lösung durch geladene Ionen flächennähe und v.a. an Talflanken und in Talböden von des Wassers, H3O+ OH-, Herauslösung der metallischen feinen und breiteren Entlastungsklüften und erweiterten Schichtflächen durchzogen. An diesen offenen Tennflächen Komponenten) und durch die Einwirkung von kohlendioxid- und an Korngrenzen beginnen die physikalische und die re. Hydrolyse ist für die Bodenbildung verantwortlich und kann im Gestein Tiefen von 100 m erreichen. Eisensilikate, chemisch-biogene Verwitterung. Die Intensität der Verwitte- haltigem Wasser (Kohlesäure) in Tonminerale und Kieselsäu- rung ist temperatur- und damit klimaabhängig, wobei auch dem Wasser eine entscheidende Bedeutung zukommt. wie z.B. Pyroxene setzen bei der Hydrolyse 2-wertiges Eisen Die chemische und chemisch biogene Verwitterung ist eine Gesteinszersetzung mit einer chemisch-mineralogischen unter Volumenzunahme in schwer lösliches 3-wertiges Eisen umgewandelt wird. Karbonatgesteine gehen unter der Ein- Auflösung und Veränderung der Gesteine. Es kommt zur wirkung von Kohlensäure in Lösung, während Quarz gering Minerallösung, Mineralumwandlung und Mineralneubildung, wasserlöslich ist. Salze lösen sich gut in Wasser. Schwefel- oft einhergehend mit einer Volumensvergrößerung und mit Farbveränderungen. Mit dem Fortschreiten der Verwitte- und Salpetersäure aus Vulkanen und aus Sümpfen, organische Säuren und Kohlendioxid aus Pflanzenwurzeln und rungsprozesse zerfällt das Festgestein in ein zunehmend Bodenbakterien sind in Verbindung mit Wasser ebenfalls feinkörniges und wenig dichtes Lockergestein. Silikatmine- stark an der chemisch-biogenen Verwitterung der Gesteine rale wie Feldspäte, Glimmer und Olivin verwittern durch beteiligt. frei, das durch Oxidation mit in Wasser gelöstem Sauerstoff 54 Die Hydration (Anlagerung von Wasser an das Kristallgitter) So bilden sich in Tälern, Tiefebenen und in Küstengebieten gehört zum Übergangsbereich zwischen chemischer und neue Sedimentpakete, wie z.B. Löss, Lehme, Sande, Kiese physikalischer Verwitterung. Anhydrit verwittert im Grund- und Konglomerate, die sich später wieder zu Gesteinen wasser durch Hydration unter Volumenzunahme zu Gips. verfestigen können. Sehr verwitterungsbeständig sind Sande aus Quarz, die oft mehrere Zyklen durchlaufen und dabei Hämatit (Eisenoxid) verwittert zu Limonit und Goethit (Eisenhydroxid). Die gelösten und abtransportierten Minerale können in Seen und Meeresbecken durch chemische Ausfällung ihre Korngröße nur wenig verändern (Granit -> Sand -> Sandstein -> Sand -> Sandstein -> Sand). neue Sedimente und Gesteine bilden, z.B. Karbonate, Sulfatund Salzsedimente, Tonsedimente. Die chemische und die chemisch-biogene Verwitterung sind in den feuchten Tropen Die chemische, chemisch-biogene und die physikalische durch die hohen Temperaturen und durch die dichte Besie- einander über und sind nicht immer scharf zu trennen. Man unterscheidet verwitterungsbeständige Gesteine wie z.B. delung mit Pflanzen und Mikroorganismen am stärksten. Verwitterung wirken je nach Klima zusammen, gehen oft in Grauwacken und z.T. Tonschiefer und verwitterungsempfindDie physikalische Verwitterung ist in den kalten Gebirgs- und liche Gesteine wie z.B. Ton- und Mergelsteine, oft in dünn- Polarregionen domminierend. Sie setzt ebenfalls an Klüften, Spalten, Schichtfugen und an Korngrenzen an und ist eine bankigen Wechsellagen. Dunkle, graue und grünliche Sedi- mechanische Gesteinszertrümmerung. Die Ursachen sind Spannungen und Druckentlastungen im Gestein, die zu Exfoli- sen als helle, rote oder violett-rote Sedimentgesteine. Besonders anfällig sind schwarz-graue Gesteine, die feinverteilten ation (Abschalung bei kluftarmen Graniten) führen und Pyrit (FeS2) enthalten. Gesteine, die von der Verwitterung Volumensänderungen durch Quelldruck (z.B. Anhydrit), Temperaturverwitterung, Frostsprengung, Salzsprengung und Wur- schnell und stark beeinflusst werden, nennt man veränder- zelsprengung. Auch Blitzschlag sprengt in Gebirgen Felsen. Bei der physikalischen Verwitterung kommt es zu einer Ent- mentgesteine sind anfälliger gegenüber Verwitterungsprozes- lichfeste Gesteine oder Halbfestgesteine. Auch Lockergesteine unterliegen der Verwitterung. Löss verwittert unter dem Einfluss von kohlendioxidhaltigem Niederschlagswasser. festigung und zu einer raschen Abnahme der Korngröße. Die Dabei wird der Löss (kalkhaltiger Schluff) durch Kalklösung chemisch- mechanisch zerlegten Festgesteine werden durch Wasser, Wind und Eis erfasst, abtransportiert und mecha- und durch die Umwandlung der Primärsilikate zu Tonmine- nisch weiter zerkleinert (Steine -> Kies -> Sand -> Schluff). Verwitterungsgrade nach Wallrauch 1969 V5/W5 völlig verwittert V4/W4 stark verwittert Gesteinstyp Boden, Lockergestein Zerlegung ohne Gefüge Restgefüge Bohrkern bindig bindig ralen in Lösslehm (entkalkter, toniger Schluff) umgewandelt. V3/W3 verwittert (mäßig verwittert) Boden nach DIN 1054, einaxiale Druckfestigkeit qu,k in MN/m2 Vorherrschende Verwitterung Verwitterungsgrade V1/W1 angewittert Halbfestgestein Auflockerung an Trennflächen: ...vollständig/stark sehr mürb mürb-hart < 1,25 1,25 - < 5,0 V0/W0 unverwittert Festgestein grusig/blättrig/bröckelig/stückig Festigkeit V2/W2 aufgewittert (schwach verwittert) ...teilweise schwach ...beginnend Kernstück, Kernscheiben ...keine Vollkern mäßig hart hart 12,5 - < 50,0 > 50,0 sehr hart 5 - < 12,5 chemisch-biologisch chemisch-mechanisch mechanisch keine (Boden) VZ zersetzt VE entfestigt VA angewittert VU unverwittert Vollständige Mineralneubildung und Verfärbung. Verlust der mineralischen Bindung, Eigenschaft eines Lockergesteins. Umwandlung in Tonminerale. Das Gestein ist zerbrochen und entfestigt und zeigt vollständige Auflockerung an Trennflächen. Der ursprüngliche Gesteinsverband ist noch erhalten. Das Gestein zeigt teilweise Auflockerung an Trennflächen Beginnende Mineralneubildung und Verfärbung auf Trennflächen. Das Gestein zeigt keine Verwitterungserscheinungen und keine Mineralneubildung. nach FGSV 1992 Intensität, Mineralneubildung, Verfärbung Verwitterungsgrade nach E. Wallrauch (1969), nach DIN 1054 und nach FGSV (1992). Tabelle verändert nach C. Moormann (2007). 55 5.4 Gesteinsfarben Die Farben der Gesteine entstehen durch unterschiedlich Weiße und hellgelbe Farben gefärbte gesteinsbildende Minerale und Mineralkrusten. Weiß gefärbte Sandsteine entstehen oft durch sekundäre Entfärbung (Bleichung) der Mineralkörner durch zirkulieren- Sedimentgesteine erhalten abhängig vom Ausgangsgestein, von den Sedimentationsbedingungen und von den Klimaverhältnissen zur Zeit der Sedimentation und Verwitterung unterschiedliche Färbungen. Diagenetische Vorgänge nach der Sedimentation können ebenfalls einen Einfluss auf die Ge- de Wässer nach der Ablagerung und Verfestigung. Hellgelbe Sandsteine haben oft einen erhöhten Anteil des Minerals Feldspat, das sich zu weißem Kaolin zersetzt. Die grauweißen Lehrbergschichten an der Basis des Kieselsandsteins steinsfarben haben. Gesteinsfarben sind v.a. an den Ge- setzen sich aus baryt-, bleiglanz- und malachitführenden steinsoberflächen oft sekundär durch Verwitterung und Steinmergeln zusammen. Kalksteine können durch Eisenkarbonat gelblich gefärbt sein. Sehr feldspatreiche Gesteine durch organischen Besatz verändert. Die sedimentären Tonsteine und Tonmergelsteine im Lettenkeuper und v.a. die im verwittern unter vollhumiden (ganzjährig feuchten) Klimabe- Mittleren Keuper zeigen im Geländeaufschluss oft lebhafte dingungen oft zu dem weißen bis cremefarbenen und alumi- Gesteinsfarben. Graue Gesteine wechseln sich ab mit rötli- niumhaltigen Tonmineral Kaolinit, das ein wichtiger Rohstoff für die Keramikproduktion ist. Marmor besteht aus weißen chen, rotbraunen, grünlichen und violetten Gesteinen. bis durchsichtigen Calcitkristallen (CaCO3), die durch die Graue bis grünliche Farben Die oft grau-grünen und grünlichen Gesteine des Lettenkeu- Metamorphose grobkristallin gewachsen sind. Schlierenartige, gebänderte und gefleckte Färbungen sind hier häufig. pers und des Gipskeupers sind bei der oxidativen Zersetzung von organischem Material in einem relativ flachen Meeres- Gelbliche bis rotbraune Farben becken entstanden. Dort herrschte ein reduzierendes, d.h. Im Strohgäu sind braun-gelblich bis rostbraun gefärbte Löss- sauerstoffarmes Milieu, in dem es zur Bildung des grünlich- lehmböden über fahl- bis hellgelb gefärbtem, unverwittertem Löss charakteristisch. Bei der Verwitterung zu Lösslehm in blauen Minerals Glaukonit (Grünsande) gekommen ist. Das Schichtsilikat Glaukonit ist durch untermeerische Verwitterung von Feldspat und Biotit entstanden. Das sind Minerale aus der terrestrischen Gesteinsverwitterung, z.B. von Graniten und Gneisen. Wegen der reduzierenden Verhältnisse im unserem feuchtgemäßigten Klima wird 2-wertiges Eisen (FeO) in den Silikatmineralen zu 3-wertigem Hämatit (Fe2O3) oxidiert, das durch Hydration dann in braune Eisenhydroxide (Goethit, Limonit -> FeOOH) umgewandelt wird. Gelbe Ge- Meerwasser bei ca. 200 m Tiefe war eine Bildung von rötli- steinsfarben kommen auch durch das Mineral Pyrit zustan- chem Eisen-III-Oxid (Fe2O3) nicht möglich, so dass Eisen-II- de, so z.B. im Stubensandstein. Schwarzgraue Dolomite im Keuper verwittern oft nach ockergelb. Bräunliche Farben Oxid (FeO) entstanden ist. Zur Glaukonitbildung kommt es auch im Verdauungstrakt einiger Meereslebewesen. Rötliche und violette Farben Rötliche und violette Farben bilden sich unter rein oxidierenden, d.h. sauerstoffreichen Verhältnisse bei der Verwitterung kommen auch oft von Glaukonit, wenn dieser zu dem Mineral Goethit oxidiert wird. Bei Kalksteinen und Tonsteinen sind die färbenden Beimengungen die Minerale Limonit - braun bis gelb, Hämatit - rötlich, Glaukonit - grünlich und organische Kohlenstoffverbindungen - grau bis fast schwarz. von eisenhaltigen Mineralen in den Gesteinen in einem warmen und semiariden (halbtrockenen) Steppenklima auf dem Graue bis braun-schwarze Farben Festland, z.B. Pyroxen, Biotit und Olivin (-> Rotsedimente). Farbbildend ist hier unlösliches Eisen-III-Oxid (Fe2O3 = Hä- Graue bis dunkle und nahezu schwarze Gesteinsfarben matit), das bei der vollständigen Oxidation des Eisens der nisches Material hin, z.B. kohlige Pflanzenreste, bituminöse Einschlüsse oder fein verteilter Pyrit (FeS) (Vitriolschiefer im deuten auf ein sauerstoffarmes Ablagerungsmilieu und orga- Minerale entsteht. Diese Farben sind v.a. bei den bunten Tonmergeln des Mittleren Keupers oft zu sehen (Gipskeuper, Lettenkeuper und Tonsteine im Frühen Jura). Unter Sauer- Dunkelrote Mergel, Esterienschichten, Knollenmergel). Auch stoffabschluss zersetzten Schwefelbakterien direkt nach der die rötlichen Farben der Sandsteine des Keupers und des Sedimentation das organische Material der in die Sedimente abgesunkenen toten Lebewesen und wandeln es in dunkle Buntsandsteins ist so zu erklären. Intensiv rot gefärbte eisenund aluminiumhaltige Lateritböden bilden sich in wechsel- Sulfide um, z.B. Faulschlämme im Schwarzen Meer. Hier feuchten tropischen und subtropischen Gebieten mit ausge- kann es zur Bildung von goldfarbenen Pyritkristallen und prägten Niederschlägen als Reste nach der Verwitterung der pyritisierten Fossilien kommen. Kohlige Pflanzenreste und Kohle können in geringer bis mittlerer Tiefe entstehen. Bitu- Tonminerale. Das Aluminiummineral Bauxit ist ein fossiler Laterit. Violette Farben entstehen auch oft in Schichten, in denen eine Bodenbildung stattgefunden hat. mina entstehen in größerer Tiefe unter erhöhten Druck- und Temperaturbedingungen aus organischem Material. In trockenen und warmen Wüstengebieten kommt es zur Bildung 56 einer dünnen und braun-schwarz gefärbten Kruste der Ge- bläulich gesprenkelt bzw. gebändert und bestehen aus mil- steine an der Oberfläche, dem sogenannten Wüstenlack. Er chig-durchsichtigem Quarz, rötlich-weißem Feldspat und besteht aus Tonmineralen mit Eisenoxidhydraten und Man- schwarzem und silbrigem Glimmer (-> saure Gesteine mit ganoxiden, die durch kapillares Aufsaugen von Lösungen aus dem Gestein und Niederschlag des Lösungsinhaltes auf hohem Kieselsäure-, Natrium- und Kaliumgehalt). Granite sind an der angewitterten Oberfläche oft hellgrau bis gelblich der Gesteinsoberfläche infolge starker Verdunstung entstan- gefärbt. Je weniger Quarz diese Gesteine enthalten, desto den sind. Ein Einfluss durch Mikroorganismen ist möglich. dunkler sind sie. Gesteine mit vielen Amphibol-, Pyroxenund Olivinmineralen sind sehr dunkel, z.B. Diorit, Andesit, Bei magmatischen und metamorphen Gesteinen bestimmen Gabbro, Basalt (-> basische Gesteine mit hohem Eisen-, die Anteile unterschiedlich gefärbter Minerale die Gesteins- Magnesium- und Calciumgehalt). farben. Granite und Gneise sind grau, weiß, rosa oder 5.5 Karst Gesteine, die durch chemische Lösungsprozesse stark angegriffen und gelöst werden, werden als Karstgesteine bezeich- Spaltensysteme, die sich in langen Zeiträumen zu großen Höhlensystemen ausweiten können. In diese sickert das net. Der Name Karst kommt vom indogermanischen "Karre" Niederschlags- und Oberflächenwasser rasch ein und bildet = Stein oder karg und gibt einer Landschaft in Kroatien an einen oft ergiebigen aber verschmutzungsempfindlichen Grundwasserleiter. Das Grundwasser tritt oft an Quelltöpfen der Nordwestadria ihren Namen. Man unterscheidet die Subrosion von Sulfat- und Chloridgesteinen (Salinarkarst) in den Tälern in großer Menge zutage, so z.B. am Blautopf und die Korrosion von Karbonatgesteinen (Karbonatkarst). und am Aachtopf am Südrand der Schwäbischen Alb. Ober- Kalkgesteine (Kalziumkarbonat = CaC03) werden durch koh- flächengewässer sind in Karstgebieten selten oder nur episodisch nach Starkregenfällen und versickern nach kurzer lendioxidhaltiges Niederschlagswasser entlang von tektonischen Klüften und Schichtfugen aufgelöst (Kohlensäurever- Fließstrecke, so dass die Oberflächen von Karstgebieten witterung). Der natürliche C02 - Gehalt der Atmosphäre bildet trocken sind. Es bilden sich charakteristische Landschafts- mit Regenwasser Kohlensäure (H20 + C02 = H2C03) mit einem pH von 4 - 5. Die chemische Gleichung der Kalklösung formen mit Erdfällen (Dolinen), Poljen (große, geschlossene Becken), Trockentälern und Bachschwinden, wie z.B. die lautet: CaC03 + H2C03 = Ca2+ + 2HC03- (Kalziumkarbonat Donauversickerung bei Immendingen. Besonders von der (Kalk) + Kohlensäure = Kalzium-Ion + Hydrogenkarbonat- Verkarstung betroffen sind unbedeckte oder mit geringmächtigen Gesteinsschichten und Verwitterungsbildungen be- Ion). Das Kalzium-Ion und das Hydrogenkarbonat-Ion sind besser wasserlöslich als Kalk. Beide gehen v.a. im kalten deckte Kalksteinschichten, wie z.B. die Schwäbische Alb Wasser gut in Lösung und werden abgeführt. Der umgekehr- (Jura-Kalk), das Heckengäu und teilweise auch das Strohgäu te Prozess dieser Gleichung ist die Kalkausfällung, z.B. bei (Muschelkalk). Auch Talhänge und Talböden sind wegen der Auflockerung der Karbonatgesteine durch Hangentlastung der Tropfsteinbildung, bei der Bildung von Kalksinter oder großflächig bei der Kalksedimentation in warmen Meeresbe- oft stärker verkarstet. ln Gebirgen verkarsten Karbonatgestei- cken, wie es aktuell im Bereich der Bahama-Inseln und im nen an der Oberfläche oft zu Karren und Schratten, wie z.B. Persischen Golf zu beobachten ist. Im Lauf der Jahrtausende bilden sich im Kalkgestein, auch abhängig vom Klima, durch auf dem Gottesacker-Plateau. Selten kommt es auch in kalkig gebundenen Sandsteinen zu Karsterscheinungen, so z.B. Kalklösung größer werdende und zusammenhängende in Süd- und Mittelamerika und in Australien. Abb. 28: Karstformen. Quelle: Frederic Boulvain. 57 5.6 Erdbeben Bei der Erdbebentätigkeit in Deutschland handelt es sich Gründen eine Erdbebenstärke über Mw = 10,5 nicht möglich nicht um die weltweit häufig vorkommenden Plattenrand- ist und die Richter-Scala ab ML = 7 ungenau wird. Die Erdbebenskalen sind logarithmisch. Ein Magnitudensprung z.B. beben, wo große Erdkrustenplatten untereinander abtauchen oder horizontal aneinander vorbei gleiten, wie z.B. in Kalifornien, Japan, Sumatra, Chile und Italien, sondern um die selteneren Intraplattenbeben. Die Erdbeben in Deutschland von 4 nach 5 bedeutet eine 10-fach stärkere Bodenbewegung und die 33-fache Energie. Die Schäden an der Erdoberfläche (Schadensintensität = IO) sind von der Entfernung zum können als Auswirkungen lokaler Spannungskonzentrationen oder Schwächezonen, hervorgerufen durch geologische Erdbebenherd und vom geologischen Aufbau des Unter- Heterogenitäten in der oberen Erdkruste verstanden werden. schen Makroseismischen Skala -EMS-" bewertet, die aus der Mercalli-Scala entwickelt wurde. Bei Erdbeben in Meeresge- Übersteigen die Spannungen die Festigkeit der Gesteine im Untergrund, so kommt es zum ruckartigen Bruch der Gesteine (G. Schneider, Erdbeben, 2004). Ein Teil der aufgestauten grundes abhängig. Sie werden nach der 12-teiligen "Europäi- bieten kommt es gelegentlich zu verheerenden Flutwellen Energie wird in Form von seismischen Wellen (p-Wellen, s- (Tsunami), die viele Todesopfer fordern können (Sumatra, Japan, Chile, Hawaii, Alaska, Oregon, Mittelmeer). In den Wellen, Oberflächen-Wellen) freigesetzt und bei entspre- vergangenen 200 Jahren wurden in Baden- Württemberg chender Stärke an der Oberfläche als Erdbeben wahrge- Erdbeben mit einer Magnitude bis zur Stärke M = 5,7 und nommen. Als Hauptmotor für diese Vorgänge kann die Bewegung der Afrikanischen Platte nach Norden gegen die mit einer Schadensintensität nach der Makroseismischen Skala von bis zu I = 7 registriert. In Basel hat sich 1356 ein Europäische Platte angenommen werden. Diese seit über 60 verheerendes Erdbeben mit der Magnitude M = 6,5 - 7 und Mio. Jahren andauernde Bewegung hat auch zur Auffaltung der Alpen geführt (siehe Abb. 9 oben). Von Nordwesten der Schadensintensität I = 9 ereignet. Entlang des Ober- drückt die untermeerische Materialneubildung an der Mittel- rheingrabens kommt es häufig zu mittelstarken Erdstößen. Beim bisher stärksten Beben auf der Schwäbischen Alb im atlantischen Schwelle gegen Europa. Die beiden Hauptzen- Jahr 1911 mit einer Magnitude von M = 5,6 sind im Raum tren der Baden-Württembergischen Erdbebentätigkeit liegen im Dreiländereck im Raum Lörrach/Basel und seit Anfang Ludwigsburg Schäden der Intensität I = 6 aufgetreten. Man geht davon aus, dass in Südwestdeutschland maximale Erd- des 20. Jahrhunderts auch im Zollernalbkreis bei Albstadt bebenstärken der Magnitude M = 6 auftreten können. Dann und Balingen. Der Bruchtyp dokumentiert eine horizontal und nordwestlich orientierte Kompression. Innerhalb der wäre mit Schäden der Intensität um I = 7 zu rechnen. In durch Bruchtektonik geprägten südwestdeutschen Groß- Baden-Württemberg ist etwa alle 10 Jahre mit einem mittelstarken Erdbeben mit Gebäudeschäden und Betriebsstörun- scholle werden zwei in Süd-Nord-Richtung verlaufende gen in größerem Umfang zu rechnen (EMS 6 - 7). Scherzonen vermutet: Die Kaiserstuhl-Scherzone von Basel bis Lorsch und die Albstadt-Scherzone vom Schweizer Kan- Erdbebengerechtes Bauen (DIN EN 1998-1) ton Glarus bis in den Stuttgarter Raum (Abb. 4). Die Erdbeben führen in Südwestdeutschland zu Blattverschiebungen, wobei sich der westliche Teil der Scherfläche nach Süden und der östliche Teil nach Norden bewegen. Die Erdbebenaktivitäten im Oberrheingraben finden ihre Fortsetzung nach Nordwesten und Westen bis in die Niederrheinische Bucht (Raum Köln) und nach Belgien und Holland, wo weitere Erdbebenschwerpunkte in Deutschland und in Europa liegen. An der Landesgrenze von Sachsen und Thüringen im Vogtland liegt ebenfalls ein Gebiet mit erhöhter Erdbebentätigkeit (Abb. 30). Bei der Auslösung von Erdbeben spielt auch der Wassergehalt der Gesteine eine wichtige Rolle. Das Wasser wirkt hier als Schmiermittel. Die Energie eines Erdbebens im Erdbebenherd wurde früher nach der logarithmischen "Richter-Skala ML" berechnet. Heute wird oft die logarithmische "Moment-Magnituden-Skala Mw“ verwendet, welche die Vorgänge im Erdbebenherd mathematisch-physikalisch genauer beschreibt und über große Entfernungen besser anwendbar ist. Beide Skalen sind mathematischtheoretisch nach oben offen, wobei aus physikalischen Die "erdbebengefährdeten Gebiete" in Deutschland (Bayern, Baden- Württemberg, Thüringen, Sachsen und entlang des Rheins) werden in 4 Erdbebenzonen (Zone 0 bis 3) mit unterschiedlichen Intensitätsintervallen und Bemessungswerten für die Bodenbeschleunigung (ag) unterteilt (Abb. 30). Innerhalb dieser Zonen werden 3 geologische Untergrundklassen unterschieden: R = Gebiete mit felsartigem Gesteinsuntergrund, T = Übergangsbereich zwischen R und S und S = Gebiete mit tiefer Beckenstruktur und mächtiger Sedimentfüllung. Nach der Festigkeit des Untergrundes werden 3 Baugrundklassen unterschieden: A = unverwitterte Festgesteine mit hoher Festigkeit, B = mäßig verwitterte Festgesteine bzw. Festgesteine mit geringer Festigkeit oder grob- und gemischtkörnige, dicht gelagerte Lockergesteine in fester Konsistenz und C = stark bis völlig verwitterte Festgesteine oder grob- und gemischtkörnige, mitteldicht gelagerte, sowie feinkörnige Lockergesteine in mindestens steifer Konsistenz. Die Untergrundklassen und die Baugrundklassen werden kombiniert (z.B. A-R). Für Hochbauten werden 4 Bedeutungskategorien angegeben, denen Bedeutungsbeiwerte (γI) 58 zugeordnet sind. Zum Beispiel Baugrundklasse C, Bedeu- benzone 0 gilt das Intensitätsintervall (I) 6 <= I < 6,5. Für tungskategorie III bei Wohneinheiten < 50 Personen, Bedeutungsbeiwert γI = 1,2. Die Ludwigsburger Gemarkung den rechnerischen Erdbebennachweis ist in Zone 0 kein liegt innerhalb der Erdbebenzone 0 (Warnzone) und innerhalb der geologischen Untergrundklasse R. Für die Erdbe- Die DIN muss nur in den Erdbebenzonen 1 bis 3 angewendet werden. Bemessungswert der Bodenbeschleunigung (ag) anzusetzen. Schadensintensität IO nach der Europäischen Makroseismischen Skala - 1998. (EMS-98 Kurzfassung, abgeleitet von der Mercalli-Scala). Die Schadensintensität IO ist nur ungefähr mit der Magnitude Mw korrelierbar. Sie hängt nicht nur von der Magnitude, sondern auch von der Tiefe und Entfernung des Hypozentrums und stark vom geologisch-tektonischen Bodenaufbau ab. Bindige und körnige Sedimente reagieren empfindlicher auf Erdbebenwellen, als harte und felsartige Sedimente (Wackelpuddingeffekt). Schadensintensität IO Charakterisierung Wahrnehmungen und Schäden Momentmagnitude Mw Erdbebenzonen in Deutschland, Bemessungswert ( ag) deutlich- 1 Nur sehr vereinzelt von ruhenden Personen wahrgenommen. 1-2 Von wenigen Personen in Gebäuden wahrgenommen. Ruhende Personen fühlen ein leichtes Schwingen oder Erschüttern. Im Freien vereinzelt, in Gebäuden von vielen Personen wahrgenommen. Einige Schlafende erwachen. Geschirr und Fenster klirren, Türen klappern. 2-3 3-4 Beben bei den Geothermiebohrungen in Basel 2006 und St.Gallen 2013 5 stark wahrnehmbar Im Freien von wenigen, in Gebäuden von den meisten Personen wahrgenommen. Viele Schlafende erwachen. Gebäude werden insgesamt erschüttert. Hängende Gegenstände pendeln stark, kleine Objekte werden verschoben. Türen und Fenster schlagen auf und zu. Schwächere Gebäude können leichte Schäden haben. ~4 6 leichte Gebäudeschäden Viele Personen erschrecken und flüchten ins Freie. Einige Gegenstände fallen um. An vielen Häusern in schlechterem Zustand entstehen leichte Schäden, wie Mauerrisse und das Abfallen von kleinen Verputzteilen und Schornsteinteilen. 4-5 Die meisten Personen erschrecken und flüchten ins Freie. Möbel werden verschoben. Gegenstände fallen in großen Mengen aus den Regalen. An vielen Häusern guter Bauart treten mäßige Schäden auf (Mauerrisse, abfallen von Putz, herabfallen von Schornsteinen). Vornehmlich Gebäude in schlechtem Zustand zeigen größere Mauerrisse und Einsturz von Zwischenwänden und Türmen. 5-6 schwere Gebäudeschäden Furcht und Panik. Gut gebaute Gebäude erleiden schwere Schäden. Giebel stürzen eine. Gebäude einfacher Bauart stürzen ein. Rutschungen und kleine Spalten treten auf. 6-7 zerstörend Allgemeine Panik unter den Betroffenen. Auch gut gebaute, gewöhnliche Bauten zeigen sehr schwere Schäden und teilweisen Einsturz tragender Bauteile. Viele schwächere Bauten stürzen ein. 7 - 7,8 7 8 9 10 11 12 Gebäudeschäden ~ 0,01 0,015 - 0,02 0,02 -0,03 A 0,06 - 0,07 0 Beben in Albstadt 1911 und 1978 1 0,4 m/s2 0,1 - 0,2 2 0,6 m/s2 3 0,8 m/s2 Beben in Mittel-Italien 2009 2 Beben in Mittel-Italien 2016 Beben in Friaul 1976 Beben in Basel 1356, in San Francisco 1906, in Nepal 2015 sehr zerstörend Viele gut gebaute Gebäude und alle schlechten Bauwerke werden zerstört. Bergrutsche und Spalten treten auf. verwüstend Die meisten Bauwerke, selbst einige mit gutem erdbebengerechtem Konstruktionsentwurf und Ausführung werden zerstört. Bergrutsche und große Spalten treten auf. ~ 8,5 Nahezu alle Konstruktionen werden zerstört. Die Erdoberfläche/Landschaft wird stark verändert. 9 - 10 vollständig verwüstend 1 g = 9,81 m/s2 A geringe bis keine Gefährdung 4 2 Nur instrumentell zu beobachten. ~8 Erdbebengefährdung 3 nicht fühlbar kaum bemerkbar schwach- 1 Bodenbeschleunigung in g 0,2 - 0,3 0,3 - 0,5 0,6 - 0,7 Beben in Mexiko-City 1985 0,8 - über 1 Beben im Pazifik vor Japan 2011 Beben im Ind. Ozean vor Sumatra 2004 1-2 59 Abb. 29: Weltkarte der seismischen Gefährdung. Maximale Bodenbeschleunigung im m/s2 Ergänzt aus Shedlock et al. (2000), Seismological Research Letters, 71. Abb. 30: Erdbebenzonen in Deutschland. In den 4 Zonen gelten unterschiedliche Intensitätsintervalle (I) und Bemessungswerte (ag) für die Bodenbeschleunigung. Weiß = keine Zone Zone 0 6 <= I < 6,5 Zone 1 6,5 <= I < 7 Zone 2 7 <= I < 7,5 Zone 3 7,5 <= I < 8 kein ag ag = 0,4 m/s2 ag = 0,6 m/s2 ag = 0,8 m/s2 Ergänzt aus DIN EN 1998-1/NA, Beuth-Verlag, Berlin. 60 Die Vorhersage von Erdbeben Stärkere Erdbeben fordern oft viele Todesopfer. Im 20. Jahr- absehbarer Zeit aber nicht möglich. Erdbeben treten v.a. an hundert sind über 2 Mio. Menschen durch Erdbeben und den Plattenrändern der Erdkruste regelmäßig auf. Je länger das letzte Erdbeben in einem Gebiet zurückliegt, desto wahr- Tsunamis ums Leben gekommen. Im Jahr 1976 gab es in China bei einem Erdbeben mehr als 600.000 Tote, wobei scheinlicher ist das nächste Beben. Die Zeitintervalle zwi- hier noch die schlechte Infra- und Organisationsstrukturen schen den Beben sind oft sehr unterschiedlich und können der Kulturrevolution und die für Erdstöße sehr anfälligen nur als grobe Anhaltspunkte dienen. Treten z.B. an der südkalifornischen San-Andreas-Störung starke und zerstö- Gebäude eine Rolle gespielt haben. Bei dem von einem Erdbeben ausgelösten Tsunami vor Sumatra im Dezember 2004 sind 230.000 Menschen getötet worden. Der Tsunami vor Japan 2011 hat 19.000 Todesopfer gefordert und hat rende Erdbeben durchschnittlich alle 200 Jahre auf, muss man davon ausgehen, dass das mögliche Zeitfenster von 150 – 300 Jahre reicht. Dort ist heute jederzeit mit einem einen Kernkraftwerkskomplex zerstört. In Mittelitalien sind 2009 bei einem Erdbeben 308 Menschen ums Leben ge- starken Beben zu rechnen, aber eine kurzfristige Vorhersa- kommen, nachdem die Fachleute trotz zahlreicher Vorbeben ist nicht möglich. Und das, obwohl Kalifornien zu den am besten untersuchten und überwachten Erdbebengebieten Entwarnung gegeben haben – "Es besteht keine Gefahr, geht nach Hause und entspannt euch bei einem Glas Wein." ge, mit der geeignete Maßnahmen ergriffen werden könnten, der Erde gehört. Die Seismologen sind optimistisch, dass in Daraufhin haben viele Bewohner wieder in ihren Häusern Zukunft eine zuverlässige, mittelfristige Vorhersage im Be- übernachtet und sind von dem zerstörenden Beben über- reich von Monaten oder wenigen Jahren für gut untersuchte Gebiete möglich sein wird. Das löst aber nicht die Probleme rascht worden. So eine Aussage in einem Gebiet, das seit Urzeiten immer wieder von starken Erdbeben heimgesucht wird (1915 30.000 Tote), ist unfachmännisch und hat zu einem Strafverfahren gegen die Verantwortlichen geführt, in Ballungsräume bezüglich teurer Vorsorgemaßnahmen oder Evakuierungen. In jüngerer Zeit wurden Systeme entwickelt, welche die bei einem Erdbeben als erstes eintreffen- das 2014 eingestellt wurde. Dieses Vorgehen mag unangemessen sein und soll vielleicht auch von Bausünden in itali- den und schwächeren p-Wellen registrieren. So können enischen Erdbebengebieten ablenken. Im August und im tisch abgeschaltet werden und die Warnung vor den einige Sekunden später folgenden und starken s-Wellen kann Men- Oktober 2016 kam es in derselben Region in Italien wieder zu Beben der Starke 6,5 mit über 300 Toten. Wegen der dann z.B. Versorgungsleitungen, Anlagen und Züge automa- schen noch Fluchtmöglichkeiten bieten. Die beste Erdbe- wachsenden Weltbevölkerung und Industrialisierung wäre benvorsorge ist aber nach wie vor das erdbebensichere eine zuverlässige und kurzfristige Vorhersage von Erdbeben Bauen von Gebäuden, Verkehrswegen, technischen Anlagen und Versorgungsleitungen. "Nicht Erdbeben töten Menschen, für Zeiträume von Tagen oder Wochen sehr zu wünschen. Das ist nach dem derzeitigen Stand der Forschung in sondern Bauwerke." 5.7 Vulkanausbrüche Vulkane entstehen in Bereichen von tektonischen Schwä- und wasserhaltige Sedimente mit in die Tiefe ziehen, z.B. chezonen in der Erdkruste, z.B. beim Auseinanderdriften von Erdkrustenplatten, bei Gebirgsbildungen mit Subduktion Vulkane im Mittelmeer, in den Anden, in Südostasien, in Kalifornien, in Oregon und viele Inselbögen im Pazifik. Aber und als Hot-Spot. Dabei kommt es in der Tiefe durch die Druckentlastung zur Verflüssigung von oft wasserhaltigen die Erdplatten auseinander driften gibt es oft Vulkane, wie auch in Riftzonen in den Ozeanen und auf dem Festland, wo fisch leichte und unter Druck stehende Magma-Gas- z.B. Island, viele Insel im Pazifik und die Vulkane in Ostafrika. In diesen Gebieten bilden sich oft Ketten von Stratovul- Mischung drängt in Spalten zur Erdoberfläche und bricht als Vulkan explosionsartig aus. Gasreiche Vulkane mit zähflüssi- bis Jahrhunderten mehr oder weniger stark ausbrechen. Es ger Lava sind sehr explosiv mit mächtigen und hoch in die gibt auch wenige Vulkane, die ständig aktiv sind, wie z.B. der Atmosphäre reichenden Ascheauswürfen. Sie bilden oft steile Schichtvulkane mit pyroklastischen Strömen (Vesuv, Stromboli vor der Westküste Italiens. An einige Stellen liegen Vulkane innerhalb von Erdkrustenplatten und bilden eng Mt. St. Helens, Fuji). Gasarme Vulkane haben oft eine flüssi- begrenze Vulkanzonen. Der Ursprung dieser Hot-Spot- Gesteinen und zum Austritt von gelösten Gasen. Die spezi- kanen (Schichtvulkane), die in Zeiträumen von Jahrzehnten gere Lava und bilden flachere Schildvulkane (Hawaii). Die Vulkane liegt tief im Erdmantel an der Grenze zum Erdkern. Vulkangebiete der Erde verlaufen zu einem großen Teil entlang der Plattenränder der Erdkruste. Das sind Subduktions Während sich die Erdkrustenplatten langsam bewegen, zonen, wo die Erdkrustenplatten untereinander abtauchen bleibt der Hot-Spot stationär. Auf diese Weise haben sich z.B. die Vulkaninselketten von Hawaii und der Malediven, 61 die Yellowstone-Calderen und die Vulkane in der Eifel und in geführt. Süddeutschland war von Ernteausfällen und von der Auvergne gebildet. Eine Besonderheit sind die großen einer Hungersnot betroffen und es kam zu einer ersten Aus- Caldera-Vulkane, wie der Yellowstone-Park in den USA, die wanderungswelle. Solche großen Vulkanausbrüche sind Toba-Caldera in Indonesien und die Phlegräischen Felder neben starken Sonnenausbrüchen heute die gefährlichsten Naturereignisse für die heute fast 8 Milliarden zählende nördlich von Neapel. Diese viele Kilometer breiten Vulkanstrukturen brechen zyklisch nach Ruhephasen von tausenden bis hunderttausenden Jahren aus und führen dann zu weiträumigen und auch kontinentübergreifenden Zerstörungen. Starke Aschenregen und Gasausbrüche führen zu sau- Menschheit. Wegen der weiträumigen Wirkung auf das Klima und auf die Pflanzenwelt würde die Nahrungsmittelproduktion rasch zusammenbrechen und es würde zu schweren sozialen Unruhen kommen. Die Ausbrüche einzelner Vulka- rem Regen und zerstören großräumig die Vegetation. Auch ne fordern oft Todesopfer, aber nicht in dem hohen Maße, die Auswirkungen auf das Klima, die bei einzelnen Vulkan- wie bei stärkeren Erdbeben. Das hängt auch damit zusammen, dass sich Vulkanausbrüche besser geophysikalisch ausbrüchen durchaus bemerkbar sein können, sind bei Caldera-Ausbrüchen weltweit oft verheerend und länger anhaltend. Staub und Gase, wie Schwefeldioxid und Kohlen- überwachen und vorhersagen lassen. Es gibt vor dem Aus- dioxid können das Klima und die Lebewelt weltweit stark bruch charakteristische Bodenbewegungen durch die Umla- beeinträchtigen. Der Ausbruch des Toba auf der Insel Java gerung und Ausgasung von Magma (vulkanischer Tremor) und chemische Veränderungen bei den austretenden Gasen. vor 74.000 Jahren hätte fast den Homo sapiens ausgelöscht. Tödlich sind hier weniger die fließende Lava, sondern die bis Man schätzt, dass es damals nur wenige Tausend Überlebende gab, von denen wir alle abstammen. Die Phlegräi- zu 700 °C heißen und bis zu 300 km schnellen Gas- und schen Felder bei Neapel sind vor 35.000 Jahren ausgebro- hänge "herunterfließen" und Schlammströme (Lahare), die chen. Der massive Ascheregen über Kontinente hinweg und durch Regenfälle und Gletscherschmelzen ausgelöst werden der Rückgang der Temperaturen über Monate oder Jahre und die auch entferntere Siedlungen in den Tälern rasch haben möglicherweise zum Aussterben der Neandertaler beigetragen. Im 16. Jahrhundert v. Chr. ist der Vulkan Thera erreichen und zerstören können. Sehr selten, aber katastro- auf der heutigen Insel Santorin ausgebrochen und hat mit Tsunamiwellen die minoische Kultur im östlichen Mittelmeer auf Hawaii, den Kanarischen Inseln, im Mittelmeer, in Indonesien und ohne vulkanische Beteiligung vor Norwegen zerstört. Im 6. Jahrhundert n.Chr. ist der Ilopango in El Sal- schon vorgekommen sind. Dabei können Flutwellen (Tsuna- vador ausgebrochen und hat zu einer weltweiten und länger anhaltenden Abkühlung geführt und wahrscheinlich auch mi) im Meer von über 100 m Höhe entstehen. Es gilt hier zum Beginn des "finsteren Mittelalters" mit wiederkehrenden Objekt, das ins Wasser rutscht. Bei ihrer Reise über das Meer teilen sich die Wellen dann in mehrere 10 - 20 m hohe Seuchen und Hungersnöten beigetragen. Auch die Regression der gesellschaftlichen Entwicklung in dieser Zeit steht damit im Zusammenhang. Der Ausbruch des Tambora 1815 Aschenströme (pyroklastische Ströme), welche die Vulkan- phal sind große Bergrutsche an Vulkanabhängen, wie sie z.B. die Regel, dass eine Flutwelle etwa so hoch wird, wie das Einzelwellen auf und überschwemmen die Küstengebiete von Inseln und Kontinenten. in Indonesien hat in Europa zu einem Jahr ohne Sommer Abb. 31: Stratovulkan Die Darstellung zeigt vulkanische Ereignisse und Ablagerungen rund um einen Schichtvulkan, wie z.B. Vesuv, Ätna und Stromboli. H20, H2S, SO2, SO3, CO2, Schwermetalle etc. Quelle: US Geological Survey, ergänzt. MagamaCamber 62 6. Exkurs: Die Entstehung der Alpen (alpidische Orogenese) Im Text wird oft auf den Schub des afrikanischen Kontinentes nach Norden gegen den europäischen Kontinent als treibende Kraft für viele geologische und tektonische Ereignisse in Deutschland und in Europa hingewiesen (Bildung von Gräben, Mulden und Sättel, Molassebecken der Alpen, Erdbeben etc.). Aus diesem Grunde erfolgt hier ein Exkurs zur Entstehung der Alpen. Die Alpen sind ein Kollisionsgebirge (Decken- und Überschiebungsgebirge), das durch die Bewegungen der Afrikanischen Kontinentalplatte, beginnend vor etwa 220 Ma zunächst nach Osten und Nordosten und dann vor etwa 55 Ma nach Norden gegen Europa entstanden ist. Durch die Ostwärtsbewegung kam es zunächst zu einer Dehnung der Erdkruste zwischen Eurasia und Afrika. Es bildete sich ein stellenweise über 1000 km breiter, in sich gegliederter und schubwiese absinkender Ablagerungsraum, der mit mehreren tausend Meter mächtigen terrestrischen, flachmarinen und tiefmarinen Sedimenten und mit magmatischen Ozeanböden gefüllt wurde. Mit der endgültigen Abspaltung der Apulischen Mikroplatte von Afrika vor etwa 140 Ma und deren Bewegung nach Nordosten und Norden wurden diese Ablagerungen dann mit der Zeit auf ca. 100 – 150 km Breite zusammengeschoben, ineinander gestapelt, gefaltet und überschoben. Diese mächtigen Gesteinskomplexe aus leichten Erdkrustengesteinen wurden dabei unterschiedlich tief in den Erdmantel aus schwereren Gesteinen gepresst und dort bei hohen Temperaturen und Drücken oft metamorph verändert. Durch eine isostatische Ausgleichsbewegung des leichten Krustenmaterials wurden die Gesteine vor etwa 35 bis 5 Ma schubweise aus dem Meer herausgehoben, teilweise abgetragen und sind wieder zum heutigen Hochgebirge aufgestiegen. Stark vereinfacht kann man sich die Alpenbildung wie eine Aneinanderreihung von Teppichen vorstellen, die von 5 m Breite auf 50 cm zusammengeschoben wurden und dabei noch in viele Einzelstücke zerfallen sind. Die Entstehung der Alpen ist recht komplex und noch nicht in allen Details erforscht, so dass hier nur die wichtigsten Eckpunkte beschrieben werden. Perm-Trias-Zeit vor 252 Ma Pangäa ist entstanden Südamerika Pangäa Panthalassa Nordamerika Eurasia Paläo-Tethys Meliata-Hallstatt-Meere in der Mittleren Trias Apulische Mikroplatte Cimmeria Afrika Neo-Tethys Abb. 32: Die Verteilung von Land und Meer an der Wende der Perm-Trias-Zeit. Die einzelnen Kontinente wurden durch plattentektonische Bewegungen ab der Karbon-Zeit zum Großkontinent Pangäa zusammengeschoben. Die Apulische Mikroplatte, die bei der Alpenbildung eine wichtige Rolle spielt, ist noch mit Afrika verbunden. Das Cimmerische Superterrane hat sich von Afrika und Indien gelöst und wandert unter Bildung des Neo-TethysMeeres nach Norden. Die gelb-gestichelten Linien sind die variscischen Hochgebirgszüge, die beim Zusammenprall der Kontinente entstanden sind. Indien Permo-Karbon-Vereisung vor 300 Ma Australien Antarktika 6.1 Pangäa zerfällt Abb. 32: Während der Karbon-Zeit vor etwa 300 Ma haben sich alle Kontinente auf der Erde durch plattentektonische Bewegungen zum Großkontinent Pangäa vereinigt. Bei dieser Plattenkollision kam es zur Bildung der großen variszischen Hochgebirgszüge, von denen heute nur noch flachere Abtragungsreste übrig geblieben sind. Pangäa war vom großen PanthalassaOzean umgeben, von dem heute der Pazifik übrig geblieben ist. In der großen östlichen Bucht von Pangäa lag der Tethys-Ozean, der sich im Zuge der Kollision von Indien mit Eurasien vor 50 Ma geschlossen hat. Reste des Ozeanbodens finden sich heute noch im Mittelmeer, im Schwarzen Meer und bei Australien. Die langsame Ausdehnung des Tehtys-Meeres in der Perm- und Trias-Zeit mit einem Meeresarm nach Westen bis Gibraltar führte zu ersten Riftbildungen an den Nahtstellen von Afrika, Eurasia und Amerika. Dort entstand im späteren Alpenraum bei einem heißen Klima ein immer wieder austrocknendes Flachmeer und es kam zur Ablagerung von Strand- und Flachwassersedimenten, Salz- und Gipsablagerungen (Salze in Hallstatt und Berchtesgaden) und Vulkaniten (Bozener Quarzporphyr). Während der Trias-Zeit vor etwa 240 Millionen Jahren bildeten sich dort durch Erdkrustendehnung kleine Randmeere (Meliata-Meer), in denen v.a. an den Schelfrändern bis über 2000 m mächtige Karbonatsedimente abgelagert wurden. An der Wende der Trias-Jura-Zeit vor etwa 200 Ma begann der Zerfall von Pangäa durch plattentektonische Bewegungen mit der Bildung von Grabenbrüchen und ersten Meeren zwischen Amerika, Afrika und Eurasia. Die heutigen Kontinente sind entstanden und unter der Bildung von neuem, magmatischem Meeresboden langsam auseinander gedriftet (Abb. 3a). 63 Ozeanbecken, Ablagerung von mächtigen Sedimenten und Bildung von vulkanischem Meeresboden. Europa Erdkruste Aufstieg von Magma, Bildung von neuem basaltischem Meeresboden an einem Riftsystem. Lithosphärischer Mantel Ein über 1000 km breiter Ablagerungsraum wurde über viele Millionen Jahre mit mehreren tausend Meter mächtigen Meeressedimenten gefüllt (Bild oben). Durch den Schub der Afrikanisch-Apulischen Kontinentalplatte nach Norden wurde dieser auf etwa 100 - 150 km zusammengeschoben, gefaltet und überschoben (Bild links). Die leichteren Gesteine der Erdkruste "schwimmen" auf den schwereren Gesteinen des Oberkruste Unterkruste Apulische Platte Europäische Platte Afrika Abb. 33: Die schematischen Abbildungen zeigen im Profilschnitt das grundlegende Prinzip der Gebirgsbildung der Alpen. Periadriatische Linie Lithosph. Mantel Beginnende Subduktion, Verschlucken von Meeresboden, Erdmantels. Diese zunächst tief eingesunkenen Gesteinsstapel wurden dann im Zuge der Abtragung durch eine isostatische Ausgleichsbewegung herausgehoben (siehe auch Abb. 37). 6.2 Ozeanbildung und Sedimentation Abb. 35-1: Ab der Zeit der Späten Trias drifteten die Erdkrustenplatten von Nord- und Südamerika und von Eurasia und Afrika unter der Bildung des Zentral- und später des Nord- und Südatlantiks auseinander. Gleichzeitig wurde die Afrikanische Kontinentalplatte mit der noch daran hängenden Apulischen Mikroplatte entlang von Transformstörungen nach Osten an Europa vorbeigeschoben. Durch diese Erdkrustendehnung entstand vom sich bildenden Atlantik ausgehend ab dem Mittleren Jura vor etwa 170 Ma der Penninische Ozean (Alp-Tethys, Piemont-Ozean) zwischen Afrika und Europa. Dieser erreichte vor etwa 150 Ma seine größte Ausdehnung mit ca. 500 km Breite. Damit waren Afrika und Europa getrennt. Bei einem tropisch-warmen Klima kam es an den Beckenrändern des Penninischen Ozeans zur Ablagerung von mächtigen klastischen Sedimenten durch Abtragung aus den umliegenden Festländern und Inseln (germanische Entwicklung). Festlandsfern kam es in den flachen und lichtdurchfluteten Schelfbereichen des Tethys-Meeres zur Bildung der Helvetischen, Ostalpinen und Südalpinen Sedimentationsräume. Dort kam es zur Ausfällung von Karbonaten aus dem Meerwasser und mit zunehmender Absenkung des Beckens zur Sedimentation von über 2000 m mächtigen Korallen-, Algen- und Schwammsedimenten und von Schalenresten abgestorbener Lebewesen (Abb. 34 bis 37). In den tiefen Ozeanbereichen des Penninischen Sedimentationsraumes kam es zur Bildung von ozeanischer Kruste durch die Neubildung von magmatischem Meeresboden entlang von Riftzonen und zur Ablagerung von Schuttströmen, Tiefwasserkalken und Radiolariten (Quarzsedimente aus den Kieselsäure-Skeletten von Einzellern) in großer Mächtigkeit. In der Zeit des Frühen Jura vor etwa 180 Ma übte die Ost- und Nordostwanderung der Apulischen Platte Druck auf die Sedimentkomplexe am Nordostrand der Platte aus und es kam zu ersten Überschiebungen der ostalpinen Schelfsedimente. Es bildeten sich die Strukturen der Nördlichen Kalkalpen, der Dolomiten und die Ophiolithe (submarine basische Magmatite, ozeanische Erdkruste) in den Dinariden. In der Zeit der Frühen Kreide vor etwa 140 Ma wurde die Apulische Mikroplatte dann endgültig von Afrika getrennt und rotierte in ihrer Bewegung langsam von Osten nach Norden. Diese Platte umfasst heute große Teile von Italien, die Adria und Teile des Balkans. Kreide Flachmeer NordAmerika Ur- Eurasia Helvetikum Paläo-Tethys Ur-Atlantik Penninischer Ozean Iberia Valais-Trog Brianconnais Ostalpin Meliata-HallstattVardar-Meere Südalpin Dinariden Apulische Platte Teils Land, teils Meer Cimmeria NeoTethys Abb. 34: Die Ablagerungsräume zwischen Afrika und Eurasia zur Zeit der Späten Kreide vor 80 Ma. Durch den Schub von Afrika und Apulia von Osten nach Norden schließen sich der Penninische Ozean, das Meliata-Meer und die Paläo-Tethys. Die Meeresböden werden z.T. in den Erdmantel gezogen (subduziert). Die Sedimente werden zusammengeschoben, gefaltet, z.T. tief versenkt, überschoben und später wieder über den Meeresspiegel herausgehoben und der Abtragung ausgesetzt. Doppellinien = Grabenbrüche und Transformstörungen, Divergenz, Platten bewegen sich auseinander oder aneinander vorbei. Gestrichelte Linien = Subduktionszonen, Konvergenz, Platten kollidieren. "Verschlucken" von Meeresboden in den Erdmantel. Ur-Afrika Grafik farbig umgezeichnet und ergänzt nach: R. Schuster & K. Stüwe, 2010: Die Geologie der Alpen im Zeitraffer. Mitteilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Steiermark, Bd. 140, Graz. 64 Zum Helvetikum gehören heute das metamorphe Grundgebirge mit darin intrudierten Graniten, die dieses Basement überlagernden sedimentäre Decken der Schelfbereiche aus der Perm- bis Paläogen-Zeit und die Flysch-Decken. Das Penninikum wird aus kristallinem Grundgebirge und aus metamorph überprägten und unmetamorphen mesozoischen Deckschichten gebildet, die von Kontinentalrändern und aus Ozeanbecken stammen. Das Ostalpin (Austroalpin) besteht aus Altkristallin, aus paläozoischen Grauwacken und aus den mesozoischen Kalkalpen mit einer kreidezeitlichen Deckenüberschiebung. Das Südalpin besteht aus metamorphem Basement. Darüber befinden sich diskordant aufliegende und unmetamorphe Sedimente aus dem breiten Zeitraum von Karbon, Mesozoikum und Känozoikum mit paläogenen und neogenen Auf- und Überschiebungen. 6.3 Die erste Kompressionsphase der Alpenbildung in der Kreide-Zeit Abb. 35-2: Vor etwa 120 Ma löste sich Iberia (Spanien) von Europa und bewegte sich nach Südosten. Nordöstlich der iberischen Halbinsel bildete sich im Zuge der weiteren Öffnung des Atlantiks der schmale Valais-Ozean mit dem BrianconnaisMikrokontinent als Halbinsel (Abb. 34). Nach der Trennung der Apulischen Platte von Afrika begann sich der Penninische Ozean an einer Subduktionszone am Nordwestrand dieser Platte in der Späten Kreide-Zeit vor etwa 90 Ma wieder zu schließen. Der Ozeanboden wurde unter den ostalpinen Kontinentalrand subduziert (Abb. 37). Auch das Meliata-Meer und die Reste des alten Tethys-Ozeans schlossen sich. Teile der Gesteine wurden bis in 80 km Tiefe versenkt und metamorph umgewandelt. Durch die zunehmend einengenden Plattenbewegungen bildete sich nun auch innerhalb der Apulischen Platte eine Subduktionszone. Dabei wurden die Ostalpinen Decken im nördlichen Teil überschoben und vor etwa. 80 Ma über die Sedimente des Penninischen Ozeans geschoben. Es bildeten sich die zum Teil metamorph überprägten Penninischen Decken aus ozeanischer Kruste. Durch Faltung und Überschiebung des penninischen Meeresbodens und der auf dem Ostalpinen Schelf abgelagerten Sedimente entstanden die frühalpidischen penninischen und ostalpinen Gebirgsdecken, die heute große Teile der Zentral- und Westalpenalpen bilden, und die auch in den Hohen Tauern und im Burgenland in Österreich zu sehen sind. Nördlich der Kalkalpen bildete sich ein langgezogener und tiefer Trog, der mit mächtigen Schuttsedimenten, dem sog. Flysch aufgefüllt wurde. Flysch-Sedimente (Turbidite) entstehen, wenn marin-klastische Sedimente wie Ton-Kalkschlämme und grobkörnigen Sedimente (Sande) bei gebirgsbildenden Prozessen an steilen, untermeerischen Kontinentalabhängen vom Schelfrand in die Tiefsee abrutschen. Es bildet sich in sehr kurzer Zeit (Tage, Wochen) eine enge Wechselfolge von fossilarmen Tonmergelsteinen, Sandsteinen und Breccien, die während der Gebirgsbildung oft verformt und metamorph umgewandelt werden können. 6.4 Die zweite Kompressionsphase der Alpenbildung in der Paläogen- und Neogen-Zeit Abb. 35-3: Ab der Zeit des Paläogens vor etwa 53 Ma rotierte Afrika in seiner Bewegung und schob sich nun massiv nach Norden gegen die Apulische Platte. Dieser brach erneut los und kollidierte mit über 13 mm/a mit ihrem nördlich gelegenen Adriatischen Sporn mit Europa. Am Höhenpunkt dieser Kompressionsphase vor etwa 38 Ma schob sie sich mit ihren metamorphen ost- und südalpinen Gesteinsdecken weit über die Ablagerungen des südeuropäischen Schelfrandes. Die dort abgelagerten nordpenninischen und helvetischen Gesteine und die Flysch-Sedimente wurden von ihrer Unterlage abgetrennt, weit nach Norden geschoben und komprimiert. Sie wurden zum Teil von Magmatiten durchschmolzen, gefaltet und überschoben. Nach ihrer Versenkung bis in 60 km Tiefe und Erhitzung auf 550 °C wurden sie metamorph umgeformt und später mit über 5 mm/a nach oben gepresst. Mit dieser starken Nordbewegung schlossen sich vor etwa 40 - 50 Ma der Penninische Ozean nun endgültig. Kurze Zeit später schloss sich auch das Tethys-Meer in Kleinasien. In den verbliebenen Restmeeren bildeten sich die langgezogenen und bergigen Inselketten der weiter aufsteigenden und der Abtragung ausgesetzten Ur-Alpen. Der über viele Millionen Jahre andauernde Schub der Apulisch-Afrikanischen Platte hat die abgelagerten Gesteine weiter zusammengeschoben, so dass diese heute viele 100 Kilometer weit entfernt von ihren ursprünglichen Ablagerungsgebieten liegen. Sie sind oft intensiv verfaltet, z.Z. metamorph umgeformt und als Decken übereinander geschoben. So gehören z.B. im Gebiet um Zermatt die Gipfelregionen der ostalpinen Dent Blanche Decke, u.a. das Matterhorn mit metamorphen Schelfsedimenten und Kristallingesteinen geologisch zur Apulisch-Afrikanischen Kontinentalplatte. Diese Gesteine liegen auf jurazeitlichen Tiefseeablagerungen aus Bündner Schiefern (metamorph umgewandelte, kalkig-tonige Sedimente der mittleren Tiefsee) und Ophioliten (submarine Magmatite) des früher nordwestlich von Apulia gelegenen Penninischen Ozeanbeckens. Ebenso wurden die Gesteine der Nördlichen Kalkalpen in Bayern und Österreich im Apulisch-Afrikanischen Sedimentationsraum abgelagert und später viele 100 Kilometer weit nach Norden überschoben (Abb. 37, 38, 39). Die großen Gesteinsfaltungen und die viele Kilometer weit reichenden Überschiebungen lassen heute an vielen Stellen der von der Erosion tief zerklüfteten Alpen eine zeitlich inverse Lagerung der Gesteinsschichten erkennen. Das bedeutet, dass man oft mächtige und ältere Gesteinspakete über jüngeren Gesteinen liegend findet. Ein bekanntes Beispiel und Weltkulturerbe ist die gut sichtbare Glarner Hauptüberschiebung an der Grenze der Schweizer Kantone Graubünden und Glarus bei den Gemeinden Flims und Elm. Hier wurde eine 250 - 300 Ma alte Gesteinsdecke der Perm-Zeit über nur 35 - 50 Ma alte Gesteine der Paläogen-Zeit geschoben. Der starke Nordschub der Alpen hat in Europa in Verbindung mit dem schwächeren Schub der nordatlantischen Riftzone bei Island auch zur Bildung der 65 Grabenbrüche in der Nordsee, des Niederrheingrabens, des Rhone-Bresse-Grabens und des Oberrheingrabens mit der Heraushebung von Vogesen und Schwarzwald geführt. Auch die Bildung vieler tektonischer Strukturen in Baden-Württemberg, z.B. Fildergraben und vieler Mulden- und Sattelstrukturen bis hin zu Verwerfungen, Schichtverbiegungen und Gesteinsklüften und die Erdbebentätigkeit in Baden-Württemberg wurden großteils vom Nordschub der Alpen verursacht oder beeinflusst. 6.5 Die Heraushebung der Alpen Abb. 35-4: Beim Zusammenschub der Gesteinspakete der Alpen sind diese nach oben und unten ausgewichen. Die leichten Krustengesteine haben sich dabei tief in die schwereren Gesteine des zähplastischen Erdmantels gedrückt und wurden dort unter hohen Druck- und Temperaturbedingungen in Kristallingesteine umgewandelt. Vor etwa 35 - 5 Ma wurden die gefalteten und überschobenen Gesteine wieder in stärkerem Maße schubweise aus dem Meer herausgehoben und der Verwitterung ausgesetzt. In den Zentralalpen wurden die Externmassive (Aar- Massiv) weiter aufgewölbt und die helvetischen Gesteinsdecken sind an deren Nord(west)abstürzen abgeglitten und wurden stark verfaltet, z.B. im Säntis-Gebirge. Die Hebung des Gebirges kam durch das isostatische Aufsteigen der leichteren Krustengesteine zustande, die in den Gesteinen des schwereren Erdmantels aufschwimmen und in Verbindung mit der Herstellung eines Schwimmgleichgewichtes bei der schnellen Abtragung der aus dem Meer herausgehobenen Gesteine. Dabei konnte auch das mögliche Abreisen des tief in den Erdmantel subduzierten Plattensporns eine Rolle spielen. Die Hebung lag früher bei über 5 mm/a und beträgt heute noch ca. 0,3 - 1,8 mm/a, vermutlich auch verursacht durch das vor 15000 Jahren abgeschmolzene Gletschereis der Würmkaltzeit. Die gesamte Hebung der alpinen Gesteinsstapel hat 20 - 30 km betragen, wobei das Gebirge wegen der starken Erosion zeitweise knapp die Höhe des heutigen Himalayas von 5000 - 8000 mNN erreicht haben dürfte. Die Abtragungsprodukte der Alpen werden bis heute in den bis über 5000 m tief eingesunkenen und zum Teil in die alpine Faltung miteinbezogenen Molassebecken in der Schweiz, in Süddeutschland, im Wiener Becken und in der Poebene abgelagert. Diese haben sich im Zuge des Aufstiegs der Alpen als Massenausgleichsbewegung abgesenkt. In der Zeit des Neogens vor 30 Ma bewegte sich ein Teil der Südalpen entlang der Periadriatischen Linie 50 - 100 km nach Westen. Gleichzeitig wurden die Zentralalpen hochgepresst. Vor 15 Ma wurden die Kettengebirge im Nahen Osten aufgefaltet und das Rote Meer zwischen Afrika und Arabien riss auf. Das heutige Mittelmeer ist ein Restmeer des südwestlichen Tethysmeeres. Aus dem nördlichen Teil ging die Paratethys hervor, von der heute das Schwarze Meer und das Kaspische Meer übrig geblieben sind. Vor 6 Ma ist durch die tektonisch verursachte Schließung der Straße von Gibraltar das Mittelmeer einige Male ausgetrocknet und es haben sich mächtige Steinsalzschichten in den Meeresbecken gebildet. 3) Paläogen 66 - 23 Ma 1) Jura ~160 Ma Jura-Meer Ur-Eurasia UrAmerika PPO O A Afrika driftet nach Osten. Der Penninische Ozean entsteht. MeliataHallstattVardarMeere Afrika rotiert nach Norden. Das Tethys-Meer schließt sich. Atlantik Paläo-Tethys NeoTethys Ur-Afrika Indik 1. Phase 2. Phase 4) Neogen 23 - 2,5 Ma 2) Kreide ~90 Ma Apulia driftet nach Norden. Der Penninische Ozean schließt sich. Heraushebung und Formung der alpidischen Gebirgszüge. 15 14 3 Kreide-Flachmeer 6 Alpen 10 4 2 5 Mittel- 8 7 Meer ZentralAtlantik 11 9 1 NeoTethys Paratethys 12 13 Atlantik und Tethys-Ozean PPPO O O Penninischer Ozean Flachere Nebenmeere A Apulische Platte, teils Land, teils Meer Grabenbrüche und Rift-Zonen (Auswahl) Alpidische Gebirgszüge Indik Abb. 35: Die paläogeographischen Karten zeigen die Entstehung der Alpen, angetrieben durch die Plattentektonik. 1 = Atlas und Rif; 2 = Betische Kordilleren (Sierra Nevada); 3 = Pyrenäen; 4 = Apenninen; 5 = Dinariden; 6 = Karpaten; 7= Helleniden; 8 = Rodopen; 9 = Taurus; 10 = Kaukasus; 11 = Pontiden; 12 = Elbrus; 13 = Zagros; 14 Faltenjura; 15 Europäisches Känozoisches Riftsystem. Grafik farbig ungezeichnet und ergänzt nach B. Lammerer (1991), Wege durch Jahrmillionen. Verlage Tappeiner und J. Berg. 66 N(NW) S(SE) Teil von Pangäa Tethys-Ozean Ur- Europa Ur-Afrika Apulisch-Afrikanische Platte Ur-Europa Divergenz Helvet. Schelf Penninischer Ozean Ost- und Südalpiner Schelf Erdkruste Erdmantel Sedimentationsräume: Helvetikum Penninikum Ostalpin und Südalpin Vardar-Meer Brianconnais Valais Trog Penninischer Trog Subduktion ? Konvergenz 1000 km Auftrieb Schwarz wald- AarGotthardMassiv Wien München Mailand 150 km Die Abbildung 36 zeigt vereinfacht die Entstehung der Alpen im Profilschnitt und Blockbild. Die starke Verkürzung der ursprünglichen um die 1000 km breiten alpinen Sedimentationsräume auf etwa 100 - 150 km durch den Schub der Afrikanisch-Apulischen Platten ist gut zu erkennen. Die zu Gesteinen verfestigten Sedimente wurden bei dieser Kompression gefaltet, übereinander geschoben und sind nach oben und unten ausgewichen. Helvetikum (südeuropäischer Schelf und Flachmeer), Penninikum (tiefer Ozean mit flachen Schwellen), Ost- und Südalpin (nördlicher und südlicher apulischer und afrikanischer Schelf) sind Sedimentationsräume, die während der Alpenbildung zu unterschiedliche Deckensystemen übergeschoben, gefaltet, z.T. in die Tiefe versenkt und dort metamorph verändert wurden. Nach ihrer Heraushebung aus dem Meer stellen sie heute die tektonischen Großeinheiten der Alpen dar (Abb. 37, 38, 39, 41). Die Gebirgshebung kam v.a. durch das isostatische Aufsteigen der leichteren Krustengesteine zustande, die in den Gesteinen des schwereren Erdmantels aufschwimmen. Die Hebung lag früher bei über 5 mm/a und beträgt heute noch ca. 0,3 - 1,8 mm/a. Grafiken z.T. dreidimensional und farbig umgezeichnet und ergänzt nach B. Lammerer (1991), Wege durch Jahrmillionen. Verlage Tappeiner und J. Berg. 67 NW SE Europäischer Kontinent und Schelf Penninischer Ozean Helvetischer Ablagerungsraum passiver Kontinentalrand Klastische Sedimente Apulischer und Afrikanischer Schelf Penninikum, Tiefsee mit Schwellen Valais-Trog Brianconnais-Schwelle Ostalpin Südalpin aktiver Kontinentalrand Piemont-Trog Kalke, Korallenriffe, Lagunen Lagunen, Korallenriffe, Kalke Schuttströme, Flysch, Tiefseetone und -kalke, Radiolarite, Basalte Flysch Variscisches Grundgebirge Aar- GotthardMassiv APULIA, AFRIKA UR-EUROPA ca. 1000 km Abb. 37: Geologischer Profilschnitt zur Zeit der Sedimentation im Penninischen Ozean. Der überhöhte und schematische Profilschnitt zeigt ergänzend zu Abb. 32 die Sedimentationsräume mit deren Ablagerungen zwischen UrEuropa und Ur-Afrika kurz nach der größten Ausdehnung des Ozeans vor etwa 120 Ma. Die weißen Pfeile zeigen das Auseinanderdriften der Kontinentalplatten unter Bildung von basaltischem Meeresboden. Die graue Linie und Pfeil zeigen die zur Zeit der Mittleren Kreide gerade entstehende Subduktionszone durch den beginnenden Nordschub der Apulisch-Afrikanischen Platte (aktiver Kontinentalrand). Der Penninische Ozean begann sich nun wieder zu schließen. Die unterschiedlichen Farben kennzeichnen die unterschiedlichen Ablagerungsräume. N Abb. 38: Schema der tektonischen Großeinheiten. S Penninische Decken Ostalpine Decken Periadriatische Linie Helvetische Decken Südalpin Molassebecken Aar-Gotthard-Massiv schnell abgetragen, so dass die Darstellung nur eine theoretische Höhe ohne Abtragung zeigt. In früherer Zeit haben die Alpen wohl 6000 - 8000 mNN erreicht. Heute liegen die Gipfelhöhen oft um 3000 - 4000 m und erreichen am Mt. Blank 4810 mNN. Die Gesamthöhe der Heraushebung beträgt an die 30 km. Apulische Platte Europäische Platte Der überhöhte Profilschnitt zeigt die Überschiebungen der Gesteinsdecken der Alpen nach dem Zusammenschub von ca. 1000 km auf ca. 100 - 150 km Breite. Die Faltungen und Überschiebungen haben innerhalb der Erdkruste und Unterwasser stattgefunden. In der Realität wurden die Gesteine nach dem Herausheben aus dem Meer ca. 150 km Grafik umgezeichnet und verändert nach: Froitzheim N. et al., 2008: Alpine tectonics of the Alps and Western Carpathians. In: McCann T. (Hrsg.) The Geology of Central Europe Vol. 2: Mesozoic and Cenozoic; Schmid S. et al., 2004: Tectonic map and overall architecture of the Alpine Orogen. –Eclogae Geologicae Helvetiae 97. NW Walliser Alpen Sion Rhone SE Dt. Blanche Matterhorn Breithorn Ostalpines Kristallin Helvetikum Periadriatische Linie Ostalpin Penninikum Ostalpin Periadriatische Linie N Schwarzwald Waldshut Rhein Schweizer Mittelland Luzern Lägernkette karbon Variscischer Gebirgsrumpf Gneise, Granite Altkristallin Autochton Südalpen P. Cramalina Helvetikum Penninikum Sedimente, Kristallin Sedimente, Kristallin Aarmassiv S Mailand Flysch Gotthardmassiv Lago Maggiore Karbonate, Quarzporphyr Molassebecken Südalpin Granite, Metamorphite, Vulkanite Magmatite, Metamorphite Gneise, Granite Europäische Platte Poebene Furka Stanserhorn Trias FaltenMolassebecken jura PermoSedimente 0,1 mm/a Nord- und Zentralalpen Junge Magmatite 0,3 - 1,8 mm/a ca. 150 km Apulisch-Afrikanische Platte Bis zu 6 mm/a im Gebiet um Udine (Friaul, Italien). Abb. 39: Geologischer Profilschnitt der Westalpen (Schweiz) in heutiger Zeit. Der überhöhte Profilschnitt zeigt die tektonische Gliederung der Alpen mit den Gesteinen aus den unterschiedlichen Sedimentationsräumen und die kristallinen Massive in heutiger Zeit. Die dünnen Pfeile veranschaulichen die Überschiebungen der gefalteten Sedimente durch den Schub der Apulisch-Afrikanischen Platte. Die "Periadriatische (Insubrische) Linie" trennt die Zentral- und Ostalpen von den Südalpen. An dieser Naht haben sich die Südalpen etwa 50 - 100 km nach Westen verschoben und die Zentralalpen haben sich gegenüber den Südalpen um mehrere Kilometer gehoben. Das führte dazu, dass heute nördlich kristalline Gesteine an der Oberfläche liegen, während südlich auch Sedimente auftreten (Abb. 41). Das Periadriatische Lineament existierte schon vor der Alpenbildung und wurde alpidisch reaktiviert. 68 Afrikanische Platte Europäische Platte 50 "Sporn" Abb. 40: Geologischer Tiefenschnitt Südwestdeutschland - Alpen - Norditalien. Der nicht überhöhte Nord-Süd-Schnitt zeigt das Abtauchen der Europäischen Erdkrustenplatte unter die Afrikanische Platte im Bereich des zentralen Alpenraumes. Im westlichen und östlichen Alpenraum verhält es sich umgekehrt. Dort taucht die Afrikanische (Apulische) Platte unter der Europäischen Platte ab. Aktuelle Forschungen lassen vermuten, dass der "Sporn" der abtauchenden Europäischen Platte diese aufgrund seines Gewichts in die Tiefe zieht. Das hat zur Bildung des tiefen Molassebeckens beigetragen. Auftriebskräfte führen zum Aufsteigen des leichteren Krustenmaterials. Die Schubkräfte der Afrikanischen Platte spielen beim Aufstieg der leichteren Gesteine zu einem Gebirge eine geringere Rolle, als bisher angenommen wurde (Schlunegger & Kissling, Nature, Okt. 2015). Grafik ergänzt aus O.F. Geyer & M.P. Gwinner (2012): Geologie von Baden-Württemberg. 5. Aufl., Schweizerbart, Stuttgart. Friaul 6 mm/a Abb. 41: Tektonische Gliederung der Alpen. Die Karte zeigt die tektonischen Bauelemente der Alpen, die im Wesentlichen in den ehemaligen Sedimentationsräumen "Helvetikum, Penninikum, Ostalpin und Südalpin" entstanden sind. Die nach Norden gewanderte Apulische Platte dreht sich heute noch mit einem halben Grad/Mio. Jahre um einen Punkt bei Turin gegen den Uhrzeigersinn. Der größte Schub dieser Platte wird heute nördlich von Udine in Friaul, Italien mit etwa 6 mm/a gemessen. Das ist auch die erdbebenreichste Region der Alpen. Grafik ergänzt nach: mr-kartographie.de = heutiger Drehpunkt bei Turin. 69 Abb. 42: Alter und Art der Gesteine der Alpen. Die Karte zeigt die Gesteine der Alpen, unterschieden nach den Zeitepochen ihrer Entstehung und die Gesteinsarten. Grafik verändert nach: mr-kartographie.de 70 Österreich Schubrichtung Bayern Italien Schweiz Frankreich Abb. 43: Blockbild der tektonischen Einheiten der Alpen in heutiger Zeit Die Darstellung zeigt ein vereinfachtes Blockbild mit den wesentlichen tektonischen Einheiten. Der Blick geht von West nach Ost. Grafik ergänzt aus: R. Schuster & K. Stüwe (2010): Die Geologie der Alpen im Zeitraffer. Mitteilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Steiermark, Bd. 140, Graz. 71 Abb. 44: Zeittafel der Alpenbildung. Die Tafel zeigt die zeitlichen Abläufe der wichtigsten Vorgänge im Zusammenhang mit den Kontinentalverschiebungen, den Meeresbildungen, den Sedimentablagerungen und der Gebirgsbildung im alpinen Raum. Orange Balken = Hauptfaltungen der Alpen. 72 6.6 Die Alpen vom Eiszeitalter bis heute Die Alpen wie wir sie heute sehen, wurden in den vergangen 35 Ma gehoben und durch Abtragung morphologisch geformt. Die größte Hebungsphase mit um die 5 mm/Jahr ist aber schon lange vorbei. Heute heben sich die Alpen noch mit 0,3 -1,8 m/Jahr. Im Eiszeitalter (Pleistozän) seit 2,6 Ma wurden während der Kaltzeiten immer wieder große Schneemengen in den Alpen abgelagert, die sich zu Eis verdichtet haben. Diese Eismassen haben sich mehrfach als breite und über 1000 m mächtige Gletscherströme aus den Tälern der Alpen heraus bis weit in die Vorländer geschoben. In den Alpen ragten dann nur noch die höchsten Gipfel aus dem Eis. Die niedrigen Temperaturen haben zu einer verstärkten Frostverwitterung und zu einer starken Auflockerung der Felsgesteine beigetragen. Durch den Schub der Gletscher von z.T. mehreren Metern/Tag durch die Alpentäler bis in die Vorländer wurde viel Gesteinsmaterial abgetragen und als Gesteinsschutt, Kies, Sand und Schluff im Eis und auf dem Eis wegtransportiert. Das Gletschereis hat die Gesteine v.a. an den Talflanken abgehobelt und die V-förmigen Täler der Wassererosion zu den U-förmigen Tälern der Gletschererosion verbreitert und vertieft. Die heutigen schroffen Gebirgslandschaften mit scharfen Graten, tiefen Karen, steilen Bergflanken und übertieften Tälern sind hauptsächlich durch die Erosion der Gletscher während der Eiszeiten geformt worden. Die mächtigen Schuttabtragungen wurden von den Gletschern bis weit in die Vorländer am Rande der Südalpen und in Süddeutschland transportiert und dort als weitgeschwungene und kuppige Moränenzüge und als langgezogene und ebene Schotterflächen abgelagert. Diese Ablagerungen haben das Voralpenland umgestaltet und geprägt. Am Alpenrand entstanden von den Gletschern übertiefte Becken, die nach dem Rückzug der Gletscher mit Schottern, Moränen und Torf verfüllt wurden oder sich zu Seen entwickelt haben, z.B. Bodensee und Genfer See. Nach dem Rückzug und Abschmelzen der Gletscher in den Alpen gegen Ende der WürmKaltzeit vor etwa 18000 - 12000 Jahren kam es durch den Wegfall des abstützenden Eises zu zahlreichen Bergstürzen und zur Ausbildung von mächtigen Schuttfächern und Schuttablagerungen in den übertieften Tälern. Durch den Wegfall der Eislast auf dem Gebirge, etwa 62 Billionen Tonnen im gesamten Alpenraum, kommt es bis heute zu einer zusätzlichen Hebung der Alpen, ähnlich wie auch in Nordamerika und in Skandinavien. Aktuelle Untersuchungen vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam zeigen, dass das abgeschmolzene Eis für 90 % der aktuellen Hebung verantwortlich sein soll. Das heutige Gewässernetz und die Wasserscheiden wurden in den letzten 2 - 0,1 Mio. Jahren angelegt (Abb. 26). In früherer Zeit lag die Hauptwasserscheide der Alpen weiter südlich des heutigen Alpenhauptkammes und die Entwässerung erfolgte von Süden nach Norden in das nordalpine Molassebecken. Verursacht durch den bis heute anhaltenden Schub der Apulisch-Afrikanischen Platte kam es auch weiter entfernt von den sich bildenden Alpen in Süddeutschland zu einer verstärkten Bruchtektonik mit Schichtverbiegungen, Verwerfungen, Mulden und Sätteln. Auch die Erdbebentätigkeit in BadenWürttemberg findet hier ihre Hauptursache. Viele andere Gebirge auf der Erde sind auf ähnliche Weise entstanden. Abb. 45: Gletscher und Täler in den Alpen Links der Aletschgletscher und rechts das Lauterbrunnental in der Schweiz. Dieses übertiefte U-förmige Tal ist durch die Erosion der Gletscher entstanden. Bildquelle: Pixabay 73