294_340_BIOsp_0307.qxd 25.04.2007 15:32 Uhr Seite 333 333 Jan Münch Geboren 1972 in Oldenburg. Studium der Biologie an der FAU Erlangen-Nürnberg. 2001 Promotion in der AG von Prof. Dr. Frank Kirchhoff. 2001 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Virologie, Universitätsklinikum Ulm. 2004 Berufung zum Professor als Juniorprofessor am Universitätsklinikum Ulm. ó Gegenwärtig sind weltweit mehr als 40 Millionen Menschen mit dem Humanen Immundefizienzvirus Typ 1 (HIV-1), dem Erreger der Immunschwächekrankheit AIDS, infiziert. Die Zahl der AIDS-Todesfälle seit Beginn der Pandemie 1981 wird auf über 22 Millionen geschätzt. HIV-1 ist ein Retrovirus, welches nach Infektion einer Zielzelle sein Genom in das der Wirtszelle einbaut. Der Eintritt des Virus in die Zielzelle wird vom Hüllprotein gp120/41 vermittelt. Zunächst bindet das äußere Hüllprotein gp120 an den CD4-Rezeptor und die Chemokinrezeptoren CCR5 oder CXCR4. Anschließend finden Umlagerungen im Transmembranprotein gp41 statt: Eine als Fusionspeptid bezeich- Robert-Koch-Postdoktorandenpreis 2006 Natürlicher HIV-Hemmstoff aus menschlichem Blut JAN MÜNCH INSTITUT FÜR VIROLOGIE, UNIVERSITÄTSKLINIKUM ULM nete Region am N-Terminus von gp41 schießt wie eine Harpune in die Membran der Zelle, eine als 6–Helix-Bündel bezeichnete Struktur bildet sich aus und es kommt zur Fusion der Virus- mit der Zellmembran und die Erbinformation des Virus gelangt ins Zellinnere. In der antiretroviralen Therapie werden derzeit für die Klinik Wirkstoffe eingesetzt, welche die viralen Enzyme Reverse Transkriptase und/oder Protease hemmen. 2003 wurde außerdem der bisher einzige HIV-1Eintrittsinhibitor, T20/Fuzeon, zugelassen. Aufgrund der hohen Therapiekosten, der teilweise erheblichen Nebenwirkungen und des zunehmenden Auftretens Medikamentenresistenter Viren ist die Entwicklung neuer Therapeutika dringend erforderlich. Unsere Strategie zur Identifizierung neuartiger antiretroviraler Verbindungen aus Peptidbibliotheken humanen Ursprungs basiert auf der Annahme, dass im menschlichen Blut eine Vielzahl von Verbindungen zirkulieren, welche die HIV-Vermehrung beeinflussen können. Unser Kooperationspartner IPF Pharmaceuticals (Hannover) ist darauf spezialisiert, mittels chromatographischer Methoden aus tausenden Litern Körperflüssigkeiten bioaktive Peptide zu isolieren[1]. Tausende solcher Fraktionen wurden von unserer AG hinsichtlich ihrer Aktivität gegen HIV-1 untersucht, wobei mehrere Hit-Fraktionen gefunden wurden. Die Aufreinigung und Sequenzierung einer Hit-Fraktion ergab ein zwanzig Aminosäurereste umfassendes Fragment von α1-Antitrypsin, einem Serin-ProteaseInhibitor im menschlichen Blut[2]. Das synthetisch hergestellte Peptid (VIRIP, VIRus Inhibitory Peptide) blockiert dosisabhängig und nicht zytotoxisch die Infektion und Replikation von HIV-1 unabhängig vom Korezeptortropismus oder HIV-1-Subtyp (Beispiel in Abb. 1A). Aufgrund der für eine therapeutische Anwendung zu geringen antiviralen ¯ Abb. 1: A, Elektronenmikroskopische Aufnahme von HIV-1-infizierten Zellen in Gegenwart von 1 μM eines optimierten VIRIP-Derivats (links) oder ohne VIRIP (rechts). B, Erhöhte antivirale Aktivität einiger VIRIP-Derivate. P4-CCR5-Zellen wurden in Gegenwart von VIRIP (schwarzes Quadrat) oder VIRIP-Derivaten (Blau) und T20 (Rot) infiziert. 3 Tage nach Infektion wurde die Infektion in einem Biolumineszenztest bestimmt. C, NMR-Struktur des VIRIP-FPKomplexes als Oberflächen-Plot (links) oder Stäbchenmodell (rechts). Weiß: HIV-1-gp41Fusionspeptid. Farbig: VIRIP-Derivat 165. BIOspektrum | 03.07 | 13. Jahrgang 294_340_BIOsp_0307.qxd 334 25.04.2007 15:32 Uhr Seite 334 KARRIERE, KÖPFE & KONZEPTE · BÜCHER Aktivität von VIRIP (mittlere IC50: ∼10 μM) wurden in einer Struktur-Aktivitäts-Korrelationsstudie mehr als 600 VIRIP-Derivate mit veränderter Sequenz, Ladung, etc. synthetisiert und im HIV-1-Hemmtest getestet. Es zeigte sich, dass einige dieser Derivate die HIV-1-Infektion etwa 100fach besser blockieren als das ursprüngliche Peptid (Abb. 1B). Durch Hämolyse-Experimente und NMR-Analysen (Abb. 1C) konnten wir außerdem herausfinden, dass VIRIP die HIV-1Infektion durch einen neuartigen Wirkmechanismus blockiert: VIRIP bindet an eine als Fusionspeptid (FP) bezeichnete Region im N-Terminus des HIV-1-Transmembranproteins gp41 und verhindert dadurch die Verankerung des Virus in der Wirtszellmembran. Interessanterweise ist das Fusionspeptid im Vergleich zu anderen Regionen in HIV-1 hoch konserviert. Eine schnelle Entwicklung von Resistenzen gegen VIRIP bzw. seine Derivate sollte deshalb erschwert sein. Aufgrund der breiten antiretroviralen Aktivität und des neuartigen Wirkmechanismus könnte VIRIP die Therapieoptionen bei einer HIV1/AIDS-Infektion erweitern. ó Literatur [1] Schulz-Knappe, P., Schrader, M., Standker, L., Richter, R., Hess, R., Jurgens, M., Forssmann, W. G. (1997): Peptide bank generated by large-scale preparation of circulating human peptides. J. Chromatogr. A. 776: 125–132. [2] Münch et al. (2007): Discovery and optimization of a natural HIV-1 entry inhibitor targeting the gp41 fusion peptide. Cell. Im Druck. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Jan Münch Institut für Virologie Universitätsklinikum Ulm Albert Einstein Allee 11 D-89081 Ulm Tel.: 0731-50065127 Fax: 0731-50065131 [email protected] óóóóó Taschenlehrbuch „Histologie“ R. Lüllmann-Rauch XVII, 637 S., 703 Abb., 10 Tab., Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2. Auflage 2006. Pb. 29,95 O, ISBN 978-3-13-129242-1 ó War schon die erste Auflage sehr gelungen, so ist dies die zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage umso mehr. Im Volumen ist sie um ca. ein Sechstel erweitert, was im Wesentlichen den Abbildungen zu Gute kam. Dieses Buch ist eine echte Alternative, aus „heimischer Produktion“, zu den anderweitig geschätzten Lehrbüchern der Histologie (zumeist Übersetzungen). Welch ein Unterschied zwischen einem Histologie-Lehrbuch aus demselben Verlag, wenn man das vorliegende mit jenem vergleicht, welches in meiner Studentenzeit zur Verfügung stand. Hier trifft man nun auf eine Fülle von einander gegenüberstehenden Mikrographien und Schemata, Einbindung funktioneller Aspekte in den histologischen Kontext und Erklärungen, die verstanden werden können, ohne immer weitere Quellen zu konsultieren. Auch ist die Gliederung in drei Unterabschnitte sehr sinnvoll: Zellenlehre, allgemeine Histologie und mikroskopische Anatomie. Für Mediziner ist sicherlich ein Plus die Einbindung klinischer Aspekte, und den Biologen kann’s nicht schaden, Histologie an einem prominenten Säugetier zu lernen und so über den Tellerrand hinauszuschauen. Natürlich hat der Verlag auch gute Arbeit geleistet mit den vielfarbigen Bildern, die erfreulicherweise mehr und mehr auch in deutsche Lehrbücher zu erschwinglichen Preisen vordringen. Ich freue mich jedenfalls, dieses schöne und informative Stück unter meinen Büchern zu haben, zum Nachschlagen und Vertiefen. Den Studenten kann ich’s nur empfehlen. ó Helmut Plattner, Konstanz BIOspektrum | 03.07 | 13. Jahrgang