Forschungsschwerpunkte Hauptgegenstand unserer Forschung sind die Erreger von AIDS, die humanen Immundefizienz-viren (HIV-1 und HIV-2). Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leben derzeit weltweit etwa 33 Millionen Menschen mit einer HIV-Infektion oder AIDS. Die Zahl der Neuinfektionen für 2007 wird auf etwa drei Millionen und die Zahl der AIDS-Todesfälle seit Beginn der Epidemie auf insgesamt 25 Millionen geschätzt. In den Entwicklungsländern ist AIDS die häufigste Todesursache bei jungen Männern. Die Kombinationstherapie hat die Überlebenszeit, zumindest in den Industrieländern, deutlich verlängert. Sie führt jedoch nicht zur Eliminierung des Virus und ist nur wenigen HIV-Infizierten zugänglich. Die hohe Prävalenz und das Fehlen eines wirksamen Impfstoffes gegen die HIV-Infektion verdeutlichen den hohen Forschungsbedarf. Unsere Arbeiten verfolgen im wesentlichen folgende Ziele: 1. Herauszufinden, warum HIV-1 im Menschen AIDS verursacht, während nahe verwandte Affenviren (SIV) in ihren natürlichen Wirten nicht zur Erkrankung führen. 2. Neue Inhibitoren von HIV-1 und anderen umhüllten human-pathogenen Viren zu entdecken und weiterzuentwickeln. 3. Die Mechanismen, die bei der sexuellen Übertragung von HIV eine Rolle spielen, aufzuklären und dadurch neue Möglichkeiten für präventive Maßnahmen zu schaffen. 4. Ein wichtiger Unterschied zwischen der pathogenen HIV-1 Infektion und der asymptomatischen SIV Infektion ist die chronische starke Aktivierung des Immunsystems im menschlichen Wirt. Diese führt dazu, dass dessen Regenerationskapazität vorzeitig erschöpft ist und es zur Entwicklung von AIDS kommt. Wir konnten zeigen, dass ein bestimmtes virales Eiweiß, das Nef-Protein, bei HIV-1 die Aktivierung von infizierten TZellen verstärkt, bei den meisten SI-Viren dagegen blockiert. Dieser Unterschied könnte ein wichtiger Grund dafür sein, dass Affenimmundefizienzviren ihren natürlichen Wirten meist keinen Schaden zufügen. Derzeit untersuchen wir, ob der Erwerb eines anderen Gens, welches für das virale Protein U (Vpu) kodiert und das man lediglich bei HIV-1 und seinen Vorläufern findet, dafür verantwortlich ist, dass das HIV-1 Nef Protein seine schützende Funktion verloren hat. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Identifizierung neuer HIV-Inhibitoren aus menschlichen Körperflüssigkeiten oder Geweben. Diese Arbeiten werden in enger Kooperation mit der ViroPharmaceuticals GmbH (Hannover) durchgeführt und haben letztendlich das Ziel neue Medikamente zu entwickeln. Ein optimierter Wirkstoff, der ursprünglich aus menschlichem Blutplasma isoliert wurde und den Eintritt von HIV-1 in die Wirtszelle durch direkte Bindung an das Fusionspeptid des viralen Hüllproteins blockiert, wird derzeit in einer klinischen Phase I/II Studie untersucht. Aufgrund des neuartigen Wirkmechanismus ist dieser Hemmstoff auch gegen HIV-1 Varianten aktiv, die gegen andere Therapeutika resistent sind. Da die Ergebnisse zu HIV-1 sehr vielversprechend sind, arbeitet wir seit kurzem auch an der Entdeckung und Weiterentwicklung von Substanzen, die andere umhüllte human-pathogene Viren, inbesondere das Hepatitis C Virus, blockieren. Obwohl die meisten Infektionen auf den Kontakt mit HIV-infiziertem Sperma beim Geschlechtsverkehr zurückzuführen sind, ist nur wenig darüber bekannt, welche Faktoren die Infektiosität des Virus im Sperma beeinflussen. Wir haben deswegen untersucht, ob in menschlicher Seminalflüssigkeit Faktoren vorhanden sind, welche die HIV-Infektion beeinflussen. Überraschenderweise fanden wir keine neuen Hemmstoffe. Im Gegenteil, wir konnten zeigen, dass Bruchstücke eines Eiweißes, welches im Sperma im Übermaß vorhanden ist, die Infektiosität von HIV drastisch steigert. Die identifizierten Eiweißfragmente bilden amyloide Fibrillen (winzige positiv geladene Stäbchen) aus, die HIV-Partikel mit hoher Effizienz binden und deren Anheftung an die Zielzellen erhöhen. Derzeit arbeiten wir daran herauszufinden, ob amyloide Fibrillen auch bei der sexuellen Übertragung anderer Erreger eine Rolle spielen und an der Entwicklung von Substanzen, welche die Ausbildung der Fibrillen oder ihre verstärkende Wirkung blockieren. Da in naher Zukunft keine effektiven Impfstoffe oder Mikrobizide zur Verhinderung der HIV Übertragung verfügbar sein werden, besteht ein dringender Bedarf an alternativen Strategien um die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Insgesamt ist das Ziel unserer Forschungsarbeiten somit zu verstehen, wie HIV das Immunsystem zerstört, welche Mechanismen zur Kontrolle der Virusvermehrung beitragen und welche Faktoren bei der sexuellen Übertragung von HIV/AIDS eine Rolle spielen. Diese Erkenntnisse sollen dann zur Entwicklung und Evaluierung neuer AIDSTherapeutika und präventiver Strategien genutzt werden. Frank Kirchhoff Januar 2009