TARIFVERHANDLUNGEN IN DER EUROPÄISCHEN METALLINDUSTRIE EUCOB@N-BERICHT 2010 2 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Übersicht 3 2. Tarifverhandlungen 2009/2010 4 2.1 Neue Vereinbarungen 4 2.2 Verhandlungsebenen 4 3. Forderungen 2009/2010 5 3.1 Löhne und Gehälter 5 3.2 Arbeitszeiten 5 3.3 Schulungen 6 3.4 Ältere Arbeitnehmer 6 3.5 Gleichbehandlung 6 3.6 Prekäre Beschäftigung 6 3.7 Sonstiges 7 4. Ergebnisse 2009/2010 7 4.1 Löhne und Gehälter 7 4.2 Arbeitszeiten 7 4.3 Schulungen 8 4.4 Ältere Arbeitnehmer 8 4.5 Gleichbehandlung 8 4.6 Prekäre Beschäftigung 9 4.7 Sonstiges 9 5. Die Stahlumfrage 6. Die Lohnkoordinierungsregel und der VOWA 7. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 9 10 8. Makroökonomische Tendenzen 3 1. Einleitung und Übersicht Die Wirtschaftslage in Europa ist nach wie vor dramatisch. Die Arbeitslosenraten sind hoch, es gibt immer mehr prekäre Beschäftigung, niedrige Lohnerhöhungen (wenn überhaupt welche) und enorm viele Umstrukturierungen. Es ist wichtiger denn je, den EMB sowohl als Teil der täglichen Berichterstattung als auch der alljährlichen Umfrage über die Tarifverhandlungen zu informieren. Normalerweise sollten die detaillierteren Informationen so schnell wie möglich per E-Mail an das Eucoban-Netzwerk gesandt werden; die Hauptpunkte ausgehend von unserem Fragebogen sind hingegen in der Jahresumfrage inbegriffen. Der Fragebogen wurde dieses Jahr in vereinfachter Form präsentiert. Wir haben uns dazu entschlossen, die digitale Umfrage durch ein WordDokument mit neun Fragen zu ersetzen. Einige Fragen aus der vorherigen Umfrage wurden ausgelassen. Zudem haben wir den Fragebogen ins Deutsche und Französische übersetzt und den Mitgliedsorganisationen freigestellt, in allen drei offiziellen EMB-Sprachen zu antworten. Trotzdem war die Teilnahme 2010 nicht höher als 2009. 2010 wurde eine zusätzliche Umfrage für den Stahlsektor durchgeführt. Diese wird im EMBSektorausschuss „Stahl“ ausgewertet. Der diesjährige Bericht ist etwas kürzer und einfacher gestaltet als in den Vorjahren. Auch der Anhang wurde leicht gekürzt und vereinfacht. In dem makroökonomischen Kapitel liegt der Schwerpunkt diesmal weniger auf dem Wirtschaftswachstum und der Beschäftigung, als vielmehr auf Löhnen und Gehältern, Preisen und Produktivität. Dadurch werden die drei Teile des Berichts dieses Jahr besser miteinander verknüpft. Wir hoffen, somit mehr Leser zu erreichen. Während wir an der Verbesserung des Berichts gearbeitet haben – und wir sind zuversichtlich, dass er aufschlussreicher ist -, hat der EMB außerdem seine Koordinierung und den Dialog mit anderen europäischen Verbänden verstärkt. Bart Samyn Stellvertretender Generalsekretär Erlend Hansen Strategieberater 4 2. Tarifverhandlungen 2009/2010 2.1 Neue Vereinbarungen Der vorliegende Eucoban-Bericht gibt Aufschluss über die Laufzeit, die Forderungen und die Ergebnisse der neuen Vereinbarungen in Belgien (SETCa), Bulgarien (Metallicy), der Tschechischen Republik, Finnland (Metalli und Union of Salaried Employees (Angestelltengewerkschaft)), Frankreich, Deutschland, Norwegen (Fellesforbundet), Spanien (Verträge auf Provinzebene) und Schweden (IF Metall und Unionen). Die Gültigkeit der neuen Vereinbarungen ist unterschiedlich. Die meisten haben eine Laufzeit von 1-3 Jahren. Einige Tarifverträge sind Krisenvereinbarungen mit einer begrenzten Laufzeit. Die meisten Vereinbarungen lauten erga omnes, was bedeutet, dass sie für alle Arbeitnehmer gelten, siehe Tabelle 2.1 im Anhang. Wir haben auch zahlreiche Antworten auf Frage 9 der Umfrage über die nächste Tarifverhandlungsrunde erhalten. Einige Mitgliedsorganisationen sagen, es sei zu früh, bereits jetzt mitzuteilen, welche Forderungen gestellt werden, da die formellen Entscheidungen erst noch gefällt werden müssen. Diejenigen, die bereits wissen, wie die nächsten Prioritäten lauten, geben Lohnerhöhungen sowie Mindestlöhne und -gehälter an. Ebenfalls genannt werden Renten, Vorruhestand, prekäre Beschäftigung (EMB-Kampagne) und Entlassungsschutz. Nur wenige Mitgliedsorganisationen erwähnten bislang Schulungen, siehe Tabelle 2.2 im Anhang. 2.2 Verhandlungsebenen Die zweite Frage in der Umfrage bezog sich auf die Tarifverhandlungsebenen. Die Befragten konnten 5 Kästchen ankreuzen. Verhandelten sie auf nationaler Ebene und handelte es sich um sektorale oder intersektorale Verhandlungen? Oder verhandelten sie auf regionaler Ebene und handelte es sich um sektorale oder intersektorale Verhandlungen? In den letzten fünf Kästchen ging es um die Verhandlungen auf Betriebsebene, was lokalen Verhandlungen entspricht. Die Befragten konnten mehr als ein Kästchen ankreuzen. 25 von 33 Mitgliedsorganisationen, die an der diesjährigen Umfrage teilnahmen, gaben an, auf nationaler Ebene zu verhandeln. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass sie genau in dem Zeitraum ihre Verhandlungen führten, der durch vorliegenden Eucoban-Bericht abgedeckt wird. Die meisten Gewerkschaften verhandelten lediglich auf nationaler sektoraler Ebene. Einige verhandelten sowohl auf sektoraler als auch auf intersektoraler Ebene. Die norwegischen 5 Angestelltengewerkschaften NITO und TEKNA und die schwedische IF Metall verhandelten auf nationaler Ebene, aber nur intersektoral. In Belgien, Frankreich, Deutschland, der Slowakei und letztendlich auch in Spanien werden die Verhandlungen auf regionaler Ebene geführt und zwar auf sektoraler und auf intersektoraler Ebene. In fast allen Ländern fanden Verhandlungen auf Unternehmensebene statt. In Kroatien und der Schweiz verhandelten die EMB-Mitgliedsorganisationen lediglich auf lokaler Ebene. Dies gilt auch für die dänische Angestelltengewerkschaft IDA, siehe Tabelle 2.3 im Anhang. 3. Forderungen 2009/2010 In vorliegendem Berichtsabschnitt werden die Forderungen zusammengefasst. In jedem Absatz wird auf die zugehörige Tabelle im Anhang verwiesen. CO-industri (Dänemark) hat eine neue Strategie eingeführt: die Gewerkschaft legte den Arbeitgebern keine Forderungsliste mehr vor, sondern diesmal begannen die Arbeitgeber die Runde, indem sie mitteilten, zu welchen Zugeständnissen sie bereit waren. Von daher waren die Mindestniveaus von Anfang an bekannt und mit Blick auf bessere Ergebnisse konnte in die Tarifverhandlungen getreten werden. Das erklärt auch, warum es keine Verweise auf CO-industri im Abschnitt Forderungen gibt. 3.1 Löhne und Gehälter Die Lohn- und Gehaltsforderungen waren 2010 höher als 2009, da sich die Krisensituation etwas entspannt hat. In Bulgarien wurde eine 10 %ige Erhöhung gefordert. In der Slowakei 6 % und 5,5 %. Aber die meisten Forderungen waren mit rund 2-3 % (knapp über der veranschlagten Inflationsrate) bescheidener. Die IG Metall forderte zumindest eine Inflationsanpassung und keine Lohnstopps. Einige Arbeitgeber unterbreiteten den Vorschlag, die durchschnittlichen Nominallöhne wie in der Elektrotechnikbranche in der Tschechischen Republik zu senken. In Norwegen wollte Fellesforbundet Teilen des Tarifvertrags einen flächendeckenden Charakter verleihen, siehe Tabelle 3.1. 3.2 Arbeitszeiten Weder 2009 noch 2010 wurden radikale Forderungen im Bereich Arbeitszeiten gestellt. Die Arbeitszeiten bilden natürlich Gegenstand einer großen politischen Debatte in Europa, da die Kommission beabsichtigt, die 6 derzeitige Arbeitszeitrichtlinie zu überarbeiten bzw. zu ersetzen. Änderungen bzw. geringfügige Kürzungen waren nicht die Norm. SMH in Kroatien forderte jedoch als Maßnahme gegen den Konjunkturrückgang eine 32-Stunden-Woche. Die IG Metall forderte neue Bestimmungen in Sachen Kurzarbeit. Skei (Slowenien) wollte eine bessere Abstimmung der Arbeitszeiten auf das Familienleben. Fellesforbundet in Norwegen forderte ein neues System für die Rotationspläne für Kurzarbeiter der wegen knapper Auftragslage vorübergehend entlassenen Arbeitnehmer, siehe Tabelle 3.2. 3.3 Schulungen Schulungsmaßnahmen bildeten den Schwerpunkt der ersten gemeinsamen Forderung des EMB, die 2005 verabschiedet wurde. Es ist darauf hinzuweisen, dass die erste gemeinsame Forderung nicht durch die zweite gemeinsame Forderung, die 2009 beschlossen wurde, ersetzt wurde; beide sind heute noch gültig. In 10 bis 12 Ländern wurden bessere Schulungsrechte gefordert. In Belgien, Frankreich und Spanien verlangten die Gewerkschaften einen Anspruch auf individuellen Bildungsurlaub ein. In mehreren Ländern waren Schulungsmaßnahmen während der Arbeitslosigkeit und im Falle von Entlassungen Hauptthema. FNV, CNV und De Unie (Niederlande) forderten 5 Tage individuelle Schulungsmaßnahmen und Berufsberater, siehe Tabelle 3.3 im Anhang. 3.4 Ältere Arbeitnehmer Ferner fand eine hochpolitische Debatte zum Thema Renten in Europa im Jahr 2010 statt. Die Kommission stellte ihr Grünbuch vor und zahlreiche Staaten erhöhten das Renteneintrittsalter und kürzten die Renten als Teil ihrer Sparmaßnahmen. Im Bereich ältere Erwerbstätige und Tarifverhandlungen hat sich in der vergangenen Periode wenig getan. Es wurden kaum Forderungen gestellt, siehe Tabelle 3.4. Der Entlassungsschutz kurz vor der Verrentung war das Verhandlungsthema schlechthin in Bulgarien und der Slowakei. 3.5 Gleichbehandlung Die bulgarische Metallicy forderte die Gleichbehandlung aller und zwar unabhängig von Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit usw. Andere wiederum wie die Angestelltengewerkschaft IDA in Dänemark verlangten lediglich Statistiken über Löhne und Gehälter. Die Gleichstellung von 7 Männern und Frauen und die Lohngleichheit waren Themen in Slowenien und Schweden wie Tabelle 3.5 zu entnehmen ist. 3.6 Prekäre Beschäftigung Prekäre Beschäftigung ist Schwerpunkt der zweiten gemeinsamen Forderung und in diesem Kontext werden den politischen Behörden, den Arbeitgebern und der Öffentlichkeit u. a. eine Reihe von Forderungen vorgestellt. Da die zweite gemeinsame Forderung im Rahmen der tarifpolitischen Konferenz des EMB im November 2009 verabschiedet wurde, waren die Tarifverhandlungsrunden 2009 bzw. 2010 die ersten, die nach der Konferenz stattfanden. Hier wurden in zahlreichen Ländern ehrgeizige Forderungen, insbesondere in Bezug auf Zeitarbeiter gestellt. Ziel der Mitgliedsorganisationen war es, die Anzahl der Verträge einzuschränken, den prozentualen Anteil der Zeitarbeiter zu begrenzen und Zeitarbeiter in Festangestellte umzuwandeln. Gleiche Löhne für Zeitarbeiter sind ebenfalls von Bedeutung; das Thema bildet Gegenstand der neuen EURichtlinie, die 2011 umgesetzt werden soll. 3.7 Sonstiges Die Forderungen in Tabelle 3.7 sind jene, die nicht in die anderen Kategorien passen, so zum Beispiel die Verbesserung der Gewerkschaftsrechte. Sicherheit und Gesundheitsschutz und Mobbying sind weitere mögliche Themen. 4. Ergebnisse 2009/2010 4.1 Löhne und Gehälter Nur ganz wenigen Mitgliedsorganisationen ist es in den letzten Jahren gelungen, den Lohn- und Gehaltsspiegel ihrer Mitglieder zu erhöhen. Die norwegische Angestelltengewerkschaft NITO bildete eine der Ausnahmen mit 6,9 % im Jahr 2008 und 2,9 % im Jahr 2009. Andere Gewerkschaften - wie in Kroatien - hatten Lohnstopps oder gar -kürzungen zu verzeichnen. Das allgemeine Bild bietet jedoch geringfügige Verbesserungen von 13 %, d. h. knapp über der Inflationsrate. In mehreren Ländern wurden angesichts der krisenbedingten Ungewissheit Pauschalerhöhungen vereinbart. Es ist unwahrscheinlich, dass irgendeine Gewerkschaft auf Pauschalerhöhungen gedrängt hätte, sondern ganz offensichtlich ist es so, dass die Arbeitgeber fürchten, die 2010 erwirtschafteten Gewinne seien 8 nur vorübergehend gewesen, und deshalb zögern sie, permanent höhere Gehaltszusagen zu machen, siehe Tabelle 3.8. 4.2 Arbeitszeiten Wie bereits oben angeführt, wurden in der letzten Runde keine Forderungen in Sachen Arbeitszeiten gestellt. Das spektakulärste Ergebnis gab es in Deutschland zu verzeichnen, wo in mehrere größere Tarifverträge Kurzarbeitspläne aufgenommen wurden. Die IG Metall hat detaillierte Berichte für die Eucoban-Website eingeschickt und auch eine PowerPoint-Präsentation über “Zukunft in Arbeit” auf Englisch zur Verfügung gestellt. In Kroatien wurde die wöchentliche Arbeitszeit in 5 Vereinbarungen auf 32 Stunden gesenkt. In Dänemark ist der “Verfassungstag” nun auch für Angestellte ein Feiertag. Ansonsten gab es keine weiteren oder nur geringfügige Änderungen, siehe Tabelle 3.9. 4.3 Schulungen Wie bereits oben erwähnt, maßen die europäischen Metallgewerkschaften Schulungen und Bildung auch nach der Einführung der zweiten gemeinsamen Forderung eine hohe Priorität bei. In über 10 Ländern wurden Ergebnisse erzielt. In Deutschland knüpften die Sozialpartner als Teil der neuen Vereinbarung “Zukunft in Bildung” teilweise Lohnkürzungen an Qualifikationen. Metallicy (Bulgarien) konnte im Bereich Ausbildung und Umschulungen in Fremdsprachen und Kernkompetenzen Ergebnisse erzielen. Die Gewerkschaft Unionen aus Schweden berichtete von Sonderschulungsrechten für Arbeitnehmer, die nach längerem Fehlen wegen Krankheit zurückkehren, und von einem neuen Schulungssystem zur Vermeidung künftiger Entlassungen. Bei den neuen Schulungsrechten für Metallarbeiter handelt es sich häufig um individuelle Rechte. In einigen Ländern wurden Arbeitsgruppen eingerichtet bzw. Pläne zur Förderung der Kompetenzen geschmiedet, siehe Tabelle 3.10. 9 4.4 Ältere Arbeitnehmer Die slowakische Mitgliedsorganisation OZ KOVO berichtete von einem verbesserten Entlassungsschutz für Arbeitnehmer, die weniger als 5 Jahre vom Renteneintrittsalter entfernt sind. SETCa in Belgien gab an, dass die Altersskalen durch Skalen zur Berufserfahrung ersetzt wurden. CFDT, CFE-CGC, CFTC und FO in Frankreich erzielten Verbesserungen für Arbeitnehmer über 55: Würdigung der älteren Erwerbstätigen, Berufsberatung und Berücksichtigung der Kompetenzen und Erfahrungen von älteren Erwerbstätigen bei der Gestaltung der beruflichen Laufbahn. Der so genannte “FlexÜ”-Tarifvertrag in Deutschland wurde verlängert, siehe Tabelle 3.11. 4.5 Gleichbehandlung Es wurde eine ganze Reihe von Verbesserungen erreicht, insbesondere in Sachen Mutter- und Vaterschutz in Dänemark, Schweden und Finnland, aber auch in Spanien, wo dieser Schutz auch im Falle der Betreuung Pflegebedürftiger gewährt wird. Die bulgarische Gewerkschaft Metallicy konzentrierte sich auf ein breiteres Spektrum von Aspekten im Zusammenhang mit der Gleichberechtigung, einschließlich Alter, Staatsangehörigkeit usw. In Kroatien wurden die jüngsten Verbesserungen in diesem Bereich über das Arbeitsrecht durchgesetzt, siehe Tabelle 3.12. 4.6 Prekäre Beschäftigung In einer Reihe von Ländern wurden im Kontext der zweiten gemeinsamen Forderung des EMB Forderungen im Zusammenhang mit Themenbereichen der prekären Beschäftigung gestellt. Das größte Augenmerk galt wie bereits in vorstehendem Absatz 3.6 erwähnt der Zeitarbeit. In der neuen Vereinbarung von Metallicy steht, dass lediglich ein Zeitarbeitsvertrag unterzeichnet werden darf; der zweite Vertrag muss dann ein Festvertrag sein. In Dänemark wird die neue Zeitarbeitsrichtlinie in den Tarifvertrag eingebunden, nachdem die Parteien dem zugestimmt haben. Der norwegische Gewerkschaftsbund und sein Gegenstück auf Arbeitgeberseite haben eine vorläufige Vereinbarung für den Zeitarbeitssektor verabschiedet. Drei niederländische Gewerkschaftsverbände gingen beispielhaft mit einem guten Ergebnis voran: gleicher Lohn für Zeitarbeiter in den Niederlanden. In der Slowakei (OZ KOVO) wurden prozentuale Grenzwerte für Zeitarbeiter eingeführt. OS KOVO in der Tschechischen 10 Republik berichtete von einer allgemeinen Umsetzung der zweiten gemeinsamen Forderung mittels einer Kooperation zwischen den Vertragsparteien. Es hatten jedoch nicht alle Verbände Ergebnisse vorzuweisen. In Spanien weigerten sich die Arbeitgeber, das Thema prekäre Beschäftigung im Sozialdialog zu behandeln. Berichte aus Frankreich und Kroatien fallen (in dieser Runde) ebenfalls negativ aus. Metallicy gab des Weiteren an, dass alle Auflagen in Sachen Arbeitsschutz und Sozialversicherungsleistungen im Falle der Untervergabe einzuhalten sind, siehe Tabelle 3.13. 4.7 Sonstiges Diese Frage ist für Ergebnisse vorgesehen, die in keine andere Kategorie einzustufen sind wie Gewerkschaftsrechte, Sicherheit und Gesundheitsschutz usw. Leider wird zu häufig auf die Kategorie “Sonstiges” zurückgegriffen. Ein interessanter Bericht stammt von CO-industri in Dänemark, wo zum ersten Mal Abfindungszahlungen in einen Tarifvertrag aufgenommen wurden. Im Falle von Entlassungen wird durch Abfindungszahlungen seitens des Arbeitgebers die Differenz zwischen dem ehemaligen Gehalt und dem Arbeitslosengeld gesenkt. Eine französische Gewerkschaft (FTM-CGT) gab an, dass die letzte Tarifverhandlungsrunde eine nationale Debatte über die Industrie auslöste. Die anderen französischen Mitgliedsorganisationen beschrieben detailliert eine neue Sparte der Sozialagenda mit neuen Verwaltungsinstrumenten für Beschäftigung und Fertigkeiten, siehe Tabelle 3.14. 5. Die Stahlumfrage Zum ersten Mal führte der EMB eine zusätzliche Sonderumfrage für den Stahlsektor durch. Diese Umfrage ist auf eine Initiative des EMBSektorausschusses „Stahl“ im Frühjahr 2010 zurückzuführen. Der Fragebogen für diesen Sektor unterscheidet sich ein wenig. So werden beispielsweise nicht ausdrücklich die Forderungen und Ergebnisse angezeigt, sondern lediglich Fragen nach den Vertragsthemen gestellt. Wir haben 20 Antworten auf unseren Stahlfragebogen erhalten, von denen drei einen Industriekonzern betreffen, nämlich ArcelorMittal. In Anhang 2 verweisen die Tabellen auf die Stahlumfrage (Tabellen 5.1 und 11 5.2). Uwe Fink von der IG Metall fertigte eine PowerPoint-Präsentation der Stahlumfrage an. Tabelle 5.1 enthält einen Terminplan für die Tarifverhandlungen sowie Informationen über neue Vereinbarungen, Laufzeiten, deren Struktur, den Deckungsgrad usw. In Tabelle 5.2 werden die Verhandlungsebenen und die Verhandlungsthemen der letzten Runde erläutert. Stahlgewerkschaften verhandeln auf nationaler, Branchen-, regionaler und Unternehmensebene. Mindestlöhne werden auf nationaler Ebene beschlossen. Es gab nur wenige Lohnerhöhungen in der letzten Runde, aber die positivsten Entwicklungen waren in Deutschland und Schweden zu verzeichnen. Weitere wichtige Verhandlungsthemen lauteten prekäre Beschäftigung, Entlassungen, Versetzungen von Mitarbeitern und Sicherheit und Gesundheitsschutz. 6. Die Lohnkoordinierungsregel und der VOWA Die EMB-Mitgliedsorganisationen haben eine Lohnkoordinierungsregel verabschiedet, die im Wesentlichen besagt, dass jede Organisation für einen Inflationsausgleich und eine faire Beteiligung am Produktivitätszuwachs (50 %) einstehen sollte. Diese Regel wurde Ende der 90er-Jahre verabschiedet, als niemand die dramatischen Veränderungen gegen Ende des letzten Jahrzehnts vorhersehen konnte. Beträgt beispielsweise die Lohnerhöhung auf einer jährlichen Basis 3 % und die Inflationsrate 1 %, so liegt die tatsächliche Lohnerhöhung bei 2 %. Steigt die Produktivität um 4 %, so macht die tatsächliche Lohnerhöhung die Hälfte davon aus. In den Eucoban-Umfragen werden die Mitgliedsorganisationen gebeten, den Wert des gesamten Vertrages (den VOWA) zu ermitteln. Sie sollten, insofern möglich, lohnfremde Elemente einbeziehen. Nach Abzug der Inflationsrate entsprechend den allgemein anerkannten europäischen Zahlen, erhalten wir den Inflationsausgleich (IA), welcher die tatsächliche Lohnerhöhung ausgedrückt in Prozent ist und der auch einige lohnfremde Elemente wie Schulungen und Renten beinhaltet. Nach zusätzlichem Abzug der Produktivität erhält man die ausgewogene Beteiligungsrate an der Produktivität (ABRP). 2008 und 2009 sank die Produktivität in einer Vielzahl von europäischen Ländern, aber ganz offensichtlich veranlasste dies die Gewerkschaften nicht, Kürzungen des Lohnniveaus zu fordern. In diesen Ländern lag die 12 ausgewogene Beteiligung am Produktivitätswachstum (ABPW) merkwürdigerweise über dem IA. In mehr als einem Land gab es eine ABPW von 7 und 8 %. 2010 pendelte sich die Lage mehr oder weniger wieder auf „Normalstand‟ ein. Es gab vergleichsweise geringfügige Lohnerhöhungen, aber die Produktivität steigt wieder. Da die Lohnerhöhungen so niedrig sind, liegen die Löhne und Gehälter hinter der Produktivität zurück. Die Veränderungen zwischen 2009 und 2010 (Tabellen 4.3 und 4.4) sind nicht normal. 7. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Die Beteiligungsrate an der diesjährigen Umfrage war fast genauso wie 2009. Solange allerdings nur die Hälfte der Länder unseren Fragebogen beantworten, ist der Deckungsgrad des Eucoban-Berichts weiterhin niedriger als wir uns dies wünschen. Der vorliegende Bericht zeigt, dass die Wirtschaftsentwicklung positiver verlief als 2008 und 2009. Die Produktivität steigt wieder. Die Lohnerhöhungen sind gering und mehrere Gewerkschaften mussten sich in der letzten Runde mit Pauschalerhöhungen zufrieden geben. Die EMB-Mitgliedsorganisationen verfolgen die beiden gemeinsamen Forderungen aktiv und loyal in ihren nationalen Tarifverhandlungsrunden. Der Kampf zur Einschränkung von Zeitarbeit ist derzeit ein Schlüsselthema für die europäischen Metallgewerkschaften. 13 7. Makroökonomische Tendenzen und ihre Auswirkungen auf Tarifverhandlungen in Europa Einleitung Die Wirtschaftskrise, die Europa 2009 traf, war durch einen unvorhergesehenen Nachfrageschock verursacht. Dieser Schock war durch die Finanzkrise entstanden, deren Tiefpunkt im Herbst 2008 zu verzeichnen war. Das frühere Überangebot von Liquiditäten verwandelte sich plötzlich in eine Kreditklemme. Der darauf folgende finanzielle Stillstand lähmte das Bankensystem und blockierte die Vergabe von Verbraucher- und Investitionskrediten. Die Auswirkungen der finanziellen Krise auf die Realwirtschaft führten zu einer starken und abrupten Schrumpfung des Outputs in der Fertigungs- und Bauindustrie. Mit einer gewissen Verzögerung begann auch die Arbeitslosigkeit zu steigen. Zusätzlich zu den sozialen Konsequenzen hatte der starke Anstieg der Arbeitslosigkeit auch negative Folgen auf die Inlandsnachfrage, was die Krise noch verschlimmerte. Die Gesamtarbeitslosigkeit erreichte in Europa zweistellige Zahlen, obwohl die volle Wirkung des Wirtschaftseinbruchs auf die Arbeitsmärkte teilweise abgefedert wurde. In den meisten europäischen Ländern haben Regierungen und Sozialpartner eine ganze Reihe von Maßnahmen verabschiedet, um die Beschäftigung zu schützen und auszubauen und um die Kaufkraft der Arbeitnehmer zu erhalten. In einigen Mitgliedstaaten folgte jedoch ein steiler Anstieg der Arbeitslosigkeit, wodurch die öffentlichen Haushalte noch stärker unter Druck gerieten. In der jüngsten Zeit hat die Schuldenkrise in der Eurozone die Regierungen einiger Länder mit hohen Schulden und/oder hohem Defizit, wie Irland, Italien, Griechenland, Portugal und Spanien, zur Einführung drakonischer Sparmaßnahmen gezwungen. Unter Druck der Finanzmärkte haben auch Länder mit geringen Verschuldungsquoten, wie Deutschland 14 und Frankreich, weitreichende Konsolidierungsprogramme verabschiedet. Das war der abrupte Abschied von Konjunkturpaketen und der expansiven Steuerpolitik, die die europäische Wirtschaft während der Krise über Wasser gehalten hatten. Jetzt droht eine neue Welle von Sparmaßnahmen den zögerlichen und zerbrechlichen Aufschwung in Europa zunichte zu machen. Lohnkürzungen (vor allem im öffentlichen Sektor) und ausgesprochene Lohnmäßigung vor dem Hintergrund anziehender Preise werden die Verteilung des Einkommens zwischen Löhnen und Gewinnen vermutlich weiter zugunsten der Letzteren verschieben. Es wird erwartet, dass die Reallöhne - nach einem kurzen Anstieg im Krisenjahr 2009 - in ganz Europa stagnieren oder nur schwach ansteigen werden, wodurch ein nachhaltiger Wirtschaftsaufschwung gefährdet wird. Dieses Kapitel bietet eine Übersicht über die makroökonomischen Entwicklungen in Europa seit Beginn der Wirtschaftskrise, wobei der Schwerpunkt auf Steigerungen bei Löhnen, Preisen und Produktivität liegt. Damit soll der wirtschaftliche Kontext skizziert werden, in dem Tarifverhandlungen in Europa 2009 und 2010 stattgefunden haben. Die Kernindikatoren, die berücksichtigt wurden, sind Bruttoinlandsprodukt (BIP), industrieller Output (nach Art der Aktivität) und Arbeitslosigkeit. Wir untersuchen auch Tendenzen bei Arbeitsproduktivität, Inflation, Nominal- und Reallöhnen und bei der Verteilung des Einkommens zwischen Kapital und Arbeit (d. h. Lohnanteil), denen bei Tarifverhandlungen entscheidende Bedeutung zukommt. Wir basieren uns auf zwei vergleichende Datenquellen - Eurostat und AMECO. Es ist zu berücksichtigen, dass Daten für 2010 (und später) Prognosen und mit Vorsicht zu betrachten sind. 15 Makroökonomische Entwicklungen in Europa in den Jahren 2009 und 2010 Die Gesamtwirtschaft: BIP-Tendenzen Europa insgesamt bekam die volle Kraft der Krise 2009 zu spüren, einige Mitgliedstaaten wurden besonders hart getroffen. Die Wirtschaften der baltischen Staaten begannen schon im letzten Quartal 2007 zu schrumpfen und in Irland war der Höhepunkt des BIP-Wachstums sogar schon im ersten Quartal 2007 erreicht (O‟Farrell 2010). Der plötzliche und steile Absturz war in ganz Europa in den letzten zwei Quartalen von 2008 zu spüren. In der ersten Hälfte von 2009 breitete sich die Krise aus (EMB Bericht TV 2009). Abbildung 1 bietet eine Übersicht des BIP-Wachstums 2009 und Schätzungen für 2010. 2009 sank das BIP in den baltischen Staaten dramatisch: um 18 % in Lettland und um 14-15 % in Litauen und Estland. BIP-Rückgänge deutlich unter dem Durchschnitt der EU-27 von -4,1 % wurden in Slowenien (-8,6 %), Finnland (-7,8 %), Irland, Rumänien (beide -7,1 %) und Ungarn (-6,3 %) verzeichnet. In Ländern wie den Niederlanden, Österreich und Spanien lag der Rückgang beim BIP geringfügig unter dem EU-Durchschnitt. Nur in Polen blieb das BIPWachstum positiv (+1,7 %). Aufgrund der Prognose der Europäischen Kommission vom Mai 2010 (EK 2010) wird erwartet, dass das BIP 2010 (im Jahresdurchschnitt) um 1,0 % in den EU-27 und um 0,9 % in der Eurozone steigen wird. In Ländern wie der Slowakei und Polen wird erwartet, dass das BIPWachstum anziehen wird (2,7 %), während die Wachstumsraten im Großteil Europas recht bescheiden bleiben werden. In Lettland, Griechenland, Irland, Litauen und Spanien wird das BIP weiter schrumpfen. Nullwachstum wird in Ungarn und Bulgarien erwartet. Abbildung 1: Jahresveränderungen des BIP real, 2009 und 2010* 16 2009 annual change in % 5 2010* CY PL MT FR EL PT LU BE ES AT EA NL EU SK CZ SE UK DK DE IT BG HU RO IE FI EE SI LT -5 LV 0 -10 -15 -20 Quelle: * Prognose EK 2010. Neue Daten aus nationalen Quellen zeigen, dass der Aufschwung in einigen Ländern im zweiten Quartal von 2010 stärker wurde. Insbesondere Deutschland wies mit einem BIP-Zuwachs von 3,7 % im Jahresvergleich im zweiten Quartal von 2010 eine unerwartet dynamische Entwicklung auf. Das verbesserte auch die Leistung der Eurozone auf einen BIP-Zuwachs von 1,7 % im Jahresvergleich (statt der prognostizierten 1,4 %) im zweiten Quartal von 2010 (Eurostat 2010) und verhalf kleineren EU-Ländern mit einem hohen Exportanteil nach Deutschland zu einer Leistungssteigerung. Der aktuelle Aufschwung wurde durch einen Anstieg der deutschen Exporte angetrieben, die in der ersten Hälfte von 2010 vor allem vom schwachen Euro profitierten. Tendenzen auf dem Arbeitsmarkt Die „Output-Krise“ hatte auch schwerwiegende Auswirkungen auf die europäischen Arbeitsmärkte. Die Effekte wurden mit einer gewissen Verzögerung übertragen und ein Teil des Output-Schocks wurde durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen aufgefangen. Im Jahr zwischen dem zweiten Quartal von 2008 und dem zweiten Quartal von 2009 sank das BIP in den EU-27 um 5 %, während die Beschäftigung um 1,2 % sank und die Arbeitslosigkeit um 2 % anstieg (ETUI 2010). Es gab enorme Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten, wobei Deutschland 17 ein Extremfall am einen Ende des Spektrums war, wo ein substanzieller BIP-Rückgang noch mit einem geringfügigen Anstieg bei der Beschäftigung begleitet wurde, und Spanien am anderen Ende des Spektrums stand, wo ein geringerer BIP-Rückgang zu einem dramatischen Beschäftigungseinbruch führte. Die Arbeitslosigkeit in Europa stieg 2009 im Vergleich zum Jahr davor also weiter an und erreichte 8,9 % in den EU-27 und 9,4 % in der Eurozone. Für 2010 wird im Durchschnitt der EU-27 eine Arbeitslosenquote von 9,8 % erwartet, in der Eurozone 10,3 %. Abbildung 2 zeigt den Anstieg der Arbeitslosigkeit in Prozentpunkten (PP) für die Periode Januar 2009 und Januar 2010. Die stärksten Anstiege waren in Lettland (+10,6 PP), Estland, Irland und in der Slowakei (rund +4 PP) zu verzeichnen, während die Arbeitslosigkeit in Belgien, Deutschland, Luxemburg und Norwegen relativ stabil blieb (d. h. unter einer Steigerung von +0,5 PP). Im Januar 2010 wurden die höchsten Arbeitslosenquoten in Lettland (22,9 %), Spanien (18,8 %), Estland (15,2 %), Litauen (14,6 %), Irland, in der Slowakei (beide rund 14 %) und Ungarn (11,1 %) ausgewiesen. Die vergleichsweise niedrigsten Arbeitslosenquoten wurden für Norwegen (rund 3 %), die Niederlande (rund 4 %) und Österreich (rund 5 %) verzeichnet. 18 Abbildung 2: Arbeitslosenquote in europäischen Ländern, Januar 2009 und Januar 2010 Jan. 2009 Jan. 2010 in % 25 20 15 10 5 LV EE ES IE LT SK PT HU FR EL EA EU FI SE PL IT CZ BG BE DE UK DK RO MT SI CY LU AT NL NO 0 Quelle: Eurostat 2010 Die jüngsten Eurostat-Daten zeigen, dass die Arbeitsmärkte 2010 weiterhin schwierig waren, da die Arbeitslosigkeit weiter zunahm, aber nicht mehr so stark - beispielsweise in den EU-27 um 0,7 Prozentpunkte zwischen Juni 2009 und Juni 2010. Die Arbeitslosigkeit stieg in dieser Periode in den baltischen Staaten, in der Slowakei und in Bulgarien weiter an (rund +3 bis 6 Prozentpunkte), während sie in Ländern wie Österreich, Deutschland und Luxemburg leicht zurückging (rund -1 bis -0,5 Prozentpunkte). Ökonomische Tendenzen in der Industrie Die längerfristige Entwicklung des industriellen Outputs (also zwischen März 2001 und März 2010, ausgenommen Baubranche) zeigt, dass nach dem Höhepunkt des Jahrzehnts in der ersten Hälfte von 2008 in den 12 Monaten, die darauf folgten, ein plötzlicher Einbruch um 20 Prozentpunkte folgte. Abbildung 3 zeigt die Veränderungen im Quartalsvergleich in der industriellen Produktion in den EU-27 und der Eurozone für diese Periode. Sie zeigt, dass die Krise, die ein Jahr dauerte, die industrielle Aktivität unter das Niveau von 2001 drückte und dass erst der aktuelle Aufschwung sie wieder auf dieses Niveau brachte. 19 Wir müssen auch betonen, dass der Rückgang in der Fertigung um 20 % während der schlimmsten Phase der Krise zu einem Rückgang der Beschäftigung in der Fertigung in Europa um 6 % führte (vgl. EMB 2009). Einerseits zeigt das die Wirksamkeit der Maßnahmen seitens der Sozialpartner und der Staaten, um die Auswirkungen des Output-Schocks auf die Beschäftigung aufzufangen (Glassner and Galgóczi 2009; Glassner and Keune 2010). Andererseits bremst das auch den möglichen Beschäftigungszuwachs im aktuellen Aufschwung, da Unternehmen eher Produktionsreserven nutzen könnten, statt neue Arbeitnehmer einzustellen. Abbildung 3: Index der industriellen Produktion, Industrie gesamt (ausgen. Baubranche), Eurozone und EU-27, Veränderungen im Quartalsvergleich (März 2001 bis März 2010) Quelle: Eurostat 2010a. Abbildung 4 zeigt Wachstumsraten im Jahresvergleich für den industriellen Output verschiedener Produktgruppen für die Periode Juni 2009 bis März 2010. Im Juni 2009 wurde der größte Output-Einbruch (im Vergleich zum selben Monat des vorigen Jahres) für Investitionsgüter, Halbfertigwaren und langlebige Konsumgüter (rund -21 %) verzeichnet, 20 verglichen mit einem Rückgang des gesamten industriellen Outputs von nahezu 16 % in derselben Periode. Diese Kategorien umfassen das Rückgrat des breiter gefassten Metallsektors, wie Maschinenbau, die Automobilindustrie und Lieferanten von Elektronikkomponenten. Diese Sektoren wurden durch die Output-Krise, die Europa in der Periode zwischen Herbst 2008 und Frühling 2009 erreichte, am stärksten getroffen (vgl. EMB 2009). Der industrielle Output sank in geringerem Ausmaß in den Bereichen Energie (-7 %) und nicht langlebige Konsumgüter (-2,6 %). In der zweiten Hälfte 2009 blieb der Rückgang im Jahresvergleich beim Output für Investitionsgüter am größten (-17 % im September und -7 % im Dezember 2009). Beim industriellen Output ist im März 2010 verglichen mit demselben Monat des vorigen Jahres eine Trendumkehr festzustellen. Im ersten Quartal 2010 (verglichen mit demselben Quartal des vorigen Jahres) stieg der Output in den EU-27 am stärksten für Halbfertigwaren (+11,6 %), verglichen mit einem Anstieg beim industriellen Output insgesamt von 6 %. Der Output stieg in derselben Periode um 4,9 % bei Investitionsgütern, 3,8 % bei langlebigen Konsumgütern, 3,2 % bei nicht langlebigen Konsumgütern und 2,9 % im Energiebereich. 21 Abbildung 4: Industrielle Produktion, Veränderungen im Jahresvergleich 15 June-09 10 sept-09 Dec-09 March-10 5 0 -5 Total industry -10 Intermediate goods Energy Capital goods Durable consumer goods Non-durable consumer goods -15 -20 -25 Quelle: Eurostat 2010a. Tendenzen bei Produktivität, Inflation und Löhnen Nach der Übersicht über die wichtigsten Tendenzen der europäischen Wirtschaft wenden wir uns nun Prozessen zu, die direkte Auswirkungen auf das Tarifverhandlungsklima in Europa haben. Entwicklungen von Produktivität, Inflation und Löhnen sind in dieser Hinsicht von entscheidender Bedeutung und werden in den folgenden Abschnitten präsentiert. Wir verwenden harmonisierte Daten aus der AMECODatenbank der Europäischen Kommission, die im Mai 2010 auf den letzten Stand gebracht wurden. Das bedeutet, dass Zahlen für 2010 auf Prognosen basieren, die im Mai 2010 angestellt wurden, und von Zahlen abweichen können, die zu einem späteren Zeitpunkt in nationalen Statistiken auftauchen. Wir denken dennoch, dass eine Übersicht vergleichbarer Daten nützlich ist, um die wichtigsten Tendenzen darzustellen. 22 Arbeitsproduktivität Es ist nicht überraschend, dass die Produktivität im Durchschnitt während der Krise gesunken ist, da der sinkende Output nicht notwendigerweise zu einer entsprechenden Streichung von Arbeitsplätzen führte. Abbildung 5 zeigt in den EU-27 2009 einen Rückgang der Arbeitsproduktivität, gemessen als Real-BIP pro Beschäftigten, von 2 %. Obwohl es starke Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern gibt, war eine beträchtliche Senkung der Produktivität eine wesentliche Tendenz, die überall zu beobachten war. Durchschnittlich sank die jährliche Arbeitsproduktivität 2009 in Litauen um fast 9 %, in Rumänien und Slowenien um etwa 6 % und in Estland, Finnland und Deutschland um etwa 5 %. In Ländern wie Österreich, Belgien, der Tschechischen Republik, Ungarn, den Niederlanden, Schweden und GB sank die Arbeitsproduktivität um 3-4 %, verglichen mit einem EU-weiten Rückgang von etwa 2 %. In Irland und Spanien stieg die Arbeitsproduktivität respektive um 1 % und 3,3 %, vor allem aufgrund eines steilen Anstiegs der Arbeitslosigkeit. In Polen, das noch nicht durch die Output-Krise getroffen war, stieg die Arbeitsproduktivität 2009 um mehr als 1 %. Abbildung 5 präsentiert auch die Prognose 2010 für die jährlichen Veränderungen der Arbeitsproduktivitätsrate. Sie zeigt eine deutliche Umkehr des vorübergehenden Produktivitätsrückgangs während der Krise, der in der zweiten Hälfte 2008 einsetzte und 2009 anhielt (AMECO 2009). Es sollte berücksichtigt werden, dass die Zahlen für 2010 Prognosen und mit Vorsicht zu betrachten sind. Die prognostizierten Wachstumsraten der Produktivität sind am höchsten für die Slowakei (4,7 %) und die baltischen Staaten: rund 4 % in Lettland und Estland und rund 3 % in Litauen. Dynamische Produktivitätssteigerungen werden auch in der Tschechischen Republik, in Dänemark und Slowenien (rund 3,5 %) sowie in Irland und Polen (rund 3 %) erwartet. In den baltischen Staaten ist der Anstieg der 23 Arbeitsproduktivität höchstwahrscheinlich auf eine weitere Steigerung der Arbeitslosigkeit zurückzuführen. In Österreich, Bulgarien, Ungarn und GB wird für 2010 eine Zunahme der Arbeitsproduktivität von 1 bis 1,5 % erwartet. Ein Rückgang der Produktivität wird 2010 nur für Griechenland erwartet (-1 %). Abbildung 5: Änderung der Arbeitsproduktivität im Jahresvergleich in den EU-27, 2009-2010* (%) 2009 2010 6 4 2 0 -4 LT RO SI LV DE FI EE LU UK NL CZ SE HU AT BE IT SK EU BG EA MT DK NO CY FR EL PT IE PL ES -2 -6 -8 -10 Anmerkung: * Prognose. Quelle: AMECO 2010. Inflation Die Veränderungen der Inflation im Jahresvergleich zwischen 2009 und (Prognose) 2010 sind in Abbildung 6 dargestellt. Die Preisentwicklungen waren 2009 sehr gemäßigt (gemessen in harmonisierten Verbraucherpreisindizes), obwohl es gewisse Abweichungen zwischen den „alten“ EU-15 und den „neuen“ Mitgliedstaaten in Mittel- und Osteuropa gab. Daher war die durchschnittliche Jahresinflationsrate für die EU-27 höher (bei etwa 1 %), als jene der Eurozone (0,3 %). Während die Eurozone 2009 sogar kurz eine Deflation verzeichnete, stieg die Inflation in Rumänien um 5,6 % und in Ungarn, Litauen und Polen um etwa 4 %. In Belgien, Estland, Frankreich und Spanien blieben die Preise 2009 24 weitgehend stabil. Die Preise sanken aber in Irland (-1,7 %) und Portugal (-0,9 %). Für 2010 werden die Preise in Europa wieder anziehen, werden aber noch immer unter dem 2-%-Ziel der Europäischen Zentralbank bleiben. Auch eine nivellierende Tendenz der Preisentwicklungen zwischen den EU-15 und den mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten der EU ist zu beobachten. Das wird in der durchschnittlichen Jahresinflationsrate für die EU-27 (1,8 %) und für die Eurozone (1,5 %) reflektiert. Die größten Preissteigerungen werden in Ungarn (4,6 %) und Rumänien (4,3 %) erwartet. Die negative Inflationsrate von mehr als 3 %, die für Lettland erwartet wird, bereitet Anlass zur Sorge. Die Nominallöhne in Lettland sind zwischen dem dritten Quartal von 2008 und 2009 um mehr als 11 % abgestürzt (Abbildung 7). Abbildung 6: Inflationsraten, 2009-2010* 7 2009 2010 6 5 4 3 2 1 -1 IE PT ES BE LU FR CY EE DE EA AT CZ IT SI SK EU NL DK EL FI MT SE UK NO BG LV PL HU LT RO 0 -2 -3 -4 Anmerkung: * Prognose. Quelle: AMECO 2010. 25 Lohnentwicklungen Abbildung 7 zeigt die Entwicklung der Nominallöhne 2009 und die erwarteten Tendenzen für 2010 für die Gesamtwirtschaft, basierend auf AMECO-Daten. Für 2009 ist das Bild gemischt, da verschiedene Effekte gleichzeitig auf die Löhne eingewirkt haben. Das verstärkte bestehende Unterschiede zwischen einzelnen Mitgliedstaaten, die schon früher recht ausgesprochen waren. Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise haben die Löhne zeitverzögert erreicht. Die negativen Wirkungen auf die Löhne erschienen zuerst in jenen Ländern, in denen die Krise früh begann und/oder wo sie besonders tief war, wie beispielsweise in den baltischen Staaten und in Irland. In Lettland sanken die Nominallöhne 2009 um 12 %. Es gibt starke Hinweise dafür, dass der Rückgang bei den Nominallöhnen mit Sparmaßnahmen und Lohnkürzungen im öffentlichen Sektor in Zusammenhang standen, die schon früh eingeführt wurden. Litauen, Estland und Irland mussten ebenso einen substanziellen Rückgang der Nominallöhne hinnehmen. In Deutschland, der größten Wirtschaft der EU, stagnierten die Nominallöhne 2009 aufgrund verschiedener Faktoren. Zuerst stiegen die Nominallöhne noch stark aufgrund der höheren Inflation in der früheren Periode, in der die meisten Tarifverträge abgeschlossen wurden. Mit der anhaltenden Krise geriet diese ursprüngliche Lohndynamik ins Stocken. Das lag an der Annahme neuer Tarifverträge, die auf einem niedrigeren Niveau abgeschlossen wurden und oft (vorübergehende) Abweichungen von höheren Verträgen erlauben, wenn ein Unternehmen einer gespannten Wirtschaftssituation gegenübersteht. Ferner unterminierten die kurzfristigen Arbeitsvorteile die Löhne, die die Arbeitnehmer tatsächlich mit nach Hause nehmen. Die allgemeine Wirkung dieser gegensätzlichen Tendenzen zum Jahresende führte dazu, dass die 26 durchschnittliche Nominallohnerhöhung für das ganze Jahr leicht negativ wurde. Für andere Länder gelten diese Tendenzen ebenso, aber in einem anderen Ausmaß und mit anderen Resultaten zum Jahresende. Für jene Länder, in denen explizite Lohnkürzungen vorgenommen wurden, wie die baltischen Staaten und Irland, war die Situation sogar noch schlimmer, wie Abbildung 7 zeigt. Abbildung 7: Durchschnittlicher Nominallohn, 2009-2010* annual change (%) 10 2009 2010 5 LV LT EE IE EU CZ HU DE MT UK SE LU FR EA BE IT NL FI AT SI RO NO ES PL DK PT SK CY EL BG 0 -5 -10 -15 Anmerkung: * Prognose. Quelle: AMECO 2010. 21 EU-Mitgliedstaaten hatten 2009 noch einen Nominallohnzuwachs vorzuweisen. In Bulgarien und Griechenland war der Lohnzuwachs außergewöhnlich hoch, mit respektive +8 % und 6 %. In der Mehrzahl der EU-Länder blieb der Lohnzuwachs in der betreffenden Periode ebenso positiv, mit Nominallohnzuwächsen von zwischen 2 und 4 % in Belgien, Luxemburg, Österreich, Portugal, in der Slowakei, in Slowenien und Spanien. Das lag vor allem daran, dass Lohnerhöhungen in einigen 27 Ländern in Tarifverträgen vereinbart waren, die vor dem Beginn der Krise im Herbst 2008 abgeschlossen worden waren. Die Wirkung der „Vor-Krisen“-Verträge war aber nicht stark genug, um den Nominallohnzuwachs in den EU-27 im Durchschnitt im positiven Bereich zu halten; die Nominallöhne sanken 2009 um 0,9 %. Für die Eurozone wiesen die Nominallöhne jedoch eine Steigerung von fast 2 % auf, trotz der schlechten Leistung von Deutschland. Die Prognose für 2010 erwartet einen gewissen Ausgleich der Unterschiede zwischen den Ländern. Dementsprechend wird erwartet, dass die Nominallöhne im (EU-27) Durchschnitt um etwa 2,2 % steigen werden, während der Nominallohnzuwachs in der Eurozone vermutlich auf 1,3 % sinken wird. Für einzelne Länder bedeutet das, dass die Lohndynamik 2010 in den meisten Fällen gemäßigter sein wird, wobei sowohl Zuwächse als auch Rückgänge geringer ausfallen. Reallohnentwicklungen und die Beziehung zwischen Löhnen und Produktivität Die entscheidende Frage lautet: Was bedeuten diese Tendenzen schlussendlich für die Reallöhne? Es ist auch interessant zu sehen, wie Lohnentwicklungen mit der Produktivität zusammenhängen, auch wenn das während der Krise kurzfristig weniger wichtig war. Insgesamt ist für 2009 festzustellen, dass der (durchschnittliche) Reallohn im EU-27Durchschnitt um 0,55 % und in der Eurozone um 0,88 % gestiegen ist (AMECO 2010). Deutschland verzeichnete einen Rückgang des durchschnittlichen Reallohns um 1,5 %. Die Situation war in Lettland und Litauen am schlimmsten, wo die Reallöhne um respektive 11 und 5 % sanken, was zu einem echten Einbruch der Nominallöhne führte. 2009 verzeichneten Bulgarien, Griechenland und die Slowakei die höchsten Reallohnzuwächse mit etwa 4 % in den zwei ersten Ländern und +6 % im zuletzt genannten Land. 28 Die Erwartungen für 2010 sind auch nicht viel günstiger. Laut AMECO werden die Reallöhne in den EU-27 vermutlich um 0,37 % und in der Eurozone um 0,61 % steigen. Griechenland, Ungarn, Estland und Rumänien werden vermutlich die stärksten Kürzungen hinnehmen müssen (respektive -3,6 %, -2,7 %, -2,2 % und -2,1 %). Für GB und Irland werden 2010 auch Rückgänge bei den Reallöhnen erwartet (um etwa 1 %). In Spanien und Deutschland wird eine vorsichtige Steigerung erwartet (um respektive 0,5 % und 0,8 %). Eine vollständige Übersicht der Komponenten der Lohnformel Nominallöhne, Inflation und Produktivität (auf Grundlage von AMECODaten1) - ist für die Eurozone in Abbildung 8 dargestellt. Aufgrund des vorübergehenden Rückgangs des Produktivitätswachstums im Jahr 2009 (um -2 %) bedeutet der Reallohnzuwachs von 0,9 %, dass die Lohnformel in diesem Jahr - zumindest formal - „überdurchschnittlich“ war. Das war in den EU-27 aber nicht der Fall, wo sowohl Produktivität und Reallöhne 2009 durchschnittlich um 2 % sanken. Die Prognose für 2010 für die Eurozone erwartet bei den Reallöhnen einen geringeren Zuwachs (und zwar etwa 1,5 %) als bei der Produktivität (fast 2 %). Für die EU-27 (für die keine vergleichenden Zahlen vorliegen) beträgt die negative Abweichung von der Lohnformel 2010 vermutlich 1,6 %, mit einem Produktivitätszuwachs von 2 % und einem Reallohnzuwachs von 0,4 %. Abbildung 8: Nominal-/Reallöhne, Inflation und Produktivität 2005-2011 (Eurozone) 1 Es ist festzuhalten, dass AMECO-Daten zu Reallöhnen von den Daten abweichen, die in der Frühjahrsprognose der Kommission präsentiert wurden. Die Abweichung entsteht vor allem durch die verschiedenen Deflatoren, die zur Einschätzung der Reallöhne herangezogen wurden. Die AMECODaten basieren auf dem BIP-Deflator, während die Prognose der Kommission zu den Reallöhnen auf Durchschnittslöhnen bereinigt um den Verbraucherpreis-Deflator basiert. 29 Nom. Compensation annual change (%) Productivity 4 Inflation 3 Real Comp. 2 1 0 -1 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 -2 -3 Quelle: AMECO 2010. Abbildung 9 stellt diese Tendenzen in eine breitere Perspektive und zeigt den Lohnanteil des BIP für einzelne Länder und die EU-27 über einen längeren Zeitraum (2000-2011). Der Lohnanteil im BIP verweist auf das Ausmaß, in dem Arbeitnehmer am akkumulierten Reichtum des Landes oder der Region teilhaben. Abbildung 9 zeigt, dass Arbeitnehmer über das ganze Jahrzehnt einen konstant geringer werdenden Anteil des produzierten Reichtums erhalten haben, ausgenommen im Krisenjahr 20092. Das ist eine eher automatische Korrektur, da die Gewinne während der Krise dahin schmolzen und die Löhne nicht im selben Ausmaß wie das BIP sanken. Die Erwartung der Kommission lautet, dass diese Korrektur in den kommenden zwei Jahren verschwinden wird und dass die niedrigen Vor-Krisen-Niveaus des Lohnanteils im BIP wiederhergestellt werden. Das ist ein negatives Szenario für Arbeitnehmer und bedeutet, dass die Reallöhne vermutlich langsamer als die Produktivität steigen werden. Das 2 Der höhere Lohnanteil in GB ist vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen, eine höhere Beschäftigungsquote (69,9 % 2009 für die Altersgruppe 16-64, während der EU-15-Durchschnitt 64,7 % betrug, vgl. Eurostat, 2010b) und höhere Gehälter für Führungskräfte. Die Zahlen zu den Gehältern für Führungskräfte in den USA (mit ähnlichen Lohnanteilen wie GB) zeigen, dass die CEOGehälter zwischen 2003 und 2007 in den USA jährlich durchschnittlich um 9,7 % real anstiegen, während das für durchschnittliche Arbeitnehmer 0,7 % war (ILO, 2009). 30 Ziel der Tarifverhandlungen muss es also sein, dieser Entwicklung in den kommenden Jahren entgegen zu wirken. Abbildung 9: Angepasster Lohnanteil, EU-27 und ausgewählte Länder, 2000-2011 DE as percentage of GDP ES 66 UK FR 64 EU 62 60 58 56 54 52 50 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Quelle: AMECO 2010. Schlussfolgerungen Auf Grundlage der oben dargestellten makroökonomischen Entwicklungen und Tendenzen können die wichtigsten Risiken der aktuellen makroökonomischen Situation in Europa für einen Wirtschaftsaufschwung und die Auswirkungen auf Tarifverhandlungen folgendermaßen zusammengefasst werden. Obwohl es deutliche Anzeichen für einen Aufschwung gibt, beispielsweise einen steigenden industriellen Output in Europa in den ersten beiden Quartalen 2010, liegt eine Reihe von Faktoren vor, die in Bezug auf die Nachhaltigkeit des aktuellen Wirtschaftsaufschwungs Anlass zur Sorge bereiten. Die einmaligen Auswirkungen der Konjunkturpakete der Regierungen haben 2010 einen gewissen Effekt auf das 31 Wirtschaftswachstum gehabt. Die unerwartet positiven Entwicklungen in der deutschen Wirtschaft waren vor allem auf die vorübergehnde Wirkung des schwächeren Euros zurückzuführen, was vermutlich nicht so bleiben wird. Es gibt Anzeichen einer nachlassenden Dynamik in Bezug auf die Erholung der US-amerikanischen, japanischen und chinesischen Wirtschaft. Das würde deutlich negative Auswirkungen auf die Exporttätigkeit haben, den Motor des europäischen Wachstums in der kommenden Zeit. Noch wichtiger ist, dass die plötzliche Entscheidung der europäischen Wirtschaftspolitik für Sparmaßnahmen mit dem Ziel einer Kürzung der öffentlichen Ausgaben Investitionen und Konsum bedroht und die eigene Basis des Wirtschaftswachstums in Europa fundamental unterminiert. Die „griechische“ und später auch die „Euro“-Krise haben Regierungen und europäische Institutionen, vor allem unter Druck der Finanzmärkte, dazu veranlasst, eine einseitige Politik von Schuldenabbau und Budgetkonsolidierung zu führen. Nicht nur für hoch verschuldete Länder, sondern für ganz Europa besteht die Gefahr, dass der zerbrechliche Aufschwung schnell in einer erzwungenen Budget- und Schuldenkonsolidierungspolitik enden könnte. Es gibt aber noch andere Risiken für die Lohnentwicklungen, auch wenn das Szenario eines anhaltenden Aufschwungs Realität wird. Auch vor dem Hintergrund einer positiven Entwicklung der Wirtschaft wird der Arbeitsmarkt noch lange unter Druck bleiben. Mit gefüllten Auftragsbüchern verbessern Unternehmen lieber ihre Leistung, indem sie Produktivitätsreserven ausschöpfen. Das Auslaufen von Kurzarbeitsvereinbarungen in den meisten EU-Ländern 2010 und 2011 lässt auch nicht viel Spielraum für Neubeschäftigung, und man kann nur über mögliche negative Auswirkungen auf die Beschäftigung in jenen Ländern spekulieren, in denen das Wirtschaftswachstum eher schwach bleibt. 32 Der Druck auf zukünftige Lohnentwicklungen ist also mannigfach und, viel wichtiger, entsteht durch die Unsicherheit über den Aufschwung, die schwierige Arbeitsmarktsituation und die möglichen Auswirkungen der Lohnkürzungen im öffentlichen Sektor auf die Privatwirtschaft. Die Prognose der Europäischen Kommission rechnet in den nächsten paar Jahren in Europa auch mit sehr bescheidenen Lohnerhöhungen. Man erwartet, dass die Lohnentwicklungen hinter das Produktivitätswachstum zurückfallen werden. Daher ist es entscheidend, dass die Teilnehmer an den Tarifverhandlungen eine proaktive Haltung einnehmen und eine ausgewogene Entwicklung der Löhne anstreben, die sich an der neuen Dynamik des Produktivitätswachstums orientiert. Eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik liegt nicht nur im Interesse der Arbeitnehmer, sondern ist auch für die europäische Wirtschaft an sich positiv. Das zukünftige Wirtschaftswachstum in Europa wird nicht nur auf der Exportleistung in den Rest der Welt profitieren. Wie wir aus den jüngsten Entwicklungen gesehen haben, ist die Stärkung der Inlandsnachfrage entscheidend für einen nachhaltigen und ausgewogenen Wirtschaftsaufschwung. Verweise EK (2010) Europäische Wirtschaftsprognose - Frühjahr 2010, Europäische Kommission, Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen, Februar. EMB (2009) Bericht Tarifverhandlungen 2009. Kapitel Makroökonomie. Manuskript aktualisiert am 29. März 2010. Eurostat (2010a) Eurostat Pressemitteilung, Euroindikatoren, 68/2010, 12. Mai. Eurostat (2010b) Eurostat Pressemitteilung, 117/2010, 4. August 2010. http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_PUBLIC/304082010-BP/EN/3-04082010-BP-EN.PDF 33 Glassner, V., and B. Galgóczi (2009) „Plant-level responses to the economic crisis in Europe‟, Working Paper 2009.01, Brussels: European Trade Union Institute. Glassner, V. and M. Keune (2010) „Negotiating the crisis? Collective bargaining in Europe during the economic downturn‟, DIALOGUE Working Paper No. 10, Geneva: International Labour Office. Handelsblatt (2010) „Auftragsboom im Juni: „Die deutsche Industrie brummt regelrecht““, 5. August 2010. ILO (2009) Global Wage Report, Geneva http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---dgreports/--dcomm/documents/publication/wcms_116500.pdf O‟Farrell, R. (2010) Wages in the crisis, ETUI Working Paper 2010.03. Brussels: European Trade Union Institute. Datenquellen AMECO (2010) Makroökonomische Datenbank der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen, Juni. Eurostat (2010) Online statistical databases: http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/statistics/themes