Alkohol am Arbeitsplatz

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Arbeitsschutzaspekte
Alkohol am Arbeitsplatz
Das virtuelle
Bildungsnetzwerk
© 2007 Gesamtverband textil+mode
Autor: Dietmar Fries
05.02.2007
Seite 1
Alkohol am Arbeitsplatz
Arbeitsschutzaspekt
Wer sich in schwierigen Lebenssituationen Hilfe von Entspannungs-, Mutmacherund Problemlösungsschlucken verspricht, begibt sich auf eine gefährliche Bahn. Die
Folgen des Griffs zur Flasche werden oft unterschätzt.
Alkohol als „Krankmacher“
Alkoholabhängigkeit ist eine komplexe und komplizierte Erkrankung. Sie erfasst den
ganzen Menschen, bewirkt körperliche und seelische Veränderungen und führt zu
deutlichen Beeinträchtigungen im sozialen Umfeld – also am Arbeitsplatz ebenso wie
in der Privatsphäre. Der Umgang mit Menschen, die den Griff zur Flasche zu ihrer
Bewältigungsstrategie gemacht haben, wird häufig als schwierig empfunden. Von
Ratlosigkeit über Verärgerung bis hin zu Verständnis reicht die Skala der Gefühle,
die Menschen mit Alkoholproblemen entgegengebracht werden.
Die Wirkung des Alkohols erfolgt in drei aufeinanderfolgenden Stadien:
1. Stadium - Heiterkeit
Gefühl von Euphorie, Wohlbehagen, Entspannung, höherem Selbstvertrauen
begleitet von Selbstüberschätzung, abnehmender Selbstkritik, Vergessen von
Sorgen und Pflichten, zunehmender Enthemmung sowie Erschwerung
komplizierter Sinnesfunktionen, z.B. Sehstörungen.
2. Stadium – Mittlerer Rausch
Anstelle der üblichen Überlegung tritt ein gefühl- und wunschgemäßes Denken
mit triebhaften Anwandlungen, denen rasch die Tat folgt. Es kommt zu
Störungen neuromuskulärer Funktionen wie Anstoßen der Zunge, Zittern,
falschen
Bewegungen,
Gleichgewichtsverlust,
beginnenden
Sinnestäuschungen. Häufig schlägt die Stimmung in Reizbarkeit, Ärger, Zorn
um. Körperliche Auseinandersetzungen im Gefolge fröhlich begonnener
Zecherei sind bekanntlich keine Seltenheit.
3. Stadium – Schwerer Rausch
Die Lähmung von Großhirnfunktionen schreitet mit Verlust der Orientierung in
Raum und Zeit, Erschlaffung der Muskeln (auch Schließmuskeln von Blase und
Darm) fort. Ein narkotischer Schlaf verhindert das Weitertrinken. Bei Genuss
massiver Alkoholmengen in kurzer Zeit kommt es zu tödlichen Lähmungen des
Atemzentrums.
Die Intensität der Alkoholwirkung hängt von der Blutalkoholkonzentration ab, die in
Promille gemessen wird. Dabei ist zu beachten, dass ein gleich hoher
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Blutalkoholgehalt von Mensch zu Mensch durchaus verschiedene Auswirkungen
zeigen kann. Selbst bei demselben Menschen kann die Wirkung stärker oder
schwächer sein, je nachdem, in welcher körperlichen Verfassung er sich befindet.
Die folgenden vom Gerichtsmedizinischen Institut der Universität Zürich stammenden
Angaben verdeutlichen die einschlägigen Zusammenhänge:
•
0,3-0,5 Promille:
Verschlechterung der Dunkelanpassung bei Sehen, Herabsetzung des Tiefenund Raumsehens
•
►
0,5-0,7 Promille:
Auch Außenstehenden auffallende Erscheinungen der seelischen Enthemmung
•
►
0,7-1,2 Promille:
Gehobene Stimmung mit Vermeidung der Selbstkritik und Neigungen zu
Unvorsichtigkeiten und Unkorrektheiten
•
►
1,2-1,5 Promille:
Erschwerter Ablauf der Reaktionen, Störungen des Gleichgewichtssinnes und
des Muskelzusammenspiels
•
►
2,9-2,4 Promille:
Grobe Ausfallerscheinungen
•
►
über 2,5 Promille:
Übergang zur alkoholischen Narkose bis hin zu tödlichen Ausfallerscheinungen
Der Weg in die Alkoholkrankheit
„Nicht jeder, der Alkohol trinkt, ist Alkoholiker“, so eine gängige These, „aber jeder,
der Alkohol trinkt, kann Alkoholiker werden“.
Die Übergänge vom Gebrauch zum Missbrauch, vom Genussmittel „Alkohol“ zum
Suchtmittel „Alkohol“ sind fließend. Grenzen lassen sich nicht festlegen –
beispielsweise Verträglichkeitsgrenzen oder täglich ohne Gefahr zu konsumierende
Mengen.
Unter medizinischen Gesichtspunkten ist der Alkoholmissbrauch gekennzeichnet
durch drei Phasen mit spezifischen Merkmalen:
Vorphase
•
schwer erkennbar
•
bagatellisieren von problematischem Trinkverhalten
•
Steigerung der Trinkmenge (Toleranzsteigerung)
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•
Alkohol dient zunehmend der Verminderung psychischer Ängste
Spannungen
•
Schuldgefühle wegen des Trinkens; Aufbau von Erklärungssystemen vor sich
und anderen
•
Heimliches Trinken
•
immer häufiger Betäubung unangenehmer Empfindungen mit Alkohol
•
es kommt zu sozialen Belastungen im Familien-, Freundes- und Kollegenkreis
•
Am Arbeitsplatz ist der Kollege oder Mitarbeiter in dieser Phase meist noch der
gute Kumpel (eine Schwäche zu haben, macht menschlich!)
und
Kritische Phase
•
Deutliche psychische Veränderungen
•
Überangepasst oder großspurig-aggressiv
•
Zunehmende Einengung des Denkens
•
Morgendliches Trinken
•
Depressionen, Selbstvorwürfe, Selbstmitleid, Selbstheilungsversuche (zeitweise
Abstinenzphasen, um zu zeigen, dass der Alkoholkonsum noch gesteuert
werden kann)
•
Keine Bereitschaft, Hilfe anzunehmen
•
Erste körperliche Beschwerden
•
Zunehmende Schwierigkeiten im Beruf und privat
•
Störung des Vertrauensverhältnisses im Kollegen- und Mitarbeiterkreis
•
Vermeidung von Zusammentreffen mit Vorgesetzten, ausweichendes Verhalten
•
Überziehen der Pausen, verändertes Verhalten nach der Mittagspause
•
Frühzeitiges Verlassen des Arbeitsplatzes
•
Gehäufte Fehlzeiten verteilt über Wochen
•
Zunehmende Unruhe, Schweißausbrüche
Chronische Phase
•
Angstzustände
•
Zittern
•
Körperliches Verlangen nach Alkohol (Entzugserscheinungen)
•
Nachlassen der Alkoholverträglichkeit
•
Abbau von ethischen Werten
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•
Ausschluss aus der Gemeinschaft (Scheidung, Kündigung)
•
Abstieg im Sozialstatus
•
Häufig erst zu diesem Zeitpunkt beginnende Krankheitseinsicht
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Die Konsequenz heißt „Handeln“
Die soziale Umgebung des Alkoholgefährdeten oder Alkoholikers, also seine Familie,
die Freunde, die Kollegen, die Vorgesetzten, verhindern durch ihr Verhalten nicht
selten eine Früherkennung – aus mangelndem Wissen oder aus Angst vor den
Konsequenzen.
Nach dem gefährlichen Motto „Wer niemals einen Rausch gehabt...“ macht sich
dieser Personenkreis zu Komplizen des Trinkers, in dem das mehr oder weniger
auffällige Verhalten übersehen und übergangen wird. Aber auch, indem es aus Angst
vor sozialer Mitächtung verschwiegen oder herunter gespielt wird. Und natürlich auch
aus Hilflosigkeit. Vorgesetzte, insbesondere von –noch! – leistungsstarken
Mitarbeitern neigen dazu, ein Auge zuzudrücken und im Hinblick auf gehabte
Verdienste, vor allem aber erwartete überdurchschnittliche Leistungen, die „Fahne“
zu ignorieren.
Der selbe Personenkreis begeht, wenn der Alkoholmissbrauch noch offensichtlicher
wird, einen weiteren gravierenden Fehler. Und der besteht darin, dem
Alkoholauffälligen Ermahnungen und Vorhaltungen zu machen und/oder im mit
Konsequenzen, es Scheidung, sei es Kündigung, zu drohen. Aufgrund des
Suchtscharakters ist dies nicht nur ein unsinniges, sondern ein gefährliches
kontraproduktives Verhalten, treibt es den Trinker doch nur weiter in die Isolation und
damit zur Flasche.
Im Interesse aller Beteiligten gibt es nur eine einzige zuverlässige
Verhaltensalternative: Verbindliches Handeln. Nicht lamentieren, tabuisieren oder
dramatisieren, sondern das Problem thematisieren und professionelle Unterstützung
einleiten.
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