Rinkens/Eilerts Didaktik der Geometrie (Klasse 7 – 10) WS 08/09 Musterlösung zur 2. Übung 1) Vorkenntnisse: - Winkelbezeichnungen - Winkel bestimmen - 180° = Gerade (gestreckter Winkel) - Winkel und Gerade konstruieren können - Geraden / Schnitt von Geraden kennen - Problemlösungen beherrschen (incl. logische Fähigkeiten) - Satz über Nebenwinkel kennen und anwenden können - Lösen von einfachen Gleichungen 2) Hauptziel: Mit der Formulierung und dem Beweis des „Nebenwinkelsatzes“ ist keineswegs sichergestellt, dass die Schüler den Satz verstanden haben und seine Bedeutung einschätzen können. Um das zu gewährleisten, sind eine Reihe von Aktivitäten nötig, mit denen man das Verstehen fördern und kontrollieren kann. Dabei wählt der Lehrer die entsprechenden Aufgaben so, dass sie auch übergeordneten Zielen dienen. Für den Nebenwinkelsatz bieten sich deshalb die Aufgaben auf dem Arbeitsblatt des Lehrers an, indem er auch die TIMSSAufgabe sinvoll eingeordnet hat. Hiermit geht er auch der Idee nach, dass die Schüler begründende und schlussfolgernde Formulierungen lernen sollen. Es werden Aufgaben gestellt, in denen die Schüler argumentieren müssen. Der Lehrer hat die Aufgabe, dass sie dies korrekt tun. Das Argumente erforderlich sind, wird besonders an WennDann-Aussagen deutlich. Deshalb hat der Lehrer die TIMSS-Aufgabe wie folgt neu formuliert: Welche Konsequenzen hat es, wenn für Nebenwinkel α und β gilt 5α = 4β? Das Bestimmen der Winkel, die bestimmten Bedingungen unterliegen und das Herleiten und Begründen von Wenn-dann-Aussagen über Winkel verbinden Geometrie und Algebra miteinander und schulen das Argumentieren. 1 Rinkens/Eilerts Inhalte Arbeitsauftrag: Löse die Aufgabe Nr. 1 Schüler überlegen gemeinsam die Lösung der Aufgabe 1. Schüler fertigen für die Nr. 2 eine Figur an und klären die Frage. Der Lehrer sucht sich eine Figur eines Schülers aus, die er auf die Folie zeichnen lässt. Schüler erklären sich gegenseitig die Lösung der Aufgabe 2. Didaktik der Geometrie (Klasse 7 – 10) WS 08/09 Ziele Selbstständiges Lösen der Aufgabe. Der Lehrer erkennt, ob der Satz über Nebenwinkel von den Schülern verstanden worden ist. Selbstständiges Lösen der Aufgabe, Vertiefung des Satzes. Mit der zweiten Überprüfung geht der Lehrer auf die besondere Tücke des Begriffs Nebenwinkel ein: er bezieht sich auf Winkelpaare, ohne dass man das sprachlich immer sogleich merkt. Hierzu kann der Impuls: „Was fehlt an der Formulierung: α ist ein Nebenwinkel“? gegeben werden. Frage: Welche Aus der Figur 1 sollen die Schüler erkennen, dass sich die Gleichungen ergeben Formulierung auf vier Winkelpaare bezieht, für die sich sich für je zwei Winkel Gleichungen formulieren lassen. Dies wird den Schülern mit der α, β, γ und δ in der Frage bewusst gemacht. Der Text des Satz hat also eine hohe Figur (aus Aufgabe 1)? Aussagekraft. Meist wird beim Übergang von einem Text zu einer Formel betont, dass die Formel eine wesentlich knappere Darstellung ist. Dieses Beispiel macht deutlich, dass ein Text unter Umständen mehrere Formeln zusammenfassen und damit auch zu einer Komprimierung führen kann. Handlungsspielraum α Die Schüler sollen verstehen, dass der Satz (also auch die beliebig wählbar. Wie Formel) zur Konsequenz hat, dass mit einem der beiden groß ist dann Nebenwinkel stets der andere festgelegt ist. Das bedeutet zwangsläufig der praktisch, dass man nur über einen Winkel verfügen kann. Damit andere Winkel? wir einerseits ein Handlungsspielraum deutlich: Man kann als ersten Winkel α einen beliebigen Winkel zwischen 0° und 180° wählen. Der andere Winkel beträgt dann zwangsläufig 180°- α. Man unterliegt hier also einem Sachzwang. Geometrische Sätze lassen sich häufig in dieser Weise deuten, so dass man den Lernenden bewusst machen kann, dass man Geometrie als Theorie des Handelns im Anschauungsraum sehen kann. Schüler überlegen sich Selbstständiges Lösen der Aufgabe, Vertiefung des Satzes. die Lösung von Nr. 3. Schüler erklären sich Die Schüler finden den Sonderfall α = β, der zur Folge hat, dass gegenseitig die Lösung beide Winkel 90° betragen. Dieser Fall ist geometrisch der Aufgabe 3. interessant, denn mit ihm erhält man die Möglichkeit, die Relation „senkrecht zu“ zwischen sich schneidenden Geraden zu definieren. Man sollte es sich im Unterricht zur Regel machen, nach der Erarbeitung eines Satzes Sonderfälle näher zu betrachten, um das Verständnis des Satzes zu vertiefen. Schüler überlegen sich Selbstständiges Lösen der Aufgabe, Vertiefung des Satzes. die Lösung der Nr.4. 2 Rinkens/Eilerts Didaktik der Geometrie (Klasse 7 – 10) Schüler erklären sich gegenseitig die Lösung der Aufgabe 4. Lehrer fragt: Für welche Winkel gilt α und β gilt β = 2α? WS 08/09 Mit dieser Aufgabe fordert der Lehrer Beziehungen zwischen den auftretenden Winkeln und erhält damit zusätzliche Bedingungen, denen die Winkel unterworfen sind. Derartige Bedingungen können unter Umständen beide Winkel festlegen. Durch die Forderung, dass α und β verschieden groß sein sollen, bietet sich der additive Vergleich aus Aufgabe 4 an. Die Frage des Lehrers leitet zur TIMSS-Aufgabe über und ist ein multiplikativer Vergleich. Selbstständiges Lösen der Aufgabe, Vertiefung des Satzes. Schüler überlegen sich die Lösung Nr.5. Schüler erklären sich Umsetzung des multiplikativen Vergleichs. gegenseitig die Lösung der Aufgabe 5. Diese Betrachtung macht deutlich: Behandelt man die TIMSS-Aufgabe in diesem größeren Kontext, dann verliert sie ihren „exotischen“ Charakter. Dabei geht es dem Lehrer einerseits darum, durch Erforschen der Konsequenz des Nebenwinkelsatzes das Verständnis für diesen Satz zu sichern und zu vertiefen. Andererseits verfolgen wir damit das übergreifende Ziel, bei den Schülern die Fähigkeiten im Argumentieren zu verbessern. 3) Weiterer Unterrichtsverlauf: z.B. 1. Möglichkeit: Winkelbeziehungen im Dreieck Æ Winkelbeziehungen bei Vierecken (vom Besonderem zum Allgemeinen) Æ Konsequenzen grundlegender Sätze über Beziehungen zwischen Winkeln (einfach Schlussketten mit dem Ziel geometrische Einsichten zu wecken, algebraische Techniken zu sichern und logische Fähigkeiten zu entwickeln: drei zentrale Winkelsätze (vorher behandelt) miteinander kombinieren. 2. Möglichkeit: Über den additiven und multiplikativen Vergleich in die Gleichungssysteme einführen (Übergang zur Algebra) 3. Möglichkeit: Winkelsätze weiter einführen (Stufenwinkel-, Scheitelwinkel- und Wechselwinkelsatz) 3 Rinkens/Eilerts Didaktik der Geometrie (Klasse 7 – 10) WS 08/09 4) Lehrplan Klasse: 7 Geometrie: Erfassen: verwenden die Grundbegriffe (Gerade, Winkel) Konstruieren: zeichnen grundlegende ebene Figuren (Gerade, Winkel) Anwenden: bestimmen Winkel mit Hilfe des Nebenwinkelsatzes (einfacher Winkelsatz) Argumentieren / Kommunizieren: Lesen: ziehen Informationen aus einfachen mathematikhaltigen Darstellungen Verbalisieren: erläutern die Arbeitsschritte bei mathematischen Verfahren (Konstruieren) mit eigenen Worten Kommunizieren: vergleichen und bewerten der Lösungswege / Argumentationen und Darstellungen 2. Aufgabe: Fünfeck Vorgabe : α = 36° α Eine mögliche Lösung: Der Innenwinkel des Fünfecks beträgt 108°. 108° - α = 72° diese dividiert durch 2 ergibt den Winkel β = 36°. δ β γ In dem grünen Dreieck sind nach dem Winkelsummensatz die Innenwinkel zusammen 180°. 180° -2* α = 144° Diese dividiert durch 2 ergibt den Winkel γ =72°. δ = 180° - γ . Also δ =108°. 4