Glanzlichter Ohne „moralischen Zeigefinger“ Orakel

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B Ü C H E R
Schach auf DVD
Glanzlichter
Helmut Pfleger: Die schönsten
Partien der Schachgeschichte 1/
Die schönsten Partien der
Schachgeschichte 2. Auf DVDs
für PC (Fritz-8-Software erforderlich) oder zum Abspielen am
Fernseher über DVD-Spieler.
Spielzeit DVD 1: 3 Std. 46 Min.,
DVD 2: 3 Std. 29 Min. ChessBase
GmbH, Mexikoring 35, 22297
Hamburg, Preis je DVD 24,99 A
Rechtzeitig vor den Schachmeisterschaften für Ärzte
(8. bis 10. April in Bad Neuenahr) hat Dr. med. Helmut
Pfleger, Arzt, Großmeister,
Schachanalyst und -kolumnist, zwei DVDs auf den
Markt gebracht, die die Vorfreude auf diese Meisterschaften steigern werden. Der Mitorganisator des Ärzteturniers,
das vom Deutschen Ärzteblatt in Zusammenarbeit mit
dem Deutschen Schachbund
und der Deutschen Apotheker- und Ärztebank ausgerichtet wird, hat 20 Partien
ausgewählt, die absolutes
Weltklasseschach versprechen (und halten). Der Zeitbogen spannt sich von 1852
(als der deutsche Mathematikprofessor Adolf Anderssen
den Franzosen Jean Dufresne
in einer denkwürdigen Partie
mit Damenopfer besiegte) bis
zum Jahr 2003 (als der weltbeste Spieler Kasparov das
weltbeste Schachprogramm
„Fritz“ „regelrecht abschlachtete“ – O-Ton Pfleger). Der
Kampf Mensch gegen Maschine endete letztendlich
aber 2 : 2. Die Partien, die der
Großmeister zum vergnügli-
A 502
chen Nachspielen und Genießen anbietet, vermitteln
Bekanntschaften mit vielen
Protagonisten des Spitzenschachs (Rubinstein, Capablanca, Tal, Fischer, Spassky,
Kortschnoi, Karpov, Kramnik,
Judith Polgar, Anand, um nur
einige zu nennen).
Pfleger kommentiert die
von ihm ausgewählten Schachpartien in seiner bekannt
souveränen Art, wie man sie
aus seinen WDR-Fernsehübertragungen kennt. Zu Beginn einer jeden Partie stellt
er die Protagonisten kurz vor
und verbindet dies immer
wieder mit Schachanekdoten,
die er aufgrund seiner internen Kenntnis des Weltschachs zu erzählen weiß.
Pfleger analysiert und stellt
Varianten vor, die farbig und
in Pfeilform angezeigt werden, sodass auch der weniger
Geübte dem Geschehen auf
den 64 Feldern gut folgen
kann. Bei jeglichem Verzicht
auf taktische und damit oft
monotone Remispartien wird
hier Kombinationsschach auf
höchstem Niveau angeboten
und vielleicht auch so manche
Anregung für das Ärzteturnier im April mit auf den Weg
Helmut Werner
gegeben.
Philosophie
Ohne „moralischen
Zeigefinger“
Kurt Bayertz: Warum überhaupt
moralisch sein? Verlag C. H.
Beck, München, 2004, 288 Seiten,
gebunden mit Schutzumschlag,
26,90 A
Schon der Titel des Buches
stellt eine Provokation dar.
Man ist irritiert, da die Beantwortung der Frage scheinbar
selbstverständlich ist, und
man wird neugierig. Tatsächlich gelingt es dem Autor, diese Neugierde bis zur letzten
Seite des Buches zu nähren.
Die Leser werden mitgenommen auf eine weite Reise
durch die Geschichte der
Ethik von der Antike bis
zur Gegenwart. Wer bisher
geglaubt hat, dass ethische
Überlegungen altbacken und
trocken sind, wird durch die
Lektüre eines Besseren belehrt. Philosophische Bücher
können auch spannend sein.
Der Autor versteht es, auch
(scheinbar) abstrakte Gedankengänge verständlich darzustellen. Er fügt Beispiele aus
der Praxis ein und erzählt
kleine Geschichten, mit denen er seine Überlegungen
verdeutlicht. So zum Beispiel
die Geschichte vom Gangster
und seinem Mütterlein und
von Herrn Meier, der in der
Tiefgarage eine wohl gefüllte
Brieftasche findet. Und noch
während der Leser schmunzelt, hat ihn der Autor schon
weiter und tiefer in die Welt
der ethischen Theorien geführt. Am Ende der Reise
Inschriftensammlung
Orakel-Sprüche
Reinhold Merkelbach, Josef
Stauber (Hrsg.): Steinepigramme aus dem griechischen
Osten. 5 Bände, K. G. Saur Verlag, München, 1998–2004, Leinen, 2275 Seiten, 597 A
Auf die Frage, weshalb die
alten Griechen auf Stein anstatt auf Pergament schrieben, gibt es eine logische
Antwort: Auf Stein ist eine
Inschrift oder Mitteilung
zwar bedeutend mühseliger
einzumeißeln, aber haltbarer in den Wettern und
näher am „Leser“. Die Säulen, Stelen und Gedenksteine wurden häufig am Wegesrand zwischen zwei Städten errichtet, der Wanderer
konnte innehalten, die bündig gefassten Informationen
lesen und über die Inschrift
nachdenken; es handelt sich
bei den „Steinepigrammen“
zweifelsfrei um Kunst, die
sich gelegentlich im Stil einer Deklamation äußert.
Allein bei der heute türkischen Stadt Knidos, nur
wenige Meilen entfernt von
der griechischen Insel Kos,
Heimat von Hippokrates,
fanden Merkelbach und
Stauber 23 steinerne Inschriften, die sie entschlüsselten und ins Deutsche
fühlt sich der Leser nicht nur
unterhalten, sondern auch belehrt. Er legt das Buch aus der
Hand und weiß, warum man
moralisch sein soll. Und das
alles ohne „moralischen ZeiVeronika Povel
gefinger“.
übersetzten. Der Name des
Apoll, des Gottes der Heilkunst, taucht in den Inschriften von Kleinasiens Küste
häufiger auf. Eine steinerne
Botschaft aus Didyma, Karien, teilt uns mit, dass er keine blutigen Tieropfer oder
schmuckbehängte Standbilder fordere, sondern Gesang; Hymnen, von Knaben
gesungen, und je älter die
Lieder, desto besser: „Und
es gefielen Apollon die uralten Gesänge am besten,
denn mit Hymnen habe er
erstmals Krankheiten vertrieben.“ In Karien waren
mehrere Orakelstätten inklusive Diener und Dienerinnen dem Apoll geweiht.
Ähnlich der Pythia belehrten und verrätselten sie ihre
Antworten in denkwürdigen Sentenzen.
Die Sammlung „Steinepigramme“ überliefert mehrere solcher Orakel, von
den beiden Herausgebern
übersetzt und kommentiert.
Geografisch umfasst die
Sammlung alle Inschriften
der Frühgriechen vom sechsten Jahrhundert v. Chr. aus
Vorderasien über das hellenische Alexanderreich in
Afghanistan und Indien bis
zu den römischen Prokonsuln der Provinz Asia um
circa 500 n. Chr.
Richard E. Schneider
⏐ Jg. 102⏐
⏐ Heft 8⏐
⏐ 25. Februar 2005
Deutsches Ärzteblatt⏐
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