Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren Kraftwerk

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Wasserrechtliches
Erlaubnisverfahren
Kraftwerk Herrenhausen und
Heizkraftwerk Linden
Teil C: Artenschutzrechtlicher
Fachbeitrag
März 2016
erstellt im Auftrag der Stadtwerke Hannover AG
ARSU GmbH
Escherweg 1 ▪ 26121 Oldenburg
Auftraggeber:
Stadtwerke Hannover AG
Ihmeplatz 2
30449 Hannover
Projekt:
Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren
Kraftwerk Herrenhausen und
Heizkraftwerk Linden
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
zum Erlaubnisantrag
Stand:
22.03.2016
Auftragnehmer:
ARSU GmbH
Arbeitsgruppe für regionale Struktur- und Umweltforschung
Escherweg 1,
D-26121 Oldenburg
Tel.: 0441 / 971 74-97
Fax: 0441 / 971 74-73
Internet: www.arsu.de
E-Mail: [email protected]
Bearbeiter:
Projektleitung Dipl.-Biologin Elith Wittrock
Dipl.-Biologin Annette Lienemann
Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
I
Inhaltsverzeichnis
0.
Zusammenfassung ........................................................................................................3
1.
Einleitung .......................................................................................................................6
2.
Rechtliche und fachliche Grundlagen ..........................................................................7
3.
4.
2.1
Artenschutzrechtliche Verbote........................................................................................... 7
2.2
Anwendungsbereich .......................................................................................................... 8
2.3
Ausnahmemöglichkeiten ................................................................................................... 8
2.4
Kriterien und Beurteilungsmaßstäbe für die Bewertung der Verbotstatbestände............. 9
Artenschutzrechtliche Relevanz der Wirkfaktoren ....................................................10
3.1
Änderung der Strömungsverhältnisse/Wasserführung ................................................... 10
3.2
Entnahme von Organismen ............................................................................................. 11
3.3
Einleitung von Nähr- und Schadstoffen ........................................................................... 13
3.4
Einleitung von Wärme und Änderung des Sauerstoffgehalts ......................................... 18
3.5
Zusammenfassung der artenschutzrechtlich relevanten Wirkfaktoren ........................... 21
Bestandsbeschreibung ...............................................................................................22
4.1
Gewässersystem von Leine und Ihme ............................................................................ 22
4.2
Aktuelle Bestandserfassungen ........................................................................................ 24
4.2.1 Makrophyten in Leine und Ihme .................................................................................... 25
4.2.2 Makrozoobenthos in Leine und Ihme............................................................................. 25
4.2.3 Fische und Rundmäuler in Leine und Ihme ................................................................... 27
5.
Relevanzprüfung .........................................................................................................29
6.
Prüfung des Eintretens von Verbotstatbeständen ....................................................33
6.1
Prognose und Bewertung der Schädigung von besonders geschützten Fischen
und Rundmäulern nach § 44 BNatSchG ......................................................................... 33
6.1.1 Werden wildlebende Tiere gefangen, verletzt, getötet oder ihre
Entwicklungsformen aus der Natur entnommen, beschädigt oder zerstört? ................... 34
6.1.2 Fazit ............................................................................................................................. 36
6.2
Prognose und Bewertung der Schädigung von besonders bzw. streng
geschützten Libellen nach § 44 BNatSchG ..................................................................... 36
6.2.1 Werden wildlebende Tiere gefangen, verletzt, getötet oder ihre
Entwicklungsformen aus der Natur entnommen, beschädigt oder zerstört? ................... 36
6.2.2 Fazit ............................................................................................................................. 41
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22.03.2016
II
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
6.3
Prognose und Bewertung der Schädigung von besonders bzw. streng
geschützten Weichtieren nach § 44 BNatSchG .............................................................. 41
6.3.1 Werden wildlebende Tiere gefangen, verletzt, getötet oder ihre
Entwicklungsformen aus der Natur entnommen, beschädigt oder zerstört? ................... 41
6.3.2 Fazit ............................................................................................................................. 43
7.
Artenschutzrechtliches Fazit ......................................................................................44
8.
Literaturverzeichnis.....................................................................................................45
Anhang 1:
Ergänzende Angaben zur Relevanzprüfung
Anhang 2:
Beschreibung der relevanten Fische und Rundmäuler
Anhang 3:
Beschreibung der relevanten Libellen
Anhang 4:
Beschreibung der relevanten Weichtiere
Verzeichnis der Abbildungen
Abb. 1:
Sauerstoffgehalt im Kühlwasserauslauf Herrenhausen .................................................... 20
Abb. 2:
Bestandsuntersuchungen in Ihme und Leine im Raum Hannover .................................... 23
Verzeichnis der Tabellen
Tab. 1:
Stoffeinträge und –austräge durch die beantragte Wasserentnahme und –einleitung ....... 14
Tab. 2:
Abschätzung der maximalen Konzentrationsänderungen in Gewässersystem von
Ihme und Leine infolge der Stoffeinträge durch die beantragte Einleitung von
Abwassernebenströmen in Linden und Herrenhausen ..................................................... 15
Tab. 3:
Szenarien zur Untersuchungen der Wärme-Einleitung ..................................................... 19
Tab. 4:
In Leine und Ihme nachgewiesene besonders und streng geschützte Muscheln und
Libellen ........................................................................................................................... 27
Tab. 5:
22.03.2016
In Leine und Ihme nachgewiesene besonders und streng geschützten Fische und
Rundmäuler .................................................................................................................... 28
ARSU GmbH, Oldenburg
Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
0.
3
Zusammenfassung
Der vorliegende artenschutzrechtliche Fachbeitrag für die beantragte Wasserentnahme und –einleitung für das Heizkraftwerk Linden, das Kraftwerk Herrenhausen und das Gemeinschaftskraftwerk Hannover der Stadtwerke Hannover AG basiert auf der Beschreibung der bestehenden und
der beantragten Gewässerbenutzung sowie der Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung
von Beeinträchtigungen im Teil A der naturschutzfachlichen Unterlagen. Der artenschutzrechtlichen Prognose liegt die Realisierung und Einhaltung dieser Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen zugrunde.
Artenschutzrechtliche Relevanz der Wirkfaktoren
Als mögliche Wirkungen der beantragten Wasserentnahme und –einleitung in Linden und
Herrenhausen werden identifiziert:

Änderung der Strömungsverhältnisse/Wasserführung,

Entnahme von Organismen,

Einleitung von Nähr- und Schadstoffen,

Einleitung von Wärme und Änderung des Sauerstoffgehalts.
Die Analyse dieser Wirkfaktoren zeigt, dass die nutzungsbedingten Strömungsänderungen und
die Einleitung von Nähr- und Schadstoffen unter Berücksichtigung der Vermeidungsmaßnahmen
so gering sind, dass artenschutzrechtlich relevante Auswirkungen auf geschützte Organismen
nicht zu besorgen sind. Auch die Einleitung von Wärme sowie die damit verbundene Minderung
des Sauerstoffgehalts werden soweit begrenzt, dass artenschutzrechtlich relevante Wirkungen
nicht zu erwarten sind.
Als einziger artenschutzrechtlich relevanter Wirkfaktor der beantragten Gewässerbenutzung in
Linden und in Herrenhausen wurde die mögliche Entnahme von Organismen mit dem Kühlwasser
identifiziert. Sofern davon Individuen besonders geschützter Arten betroffen sind, würde dies den
Verbotstatbestand nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 4 BNatSchG erfüllen und könnte außerdem
den Zielen der Europäischen Aalverordnung bzw. des Aalbewirtschaftungsplans entgegenstehen.
Das Eintreten anderer Verbotstatbestände kann bereits auf der Basis der Analyse der benutzungsbedingten Wirkfaktoren ausgeschlossen werden.
Relevante Arten und Prognose
Die Ermittlung der relevanten Arten erfolgte unter Berücksichtigung der vom Niedersächsischen
Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) veröffentlichten Verzeichnisse der in Niedersachsen besonders oder streng geschützten Arten (THEUNERT 2008a, b) und
der vorliegenden Bestandsinformationen, insbesondere der aktuellen Untersuchungen zur ökologischen Situation von Ihme und Leine (BIOCONSULT 2014, 2016b). Als relevante Artengruppen
wurden die Fische und Rundmäuler sowie die Libellen und die Weichtiere identifiziert. Arten
dieser Tiergruppen verbringen ihr gesamtes Leben oder einen wesentlichen Teil ihres
Lebenszyklus im Gewässer und wurden im Wirkraum der beantragten Gewässerbenutzung
nachgewiesen oder können dort nicht ausgeschlossen werden.
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22.03.2016
4
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Fische und Rundmäuler
Relevante Arten sind der Aal, das Bach- und das Flussneunauge, die im Wirkraum der Gewässerbenutzung nachgewiesen wurden, sowie das seltene Meerneunauge, dessen Vorkommen nicht
ausgeschlossen werden kann. Sie sind jeweils besonders geschützt.
Sowohl in Linden als auch in Herrenhausen werden voraussichtlich Larven (Querder) der Neunaugen mit dem Kühlwasser entnommen. Die Entnahme von adulten Aalen und Neunaugen kann
ebenfalls nicht ganz ausgeschlossen werden. Unter der Voraussetzung, dass die Fischrückführung
in Linden realisiert und die in Herrenhausen weiter betrieben wird, werden die entnommenen
Individuen jedoch überwiegend vital in die Ihme bzw. Leine zurückgeführt, so dass sich kein
signifikant erhöhtes Tötungs- oder Verletzungsrisiko ergibt.
Auch für Neunaugen-Laich besteht kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko durch die beantragte
Gewässerbenutzung, da Neunaugen-Eier, die nicht in den Sedimenten der Laichgruben verbleiben, ohnehin nicht überlebensfähig sind. Das Vorkommen von Laich oder Larven des Aals im
Wirkraum ist auszuschließen.
Da das Eintreten anderer Verbotstatbestände bereits auf der Basis der Analyse der benutzungsbedingten Wirkfaktoren ausgeschlossen wurde, werden durch die beantragte Gewässerbenutzung
für Fische und Rundmäuler insgesamt keine Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 BNatSchG
erfüllt.
Libellen
Relevant sind insgesamt 13 besonders geschützte Libellen-Arten, darunter die Gebänderte
Prachtlibelle, die Gewöhnliche Federlibelle und die Gewöhnliche Keiljungfer, deren Larven im
Wirkraum der beantragten Gewässerbenutzung nachgewiesen wurden. Das Vorkommen der
übrigen zehn Arten, darunter auch die streng geschützte Grüne Flussjungfer, kann nicht ausgeschlossen werden.
Imagines der Libellen halten sich zwar häufig am Wasser, aber in der Regel nicht im Wasser auf,
daher besteht für sie weder in Linden noch in Herrenhausen ein signifikant erhöhtes Risiko mit
dem Kühlwasser eingesogen zu werden.
Die Entnahme von Libellen-Eiern und –Larven mit dem Kühlwasser ist dagegen möglich. Unter
der Voraussetzung, dass die Fischrückführung in Linden realisiert und die in Herrenhausen weiter
betrieben wird, werden sie jedoch überwiegend vital in die Gewässer zurückgeführt. Berücksichtigt man ferner die eingeschränkte Habitateignung von Ihme und Leine im Bereich der Entnahmestellen für die möglicherweise betroffenen Libellen-Arten, dann ergibt sich insgesamt kein
signifikant erhöhtes Tötungs- oder Verletzungsrisiko.
Da das Eintreten anderer Verbotstatbestände bereits auf der Basis der Analyse der benutzungsbedingten Wirkfaktoren ausgeschlossen werden kann, werden durch die beantragte Gewässerbenutzung für Libellen insgesamt keine Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 BNatSchG erfüllt.
Weichtiere
Relevant sind insgesamt fünf besonders geschützte Fluss- und Teichmuschel-Arten, darunter die
im Wirkraum der beantragten Gewässerbenutzung nachgewiesene Malermuschel. Das Vorkommen der übrigen vier Arten, einschließlich der streng geschützten Abgeplatteten Teichmuschel,
kann nicht ausgeschlossen werden.
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Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
5
Die Entnahme von Larven (Glochidien) oder sehr kleinen Jungmuscheln dieser Arten ist nicht ausgeschlossen. Sie können aufgrund ihrer geringen Größe nicht zurückgehalten und in die Gewässer zurückgeführt werden. Erst wenn die Jungmuscheln eine Größe erreicht haben, die von den
Siebbandanlagen zurückgehalten wird, können sie in Herrenhausen ebenso wie die adulten
Muscheln (einschließlich von möglicherweise im Kiemenraum befindlichem Laich) über die Fischrückführung vital in die Leine zurückgeführt werden. In Linden können sie hingegen trotz der
geplanten Rückführleitung voraussichtlich nur zu einem geringen Teil in die Ihme zurückgeführt
werden.
Unter Berücksichtigung der untergeordneten Bedeutung von Ihme und Leine als Habitat dieser
Arten, der hohen natürlichen Mortalität der frühen Entwicklungsstadien und der sedimentgebundenen Lebensweise der Muscheln ist jedoch nicht von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko
für die relevanten Arten auszugehen.
Da das Eintreten anderer Verbotstatbestände bereits auf der Basis der Analyse der benutzungsbedingten Wirkfaktoren ausgeschlossen werden kann, werden durch die beantragte Gewässerbenutzung für Weichtiere insgesamt keine Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 BNatSchG erfüllt.
Artenschutzrechtliches Fazit
Weder in Linden noch in Herrenhausen kann eine nutzungsbedingte Schädigung oder Tötung
einzelner Individuen der relevanten Arten bzw. ihrer Entwicklungsformen durch das Einsaugen
mit dem Flusswasser ganz ausgeschlossen werden. Ein signifikant erhöhtes Tötungs- oder Verletzungsrisiko ist jedoch insbesondere unter Berücksichtigung der geplanten oder bereits bestehenden schonenden Fischrückführung und der deutlich eingeschränkten Eignung der betroffenen
Gewässerabschnitte für die relevanten Arten nicht zu erwarten.
Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 BNatSchG werden somit insgesamt nicht erfüllt
und die beantragte Gewässerbenutzung steht auch den Zielen der Europäischen AalVerordnung und des Aalbewirtschaftungsplanes nicht entgegen.
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Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
1.
Einleitung
Die Stadtwerke Hannover AG betreibt im Stadtgebiet das Heizkraftwerk Linden, das Kraftwerk
Herrenhausen und das Gemeinschaftskraftwerk Hannover in Stöcken. Nach dem Prinzip der
Kraft-Wärme-Kopplung erzeugen sie für die öffentliche Versorgung Strom- und Fernwärme,
benötigen aber eine Kühlung. Die Stadtwerke Hannover AG besitzt daher für die Kühl- und
Brauchwasserversorgung dieser Kraftwerke zwei eigenständige gehobene wasserrechtliche
Erlaubnisse nach § 11 des Niedersächsischen Wassergesetzes (NWG):

Die Änderung und Neufassung der wasserrechtlichen Erlaubnis zur Nutzung der Ihme
für die Kühl- und Brauchwasserversorgung des Heizkraftwerks Hannover-Linden
(HKW Linden) vom 16.01.2004. Diese ist bis zum 28.02.2022 befristet.

Die Änderung und Neufassung der wasserrechtlichen Erlaubnis zur Nutzung der Leine
für die Kühl- und Brauchwasserversorgung des Kraftwerks Herrenhausen
(KWH Herrenhausen) und des Gemeinschaftskraftwerks Hannover (GKH Stöcken) vom
01.03.2004. Diese ist bis zum 31.12.2016 befristet.
Da die Befristungen auslaufen, steht eine Neubeantragung an.
Gegenstand der bestehenden Erlaubnisse ist

die Entnahme von Kühlwasser aus dem Fluss für die Durchlaufkühlung der Kraftwerke
in Linden und Herrenhausen sowie für die Kühlturm-Zusatzwasserversorgung des
Gemeinschaftskraftwerks in Stöcken,

die Einleitung des erwärmten Kühlwassers und des Abflutwassers vom Kühlturm in den
Fluss,

die Einleitung von Abwassernebenströmen aus dem Kraftwerksbetrieb in den Fluss.
Beide Erlaubnisse sind über gemeinsame Auflagen zum Monitoring und zur Begrenzung der mit
der Kühlwassernutzung verbundenen Wärmeeinleitung in die Ihme bzw. Leine gekoppelt. Daher
und zur Reduzierung des Aufwandes für zwei zeitlich aufeinanderfolgende Verfahren wird in
Abstimmung mit dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) als Genehmigungsbehörde angestrebt, eine gemeinsame gehobene wasserrechtliche Erlaubnis für die Kühlwasserversorgung der drei Kraftwerke zu erhalten.
Für die Erlangung dieser wasserrechtlichen Erlaubnis sind Prüfungen der Verträglichkeit der Wasserentnahmen und –einleitungen mit dem Europäischen Naturschutznetz Natura 2000 (FFH-Verträglichkeitsprüfung), mit dem Artenschutzrecht (spezielle Artenschutzrechtliche Prüfung) und mit
den Zielen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) erforderlich.
Gegenstand der vorliegenden Unterlage ist die Prüfung, ob die beantragte Benutzung mit den
Anforderungen des besonderen Artenschutzes vereinbar ist. Eine Beschreibung der bestehenden
und der beantragten Benutzung sowie der Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung von
Beeinträchtigungen ist dem Teil A der naturschutzfachlichen Unterlagen zu entnehmen.
Der vorliegenden artenschutzrechtlichen Prognose liegt die Realisierung und Einhaltung dieser Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen zugrunde.
22.03.2016
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Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
2.
Rechtliche und fachliche Grundlagen
2.1
Artenschutzrechtliche Verbote
7
Die relevanten besonderen artenschutzrechtlichen Verbote der nationalen Gesetzgebung sind in
§ 44 Abs. 1 BNatSchG formuliert. Danach ist es verboten,
1. wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen,
zu verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu
beschädigen oder zu zerstören,
2. wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten
während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3. Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten
Arten der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4. wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen
aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören.
Nach § 44 Abs. 5 BNatSchG gelten unter bestimmten Voraussetzungen Einschränkungen der speziellen artenschutzrechtlichen Verbote:
Für nach § 15 BNatSchG zulässige Eingriffe in Natur und Landschaft sowie für Vorhaben im Sinne
des § 18 Abs. 2 Satz 1, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuches zulässig sind, gelten für
die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote folgende Maßgaben:

Sind in Anhang IVa der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische
Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54
Abs. 1 Nr. 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen das Verbot des Absatzes 1 Nr. 3
und im Hinblick auf damit verbundene unvermeidbare Beeinträchtigungen wild lebender Tiere auch gegen das Verbot des Absatzes 1 Nr. 1 nicht vor, soweit die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder
Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird. Soweit erforderlich,
können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgesetzt werden.

Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IVb der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten diese Maßgaben entsprechend.

Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- oder
Vermarktungsverbote vor.
Dem besonderen Schutz des Europäischen Aales (Anguilla anguilla) dient darüber hinaus die
Verordnung Nr. 1100/2007 der Europäischen Union. Sie verpflichtet die Mitgliedsstaaten zur
Aufstellung von einzugsgebietsspezifischen Aalbewirtschaftungsplänen mit dem Ziel, die Bestände
wieder zu erhöhen und die anthropogene Mortalität zu verringern. Ein solcher Aalbewirtschaftungsplan (vom Dezember 2008) liegt auch für das Flusseinzugsgebiet der Weser vor. Er sieht
vor allem eine Aufrechterhaltung und Steigerung der Besatzmaßnahmen sowie eine Reduzierung
der Mortalität durch Wasserkraftanlagen vor (LAVES et al. 2008). Hinsichtlich der beantragten
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8
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Gewässerbenutzungen ergeben sich aus der Verordnung und dem Bewirtschaftungsplan keine
Anforderung an den Schutz des Aals, die über die in § 44 Abs. 1 BNatSchG formulierten
artenschutzrechtlichen Verbote hinausgehen.
2.2
Anwendungsbereich
Die Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes zum speziellen Artenschutz unterscheiden zwischen besonders geschützten Arten und streng geschützten Arten, wobei alle streng geschützten
Arten zugleich zu den besonders geschützten Arten zählen (d. h. die streng geschützten Arten
sind eine Teilmenge der besonders geschützten Arten).
Welche Arten zu den besonders geschützten Arten bzw. den streng geschützten Arten zu rechnen
sind, ist in § 7 Abs. 2 Nrn. 13 und 14 BNatSchG geregelt:

streng geschützte Arten: die Arten aus Anhang A der EU-Verordnung über den
Schutz von Exemplaren wild lebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des
Handels (EG Nr. 338/97), die Arten aus Anhang IV der FFH-Richtlinie (Fauna-FloraHabitat-Richtlinie 92/43/EWG) sowie die Arten nach Anlage 1, Spalte 3 der Bundesartenschutzverordnung;

besonders geschützte Arten: die Arten aus Anhang B der EU-Verordnung über den
Schutz von Exemplaren wild lebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des
Handels, die europäischen Vogelarten, die Arten nach Anlage 1, Spalte 2 der Bundesartenschutzverordnung sowie die streng geschützten Arten (s. o.).
Den europäischen Vogelarten – das sind alle einheimischen Vogelarten – kommt im Schutzregime
des § 44 Abs. 1 BNatSchG eine Sonderstellung zu: Gemäß den Begriffsbestimmungen zählen sie
zu den besonders geschützten Arten, hinsichtlich der Verbotstatbestände sind sie jedoch den
streng geschützten Arten gleichgestellt. Weiterhin sind einzelne europäische Vogelarten über die
Bundesartenschutzverordnung oder Anhang A der EU-Verordnung 338/97 als streng geschützte
Arten definiert.
2.3
Ausnahmemöglichkeiten
Gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG können im Einzelfall von den nach Landesrecht zuständigen Behörden weitere Ausnahmen von den Verboten des § 44 Abs. 1 BNatSchG zugelassen werden. Dies
ist u. a. aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich
solcher sozialer und wirtschaftlicher Art möglich.
Eine Ausnahme darf jedoch nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben
sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht
Artikel 16 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG weitergehende Anforderungen enthält.
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ARSU GmbH, Oldenburg
Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
2.4
9
Kriterien und Beurteilungsmaßstäbe für die Bewertung der
Verbotstatbestände
Das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts individuenbezogen zu verstehen. Der Verbotstatbestand tritt bereits ein,
wenn die Tötung eines Exemplars der besonders geschützten Arten nicht im engeren Sinn
absichtlich erfolgt, sondern sich als unausweichliche Konsequenz eines im Übrigen rechtmäßigen
Verwaltungshandelns erweist. Der Tötungstatbestand ist jedoch nur erfüllt, wenn sich das
Tötungsrisiko für die betroffenen Tierarten in signifikanter Weise erhöht (BVERWG 2008b, a,
2009, 2011).
Ob eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos für eine bestimmte Art vorliegt, hängt im
Wesentlichen von zwei Faktoren ab. Es muss sich erstens um eine Tierart handeln, die aufgrund
ihrer artspezifischen Verhaltensweisen gerade im Bereich des Vorhabens ungewöhnlich stark von
dessen Risiken einer möglichen Tötung betroffen ist. Zweitens muss sich die Tierart häufig im
Gefährdungsbereich des Vorhabens aufhalten (BVERWG 2009, 2011). Für Verletzungen dürften
dieselben Kriterien angewendet werden können.
Der Verbotstatbestand der Störung des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist erfüllt, wenn sich der
Erhaltungszustand der lokalen Population verschlechtert. Als Störungen werden direkt auf ein Tier
einwirkende Beunruhigungen oder Scheuchwirkungen bewertet, die insbesondere durch Lärm,
Erschütterungen, Licht oder sonstige optische Störreize hervorgerufen werden können. Erhebliche Störungen sind während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und
Wanderungszeiten von Relevanz und damit fast während des gesamten Lebenszykluses der
Tiere.
Im artenschutzrechtlichen Kontext ist eine Störung als erheblich zu bewerten, wenn sie zu einer
Verschlechterung des Erhaltungszustandes einer lokalen Population führt. Davon ist auszugehen,
wenn sich die Größe der Population und/oder ihr Fortpflanzungserfolg signifikant und nachhaltig
verringern. Negative Auswirkungen auf den Erhaltungszustand einer lokalen Population sind insbesondere dann anzunehmen, wenn Tiere störungsbedingt den Wirkraum verlassen bzw. zukünftig meiden oder wenn sich ihre Überlebenschancen, ihre Reproduktionsfähigkeit oder ihr Reproduktionserfolg im gestörten Bereich verschlechtern. Die Möglichkeit des Ausweichens von Individuen auf benachbarte Lebensräume ohne negative Auswirkungen auf die lokale Population kann
grundsätzlich in die Bewertung der Erheblichkeit von Störungen einbezogen werden (LBV-SH
2013).
Eine Fortpflanzungs- und Ruhestätte gilt als beschädigt oder zerstört, wenn ihre Funktion
dauerhaft verloren geht.
"Die Fortpflanzungs- und Ruhestätte besteht aus einem Mittelpunkt (z. B. Nest, Wochenstube, Schlafplatz) und einem Verbund aus weiteren Elementen, die aufgrund ihrer Lage
oder Qualität in mehr oder weniger privilegierter räumlicher Wechselbeziehung mit
diesem Mittelpunkt stehen. Aus artenschutzrechtlicher Sicht sind nur die Verbundbestandteile von Relevanz, die für den Fortpflanzungserfolg und die Nutzung als Ruhestätte entscheidend sind." (LBV-SH 2013)
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Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
3.
Artenschutzrechtliche Relevanz der Wirkfaktoren
Im Teil A der naturschutzfachlichen Unterlagen werden auf der Basis einer Beschreibung der
bestehenden und der beantragten Gewässerbenutzung insgesamt die folgenden Wirkfaktoren der
geplanten Entnahme von Kühlwasser und Einleitung von Abwasser identifiziert (vgl. Teil A,
Kap. 3.6):

Änderungen der Strömungsverhältnisse und Wasserführung,

Entnahme von lebenden Organismen durch Einsaugen mit dem Flusswasser,

Einleitung von Nähr- und Schadstoffen,

Einleitung von Wärme und Änderung des Sauerstoffgehalts.
Entsprechend der Art der beantragten Benutzung – Entnahme von Wasser aus Ihme und Leine
sowie Einleitung von energetisch und stofflich verändertem Wasser in diese Gewässer über die
bereits bestehenden Anlagen – kommt es nicht zu einer Inanspruchnahme von Flächen oder
eines Raumvolumens inner- oder außerhalb der Gewässer. Auch relevante Störwirkungen durch
optische oder akustische Emissionen sind infolge der beantragten Benutzung vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Anlagen, geringer betriebsbedingter Wartungs- und Überwachungsaktivitäten und der bestehenden erheblichen Vorbelastung durch Straßenverkehr,
Bebauung und Freizeitnutzung nicht zu besorgen.
Die Intensität der identifizierten Wirkungen und die Größe ihrer jeweiligen Wirkräume sind sehr
unterschiedlich, ebenso ihre Relevanz für die artenschutzrechtlichen Betrachtungen.
3.1
Änderung der Strömungsverhältnisse/Wasserführung
An den Entnahmestellen in Linden und Herrenhausen erfolgt die Kühlwasserentnahme quer zur
Strömungsrichtung der Ihme bzw. der Leine, was bei der Wasserentnahme jeweils zu lokalen
Veränderungen der Fließrichtung und –geschwindigkeit und möglicherweise auch zu Turbulenzen
führt. Das Kühlwasser wird nach Gebrauch zusammen mit den Abwassernebenströmen stromabwärts der Entnahmestellen wieder in die Ihme bzw. Leine eingeleitet. Die Einleitung erfolgt
zwar nicht rechtwinklig, sondern in einem flacheren Winkel zur Hauptströmung des Flusses, aber
auch sie trägt zu den lokalen Strömungsänderungen bei.
Das Ausmaß und die räumliche Ausdehnung der Veränderungen im Gewässer hängen einerseits
vom Entnahmevolumen und der Einstromgeschwindigkeit (siehe Kap. 3.3 in Teil A der naturschutzfachlichen Unterlagen) ab und andererseits von den zum gegebenen Zeitpunkt herrschenden hydrologischen Bedingungen wie Wasserstand und Abfluss. Zur Beurteilung der möglichen
Auswirkungen wird ein dreidimensionales Modell des Fließgewässers herangezogen, welches insbesondere zur Simulation der Wärmeausbreitung durch GOLDER ASSOCIATES (2016) erstellt wurde,
mit dem aber auch Wasserstände und Strömungsgeschwindigkeiten abgebildet werden können.
Die Modellierungen von GOLDER ASSOCIATES (2016) zeigen, dass es im Worst Case (bei einem
geringen Abfluss von 14,4 m³/s und einer Wasserentnahme von 6 m³/s in Linden bzw. von
5 m³/s in Herrenhausen)

22.03.2016
insbesondere im Abschnitt zwischen der Entnahme und der Wiedereinleitung jeweils
lokal begrenzt zu einer Verringerung der Fließgeschwindigkeit um bis zu ca. 0,1 m/s
kommt,
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Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
11

oberhalb der Entnahme und unterhalb der Einleitung lokal auf wenige hundert Meter
begrenzt zu geringfügigen Veränderungen der Fließgeschwindigkeiten von deutlich
weniger als +/ 0,1 m/s kommt,

allenfalls zu geringfügigen Wasserspiegelveränderungen in der Leine zwischen der Entnahme- und der Einleitstelle in Herrenhausen kommt, aber – aufgrund der Stauhaltung – nicht zu Auswirkungen auf den Wasserstand der Ihme in Linden kommt.
Insgesamt sind auf der Basis der vorliegenden Modellierungen also nur geringfügige, räumlich
eng begrenzte nutzungsbedingte Veränderungen der Strömungen in Ihme und Leine zu prognostizieren. Daher geht von ihnen kein signifikant erhöhtes Risiko der Schädigung oder Tötung von
Organismen aus.
Strömungsänderungen können außerdem direkt oder indirekt (durch morphologische Veränderungen infolge von Erosion und Sedimentation) Auswirkungen auf die Habitateigenschaften von
Gewässern haben. Aufgrund der geringen Intensität der benutzungsbedingten Strömungsänderungen sind jedoch allenfalls geringfügige Folgewirkungen zu prognostizieren. Wesentliche Habitateigenschaften der Gewässer, die deren mögliche Eignung oder Funktion als Fortpflanzungsoder Ruhestätte (etwa als Laich-, Ruhe- oder Schlafgewässer) beschädigen oder zerstören könnten, sind daher nicht zu erwarten. Eine Verschlechterung der ökologischen Gesamtsituation im
nutzungsbedingten Wirkraum im Hinblick auf seine Funktion als Fortpflanzungs- oder Ruhestätte
ist durch diesen Wirkfaktor also ebenfalls nicht zu besorgen.
Der nutzungsbedingte Wirkfaktor Strömungsänderungen ist daher aufgrund seiner geringen
Intensität und kleinräumigen Wirkung für die artenschutzrechtliche Prüfung nicht relevant und
wird nachfolgend nicht weiter berücksichtigt.
3.2
Entnahme von Organismen
Organismen, die sich im Wasser aufhalten, sich mit der Strömung treiben lassen oder eine
geringe Schwimmstärke aufweisen, können bei der Kühlwasserentnahme mit dem Flusswasser
eingesogen werden. Sie können durch die Rechen, die Korbsiebbandanlagen oder die Passage
der Kühlanlagen geschädigt bzw. getötet werden. Dieser nutzungsbedingte Wirkfaktor ist also
artenschutzrechtlich relevant, da er direkt zu einer Tötung oder Schädigung von besonders
geschützten Arten führen kann. Wie in Kapitel 3.1 erläutert, beschränken sich die
benutzungsbedingten Strömungsänderungen im Bereich der Entnahmebauwerke auf die
unmittelbare Umgebung. Eine Sogwirkung auf Organismen entsteht entsprechend nur im
unmittelbaren Umfeld der Entnahmestellen.
Zu berücksichtigen ist außerdem, dass nicht alle Organismen, die eingesogen werden, von einer
Tötung oder Schädigung betroffen sind:

In Linden wird alles, was vom Feinrechen oder den Korbsiebbandanlagen zurückgehalten wird, über Bodenrinnen in ein Sammelbecken geleitet. Von diesem Sammelbecken
wird das Abspritz- und Spülwasser mit den darin enthaltenen Organismen gegenwärtig
noch mit Hilfe von Tauchpumpen in die Ihme zurückgeführt. Geplant ist jedoch, das
Sammelbecken zukünftig über eine Freigefälleleitung mit der Ihme zu verbinden, um
die Schädigung und Tötung von Organismen zu minimieren. Die vorhandenen Bodenrinnen, die geplante Rückführleitung und der Betrieb der Siebbandanlage werden
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12
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
organismenschonend optimiert und mit Wirksamwerden der beantragten Erlaubnis in
Betrieb genommen (vgl. Teil A der naturschutzfachlichen Unterlagen).
Bei Betrieb dieser geplanten Rückführleitung wird das Abspritzwasser von den Korbsiebbandanlagen und der Rechenabwurf vom Feinrechen also im Freigefälle in die
Ihme abgeleitet. Mit dem Wasser wird voraussichtlich auch der überwiegende Teil der
darin enthaltenen Organismen schonend in die Ihme zurückgeführt. Organismen, die
von den Anlagen zurückgehalten werden, danach noch vital sind und über die Rückführleitung in die Ihme gelangen, können auf diese Weise überleben.
Der Sachverständige für Fischerei und Gewässerökologie (SPÄH 2015) erwartet, dass
aufgrund der Strömungsverhältnisse im Sammelbecken der überwiegende Teil der
Fische entweder direkt mit der Strömung in die Rückführleitung gelangt oder sich
innerhalb des Sammelbeckens aktiv zum Ablauf der Rückführleitung orientiert. Auch
bei den mobilen Benthos-Organismen wie beispielsweise den Insektenlarven oder den
Flohkrebsen ist zu erwarten, dass sie überwiegend mit der Strömung in die Rückführleitung gelangen und auf diese Weise in die Ihme zurückgeführt werden. Hingegen
wird wahrscheinlich der überwiegende Teil der weniger mobilen Arten wie Schnecken
oder Muscheln zu Boden sinken und nicht wieder in die Ihme gelangen (vgl. SPÄH
2015). Individuenverluste sind also auch bei Nutzung der geplanten Rückführleitung
vor allem bei den weniger mobilen Arten zu erwarten, aber auch bei den mobileren
nicht auszuschließen.
Werden bei Verstopfungen der Rückführleitung oder zu deren Vermeidung vorübergehend wieder Tauchpumpen (oder ein Zerhäcksler) eingesetzt, ist davon auszugehen, dass während dieser Betriebszeit alle Organismen die vom Feinrechen oder der
Siebbandanlage ins Sammelbecken gelangen, getötet werden.
Bei der Prognose der Wirkungen der beantragten Gewässerbenutzung wird vorausgesetzt, dass die schonende Fischrückführung in Linden realisiert und der Betrieb der
Tauchpumpen auf wenige Tage im Jahr (max. rund 10 Tage/Saison) beschränkt wird.

In Herrenhausen werden große Organismen vom Feinrechen des normalerweise
betriebenen Entnahmebauwerks I zurückgehalten, der ihnen einen ausreichenden
Schutz gegen das Eindringen in das Kühlwassersystem bietet. Das am Rechen anfallende Treibgut wird in einem Container gesammelt und entsorgt. Das gilt auch für
kleinere Organismen, die an größeren Pflanzenteilen, Hölzern etc. angeheftet sind.
Diese Organismen werden also getötet.
Im Abspritzwasser der Korbsiebbandanlage von Entnahmebauwerk I enthaltene Organismen werden dagegen über eine schon bestehende Rückführungsrinne wieder in die
Leine gegeben und überleben, wenn sie nach dem Abspritzen noch vital sind.
Das Entnahmebauwerk II in Herrenhausen verfügt nicht über eine Korbsiebbandlange,
sondern nur über Rechen. Das Rechengut wird entsorgt und auch alle Organismen, die
den Rechen passieren, werden getötet. Diese Entnahmelinie wird jedoch nur eingesetzt, wenn das Entnahmebauwerk I aufgrund von Wartungs- oder Revisionsarbeiten
außer Betrieb ist und dient dann ausschließlich zur Versorgung der Kühlturmzusatzwasseraufbereitungsanlage für das GKH Stöcken. Bei der Prognose wird vorausgesetzt, dass die Entnahmelinie II tatsächlich nur an wenigen Tagen im Jahr mit geringen Entnahmemengen (maximal 16.800 m³/d) betrieben wird.
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Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
13
Denkbar ist darüber hinaus eine indirekte Wirkung auf besonders geschützte Tiere über die
Nahrungskette, sofern ihnen durch das Einsaugen anderer Organismen die Nahrungsgrundlage
entzogen wird. Nach den vorliegenden Erkenntnissen und Erfahrungen gibt es jedoch keine Hinweise darauf, dass es bedingt durch die beantragte Benutzung zu einer erheblichen Veränderung
des Artenspektrums bzw. des Nahrungsangebotes kommen könnte, die zu einer signifikanten
Erhöhung des Tötungs- und Schädigungsrisikos oder einem Verlust von Nahrungsräumen mit
essentieller Bedeutung für Fortpflanzungs- oder Ruhestätten führen könnte.
3.3
Einleitung von Nähr- und Schadstoffen
Das Kühlwasser für die Kraftwerke Linden und Herrenhausen wird chemisch nicht verändert,
seine Nähr- und Schadstofffracht durch den Kühlprozess nicht beeinflusst, so dass sich daraus für
die Gewässer kein Einfluss auf die Nähr- und Schadstoffe im Wasser ergibt.
Anders verhält es sich mit dem Zusatzwasser für den Kühlturm des GKH Stöcken, dem Abflutwasser aus dem Kühlkreislauf des GKH Stöcken und den verworfenen Kesselkondensaten des
HKW Linden und des KWH Herrenhausen sowie dem Abwasser aus der Wasseraufbereitung in
Herrenhausen. Sie werden durch Zusätze, Eindickung und Austrag in die Atmosphäre verändert
(vgl. Kap. 2.4 in Teil A der naturschutzfachlichen Unterlagen). Durch die Einleitung dieser Abwassernebenströme kommt es in Linden zu Nährstoffeinträgen und in Herrenhausen zu einem Eintrag von Nährstoffen und Salzen, aber durch die Wasserentnahme für das Zusatzwasser auch zu
einem Austrag.
Zur Bilanzierung der Ein- und Austräge wurden daher in Tab. 1 die nutzungsbedingten Frachten
für die Nährstoffe und Salze auf der Basis der Angaben zur bisherigen Qualität der Abwassernebenströme (vgl. Kap. 2.4 von Teil A) abgeschätzt. Da zur Vermeidung von Beeinträchtigungen
der Einsatz von Betriebs- und Hilfsstoffen im Kraftwerksbetrieb – wie bisher – auf das absolut
notwendige Maß beschränkt wird (vgl. Kap. 4.1.5 von Teil A), bieten die vorhandenen Daten aus
der betrieblichen Eigenüberwachung der Jahre 2010–2014 eine gute Grundlage für eine Abschätzung der benutzungsbedingt zu erwartenden Frachten. Für die Konzentrationen im Kühlturmzusatzwasser aus der Leine, im Abflutwasser und dem Abwasser aus der Aufbereitung standen
keine Mittelwerte, sondern die Bandbreite der Konzentrationen zur Verfügung (vgl. Tab. 4 und
Tab. 5 in Teil A). Daher wurden der Abschätzung Werte im Mittel der Bandbreite zugrunde
gelegt. Für die verworfenen Kondensate wurde zur Berechnung der Stickstoff-Frachten jeweils
der maximale Zusatz von 1 mg/l einer 25 %igen NH3-Lösung1 angenommen.
1
1 mg einer 25 %igen NH3-Lösung entspricht rund 0,21 mg N, der pro Liter Kondensat zugesetzt wird
(25 mg NH3/100 mg entsprechen 20,56 mg N/100 g, also rund 0,21 mg N/mg,
das ergibt sich aus den Molmassen von Stickstoff (14,0067 g/Mol), Wasserstoff (1,0079 g/Mol) und NH3 (17,0304 g/Mol),
woraus folgt, das Stickstoff rund 82,25 % der Gesamtmasse des NH3 ausmacht)
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Tab. 1:
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Stoffeinträge und –austräge durch die beantragte Wasserentnahme und –einleitung
errechnet auf der Basis der maximal beantragten Entnahme- und Einleitwassermengen und einer Stoffkonzentration in der Mitte der Angaben der Antragstellerin zur Bandbreite dieser Konzentrationen (vgl. Tab. 4 und Tab. 5 in Teil A der naturschutzfachlichen Unterlagen) bzw. bei den Kesselkondensaten auf der Basis der maximal zugesetzten Menge
max. Menge
[m³/a]
Konzentrationen
Nährstoff-Frachten
Salzfrachten
NH4-N
[mg/l]
Phosphor
[mg P/l]
Chlorid
[mg/l]
Sulfat
[mg/l]
Ammonium
[kg N/a]
Phosphor
[kg P/a]
Chlorid
[kg/a]
Sulfat
[kg/a]
3.000.000
0,1 – 0,2
0,1 – 0,2
130 – 160
150 – 190
450,0
450
435.000
510.000
450.000
0,02 – 0,05
0,6 – 1,0
500 – 800
500 – 800
15,8
360
292.500
292.500
Kesselkondensate
HKW Linden
15.000
max. 0,21
-
-
-
3,2
-
-
-
Kesselkondensat
KWH Herrenhausen
10.000
max. 0,21
-
-
-
2,1
-
-
-
Abwasser Wasseraufbereitung Herrenhausen
40.000
0,2 – 5
3.000 – 10.000
300 – 1.000
104,0
24
260.000
26.000
125,0
384
552.500
318.500
Austrag
Zusatzwasser für den
Kühlturm GKH Stöcken
Eintrag
Abflutwasser Kühlturm
GKH Stöcken
Summe Eintrag
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0,2 – 1
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Tab. 2:
15
Abschätzung der maximalen Konzentrationsänderungen in Gewässersystem von Ihme und Leine infolge der Stoffeinträge durch die beantragte
Einleitung von Abwassernebenströmen in Linden und Herrenhausen
errechnet auf der Basis der gemäß Antrag maximal möglichen Abwassereinleitung pro Stunde, des Maximalwertes der Bandbreite der Konzentration der Stoffe (gemäß
betrieblicher Eigenüberwachung 2010–2014, vgl. Tab. 4 und Tab. 5 in Teil A der naturschutzfachlichen Unterlagen) bzw. bei den Kesselkondensaten auf der Basis der
maximal zugesetzten Menge sowie eines niedrigen Abflusses in Höhe des mittleren Niedrigwasserabflusses (MNQ) von 16,0 m³/s bzw. 57.600 m³/h; dargestellt im Vergleich
zum jeweiligen Mittelwert der Vorbelastung an der Messstelle Bordenau für die Jahre 2008–2014 und zum Orientierungswert nach LAWA-AO (2015)
maximale
Abwassereinleitung [m³/h]
maximale
Konzentration
[mg/l]
maximale
Fracht
[g/h]
maximale Konzentrationserhöhung
bei MNQ [mg/l]
Mittelwert der
Vorbelastung
[mg/l]
Orientierungswert
[mg/l]
Ammoniumstickstoff
Kesselkondensat
HKW Linden
75
0,21
15,75
0,000 27
Kesselkondensat
KWH Herrenhausen
25
0,21
5,25
0,000 09
5
5,0
25,0
0,000 43
0,05
11,5
0,000 20
57,5
0,000 99
Abwasser Wasseraufbereitung Herrenhausen
Abflutwasser Kühlturm
GKH Stöcken
230
Summe
Ammoniumstickstoff
Ammonium-N: 0,072
Gesamt-N:
Ammonium-N: 0,2
4,3
Gesamt-Phosphor
Abwasser Wasseraufbereitung Herrenhausen
Abflutwasser Kühlturm
GKH Stöcken
Summe
Gesamt-Phosphor
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5
1,0
5
0,000 09
230
1,0
230
0,003 99
235
0,004 08
0,13
0,1
22.03.2016
16
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
maximale
Abwassereinleitung [m³/h]
maximale
Konzentration
[mg/l]
maximale
Fracht
[g/h]
maximale Konzentrationserhöhung
bei MNQ [mg/l]
Mittelwert der
Vorbelastung
[mg/l]
Orientierungswert
[mg/l]
Chlorid
Abwasser Wasseraufbereitung Herrenhausen
Abflutwasser Kühlturm
GKH Stöcken
5
10.000
50.000
0,868
230
800
184.000
3,194
234.000
4,062
Summe Chlorid
118,29
200
139,35
200
Sulfat
Abwasser Wasseraufbereitung Herrenhausen
Abflutwasser Kühlturm
GKH Stöcken
Summe Sulfat
22.03.2016
5
1.000
5.000
0,087
230
800
184.000
3,194
189.000
3,281
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17
Wie die Abschätzung in Tab. 1 zeigt, steht den stofflichen Einträgen mit dem Abflutwasser des
Kühlturms jeweils ein größerer Austrag mit dem Zusatzwasser für den Kühlturm gegenüber. Der
Betrieb des Kühlturms führt also nicht zu einem Netto-Eintrag2 von Ammonium, Phosphor,
Chlorid oder Sulfat. Vielmehr ist auch bei einer Bilanzierung aller durch die beantragte Benutzung
bedingten Ein- und Austräge mit Ausnahme von Chlorid insgesamt nicht von einem Netto-Eintrag
auszugehen. Beim Chlorid ergibt sich zwar ein Netto-Eintrag, der jedoch im Vergleich zum
betroffenen Abflussvolumen vernachlässigbar gering ist.3
Da die Abwassernebenströme aus den Kesselkondensaten und der Wasseraufbereitung diskontinuierlich anfallen und das Abflutwasser infolge der Eindickung durch den Kühlturm des
GKH Stöcken erhöhte Konzentrationen aufweist, ist zusätzlich zur Bilanzierung der Jahresfrachten
zu prüfen, ob es zu relevanten Erhöhungen der Nährstoff- oder Salzkonzentrationen kommt. Auf
der Basis der maximal pro Stunde möglichen Einleitmenge4 der verschiedenen Abwasserströme
und der maximalen Konzentration der Nährstoffe und Salze wurden daher für einen Abfluss in
Höhe eines mittleren Niedrigwasserabflusses (MNQ) von 16 m³/s bzw. 57.600 m³/h in Tab. 2 die
jeweils maximal zu erwartenden Konzentrationserhöhungen für die verschiedenen Stoffe im
Gewässersystem von Ihme und Leine ermittelt. Sie sind bezogen auf die verschiedenen Abwassernebenströme sowohl im Vergleich zur Vorbelastung als auch im Vergleich zum Orientierungswert der LAWA-AO (2015) jeweils vernachlässigbar gering. Die Ableitung der Kesselkondensate
und des Abwassers aus der Wasseraufbereitung erfolgt diskontinuierlich und unabhängig voneinander jeweils nur für wenige Stunden. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass alle Einleitungen
zeitgleich vorgenommen werden. Aber auch in der Summe ergeben sich für die verschiedenen
Stoffe nur sehr geringe Konzentrationserhöhungen.
Mit dem Abwasser wird auch in geringen Mengen Ammonium eingeleitet, das im Gewässer in
Abhängigkeit von der Wassertemperatur und dem pH-Wert in das fischgiftige Ammoniak umgewandelt wird. Die für Fische letalen Konzentrationen liegen bei 0,6–1,2 mg/l, die für Fischbrut bei
0,2–0,4 mg/l. Andere Wassertiere wie Insekten, deren Larven oder Krebse sind weniger empfindlich (FREIE UND HANSESTADT HAMBURG 2001). Vitalitätsbeeinträchtigungen der Fische können jedoch
bereits bei geringeren Konzentrationen auftreten. Die niedersächsische Verordnung über Qualitätsanforderungen an Fischgewässer und Muschelgewässer (FischMuGewQualV ND) sieht daher
einen Grenzwert von ≤ 0,025 mg/l Ammoniak vor.
Wie Tab. 2 zeigt, ist jedoch allenfalls eine sehr geringe benutzungsbedingte Erhöhung der Ammonium-Konzentration in Ihme und Leine zu prognostizieren, die auch nur eine vernachlässigbar
geringe zusätzliche Ammoniak-Bildung zur Folge hat. Allerdings kann auch die benutzungsbedingte Erhöhung der Wassertemperatur (siehe Kap. 3.4) einen lokalen Anstieg der AmmoniakKonzentration im Wasser unterhalb der Einleitungsstellen verursachen. Ausgehend von den in der
Leine zwischen 2008 und 2014 beobachteten Ammonium-Konzentrationen sind jedoch auch unter
Berücksichtigung einer benutzungsbedingten Temperaturerhöhung um 3 K nur Konzentrationen
deutlich unter dem Grenzwert von ≤ 0,025 mg/l Ammoniak (bzw. ≤ 0,0206 mg/l Ammoniakstick-
2
3
4
Ein Netto-Eintrag ist nur dann gegeben, wenn mit den Abwässern insgesamt eine größere Menge eines Stoffes eingetragen
wird, als mit dem entnommenen Flusswasser entnommen wird.
Einem rechnerischen Netto-Eintrag von117.500 kg/a steht bei einem mittleren Abfluss von rund 50 m³/s (vgl. Kap. 4.1) ein
betroffenes Wasservolumen von 1.576.800.000 m³/a gegenüber, so dass sich im Mittel eine nutzungsbedingte Konzentrationserhöhung von nur rund 0,07 mg/l Chlorid im Gewässer ergibt.
Bei der Ermittlung der Abwassermenge pro Stunde wurde berücksichtigt, dass die Pumpe für die Einleitung des Abwasser
aus der Wasseraufbereitung mit maximal 5 m³/h arbeitet und dass die pro Tag beantragte Kesselkondensat-Einleitmenge
im Extremfall jeweils innerhalb von zwei Stunden abgeleitet werden kann (vgl. Kap. 4.2 und Kap. 4.3 des Antrags)
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22.03.2016
18
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
stoff) zu erwarten (vgl. Gewässerökologisches Gutachten in Teil B der naturschutzfachlichen
Unterlagen). Auswirkungen auf Leben und Gesundheit der Gewässerorganismen sind daher nicht
zu besorgen.
Artenschutzrechtlich relevante Auswirkungen auf besonders geschützte Arten durch die mit der
beantragten Benutzung verbundenen Veränderungen von Nährstoffen und Schadstoffen in Ihme
und Leine sind nicht zu erwarten. Sie sind weder geeignet die Vitalität von geschützten Organismen zu beeinträchtigen noch eine Verschlechterung der ökologischen Gesamtsituation des Wirkraums unterhalb der Einleitungsstellen im Hinblick auf seine mögliche Funktion als Fortpflanzungs- oder Ruhestätte zu verursachen.
Der Wirkfaktor Nähr- und Schadstoffe ist daher für die artenschutzrechtliche Prüfung nicht relevant und wird nachfolgend nicht weiter berücksichtigt.
3.4
Einleitung von Wärme und Änderung des Sauerstoffgehalts
Der Wärmehaushalt eines Fließgewässers wird von einer Vielzahl von Parametern beeinflusst,
dabei bilden sich in Abhängigkeit von den meteorologischen Verhältnissen Tages- und Jahresgänge aus. Mit dem eingeleiteten Kühlwasser wird Energie in Form von Wärme in Ihme und
Leine eingetragen, was sich direkt auf deren Wassertemperatur auswirkt und auch zu Veränderungen des Sauerstoffgehalts führen kann.
Grundsätzlich können anthropogen stark erhöhte oder verringerte Wassertemperaturen bzw.
extreme Temperaturwechsel zu Stressreaktionen, zu Schädigungen oder sogar zum Tod von
Organismen führen. Durch die beantragte Kühlwassereinleitung mit einer Beschränkung der Einleittemperatur auf max. 30 °C bzw. 32 °C sowie die Einhaltung der Grenzwerte der niedersächsischen Verordnung über Qualitätsanforderungen an Fischgewässer und Muschelgewässer, also
einer maximalen Wassertemperatur von 28 °C und einer maximalen Aufwärmspanne von 3 K am
Rand der Durchmischungszone, werden artenschutzrechtlich relevante Auswirkungen jedoch
vermieden.
Der für den guten ökologischen Zustand von Gewässern des Epipotamals relevante Orientierungswert der Oberflächengewässerverordnung (OGewV, Anlage 6 Nr. 2) von < 25 °C zielt
darauf ab, die Funktionsfähigkeit des Ökosystems des betroffenen Gewässertyps und die biologischen Qualitätskomponenten der Gewässerflora und –fauna (wie Makrophyten, benthische
Wirbellose oder Fische) in einem anthropogen nur in geringem Maße veränderten Zustand zu
erhalten. Auch im Arbeitspapier der LAWA (LAWA-AO 2015) ist für diesen Gewässertyp eine
sommerliche Maximaltemperatur von 25 °C genannt, darüber hinaus wird dort für den Winter
(Dezember bis März) eine maximale Wassertemperatur von 10 °C gefordert.
GOLDER ASSOCIATES (2016) haben die nutzungsbedingten Temperaturveränderungen in Ihme und
Leine anhand eines dreidimensionalen Modells und verschiedener Szenarien (vgl. Tab. 3) untersucht, die auf den Angaben zum voraussichtlichen Betrieb (vgl. Kap. 3.2 in Teil A der naturschutzfachlichen Unterlagen) basieren. Dabei haben sie für alle simulierten Lastfälle Randbedingungen zugrunde gelegt, die einen in Gänze betrachtet konservativen Parametersatz nachbilden.
Anhand dieser in Teil B der naturschutzfachlichen Unterlagen genauer erläuterten Szenarien, die
einen realistischen Worst Case sowohl für den Sommer- wie auch für den Winterbetrieb darstellen und daher geeignet sind, den Antragsgegenstand abzubilden, können die voraussichtlichen
Auswirkungen auf die Gewässertemperatur prognostiziert werden.
22.03.2016
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Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
Tab. 3:
19
Szenarien zur Untersuchungen der Wärme-Einleitung
zu den Betriebsszenarien vgl. auch Kapitel 3.2 in Teil A der naturschutzfachlichen Unterlagen, die
maximale Kühlwasseraufwärmspanne beträgt 10 K, d. h. die Einleittemperatur des Kühlwassers liegt
maximal 10 K über der Ausgangstemperatur; unter Volllast wird der Betrieb der Kraftwerke mit der
beantragten maximalen Kühlwassereinleitmenge und –temperatur verstanden; da die Einhaltung der
Grenzwerte der niedersächsischen Verordnung über Qualitätsanforderungen an Fischgewässer und
Muschelgewässer im Sommer bei einem Leine-Abfluss von < 28 m³/s nur bei einem reduzierten
Wärmeeintrag eingehalten werden kann, wurde auch ein entsprechend reduzierter Sommerlastfall bei
einem niedrigen Leine-Abfluss von 14,4 m³/s untersucht
Szenarien
Kühlwassereinleitung
[m³/s]
Ihme
Leine
LeineAbfluss
[m³/s]
Randbedingungen
Sommer
Lastfall 1 – Volllast
Betrachtung der Wärmeeinleitung beider Kraftwerke
6
2
28
Teilbetrachtung der Wärmeeinleitung HKW Linden
6
0
28
Betrachtung der Wärmeeinleitung beider Kraftwerke
3
5
28
Teilbetrachtung der Wärmeeinleitung KWH Herrenhausen
0
5
28
Betrachtung der Wärmeeinleitung HKW Linden
3,9
0
14,4
Betrachtung der Wärmeeinleitung KWH Herrenhausen
0
3,9
14,4
Betrachtung der Wärmeeinleitung beider Kraftwerke
2
2
30,2
Teilbetrachtung der Wärmeeinleitung HKW Linden
2
0
30,2
Teilbetrachtung der Wärmeeinleitung KWH Herrenhausen
0
2
30,2
Ausgangs-Wassertemperatur: 21 °C
Lufttemperatur: max. 28 °C
Luftfeuchtigkeit: max. 80 %
Windgeschwindigkeit: 0,5 m/s
Bewölkungsgrad: 1
Sonneneinstrahlung: Anfang Juli
Lastfall 2 – Volllast
reduzierter Sommerlastfall
Winter
Ausgangs-Wassertemperatur: 4 °C
Lufttemperatur: max. 9,4 °C
Luftfeuchtigkeit: max. 80 %
Windgeschwindigkeit: 1,7 m/s
Bewölkungsgrad: 7
Sonneneinstrahlung: Ende Februar
Benutzungsbedingte Veränderungen der Wassertemperatur und damit verbundene Wirkungen
auf den Sauerstoffgehalt des Wassers entstehen jeweils an den Einleitungsstellen und wirken sich
stromabwärts davon aus. Zunächst (in der Durchmischungszone) bleibt die eingeleitete Wärme
jeweils als Wärmefahne auf einen Teil des Gewässerquerschnitts begrenzt (nach den vorliegenden Modellierungen in Herrenhausen ufernah, in Linden im Winter ebenfalls ufernah, im Sommer
oberflächennah). Mit zunehmender Fließstrecke wird eine immer stärkere Durchmischung erreicht. Am Rand der Durchmischungszone ist die in Linden und Herrenhausen eingeleitete Wärme
gleichmäßig über den Gewässerquerschnitt verteilt. Bei den von GOLDER ASSOCIATES (2016) untersuchten Szenarien war insgesamt spätestens rund 1.200 m unterhalb der Einleitung in Herrenhausen eine vollständige Durchmischung erreicht.
In der sich flussabwärts anschließenden durchmischten Zone ist das Wasser aber weiterhin wärmer als ohne die beantragten Kühlwassereinleitungen. Da die Wärmeabgabe aus dem Gewässer
an die Luft insbesondere im Sommer nur gering ist, bleibt die eingeleitete Wärme weitgehend im
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20
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Wasser und eine Verringerung der Temperatur erfolgt nur durch Verdünnung über kühlere Zuflüsse. Dabei wird die Wärmeeinleitung aber in jedem Fall so begrenzt, dass in der durchmischten
Zone keine nutzungsbedingte Erwärmung um mehr als 3 K und keine Überschreitung von 28 °C
Wassertemperatur erfolgen (vgl. Kap. 3.1 und Kap. 4 in Teil A). Nach den Untersuchungen von
GOLDER ASSOCIATES (2016) ergeben sich bei den gewählten konservativen aber realistischen Parametersätzen Temperaturen im durchmischten Wasserkörper von < 25 °C bei einer Aufwärmspanne von maximal 3 K.
Die Ergebnisse der Simulationen von GOLDER ASSOCIATES (2016) zeigen außerdem, dass es zwar
innerhalb der Wärmefahnen zu einer lokalen Überschreitung der für Gewässer des Epipotamals
relevanten Orientierungswerte nach OGewV und LAWA-AO (2015) für den guten ökologischen
Zustand von < 25 °C im Sommer bzw. 10 °C im Winter kommt, dass die Temperaturen ansonsten aber bei den gewählten konservativen Randbedingungen (s. o.) innerhalb der Durchmischungszone unter diesen Werten bleiben. Den aquatischen Organismen verbleiben somit
ausreichend Ausweichmöglichkeiten.
Da die Orientierungswerte für den guten ökologischen Zustand durch die beantragte Gewässerbenutzung allenfalls lokal eng begrenzt oder selten und kurzzeitig überschritten werden, geht von
der Temperaturerhöhung in Ihme und Leine weder ein signifikant erhöhtes Tötungs- oder Schädigungsrisiko noch eine Gefährdung von möglichen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten aus.
Abb. 1:
Sauerstoffgehalt im Kühlwasserauslauf Herrenhausen
Ergebnisse der täglichen Messungen durch die Stadtwerke Hannover AG in den Jahren 2013 und 2014;
die Ablaufwerte berücksichtigen die Einleitung des Abflutwassers des GKH, der Block B war 2013/14
nur phasenweise in Betrieb; MIN = Jahresminimalwert
Die Löslichkeit von Sauerstoff in Wasser ist temperaturabhängig, daher kann es bei sauerstoffgesättigtem Wasser durch eine Temperaturerhöhung zu einer Verringerung des absoluten Sauerstoffgehaltes kommen. Messungen der Antragstellerin in Herrenhausen zeigen jedoch, dass die
Sauerstoffkonzentration im auslaufenden Kühlwasser (bei einer Aufwärmspanne von 10 K) 2013
und 2014 im Mittel bei 9 mg/l lag und 5,7 mg/l nicht unterschritten wurden (vgl. Abb. 1). Für das
Überleben von Fischen kritische Werte von ≤ 4 mg/l wurden nicht beobachtet. Der Orientierungswert der LAWA-AO (2015) von 7 mg/l für Bäche, Flüsse und Ströme des norddeutschen
22.03.2016
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Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
21
Tieflands wird selbst im Auslauf mit der lokal besonders starken Temperaturerhöhung überwiegend eingehalten.
Die Einleitung von zusätzlichen Nährstoffen mit dem Abwasser, die zu einer erhöhten Sauerstoffzehrung führen könnten, ist vernachlässigbar gering (vgl. Kap. 3.3). Da Leine und Ihme keine
planktondominierten Gewässer sind, ist auch die durch die beantragte Gewässerbenutzung
bedingte Sauerstoffzehrung durch Organismen, die im Kühlkreislauf getötet und wieder eingeleitet werden, gering. Insgesamt ist daher ein signifikant erhöhtes Tötungs- und Schädigungsrisiko durch nutzungsbedingte Veränderungen des Sauerstoffhaushalts von Ihme und Leine nicht
zu besorgen.
Der Wirkfaktor Einleitung von Wärme und Änderung des Sauerstoffgehalts ist daher insgesamt
für die artenschutzrechtliche Prüfung nicht relevant und wird nachfolgend nicht weiter berücksichtigt.
3.5
Zusammenfassung der artenschutzrechtlich relevanten Wirkfaktoren
Insgesamt ist in den vorangegangenen Kapiteln nur ein Wirkfaktor als relevant für die Prüfung
des Eintretens von Verbotstatbeständen identifiziert worden:
das Einsaugen von Organismen mit dem Flusswasser.
Dieser könnte bei besonders geschützten Individuen zu deren Schädigung oder Tötung führen,
was den Verbotstatbestand nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 (Tiere) oder Nr. 4 (Pflanzen) BNatSchG erfüllen würde.
Das Eintreten von Verbotstatbeständen nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 (Störung) oder Nr. 3 (Schädigung
von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten) BNatSchG ist auf der Basis der Analyse der Wirkfaktoren
nicht zu besorgen.
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22
4.
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Bestandsbeschreibung
Aufgrund der Art der beantragten Gewässerbenutzung, die sich auf die Entnahme von Kühlwasser aus Ihme und Leine sowie die Einleitung des energetisch und stofflich veränderten Wassers in
diese Gewässer über die bereits bestehenden Anlagen beschränkt, sind ihre Auswirkungen auf
das Gewässersystem von Ihme und Leine begrenzt. Betroffen sind im Wesentlichen der eigentliche Wasserkörper und der damit in Wechselwirkung stehende Gewässergrund sowie die dort
vorkommenden Organismen. Die Reichweite der Wirkfaktoren innerhalb der Gewässer ist unterschiedlich und wird von den wechselnden hydrologischen Randbedingungen beeinflusst.
Unter Berücksichtigung der Lage des Randes der Durchmischungszone nahe der Querung durch
die Bahntrasse und der vorliegenden 'Untersuchungen der ökologischen und chemischen Situation an Leine und Ihme' (BIOCONSULT 2016b) wurde als Betrachtungsraum ein Abschnitt von Ihme
und Leine gewählt, der sich vom Wehr Schneller Graben bis über die Bahntrasse hinaus erstreckt
und die ober- und unterhalb der Entnahme- und Einleitstellen in Linden und Herrenhausen
beprobten Abschnitte (S-5 bis S-7, vgl. Kap. 4.2) umfasst.
Entsprechend konzentrieren sich auch die Bestandsbeschreibungen auf diese Gewässer.
4.1
Gewässersystem von Leine und Ihme
Die Leine durchquert von Thüringen kommend in Niedersachsen zunächst die naturräumliche
Region des Weser-Leineberglandes und südlich von Hannover dann den Westteil der Börden,
bevor sie im Bereich der Stadt Hannover das Weser-Aller-Flachland erreicht. Am Nordrand dieser
Region mündet sie in die Aller, die am Westrand des Weser-Aller-Flachlandes in die Weser fließt.
In Höhe des Maschsees (Leine-km 16,75) wird die Leine durch den Leineabzweig am Wasserkraftwerk und Wehr Schneller Graben aufgeteilt. Eine kleinere Wassermenge fließt als Leine,
auch Mühlen-Leine genannt, durch die Innenstadt von Hannover. Der Hauptabfluss fließt in den
Schnellen Graben, der sich nach einer Strecke von ca. 500 m mit dem aus Richtung des Deisters
kommenden Ihme-Bach vereinigt und zum Ihme-Fluss wird (vgl. Abb. 1 in Kap. 2 von Teil A der
naturschutzfachlichen Unterlagen). Im Folgenden ist mit der Bezeichnung Ihme der Ihme-Fluss
(einschließlich des Schnellen Grabens) gemeint. Nördlich von Hannover-Mitte werden Ihme und
Leine bei Leine-km 21,0 wieder vereinigt. Flussabwärts davon liegen bei Leine-km 22,78 das
Wasserkraftwerk und Wehr Herrenhausen sowie der Abzweig des Leineabstiegskanals.
Im Bereich zwischen dem Wehr Schneller Graben und dem Wehr Herrenhausen ist der Abfluss
von Ihme und Leine staureguliert und entsprechend verlangsamt. Auch oberhalb von Hannover
ist die Leine durch zahlreiche Stauanlagen reguliert, unterhalb der Stadt ist sie dagegen ökologisch durchgängig (NLWKN 2012). Während Leine und Ihme oberhalb des Wehres Herrenhausen
einen gestreckten Verlauf zeigen, ist die weitere Fließstrecke bis zur Mündung in die Aller deutlich
gewunden. Dennoch ist auch dieser Abschnitt der Leine "geprägt durch ihren immer wieder
begradigten und durchgehend stark bis sehr stark tiefenerodierten Verlauf" (NLWKN 2012).
Die ökologisch durchgängige Leine unterhalb von Hannover im Übergangsbereich der Börden zur
Geest ist auf weiten Strecken ein- oder beidseitig von Gehölzstreifen begleitet, die teilweise strukturbildende Funktion sowie vereinzelt und sehr kleinräumig sogar noch einen Auwald-ähnlichen
Charakter haben. Daneben gibt es einzelne Kiesbänke und Uferabbrüche, die zum Teil mit Totholzablagerungen verbunden sind. Insgesamt sind aber strukturbildende Elemente im Verhältnis
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zur Größe des Gewässers nach Angaben des NLWKN (2012) nur in relativ geringer Anzahl ausgebildet. Gefährdete Uferabschnitte sind zum großen Teil befestigt und die eigendynamische Entwicklung der Leine entsprechend meist unterbunden. Die Breiten-, Tiefen-, Strömungs- und Substratvarianz ist nicht besonders ausgeprägt. Kiese scheinen aufgrund des Geschiebetransportes
aus den oberhalb liegenden Mittelgebirgsabschnitten und der erhöhten Fließgeschwindigkeit zu
dominieren. Über weite Strecken erfolgt in der Aue eine Nutzung als Acker oder Grünland bis an
den Gewässerrand, im Stadtbereich von Hannover ist – unterhalb der Einmündung der Ihme und
über das Wehr Herrenhausen hinaus – neben einem verstärkten Ausbau auch eine intensive Freizeitnutzung kennzeichnend (NLWKN 2012).
BIOCONSULT (2016b) hat Ihme und Leine im Gewässerabschnitt vom Wehr Schneller Graben bis
einschließlich Luthe (vgl. Abb. 2) untersucht. Sie stufen sowohl den Ihme-Fluss als auch die Leine
in Abstimmung mit den Fachbehörden (NLWKN und LAVES) als große sand- und lehmgeprägte
Tieflandflüsse (Fließgewässertyp 15g) ein. Infolge der Lage am Übergang vom Hügelland ins
Flachland sowie durch anthropogene Laufverengungen und Eintiefung des Profils weist die Leine
für ein Fließgewässer dieses Typs noch eine relativ starke Strömung auf (BIOCONSULT 2016b).
Abb. 2:
Bestandsuntersuchungen in Ihme und Leine im Raum Hannover
(Quelle: BIOCONSULT 2016b)
Die vom NLWKN (2012) angeführte Begradigung der Leine prägt nach Angaben von BIOCONSULT
(2016b) nicht das Gesamtbild. Daneben sind auch Abschnitte mit relativ naturnahem Krümmungsverlauf nicht selten. Im von BioConsult untersuchten Abschnitt von Ihme und Leine dominieren Kiese nur in stärker überströmten Sohlbereichen. Lehmige und schluffige Auensedimente
prägen hier die Gewässersubstrate, so dass sie den Flüssen mit höherem Lehmanteil zugeordnet
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Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
werden können. Die Ufergehölze setzten sich im untersuchten Abschnitt aus wenigen Weidenarten und deren Hybriden zusammen. Weitere gewässertypische Arten wie Schwarzerle sind nicht
oder nur vereinzelt anzutreffen. Eine Hartholzaue ist nahezu nicht vorhanden. Insgesamt besteht
nach Einschätzung von BIOCONSULT (2016b) das größte strukturelle Defizit des untersuchten
Abschnitts in dem stark eingetieften und teilweise eingeengten Verlauf, den fehlenden Retentionsflächen in der Aue und den daraus resultierenden sehr starken hydrologischen Belastungen
des Gewässerprofils sowie der Flora und Fauna bei Hochwasserereignissen.
Im Bereich des HKW Linden ist die Ihme etwa 40 m breit und insbesondere bei Niedrig- bis
Mittelabfluss sind dort aufgrund des Rückstaus nach GOLDER ASSOCIATES (2016) geringe Fließgeschwindigkeiten zu erwarten. Nach Angaben von BIOCONSULT (2016b) ist die Leine in den meisten
untersuchten Abschnitten (vgl. Abb. 2) durch eine gegenüber dem Leitbild eines 'großen sandund lehmgeprägten Tieflandflusses' stark erhöhte Fließgeschwindigkeit gekennzeichnet. Im
Bereich der Wasserentnahme bei Herrenhausen hat die etwa 30 m breite Leine aber nach GOLDER
ASSOCIATES (2016) ein geringes Sohlgefälle, so dass sie dort bei einem niedrigen Abfluss auch nur
geringe Fließgeschwindigkeiten erwarten. In den unterhalb des Wehres Herrenhausen gelegenen
Untersuchungsabschnitten S-5 und S-6 ist die Leine nach BIOCONSULT (2016b) häufig durch steile
Ufer und Uferverbau gekennzeichnet.
Der mittlere Abfluss (MQ) der Leine für den Zeitraum von 1941–2012 liegt am Pegel Herrenhausen bei 50 m³/s, der mittlere Niedrigwasserabfluss (MNQ) beträgt 16 m³/s. Es wurden aber auch
schon deutlich niedrigere Abflüsse von 13,4 m³/s (Oktober 2012) oder 8,9 m³/s (Oktober 1947)
registriert (NLWKN 2014). Neben September und Oktober zeigen die Monate August und Juli am
häufigsten einen niedrigen Monatsabfluss. In der Ihme werden im Februar durchschnittlich
Wassertemperaturen von 1–6 °C und im August von 15–23,5 °C beobachtet (GOLDER ASSOCIATES
2016). Die Wassertemperatur in der Leine bei Bordenau schwankte im Zeitraum von 2008 bis
2014 im Jahresverlauf zwischen etwa 1–4 °C im Winter und 20–24 °C im Sommer (vgl. Gewässerökologisches Gutachten in Teil B der naturschutzfachlichen Unterlagen).
4.2
Aktuelle Bestandserfassungen
Im Rahmen der Untersuchung der ökologischen und chemischen Situation an Leine und Ihme
erfolgte 2013 durch BIOCONSULT (2016b) auch eine Erfassung der Makrophytenbestände, des
Makrozoobenthos und der Fische in insgesamt sieben Abschnitten (S-1 bis S-7, vgl. Abb. 2) zwischen dem Wehr Schneller Graben und Luthe. Die Untersuchungsabschnitte lagen jeweils in
einem gewissen Abstand ober- und unterhalb der verschiedenen Einleiter (Kraftwerke und Kläranlagen, vgl. Abb. 2), um einen großräumigen Vergleich des ökologischen Zustands der Gewässer vor und hinter den Einleitungen, aber möglichst unabhängig von kleinräumigen und womöglich stärkeren Effekten der Einleitungen zu gewährleisten (BIOCONSULT 2016a). Die Untersuchungen von BIOCONSULT (2016b) hatten eine Erfassung und Bewertung des aktuellen Zustands der
biologischen Qualitätskomponenten von Ihme und Leine nach den Verfahren der Wasserrahmenrichtlinie zum Ziel. Die Ergebnisse sind daher vor allem geeignet, den Bestand der Gewässer
grundsätzlich zu charakterisieren. Dem entsprechend handelt es sich zwar um repräsentative
Stichproben, aber nicht um Erfassungen der vollständigen Artenspektren. Aufgrund der räumlichen Variabilität der hydromorphologischen Bedingungen erlauben die Ergebnisse daher insbesondere für Makrophyten und Makrozoobenthos zwar Rückschlüsse auf die Biozönose des
Gewässers, aber keine konkreten Aussagen über Vorkommen besonders geschützter Arten in der
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unmittelbaren Umgebung der Entnahme- und Einleitbauwerke in Linden und Herrenhausen. Aus
diesem Grund werden bei der Relevanzprüfung (in Kap. 5) nicht nur die besonders geschützten
Arten berücksichtigt, die von BIOCONSULT (2016b) in Ihme und Leine nachgewiesen wurden,
sondern auch die, deren Vorkommen im Wirkraum der beantragten Gewässerbenutzung
aufgrund der vorliegenden Kenntnisse über die Gewässer nicht ausgeschlossen werden kann.
4.2.1
Makrophyten in Leine und Ihme
Die Erfassung der Makrophyten im Gewässer erfolgte entsprechend der Phylib-Verfahrensanleitung (SCHAUMBURG et al. 2012) Anfang September 2013. Kartiert wurden insgesamt neun Probenahmestellen (P0 – P5 und P9 – P11, siehe Abb. 2) in den sieben ausgewählten Gewässerabschnitten. Die Makrophyten wurden vor Ort bestimmt und ihr jeweiliger Bedeckungsgrad aufgenommen. Darüber hinaus wurden weitere Parameter erfasst wie das besiedelte Substrat, die
mittlere Tiefe und die Gewässertrübung (BIOCONSULT 2016b).
Aufgrund der in den meisten von BIOCONSULT (2016b) untersuchten Gewässerabschnitten stark
erhöhten Fließgeschwindigkeit, der häufig starken Uferbefestigung mit Steinschüttungen und
dem weitgehenden Fehlen von gewässertypischen Strukturen wie Uferbänke, Totholz, strömungsberuhigter Bereiche etc. sind die Ansiedlungsmöglichkeiten für höhere Pflanzen deutlich
eingeschränkt. Auch die relativ starke Trübung und Schluff bzw. Detritus-Depositionen sowie
wiederkehrende hohe Abflussspitzen und starke Wasserstandsschwankungen schränken deren
Ansiedlung ein (BIOCONSULT 2016b).
BIOCONSULT (2016b) charakterisiert das Arteninventar als sehr einheitlich. Insgesamt wurden an
den Probenahmestellen in Leine und Ihme nur sieben verschiedene submers wachsende Arten
nachgewiesen, darunter sechs Gefäßpflanzen und ein Wassermoos. Als vorherrschend wurden
der Störungszeiger Kamm-Laichkraut (Potamogeton pectinatus) und das Gewöhnliche Quellmoos
(Fontinalis antipyretica), das Steinschüttungen besiedelt, identifiziert.
Keine der von BIOCONSULT (2016b) nachgewiesenen Pflanzenarten ist besonders oder streng
geschützt.
4.2.2
Makrozoobenthos in Leine und Ihme
Zur Erfassung der Makrozoobenthos-Vorkommen wurden von BIOCONSULT (2016b) insgesamt
neun repräsentative Probenahmestellen (P0 – P5 und P9 – P11, siehe Abb. 2) in den sieben
Gewässerabschnitten ausgewählt, die jeweils Ende April bzw. Anfang Mai 2013 und im Oktober
2013 beprobt wurden. Die Untersuchungen erfolgte entsprechend der Vorgaben des 'Methodischen Handbuches Fließgewässerbewertung' (MEIER et al. 2006). Soweit möglich, fand die Probenahme vom Ufer aus bzw. watend im Gewässer statt, zum Teil musste die Beprobung aber auch
vom Boot aus vorgenommen werden. Es wurde eine quantitative Untersuchungen mittels MultiHabitat-Sampling (MHS) mit anschließender Lebendsortierung unter Angabe der Häufigkeitsklassen vorgenommen. Zusätzlich wurde an jeder Probenahmestelle eine 21. Teilprobe von besonders besiedlungsträchtigen Habitaten genommen, die durch die MHS-Methode aufgrund eines zu
geringen Deckungsgrades nicht ausreichend erfasst wurde (BIOCONSULT 2016b).
Nach BIOCONSULT (2016b) waren die Probenahmestellen vorwiegend durch Lehm mit Feinsandund teilweise auch geringen Kiesanteilen charakterisiert. Die Uferbereiche waren überwiegend
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Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
sehr steil und teilweise auch befestigt. Für den Fließgewässertyp eigentlich charakteristische,
strukturgebende Elemente in Form von natürlichen Sekundärsubstraten, wie Totholz und
Wasserpflanzen, fehlten häufig.
Die Funktion der untersuchten Abschnitte von Ihme und Leine als Lebensraum für das Makrozoobenthos ist eingeschränkt, denn nach BIOCONSULT (2016b) ergibt sich (in Übereinstimmung mit
der offiziellen behördlichen Bewertung) nur ein mäßiger bis unbefriedigender ökologischer
Zustand, der aus der allgemeinen Degradation des Gewässers, seiner Strukturarmut und der
hohen Anzahl von Neozoen resultiert. Insgesamt wurden bei den Untersuchungen Taxa aus
17 Ordnungen nachgewiesen, darunter auch 16 Neozoen. Artenreichste Gruppen waren die
Dipteren (Zweiflügler), die Trichopteren (Köcherfliegen) und die Crustaceen (Krebstiere). Aus den
artenschutzrechtlich relevanten Gruppen (Bivalvia, Gastropoda, Odonata und Coleoptera) wurden
insgesamt 31 Taxa nachgewiesen, darunter acht besonders geschützte Taxa (vgl. Tab. 4).
Da die Frühjahrs-Beprobung 2013 vergleichsweise früh erfolgte und das Frühjahr zudem kalt war,
wurden im Juni 2014 insgesamt elf Probenahmestellen (P0 – P7 und P9 – P11, siehe Abb. 2)
erneut untersucht (BIOCONSULT 2014). Dabei wurde im Wesentlichen die Bewertung der Untersuchung von 2013 bestätigt, jedoch gibt es hinsichtlich der nachgewiesenen Arten Unterschiede.
Bei den Untersuchungen von 2013 (BIOCONSULT 2016b) war unter den sieben festgestellten
Muschel-Arten mit der Malermuschel (Unio pictorum) nur eine besonders geschützt Art. Sie
wurde in geringer Dichte (0,4 Individuen/m²) im Bereich der Probenahmestelle P2 oberhalb der
Wasserentnahme für das Kraftwerk Herrenhausen angetroffen. An allen anderen Probenahmestellen wurde sie nicht nachgewiesen. Dieses Vorkommen der Malermuschel wurde bei den
Untersuchungen im Frühjahr 2014 (BIOCONSULT 2014) nicht bestätigt, jedoch wurde eine nicht
näher bestimmte Unio-Art weiter flussabwärts (P7 und P10) in etwa größerer Dichte (1,3 bzw.
1,0 Ind./m²) nachgewiesen. Außerdem wurde 2014 eine ebenfalls nicht näher bestimmte Art der
Teichmuscheln (Anodonta sp.) in der Ihme (P0) sowie in der Leine unterhalb von Herrenhausen
(P5) festgestellt (ebenfalls mit 1,3 bzw. 1,0 Ind./m²).
Alle heimischen Libellen-Arten sind nach der Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) besonders
geschützt, einige Arten sind darüber hinaus nach Anhang IV der FFH-Richtlinie bzw. der BArtSchV
auch streng geschützt. Von den Larven der sieben 2013 nachgewiesenen Libellen-Taxa hat
BIOCONSULT (2016b) nur drei bis zur Art bestimmt. Es handelt sich um Larven der Gebänderten
Prachtlibelle (Calopteryx splendens), der Gewöhnlichen Keiljungfer (Gomphus vulgatissimus) und
der Gewöhnlichen Federlibelle (Platycnemis pennipes). Alle drei Arten sind besonders geschützt.
Sie wurden in unterschiedlicher Dichte (0,4–6,9 Individuen/m²) an verschiedenen Probenahmestellen nachgewiesen. Die anderen vier Odonata-Taxa wurden nur bis zur Gattung, bis zur Familie oder sogar nur bis zur Unterordnung bestimmt. Diese umfassen neben besonders auch streng
geschützte Arten. Fünf der Taxa, darunter die drei bis zur Art bestimmten, wurden auch an den
Probenahmestellen in der Ihme (S-7) bzw. der Leine (S-6, S-5) ober- und unterhalb der Wasserentnahmen für die Kraftwerke festgestellt. Bei den ergänzenden Untersuchungen im Frühjahr 2014 wurden erneut Larven der Gewöhnlichen Keiljungfer nachgewiesen und die der Gebänderten Prachtlibelle traten an nahezu allen Probenahmestellen auf, dabei erreichten sie mit
10 Individuen/m² in der Ihme die höchste Dichte (BIOCONSULT 2014).
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Tab. 4:
27
In Leine und Ihme nachgewiesene besonders und streng geschützte Muscheln und
Libellen
Angaben zum Vorkommen auf der Basis der Untersuchungen von BIOCONSULT (2014, 2016b), zur Lage
der untersuchten Gewässerabschnitte (S-1 bis S-7) und der Probenahmepunkte (P1 – P5, P9 – P11) im
Bereich Hannover unterhalb des Wehres Schneller Graben und stromabwärts bis Luthe vgl. Abb. 2,
X = bei den Untersuchungen nachgewiesen; Angaben zum Schutzstatus auf der Basis von THEUNERT
(2008b), bei den nicht bis zur Art bestimmten Libellen-Larven ist mindestens von einem besonderen
Schutz auszugehen (min. besond.), einige Arten dieser Taxa sind darüber hinaus streng geschützt
Taxon
Schutzstatus
Vorkommen in den Abschnitten (S) an den Probenahmestellen
(P)
S-7
P0
S-6
P1
P2
S-5
S-4
S-3
P3
P4
P5
S-2
P6
P7
P9
S-1
P10
P11
Bivalvia (Muscheln)
Unio pictorum ssp.
besonders
Unio sp.
besonders
Anodonta sp.
besonders
X
X
X
X
X
Odonata (Libellen-Larven)
Aeshnidae Gen. sp.
min. besond.
Calopteryx sp.
min. besond.
X
besonders
X
Coenagrionidae Gen. sp.
min. besond.
X
Gomphus vulgatissimus
besonders
X
Platycnemis pennipes
besonders
X
Calopteryx splendens
Zygoptera Gen. sp.
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
min. besond.
X
X
X
Unter den nachgewiesenen Schnecken-Arten und den festgestellten Käfer-Taxa waren keine
besonders oder streng geschützten Arten.
4.2.3
Fische und Rundmäuler in Leine und Ihme
Zur Erfassung der Fischfauna in den Gewässern und zur Ermittlung der mit dem Kühlwasser an
den Kraftwerken eingesogenen Fischfauna wurden zwei Untersuchungen durchgeführt
(BIOCONSULT 2015, 2016b).
Für die Erfassung der Fischfauna in Leine und Ihme zwischen Schnellem Graben und Luthe wurden von BIOCONSULT (2016b) in jedem der sieben Gewässerabschnitten (S-1 bis S-7, vgl. Abb. 2)
je zwei repräsentative Befischungsstrecken einmal im Sommer und einmal im Herbst in Orientierung am DIN-Entwurf EN 14011 'Probenahme von Fisch mittels Elektrizität' und an den Empfehlungen zur Anwendung des fischbasierten Bewertungssystems für Fließgewässer (DUßLING 2009)
sowie den Vorgaben des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES), Dezernat Binnenfischerei untersucht. Zusätzlich wurden von BIOCONSULT
(2016b) zur repräsentativen Erfassung der Rundmäuler Feinsedimentbänke im Bereich dieser
Streckenbefischungen untersucht, in dem der Anodenkescher für mindestens 10 Sekunden unter
Stromgabe auf das Sediment gelegt und die aus dem Sediment dringenden Querder mit einem
feinmaschigen Zusatzkescher gefangen wurden.
Im untersuchten Bereich vom Wehr Schneller Graben bis Luthe ergibt sich nach BIOCONSULT
(2016b) für Leine und Ihme ein guter ökologischer Zustand der Fischfauna. Es wurden insgesamt
28 Arten der Fische und Rundmäuler festgestellt. Die häufigeren Arten wurden in allen UnterARSU GmbH, Oldenburg
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Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
suchungsabschnitten nachgewiesen, bei selteneren Arten spielt aufgrund der generell geringeren
Erfassungswahrscheinlichkeit auch der Zufall eine erhebliche Rolle. Hinzu kommt, dass lokal nicht
alle vorhandenen Habitatelemente repräsentativ ausgebildet sind. Dies führt dazu, dass bei
Betrachtungen auf kleinräumiger Ebene (also für einzelne Untersuchungsabschnitte) nicht unbedingt das gesamte Artenspektrum des Gewässers erfasst wird. Im Hinblick auf die zum Teil sehr
großen Aktionsräume der Arten ist bei der Ermittlung der artenschutzrechtlich relevanten Arten
(in Kap. 5) das gesamte Spektrum der von BIOCONSULT (2016b) festgestellten besonders
geschützten Arten zu berücksichtigen.
Nachgewiesen wurden der Aal und in allen 18 beprobten Querder-Habitaten auch Larven der
Neunaugen. Überwiegend handelte es sich um Bachneunaugen. Flussneunaugen wurden deutlich
seltener erfasst und Meerneunaugen gar nicht angetroffen. Da diese Art sehr selten ist, kann ihr
gelegentliches Vorkommen aber dennoch nicht ausgeschlossen werden.
Darüber hinaus erfolgte durch BIOCONSULT (2015) eine Untersuchung der mit dem Kühlwasser
eingesogenen Fischfauna von März bis November 2014. An beiden Kraftwerken wurden an
jeweils 18 Terminen insgesamt 28 Untersuchungsdurchgänge von je 4–5 Stunden Dauer durchgeführt. Dabei lag der Fokus zunächst auf der Tageserfassung, aber an jeweils 10 Terminen
erfolgten die Untersuchungen zusätzlich auch in der Nacht. Erfasst wurde sowohl der Rechenabwurf als auch das Siebbandabspritzwasser. Zusätzlich hat BIOCONSULT (2015) bei diesen Untersuchungen im April und Mai 2014 mittels Ringnetzbefischung Vergleichsproben aus der Leine und
der Ihme im Bereich der Kühlwasserentnahme untersucht (vgl. BIOCONSULT 2015). Dabei wurden
an beiden Kraftwerken je vier Gewässerabschnitte beprobt. Drei lagen jeweils an dem Ufer, an
dem sich auch das Entnahmebauwerk befindet. Bei diesen Untersuchungen wurden am
KWH Herrenhausen im Abspritzwasser der Korbsiebbandanlage insgesamt 18 Fischarten festgestellt. Im Abspritzwasser der Siebbandanlage des HKW Linden fanden sich insgesamt 19 Fischarten, darunter auch drei Arten, die BIOCONSULT (2016b) bei den Gewässeruntersuchungen im
Vorjahr nicht festgestellt hatte. Vier weitere Arten wurden jeweils in den Vergleichsproben aus
der Leine und der Ihme nachgewiesen.
Insgesamt ergibt sich aus den aktuellen Untersuchungen (BIOCONSULT 2015, 2016b) für Leine
und Ihme im Einflussbereich der Kraftwerke ein Artenspektrum von 31 nachgewiesenen Fischarten und Rundmäulern, darunter mit Aal, Bachneunauge und Flussneunauge drei besonders
geschützte Arten (vgl. Tab. 5).
Tab. 5:
In Leine und Ihme nachgewiesene besonders und streng geschützten Fische und
Rundmäuler
Angaben zum Vorkommen auf Basis der Untersuchungen von BIOCONSULT (2016b) und BIOCONSULT
(2015), X = bei den Untersuchungen in Leine und Ihme nachgewiesen,
H = Vorkommen am KWH Herrenhausen, L = Vorkommen am HKW Linden;
Angaben zum Schutzstatus auf der Basis von THEUNERT (2008a)
deutsche Name
wissenschaftliche Name
Schutzstatus
BIOCONSULT
(2016b)
BIOCONSULT
(2015)
Aal
Anguilla anguilla
besonders
X
H, L
Bauchneunauge
Lampetra planeri
besonders
X
H
Flussneunauge
Lampetra fluviatilis
besonders
X
H, L
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Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
5.
29
Relevanzprüfung
Geplant ist die Fortsetzung der Wasserentnahme und -einleitung von Durchlaufkühlwasser für die
Kraftwerke in Linden und Herrenhausen einschließlich des Kühlturmzusatzwassers für das
Gemeinschaftskraftwerk Hannover. Diese Gewässerbenutzungen werden jeweils mit einer
bestandskräftigen Anlagengenehmigung betrieben. Damit ist die beantragte Gewässerbenutzung – auch wenn diese in Form der neu beantragten Wasserentnahme und einleitung für sich
genommen keinen Eingriff im Sinne von § 14 Abs. 1 BNatSchG darstellt – nach der vom NLWKN
vertretenen Rechtsauffassung, der sich die Antragstellerin anschließt, dennoch am Maßstab der
privilegierenden Bestimmungen des § 44 Abs. 5 Satz 2–5 BNatSchG zu messen. Dahinter steht
die Überlegung, dass es sich bei dem fortgesetzten Betrieb eines zugelassenen Kraftwerkes dem
Grunde nach und vor allem unter Berücksichtigung des der Antragstellerin zustehenden eigentumsgleichen Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in der Gesamtbetrachtung um ein Projekt handelt, auf das die Vorgabe des § 44 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG sinngemäß
anzuwenden ist.
Dieser Rechtsauffassung folgend könnte sich die Befassung auf in Anhang IV Buchstabe a der
Richtlinie 92/43 EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten sowie solche Arten, die in
einer Rechtsverordnung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG aufgeführt sind, beschränken. Da
soweit ersichtlich noch keine höchstrichterlichen Entscheidungen über die Fortsetzung einer
zugelassenen Gewässerbenutzung unter dem Gesichtspunkt des Artenschutzes vorliegen, werden
ergänzend Betrachtungen durchgeführt, die eine Nichtanwendbarkeit der privilegierenden
Bestimmungen des § 44 Abs. 5 Satz 2–5 BNatSchG unterstellen und damit das gesamte Spektrum der besonders geschützten Arten in den Blick nehmen. Im Folgenden werden daher alle im
Einflussbereich der beantragten Gewässerbenutzung tatsächlich oder möglicherweise vorkommenden besonders und streng geschützten Arten ermittelt und eine Einschätzung ihrer potenziellen Betroffenheit durch die beantragte Nutzung gegeben.
Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hat
Verzeichnisse der in Niedersachsen besonders oder streng geschützten Arten veröffentlicht
(THEUNERT 2008a, b), in denen insgesamt 19 Artengruppen unterschieden werden. Für sieben
dieser Artengruppen sind Fließgewässer nicht von Bedeutung, da sie nicht zu den typischen
Habitaten der Arten dieser Gruppen gehören. Aus diesem Grund müssen die Gruppen Flechten
(Lichenes), Pilze (Fungi), Schmetterlinge (Lepidoptera), Hautflügler (Hymenoptera), Netzflügler
(Neuroptera), Springschrecken (Saltatoria) und Stachelhäuter (Echinodermata) nicht weiter
berücksichtigt werden.
Für alle übrigen Gruppen wurde geprüft, ob die genannten Arten möglicherweise durch die
beantragte Benutzung in artenschutzrechtlich relevanter Weise berührt werden oder ob Verbotstatbestände ohne vertiefende Betrachtung ausgeschlossen werden können. Dabei wurde berücksichtigt, dass in Kapitel 3 als artenschutzrechtlich relevanter Wirkfaktor nur die Entnahme von
Organismen durch Einsaugen mit dem Flusswasser identifiziert wurde. Das Einsaugen von besonders geschützten Organismen könnte zu deren Schädigung oder Tötung führen, was den Verbotstatbestand nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 (Tiere) bzw. Nr. 4 (Pflanzen) BNatSchG erfüllen würde.
Das Eintreten anderer Verbotstatbestände kann, auf der Basis der Analyse der mit der beantragten Gewässerbenutzung verbundenen Wirkfaktoren in Kapitel 3, ausgeschlossen werden.
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30
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Für folgende Artengruppen kann das Eintreten von Verbotstatbeständen ausgeschlossen werden:

Farn- und Blütenpflanzen (Pterido- und Spermatophyta)
bei den Untersuchungen von BIOCONSULT (2016b) wurden keine besonders oder streng
geschützten Arten nachgewiesen und ein Vorkommen der beiden von THEUNERT
(2008a) genannten Arten ist aufgrund ihrer Verbreitung und Lebensraumansprüche
nicht zu erwarten

Moose (Bryophyta)
bei den Untersuchungen von BIOCONSULT (2016b) wurden keine besonders oder streng
geschützten Arten nachgewiesen und ein Vorkommen der einzigen von THEUNERT
(2008a) genannten Art ist aufgrund ihrer Lebensraumansprüche nicht zu erwarten

Säugetiere (Mammalia)
einige der von THEUNERT (2008a) genannten 17 Arten sind ausgestorben, andere aufgrund ihrer Verbreitung im Untersuchungsraum nicht zu erwarten, darüber hinaus ist
das Einsaugen möglicherweise vorkommender Säugetiere unter Berücksichtigung ihrer
Lebensweise, ihrer Größe und ihres Schwimmvermögens ausgeschlossen

Vögel (Aves)
einige der von THEUNERT (2008a) genannten 47 Arten kommen gemäß Atlas der Brutvögel in Niedersachsen und Bremen 2005–2008 (KRÜGER et al. 2014) im Gebiet als
Brutvögel vor, darüber hinaus können weitere als Durchzügler oder Wintergäste auftreten, aber das Einsaugen vorkommender Vögel ist unter Berücksichtigung ihrer
Lebensweise, ihrer Größe und ihres Schwimmvermögens nicht zu besorgen

Reptilien (Reptilia)
ein Vorkommen der einzigen von THEUNERT (2008a) genannten Art ist aufgrund ihrer
Lebensraumansprüche wenig wahrscheinlich und ein Einsaugen auch unter Berücksichtigung der vorwiegend landgebundenen Lebensweise, Größe und Schwimmfähigkeit der Art nicht zu erwarten

Amphibien (Amphibia)
ein Vorkommen von drei der fünf von THEUNERT (2008a) genannten Art in Ihme und
Leine ist aufgrund ihrer Lebensraumansprüche nicht zu erwarten; das Vorkommen der
beiden übrigen Arten ist nicht ganz ausgeschlossen, aber eine Gefährdung adulter
Tiere durch Einsaugen besteht aufgrund ihrer Schwimmfähigkeit nicht und das Vorkommen von Laich und Larven im Umfeld der Entnahmestellen ist aufgrund der dort
vorhandenen Uferstruktur und dem Fehlen einer ausreichenden Wasservegetation
nicht zu erwarten

Käfer (Coleoptera)
die einzige von THEUNERT (2008b) genannte Art ist ausgestorben

Webspinnen (Araneae)
die einzige von THEUNERT (2008b) genannte Art ist ausgestorben
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
31
Krebse (Crustacea)
die einzige von THEUNERT (2008b) genannte Art ist im Wirkraum der beantragten
Benutzungen nicht zu erwarten, da sie nur noch mit wenigen Populationen in isolierten
Fließgewässerabschnitten und Stillgewässern vorkommt.
Weitergehende Angaben zur Relevanzprüfung für diese Tiergruppen finden sich in Anhang 1
dieser Unterlage.
Hingegen ist für verschiedene Arten der folgenden Gruppen eine genauere Prüfung des Eintretens von Verbotstatbeständen erforderlich, die in Kapitel 6 erfolgt:
Fische und Rundmäuler (Pisces und Cyclostoma)
Zwei der fünf von THEUNERT (2008a) genannten Arten sind ausgestorben und daher nicht relevant. Das Vorkommen der besonders geschützten Arten

Aal (Anguilla anguilla),

Bachneunauge (Lampetra planeri),

Flussneunauge (Lampetra fluviatilis),

Meerneunauge (Petromyzon marinus)
bzw. ihrer Larven ist jedoch nachgewiesen oder zu erwarten (vgl. auch Anhang 1). Sie könnten
daher vom Einsaugen mit dem Kühlwasser in artenschutzrechtlich relevantem Maße betroffen
sein.
Libellen (Odonata)
Alle heimischen Libellen-Arten sind besonders, einige darüber hinaus auch streng geschützt.
THEUNERT (2008b) nennt insgesamt elf Klein- und 15 Großlibellen-Arten, für die Fließgewässer
von Bedeutung sind (vgl. Anhang 1). Drei dieser Arten wurden von BIOCONSULT (2014, 2016b) bei
den Makrozoobenthos-Untersuchungen als Larven in Ihme und Leine nachgewiesen. Es ist jedoch
davon auszugehen, dass weitere Arten vorkommen, da weitere Libellen-Larven nachgewiesen,
aber nicht bis zur Art bestimmt wurden.
Insgesamt dreizehn der von THEUNERT (2008b) genannten Arten sind aufgrund ihrer Lebensraumansprüche im Untersuchungsbereich von Ihme und Leine nicht zu erwarten, bei den übrigen
Arten kann ein Vorkommen jedoch nicht ausgeschlossen werden. Die folgenden besonders
geschützten Libellen-Arten könnten daher aufgrund ihres nachgewiesenen oder potenziell möglichen Vorkommens in artenschutzrechtlich relevantem Maße betroffen sein:

Gebänderte Prachtlibelle (Calopteryx splendens),

Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo),

Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella),

Gewöhnliche Pechlibelle (Ischnura elegans),

Frühe Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula),

Weidenjungfer (Lestes viridis),

Gewöhnliche Winterlibelle (Sympecma fusca),
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22.03.2016
32
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag

Gewöhnliche Federlibelle (Platycnemis pennipes)

Braune Mosaikjungfer (Aeshna grandis),

Früher Schilfjäger (Brachytron pratense),

Gewöhnliche Keiljungfer (Gomphus vulgatissimus),

Grüne Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia),

Spitzenfleck (Libellula fulva).
Von diesen als relevant eingestuften 13 Arten ist nur die Grüne Flussjungfer streng geschützt.
Weichtiere (Mollusca)
THEUNERT (2008b) nennt insgesamt sieben besonders geschützte Muschel-Arten, für die Fließgewässer bedeutende Habitate sind (vgl. Anhang 1). Mit der Malermuschel (Unio pictorum) wurde
eine dieser Arten 2013 von BIOCONSULT (2016b) nachgewiesen. Das Vorkommen von vier weiteren Arten ist möglich, zumal 2014 von BIOCONSULT (2014) Larven von Anodonta und Unio festgestellt wurden, die jedoch nicht bis zur Art bestimmt wurden. Das Vorkommen der übrigen beiden Arten kann jedoch ausgeschlossen werden. Als relevant wurden die folgenden besonders
geschützten Muschel-Arten identifiziert:

Flache Teichmuscheln (Anodonta anatina),

Gewöhnliche Teichmuschel (Anodonta cygnea),

Abgeplattete Teichmuschel (Pseudanodonta complanata),

Malermuschel (Unio pictorum),

Große Flussmuschel (Unio tumidus).
Von diesen fünf Arten ist nur die Abgeplattete Teichmuschel streng geschützt.
22.03.2016
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Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
6.
33
Prüfung des Eintretens von Verbotstatbeständen
Entsprechend der Art des Projekts kommt es weder zu einer Inanspruchnahme von Flächen oder
eines Raumvolumens inner- oder außerhalb der Gewässer noch zu relevanten Störwirkungen
durch optische oder akustische Emissionen. Als einziger für die Prüfung des Eintretens von Verbotstatbeständen relevanter Wirkfaktor wurde in Kapitel 3 das Einsaugen von Organismen mit
dem Flusswasser identifiziert. Es kann bei besonders geschützten Individuen zu deren Schädigung oder Tötung führen, was den Verbotstatbestand nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllen
würde.
Für die in Kapitel 5 als relevant ermittelten Tierarten aus den Gruppen

Fische und Rundmäuler

Libellen

Weichtiere
wird daher nachfolgend geprüft, ob das Eintreten dieses Verbotstatbestandes durch die beantragte Benutzung zu erwarten ist, dabei werden die Arten einer Tiergruppe soweit möglich und
sinnvoll zusammengefasst, um Wiederholungen zu minimieren.
Relevante Pflanzenarten sind im Wirkraum nicht zu erwarten (vgl. Kap. 8), ein Verbotstatbestand
nach § 44 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG kann somit ausgeschlossen werden. Auch das Eintreten eines
Verbotstatbestandes nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 BNatSchG ist auf der Basis der Analyse
der Wirkfaktoren nicht zu besorgen (vgl. Kap. 3).
Grundlagen der Prognose sind unter anderem Angaben zu den einzelnen Arten, ihrem Schutzund Gefährdungsstatus, ihrer Verbreitung, ihren Lebensraumansprüchen und Verhaltensweisen
sowie ihrem Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung, die in Anhang 2 bis
Anhang 4 dieser Unterlage zusammengestellt sind.
6.1
Prognose und Bewertung der Schädigung von besonders
geschützten Fischen und Rundmäulern nach § 44 BNatSchG
Relevante Arten dieser Tiergruppe sind nach Kapitel 5 der Aal (Anguilla anguilla) sowie das
Bach⁻, das Fluss- und das Meerneunauge (Lampetra planeri, L. fluviatilis und Petromyzon marinus). Beschreibungen dieser besonders geschützten Arten befinden sich in Anhang 2.
Zur Feststellung und Beurteilung von möglichen Fischschädigungen durch den Betrieb der Kühlwasserentnahmebauwerke in Herrenhausen und Linden hat BIOCONSULT (2015) von März bis
November 2014 Untersuchungen durchgeführt, bei denen an jeweils 18 Terminen pro Entnahmebauwerk sowohl tagsüber als auch nachts das Rechenabwurfmaterial und das Abspritzwasser der
Korbsiebbandanlagen auf eingesogene Fische und Rundmäuler untersucht wurde. Dabei wurde
auch die Vitalität bzw. Mortalität der eingesogenen Fische und Rundmäuler ermittelt. Diese
Untersuchungen sind Grundlage der nachfolgenden Prognose.
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22.03.2016
34
6.1.1
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Werden wildlebende Tiere gefangen, verletzt, getötet oder ihre
Entwicklungsformen aus der Natur entnommen, beschädigt oder zerstört?
Einsaugen mit dem Kühlwasser in Linden
Aale pflanzen sich im Sargassomeer fort, ihre Weidenblattlarven entwickeln sich noch im marinen
Bereich zu Glasaalen, die in den Mündungsbereichen und Unterläufen der großen Ströme zu
juvenilen Gelbaalen heranwachsen. Eine nutzungsbedingte Schädigung von Laich oder Larven der
Aale ist daher ausgeschlossen.
Ein Tötungs- oder Verletzungsrisiko durch das Einsaugen von Neunaugen-Laich besteht ebenfalls
nicht. Zwar wird wahrscheinlich ein großer Teil der Eier mit der Strömung aus den Laichgruben
verdriftet und könnte eingesogen werden, aber nach den vorliegenden Kenntnissen (KRAPPE et al.
2012) entwickeln sich ohnehin nur die Neunaugen-Eier, die in der Laichgrube verbleiben. Ein
signifikant erhöhtes Tötungs- oder Verletzungsrisikos für Neunaugen-Laich infolge der Kühlwasserentnahme in Linden ist daher auszuschließen.
Neunaugen-Larven, (Querder) können jedoch trotz ihrer Lebensweise im Sediment eingesogen
werden, wie die Untersuchungen von BIOCONSULT (2015) gezeigt haben. In Linden wurden bei
einer untersuchten Kühlwassermenge von ca. 381.390 m³ insgesamt acht Lampetra-Querder
(Bach- und Flussneunaugen) im Abspritzwasser der Korbsiebbandanlage festgestellt. Sie wurden
aber durch das Einsaugen und das Abspritzen an der Siebbandanlage nicht sichtbar geschädigt
und zeigten auch keine Folgemortalität (vgl. BIOCONSULT 2015). Es ist daher davon auszugehen,
dass eingesogene Neunaugen-Querder mit dem Spülwasser vital in das vorhandene Sammelbecken des HKW Linden gelangen.
Juvenile oder adulte Aale oder Neunaugen werden am Entnahmebauwerk in Linden nach den
Untersuchungen von BIOCONSULT (2015) nicht eingesogen. Sie sind ausreichend groß und
schwimmstark, um dem Sog der Kühlwasserentnahme zu entgehen. Sollten dennoch einzelne
Individuen eingesogen werden, gelangen sie ebenfalls in das vorhandene Sammelbecken. Da es
sich um robuste Arten handelt, ist davon auszugehen, dass sie – wie die Neunaugen-Querder –
nach der Siebbandpassage in der Regel noch vital sind (vgl. SPÄH 2015).
Bei Betrieb der in Linden zur Minimierung der nutzungsbedingten Beeinträchtigungen geplanten
schonenden Fischrückführung für die im Rechenabwurf und Abspritzwasser der Korbsiebbandanlage enthaltenen Organismen (vgl. Teil A der naturschutzfachlichen Unterlagen) können die
eingesogenen und ins Sammelbecken abgeleiteten Neunaugen-Querder über die geplante Rückführleitung im Freigefälle vital in die Ihme zurückgelangen. Entsprechendes gilt gegebenenfalls
auch für möglicherweise eingesogene juvenile oder adulte Aale oder Neunaugen. Zu erwarten ist,
dass die mobilen, schwimmfähigen Tiere aufgrund der Strömungsverhältnisse im Sammelbecken
überwiegend entweder direkt mit der Strömung in die Rückführleitung gelangen oder sich innerhalb des Sammelbeckens aktiv zum Ablauf der Rückführleitung orientieren (vgl. Kap. 3.2 und
(SPÄH 2015)). Das gilt auch für die Querder, die sich gern mit der Strömung verdriften lassen,
aber auch aktiv schwimmen und deren Wanderungen meist stromabwärts gerichtet sind (vgl.
KRAPPE et al. 2012). Nach Beobachtungen von SPÄH (2015) orientierten sich Querder bei Hälterungsversuchen zunächst schwimmend und dringen nicht sofort in das Sediment ein. Daher
erwartet er im Sammelbecken ein ähnliches Verhalten und dass die Querder weitgehend in die
Ihme zurückgeführt werden.
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Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
35
Zu erwarten ist daher, dass am HKW Linden eingesogene Querder, Neunaugen und Aale bei
Betrieb der geplanten Rückführleitung überwiegend unbeschadet in die Ihme zurückgeleitet
werden. Schädigungen oder auch Verluste einzelnen Individuen können jedoch nicht ganz ausgeschlossen werden.
Bei Rückführung des Spülwassers aus dem Sammelbecken mittels Tauchpumpen oder unter Einsatz eines Zerhäckslers zur Behebung oder Vermeidung von Verstopfungen der geplanten Rückführleitung ist jedoch von der Tötung aller ins Sammelbecken gelangenden Individuen auszugehen. Da diese Art der Rückführung jedoch zukünftig zur Minimierung der Beeinträchtigungen auf
wenige Tage im Jahr beschränkt ist (vgl. Kap. 4.2.3 von Teil A der naturschutzfachlichen Unterlagen), sind davon gegebenenfalls allenfalls wenige Individuen der Querder, Neunaugen und Aale
betroffen.
Insgesamt ist daher eine Schädigung oder Tötung einzelner Individuen nicht auszuschließen, ein
signifikant erhöhtes Tötungs- oder Verletzungsrisikos für Aale und Neunaugen einschließlich ihrer
Entwicklungsformen durch die beantragte Kühlwasserentnahme in Linden ist jedoch nicht zu
prognostizieren.
Einsaugen mit dem Kühlwasser in Herrenhausen
Aus den oben bereits genannten Gründen ergibt sich auch durch die Kühlwasserentnahme in
Herrenhausen kein signifikant erhöhtes Tötungs- oder Verletzungsrisikos für Neunaugen-Laich
sowie für Glasaale, Weidblattlarven und Laich der Aale.
Die Untersuchungen von BIOCONSULT (2015) haben aber gezeigt, dass in Herrenhausen Neunaugen-Querder trotz ihrer Lebensweise im Sediment in bedeutender Anzahl eingesogen werden. Bei
einer untersuchten Kühlwassermenge von ca. 188.840 m³ wurden insgesamt 71 Lampetra-Querder im Abspritzwasser der Korbsiebbandanlage von Entnahmebauwerk I festgestellt. Mehr als
85 % der Querder wurde nachts eingesogen, was der vorherrschenden Nachtaktivität der Neunaugen entspricht. Und rund 70 % der Querder wurden an drei Spitzentagen zwischen April und
Juni eingesogen, was sich mit der Angabe von KRAPPE et al. (2012) deckt, dass Neunaugen-Querder im Frühjahr eine Tendenz zur Ausbreitung haben. Dazu verlassen sie das Sediment und lassen sich mit der Strömung verdriften, um neue Sedimentbänke zu besiedeln.
Juvenile oder adulte Aale und Neunaugen wurden bei den Untersuchungen (BIOCONSULT 2015)
auch in Herrenhausen nicht eingesogen. Dennoch kann auch hier nicht ganz ausgeschlossen
werden, dass einzelne Individuen die Rechen passieren und eingesogen werden.
Bei Betrieb von Entnahmebauwerk I werden in Herrenhausen eingesogene Querder, Neunaugen
und Aale jedoch durch die Korbsiebbandanlage zurückgehalten und von dort mit dem Abspritzwasser über die bestehende Freigefälleleitung schonend in die Leine zurückgeführt. Wie in Linden
ist dabei nach den vorliegenden Untersuchungen und Erfahrungen davon auszugehen, dass die
betroffenen Individuen die Siebbandpassage und Rückführung weitestgehend unbeschadet und
vital überstehen.
Entnahmebauwerk II in Herrenhausen ist jedoch nicht mit einer Siebbandanlage ausgerüstet, so
dass bei dessen Betrieb von einer Tötung aller eingesogenen Individuen auszugehen ist. Da die
Nutzung dieser Entnahmelinie jedoch auf wenige Tage im Jahr mit geringen Entnahmemengen
(maximal 16.800 m³/d) beschränkt ist (vgl. Kap. 4.1.3 von Teil A der naturschutzfachlichen
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22.03.2016
36
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Unterlagen), sind aufgrund des geringen Umfangs der Wasserentnahme allenfalls wenige Individuen der Querder, Neunaugen und Aale betroffen.
Insgesamt ist daher auch in Herrenhausen eine Schädigung oder Tötung einzelner Individuen
durch die beantragte Kühlwasserentnahme nicht auszuschließen, ein signifikant erhöhtes
Tötungs- oder Verletzungsrisikos für Aale und Neunaugen einschließlich ihrer Entwicklungsformen
jedoch nicht zu erwarten.
6.1.2
Fazit
Weder in Linden noch in Herrenhausen ergibt sich ein signifikant erhöhtes Tötungs- und Verletzungsrisiko für Aale und Neunaugen einschließlich ihrer Entwicklungsformen. Das Eintreten anderer Verbotstatbestände für diese Arten kann aufgrund der Analyse der Wirkfaktoren der beantragten Gewässerbenutzung (vgl. Kap. 3) ebenfalls ausgeschlossen werden.
Somit wird durch die beantragte Gewässerbenutzung für die besonders geschützten Arten Aal,
Bach-, Fluss- und Meerneunauge kein artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand erfüllt.
6.2
Prognose und Bewertung der Schädigung von besonders bzw.
streng geschützten Libellen nach § 44 BNatSchG
In der Ihme und Leine zwischen dem Wehr Schneller Graben und der Kreuzung mit dem Mittellandkanal wurden bei den Untersuchungen des Makrozoobenthos (BIOCONSULT 2014, 2016b)
Larven der Libellen-Arten Gebänderte Prachtlibelle (Calopteryx splendens), Gewöhnliche
Federlibelle (Platycnemis pennipes), Gewöhnliche Keiljungfer (Gomphus vulgatissimus) sowie
einer weiteren Calopteryx- und einer Schlanklibellen-Art nachgewiesen. Da keine Untersuchungen
zur Libellenfauna im Untersuchungsraum vorliegen, wurden anhand einer Potentialanalyse in
Kapitel 5 insgesamt 13 besonders geschützte Libellen-Arten ermittelt, die Leine und Ihme
tatsächlich oder möglicherweise zur Fortpflanzung nutzen. Darunter ist mit der Grünen
Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia) auch eine streng geschützte Art. Beschreibungen der Arten
befinden sich in Anhang 3.
6.2.1
Werden wildlebende Tiere gefangen, verletzt, getötet oder ihre
Entwicklungsformen aus der Natur entnommen, beschädigt oder zerstört?
Einsaugen mit dem Kühlwasser in Linden
Hinsichtlich der möglichen Schädigung oder Tötung durch Einsaugen ist zwischen den adulten
Libellen sowie den Eiern und Larven zu unterscheiden. Die Imagines halten sich zwar häufig am
Wasser, in der Regel aber nicht im Wasser auf. Während die Weidenjunger (Lestes viridis) auch
bei der Eiablage in die Ufergehölze nicht direkt mit dem Wasser in Berührung kommt, tippen
andere Arten bei der exophytischen Eiablage ihren Hinterleib ins Wasser ein (Gewöhnliche Keiljungfer, grüne Flussjungfer und Spitzenfleck) oder gehen bei der endophytischen Eiablage mit
dem Hinterleib oder (wie die Gebänderte Prachtlibelle, die Blauflügel-Prachtlibelle, die Gewöhnliche Federlibelle und die Gewöhnliche Pechlibelle) sogar ganz unter Wasser. Dabei halten sie sich
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Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
37
aber an den Pflanzen fest. Ein signifikant erhöhtes Risiko, dass Imagines von Libellen mit dem
Flusswasser der Ihme eingesogen werden, besteht daher nicht.
Einen großen Teil ihres Lebens verbringen Libellen als Larven im Gewässer, unterscheiden sich
dabei aber in ihrer Lebensweise und ihrer Gefährdung durch Einsaugen:

Die Larven der Gewöhnlichen Keiljungfer und der Grünen Flussjungfer leben im Sediment und sind so vor Verdriftung geschützt. Sie können aber, beispielsweise wenn sie
das Sediment zum Häuten verlassen, verdriftet werden und zeigen zum Teil saisonale
Wanderungen.

Die Larven der übrigen elf tatsächlich oder potenziell vorkommenden Arten leben entweder frei auf dem Gewässergrund, zwischen Wasser- bzw. Uferpflanzen oder an den
Pflanzen. Allerdings graben sich ältere Larven des Spitzenflecks (Libellula fulva) zum
Teil ebenfalls im Sediment ein. Die Larven der Gewöhnliche Winterlibelle (Sympecma
fusca) gelten dabei als flinke Schwimmer, sind aber nur bei kaum wahrnehmbarer
Strömung anzutreffen, während die der Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella) nur
selten schwimmen. Die Larven der Frühen Adonislibelle ( Pyrrhosoma nymphula) lassen
sich auch mit der Strömung treiben.
Die Larven der Prachtlibellen (Calopteryx splendens, C. virgo) leben zwar sehr stationär vorwiegend an Pflanzen und gelangen bei Verdriftung normalerweise bereits nach wenigen Metern auf
den Gewässerboden und von dort wieder auf geeignetes Pflanzensubstrat, aber dennoch hat
SPÄH (2008) häufig Larven von Calopteryx virgo im Abspritzwasser der Siebbänder von Wasserentnahmen aus der Else und der Werre gefunden. Trotz der unterschiedlichen Lebensweisen ist
bei allen 13 Libellen-Arten also ein Einsaugen ihrer Larven durch die beantragte Benutzung denkbar. Geschieht dies, gelangen sie mit dem Rechenabwurf und dem Abspritzwasser der Korbsiebbandanlage in das vorhandene Sammelbecken des HKW Linden. SPÄH (2008) hat festgestellt,
dass auch sehr empfindliche Formen, wie zum Beispiel große Larven von Calopteryx virgo von bis
zu 40 mm Körperlänge im abgespülten Getreibsel oft völlig unverletzt sind. Er kommt zu dem
Schluss, dass sie bei der Siebbandpassage nur in relativ geringem Umfang geschädigt werden
und zu einem hohen Prozentsatz gänzlich unbeschädigt bleiben.
Auch bezüglich der Gefährdung von Libellen-Eiern durch Einsaugen gibt es aufgrund der verschiedenen Eiablagestrategien Unterschiede zwischen den Arten:

Die Gewöhnliche Keiljungfer, die Grüne Flussjungfer und der Spitzenfleck geben ihre
Eier ins Wasser ab, wo sie entweder zu Boden sinken oder im Wasser treiben. Gelangen Eier bzw. Eiballen dieser Arten in den Sog des Entnahmebauwerks, werden sie
wahrscheinlich geschädigt bzw. getötet. Dies kann auch nicht durch zusätzliche Vermeidungsmaßnahmen verhindert werden.
In Linden ist eine Betroffenheit von Eiern des Spitzenflecks jedoch als unwahrscheinlich einzustufen, da die Eiablage dieser Art in seichtem Wasser im Bereich bzw. in der
Nähe von Carex-Horsten oder Röhrichtsäumen erfolgt, die im betreffenden Abschnitt
der Ihme nicht ausgebildet sind.
Die Eier der Gewöhnlichen Keiljungfer verdriften nur einige Meter bevor sie zu Boden
sinken und benötigen nur wenige Wochen für die Embryonalentwicklung, dennoch
kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass es in Linden zum Einsaugen von Eiern
dieser Art kommen kann.
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Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Während der NLWKN (2011d) davon ausgeht, dass die Grüne Flussjungfer ihre Eier
meist im Schutz dichter Vegetation ablegt, die im Einwirkungsbereich der Entnahme in
Linden nicht zu erwarten ist, berichten PETERSEN et al. (2003), dass die Eiablage in der
Gewässermitte erfolgt. Da die Eiballen mit der Strömung verdriften, kann nicht ausgeschlossen werden, dass es in Linden zum Einsaugen von Eiern dieser Art kommt.
Somit kann bei den Arten Gewöhnliche Keiljungfer und Grüne Flussjungfer eine durch
die beantragte Benutzung bedingte Schädigung bzw. Tötung von Eiern in Linden nicht
ausgeschlossen werden. Für die Gewöhnliche Keiljungfer liegt jedoch für die Ihme nur
ein Nachweis von Larven in geringer Dichte (0,4 Ind./m²) in mehr als 2 km Entfernung
zur Entnahmestelle vor. Nachweise für die Grüne Flussjungfer liegen nicht vor, aber
ein Vorkommen kann nicht ausgeschlossen werden, da sie bisweilen auch in technisch
ausgebauten Fließgewässern vorkommt. Als typischer Lebensraum werden jedoch
Bäche und Flüsse mit geringer Wassertiefe und einem feinsandig-kiesigen Gewässergrund mit Flachwasserbereichen genannt, so dass die Ihme im Bereich der Wasserentnahme als suboptimales Habitat für die Flussjungfer einzustufen ist. Daher ist für
die Eier dieser beiden Arten nicht von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko auszugehen.

Eier, die wie die der Weidenjungfer in Ufergehölze oder die der Prachtlibellen und der
Frühen Adonislibelle in lebende Wasserpflanzen gelegt werden, sind nicht durch Einsaugen gefährdet.

Die Arten Hufeisen-Azurjungfer, Gewöhnliche Pechlibelle, Gewöhnliche Winterlibelle,
Gewöhnliche Federlibelle, Braune Mosaikjungfer und Früher Schilfjäger legen ihre Eier
ebenfalls endophytisch ab, nutzen dabei aber auch oder sogar bevorzugt abgestorbene und schwimmende Pflanzenteile oder Hölzer. Sie können daher grundsätzlich mit
dem Treibsel eingesogen werden und gelangen dann (wie eingesogene Larven) mit
dem Rechenabwurf und dem Abspritzwasser der Korbsiebbandanlagen in das vorhandene Sammelbecken des HKW Linden. Da sie von den Pflanzenteilen, in denen sie sich
befinden, geschützt werden, ist dabei das Risiko einer Beschädigung der Eier gering.
Bei Betrieb der in Linden zur Minimierung der nutzungsbedingten Beeinträchtigungen geplanten
schonenden Rückführung des Spülwassers von der Rechen- und Korbsiebbandanlage und der
darin enthaltenen Organismen (vgl. Teil A der naturschutzfachlichen Unterlagen) können auch die
betroffenen und ins Sammelbecken abgeleiteten Entwicklungsformen der Libellen zum größten
Teil vital in die Ihme zurückgelangen.
Zu erwarten ist, dass im pflanzlichen Treibsel enthaltene Libellen-Eier aufgrund der Strömungsverhältnisse im Sammelbecken überwiegend mit der Strömung direkt in die Rückführleitung
gelangen, weil das Treibsel auf oder im Wasser schwimmt. Nach Beobachtungen von Späh5 haften Libellen-Larven im Abspritzwasser ebenfalls vorwiegend am Treibsel und werden mit diesem
aus dem Sammelbecken in die Rückführleitung geschwemmt. Aber auch frei schwimmende
Libellen-Larven werden voraussichtlich überwiegend in die Rückführleitung gelangen. Es ist
jedoch nicht auszuschließen, dass sich einzelne Individuen am Grund oder an den Wänden des
Sammelbeckens anheften und daher nicht oder nur verzögert in die Ihme zurückgeführt werden.
Auch wenn zu erwarten ist, dass am HKW Linden eingesogene Libellen-Eier und –Larven bei
Betrieb der geplanten Rückführleitung zu einem hohen Prozentsatz weitgehend unbeschadet in
5
fernmündliche Mitteilung vom 24.11.2015
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Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
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die Ihme zurückgeleitet werden, sind Schädigungen oder auch Verluste einzelner Individuen
möglich.
Bei Rückführung des Spülwassers aus dem Sammelbecken mittels Tauchpumpen oder unter Einsatz eines Zerhäckslers ist dagegen von der Tötung aller ins Sammelbecken gelangenden Individuen auszugehen. Da diese Art der Rückführung jedoch zukünftig auf wenige Tage im Jahr
beschränkt ist (vgl. Kap. 4.2.3 von Teil A), sind davon gegebenenfalls nur wenige Individuen der
Entwicklungsformen von Libellen betroffen.
Bei der Bewertung der Tötungsrisiken für Libellen-Eier und –Larven ist auch die Habitatqualität
der Ihme im Wirkraum der beantragten Wasserentnahme zu berücksichtigen. Diese ist aufgrund
der anthropogenen Überformung des Gewässers erheblich eingeschränkt, insbesondere durch die
verbauten Ufer sowie durch das Fehlen von Flachwasserzonen, geschützten Buchten und einer
ausgeprägten Unterwasser-, Schwimmblatt- oder gewässertypischen Ufervegetation. Auch die
Qualität der angrenzenden Landhabitate für adulte Libellen, die die Ihme zur Fortpflanzung nutzen könnten, ist durch die innerstädtische Lage und die starke anthropogene Überformung der
vorhandenen Grünflächen gering. Daher ist davon auszugehen, dass die Ihme im Bereich der
beantragten Wasserentnahme für das HKW Linden für Libellen von geringer Bedeutung ist.
Insgesamt ist daher trotz der geplanten Rückführung eine Schädigung und Tötung von einzelnen
Libellen-Eiern oder –Larven durch die beantragte Wasserentnahme in Linden nicht ausgeschlossen, aber unter Berücksichtigung der eingeschränkten Habitatqualität der Ihme ist nicht von
einem signifikant erhöhtem Tötungsrisiko auszugehen.
Einsaugen mit dem Kühlwasser in Herrenhausen
Aufgrund der Verhaltensweise der Imagines (vgl. oben) kann ein signifikant erhöhtes Risiko, dass
Imagines von Libellen mit dem Flusswasser der Leine in Herrenhausen eingesogen werden, ausgeschlossen werden. Auch für Eier, die wie die der Weidenjungfer in Ufergehölze oder die der
Prachtlibellen und der Frühen Adonislibelle in lebende Wasserpflanzen gelegt werden, besteht in
Herrenhausen keine Gefährdung durch Einsaugen.
Eier der Gewöhnliche Keiljungfer, der Grüne Flussjungfer und des Spitzenflecks können dagegen
grundsätzlich auch in Herrenhausen durch Einsaugen geschädigt und getötet werden. Das kann
hier ebenfalls nicht durch zusätzliche Vermeidungsmaßnahmen verhindert werden. Wie in Linden
ist jedoch auch in Herrenhausen eine Betroffenheit von Eiern des Spitzenflecks als unwahrscheinlich einzustufen, da seichtes Wasser, Carex-Horste und Röhrichtsäume im betreffenden Abschnitt
der Leine nicht ausgebildet sind. Für die Arten Gewöhnliche Keiljungfer und Grüne Flussjungfer
kann auch in Herrenhausen eine Schädigung bzw. Tötung von Eiern durch die beantragte Benutzung nicht ausgeschlossen werden, aber aus den schon für Linden angeführten Gründen ist auch
infolge der Wasserentnahme in Herrenhausen nicht von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko
für Eier dieser Arten auszugehen.
Auch Eier der übrigen Arten sowie Libellen-Larven können in Herrenhausen eingesogen werden.
Bei Betrieb des Entnahmebauwerks I in Herrenhausen

gelangen eingesogene Libellen-Larven mit dem Abspritzwasser der Siebbandanlage
über die bereits bestehende Fischrückführung wieder in die Leine und bleiben dabei
überwiegend unbeschädigt (vgl. SPÄH 2008).
ARSU GmbH, Oldenburg
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Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag

können Larven der Winterlibelle (Sympecma fusca), der Federlibelle und des Spitzenflecks, die sich auch auf oder unter abgestorbenen Pflanzenteilen, Treibholz etc. aufhalten, mit größerem Getreibsel auch vom Feinrechen zurückgehalten und mit dem
Rechenabwurf entsorgt, also aus dem Gewässer entnommen und getötet werden.
Allerdings bevorzugen die Larven aller drei Arten strömungsberuhigte Bereiche, die der
Winterlibelle tolerieren sogar maximal eine kaum wahrnehmbare Strömung. Unter
Berücksichtigung der eingeschränkten Eignung der Leine im Bereich der Wasserentnahme für diese Arten und der Tatsache, dass die Anheftung von Larven an Treibselbestandteile nur einer von verschiedenen möglichen Aufenthaltsorten ihrer Larven ist,
kann eine Tötung zwar nicht ganz ausgeschlossen werden, aber es ist nicht von einem
signifikant erhöhten Risiko auszugehen.

können Eier der Arten Hufeisen-Azurjungfer, Gewöhnliche Pechlibelle, Gewöhnliche
Winterlibelle, Gewöhnliche Federlibelle, Braune Mosaikjungfer und Früher Schilfjäger
mit dem Getreibsel eingesogen werden. Passiert dieses den Feinrechen, wird es mit
dem Abspritzwasser der Korbsiebbandanlage über die bereits vorhandene Fischrückführungsrinne in die Leine zurückgegeben, wobei das Risiko einer Beschädigung von
Libellen-Eiern auch hier gering ist.

wird aber größeres Getreibsel, das durch den Feinrechen zurückgehalten wird, in einen
Container abgeworfen und entsorgt. Sofern daran Libellen-Eier gebunden sind, werden
diese aus dem Gewässer entnommen und getötet.
Die möglicherweise betroffenen Arten bevorzugen allerdings überwiegend stehende
bis langsam fließende Gewässer und strömungsberuhigte sowie struktur- und pflanzenreiche Bereiche und benötigen zum Teil gut entwickelte Verlandungszonen,
Schwimmblatt-, Röhricht- oder Seggenvegetation. Diese Habitatelemente können zwar
in der Leine nicht ausgeschlossen werden, sind aber im Einwirkungsbereich des am
Prallhang liegenden Entnahmebauwerks in Herrenhausen nicht oder nur eingeschränkt
ausgebildet. Die relativ geringe Dichte von 0,4–2,5 Ind./m², in der die Larven der
nachgewiesenen Arten festgestellt wurden, deutet ebenfalls auf eine eingeschränkte
Eignung als Libellengewässer hin. Auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass
mit dem Rechenabwurf von Entnahmebauwerk I in Herrenhausen Libellen-Eier aus
dem Gewässer entnommen werden, ist daher nicht von einem signifikant erhöhten
Tötungsrisiko auszugehen.
Bei Betrieb des Entnahmebauwerks II in Herrenhausen werden hingegen alle eingesogenen
Libellen-Eier und -Larven getötet, weil das Rechengut entsorgt wird und keine Siebbandanlage
vorhanden ist, die kleineres Treibsel zurückhalten könnte. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass davon auch besonders geschützte Libellen-Larven betroffen sind, aber unter der
Voraussetzung, dass die Entnahmelinie II tatsächlich nur an wenigen Tagen im Jahr mit geringen
Entnahmemengen (maximal 16.800 m³/d) betrieben wird, ist aufgrund des geringen Umfangs
der Wasserentnahme sowie der bereits beschriebenen eingeschränkten Eignung des betroffenen
Leine-Abschnitts als Libellengewässer nicht von einem signifikant erhöhten Risiko auszugehen.
Insgesamt ist zwar – wie in Linden – die Entnahme von Eiern oder Larven von besonders oder
streng geschützten Libellen-Arten in Herrenhausen nicht ausgeschlossen, unter Berücksichtigung
der bestehenden bzw. geplanten Vermeidungsmaßnahmen und der eingeschränkten Habitatqualität ist jedoch nicht von einem signifikant erhöhten Schädigungs- oder Tötungsrisiko durch
die geplante Wasserentnahme auszugehen.
22.03.2016
ARSU GmbH, Oldenburg
Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
6.2.2
41
Fazit
Sowohl in Linden als auch in Herrenhausen kann trotz der bestehenden bzw. geplanten Vermeidungsmaßnahmen (schonende Rückführung von Organismen) eine Schädigung und Tötung insbesondere von Eiern oder Larven verschiedener Libellen-Arten durch Einsaugen nicht ganz ausgeschlossen werden. Unter Berücksichtigung der erheblich eingeschränkten Habitatqualität der
Gewässer im Umkreis der Entnahmestellen ist jedoch nicht von einem signifikant erhöhten
Tötungsrisiko für die betroffenen Arten durch die beantragte Nutzung auszugehen. Das Eintreten
anderer Verbotstatbestände für Libellen-Arten kann aufgrund der Analyse der Wirkfaktoren der
beantragten Gewässerbenutzung (vgl. Kap. 3) ebenfalls ausgeschlossen werden.
Somit wird durch die beantragte Gewässerbenutzung weder für die streng geschützte Grüne
Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia) noch für weitere zwölf tatsächlich bzw. möglicherweise vorkommende besonders geschützte Libellen-Arten ein artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand
erfüllt.
6.3
Prognose und Bewertung der Schädigung von besonders bzw.
streng geschützten Weichtieren nach § 44 BNatSchG
Relevante Arten dieser Tiergruppe sind nach Kapitel 5 die in der Leine nachgewiesene Malermuschel (Unio pictorum) sowie die möglicherweise ebenfalls vorkommenden Teich- und Flussmuscheln (Anodonta anatina, A. cygnea, Pseudanodonta complanata, Unio tumidus). Sie sind
besonders geschützt, die Abgeplattete Teichmuschel ist darüber hinaus streng geschützt.
Beschreibungen der einzelnen Arten befinden sich in Anhang 4.
6.3.1
Werden wildlebende Tiere gefangen, verletzt, getötet oder ihre
Entwicklungsformen aus der Natur entnommen, beschädigt oder zerstört?
Einsaugen mit dem Kühlwasser in Linden
Besonders geschützte Süßwassermuscheln und ihre Entwicklungsformen sind grundsätzlich in
unterschiedlichem Maße durch Einsaugen mit dem Kühlwasser gefährdet:

Die Eier der besonders geschützten Süßwassermuscheln wachsen im Kiemenraum der
adulten Tiere zu Larven heran. Daher sind sie nicht durch Einsaugen gefährdet.

Die nur etwa 0,2–0,4 mm großen Muschellarven (Glochidien) werden jedoch ins Wasser abgegeben und können grundsätzlich eingesogen werden, solange sie sich noch
nicht an Wirtsfische angeheftet haben. Aufgrund ihrer geringen Größe können sie auch
nicht von der Siebbandanlage zurückgehalten werden.

Glochidien, die sich in einem Wirtsfisch eingenistet haben, können auch mit diesem
Wirtsfisch eingesogen werden.

Die winzigen Jungmuscheln, die sich später wieder von den Wirtsfischen lösen, sind
ebenfalls durch Einsaugen gefährdet, solange sie sich noch nicht im Sediment verankert bzw. eingegraben haben.
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Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag

Danach sind die juvenilen und adulten Tiere durch ihre bodenbewohnende Lebensweise nur wenig durch Entnahme mit dem Kühlwasser gefährdet. Nur wenn sie durch
andere Ereignisse aus dem Sediment ausgespült werden, können sie auch mit dem
Kühlwasser eingesogen werden.
Glochidien und die winzigen Jungmuscheln, die sich gerade von ihren Wirtsfischen gelöst haben,
können, wenn sie mit dem Flusswasser eingesogen werden, aufgrund ihrer geringen Größe nicht
von den Siebbandanlagen zurückgehalten werden. Sie können entsprechend auch nicht in die
Ihme zurückgeführt werden. An Wirtsfische gebundene Glochidien können dagegen mit der
geplanten Fischrückführung in die Ihme zurückgelangen. Allerdings können Jungfische einiger
Wirtsfische nach den Untersuchungen von BIOCONSULT (2015) durch die Siebbandpassage von
einer unmittelbaren Mortalität oder Folgemortalität betroffen sein, was auch zum Tot der betroffenen Glochidien führen könnte. Auch durch den zeitweiligen Betrieb der Tauchpumpen statt der
geplanten Rückführleitung könnten an Wirtsfische gebundene Glochidien getötet werden.
Heranwachsende Muscheln ausreichender Größe und adulte Muscheln würden durch die Siebbandanlage zurückgehalten und in das Sammelbecken der Rückführung abgeleitet. Aufgrund
ihrer geringen Mobilität und ihres Eigengewichtes würden sie aber auch bei Betrieb der geplanten
Rückführung voraussichtlich nur zu einem geringen Anteil vom Sammelbecken in die Rückführleitung und letztlich wieder in die Ihme gelangen. Vermutlich würde ein größerer Anteil im Sammelbecken des HKW Linden zurückbleiben und letztlich getötet.
Eine Tötung besonders geschützter Süßwassermuscheln bzw. ihrer Entwicklungsformen durch die
Wasserentnahme in Linden ist also nicht auszuschließen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich
die Glochidien und die winzigen Jungmuscheln nur sehr kurzzeitig im freien Wasserkörper aufhalten und zudem auch natürlicherweise eine sehr hohe Mortalität aufweisen. Außerdem ist es
wenig wahrscheinlich, dass sich größere Jungmuscheln oder adulte Muscheln im freien Wasser
befinden und eingesogen werden. Zudem konnten geschützte Muscheln bei den Stichproben in
der Ihme 2013 nicht und 2014 nur in geringer Dichte nachgewiesen werden (BIOCONSULT 2014,
2016b), so dass die Ihme als Muschelgewässer von entsprechend geringer Bedeutung ist.
Darüber hinaus sind Muscheln auch bei der Probenahme zur Untersuchung der Fischschäden
(BIOCONSULT 2015) nach Angaben von BioConsult6 nicht aufgefallen. Allerdings wurden die
Proben auch nicht gezielt auf Muschelvorkommen im Abspritzwasser untersucht. Insgesamt ist
daher ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für Weichtiere durch die Wasserentnahme in Linden
nicht zu erwarten.
Einsaugen mit dem Kühlwasser in Herrenhausen
Wie in Linden ist auch in Herrenhausen aus den oben gennannten Gründen eine durch die beantragte Gewässerbenutzung bedingte Tötung von Glochidien oder Jungmuscheln infolge der Wasserentnahme nicht auszuschließen. Sollten in Herrenhausen größere Muscheln eingesogen werden, würden sie bei Betrieb des Entnahmebauwerks I von der Siebbandanlage abgeschieden und
über die bestehende Fischrückführung in die Leine zurückgeführt. Nur bei dem kurzzeitigen und
mit reduzierter Wassermenge möglichen Betrieb von Entnahmebauwerk II würden gegebenenfalls auch eingesogene größere Muscheln getötet.
6
E-Mail von BioConsult vom 24.11.2015
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Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
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Zwar wurde die Malermuschel von BIOCONSULT (2014, 2016b) in der Leine oberhalb der
Wasserentnahme nachgewiesen, aber nur in einer geringen Dichte (0,4 Ind./m³) und auch nur
bei den Untersuchungen 2013, nicht jedoch 2014. Daher ist davon auszugehen, dass die Leine in
diesem Bereich nur eine untergeordnete Bedeutung als Muschelgewässer hat. Berücksichtigt man
dazu die hohe natürliche Mortalität und die nur kurze Anwesenheit der jungen
Entwicklungsstadien der besonders geschützten Muscheln im freien Wasser sowie die geringe
Wahrscheinlichkeit des Einsaugens von größeren Muscheln aufgrund ihrer sedimentgebundenen
Lebensweise, dann ist nicht von einem signifikant erhöhtem Tötungsrisiko durch die
Wasserentnahme in Herrenhausen auszugehen.
6.3.2
Fazit
Sowohl in Linden als auch in Herrenhausen kann trotz der bestehenden bzw. geplanten Vermeidungsmaßnahmen (schonende Rückführung von Organismen) eine Schädigung und Tötung von
Larven und winzigen Jungmuscheln der verschiedenen Arten durch Einsaugen nicht ganz ausgeschlossen werden. Unter Berücksichtigung der untergeordneten Bedeutung von Ihme und Leine
als Habitat dieser Arten, der hohen natürlichen Mortalität und kurzem Anwesenheit der jungen
Entwicklungsstadien im Wasser sowie der geringen Wahrscheinlichkeit des Einsaugens von größeren Muscheln aufgrund ihrer sedimentgebundenen Lebensweise ist jedoch nicht von einem
signifikant erhöhten Tötungsrisiko durch die beantragte Benutzung auszugehen. Das Eintreten
anderer Verbotstatbestände für Muschel-Arten kann aufgrund der Analyse der Wirkfaktoren der
beantragten Gewässerbenutzung (vgl. Kap. 3) ebenfalls ausgeschlossen werden.
Somit wird durch die beantragte Gewässerbenutzung weder für die streng geschützte Abgeplattete Teichmuschel noch für die besonders geschützten Arten Flache und Gewöhnliche Teichmuschel, Große Flussmuschel und Malermuschel ein artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand
erfüllt.
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Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
7.
Artenschutzrechtliches Fazit
Die beantragte Gewässerbenutzung in Linden und Herrenhausen hat verschiedene Wirkungen auf
Ihme und Leine. Die nutzungsbedingten Strömungsänderungen sowie die Einleitung von Nährund Schadstoffen sind so gering, dass artenschutzrechtlich relevante Auswirkungen auf
geschützte Organismen nicht zu besorgen sind. Auch die Einleitung von Wärme sowie die damit
verbundene Minderung des Sauerstoffgehalts werden soweit begrenzt das artenschutzrechtlich
relevante Wirkungen nicht zu erwarten sind.
Als einziger artenschutzrechtlich relevanter Wirkfaktor wurde die Entnahme von Organismen mit
dem Kühlwasser identifiziert. Sie kann bei besonders geschützten Individuen zu deren Schädigung oder Tötung führen, was den Verbotstatbestand nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllen
würde und auch den Zielen der Europäischen Aalverordnung bzw. des Aalbewirtschaftungsplan
entgegenstehen könnte. Das Eintreten anderer Verbotstatbestände kann bereits auf der Basis der
Analyse der nutzungsbedingten Wirkfaktoren ausgeschlossen werden.
Betroffen sein könnten Arten der Tiergruppen Fische und Rundmäuler, der Libellen und der
Weichtiere, die im Wirkraum der beantragten Gewässerbenutzung nachgewiesen wurden oder
potenziell vorkommen können und entsprechend empfindlich gegenüber dem Wirkfaktor Einsaugen sind. Als relevante Arten identifiziert wurden

der Aal (Anguilla anguilla) sowie die Bach-, Fluss- und Meerneunaugen (Lampetra
planeri, L. fluviatilis und Petromyzon marinus), die mit Ausnahme des Meerneunauges
im Wirkraum der beantragten Benutzung nachgewiesen wurden und besonders
geschützt sind,

insgesamt dreizehn besonders geschützte Libellen-Arten, von denen mit der Gebänderte Prachtlibelle (Calopteryx splendens), der Gewöhnlichen Federlibelle (Platycnemis
pennipes) und der Gewöhnlichen Keiljungfer (Gomphus vulgatissimus) drei im Betrachtungsraum als Larven nachgewiesen wurden und eine potenziell vorkommende Art
(die Grüne Flussjungfer Ophiogomphus cecilia) nach Anhang IV der FFH-Richtlinie
streng geschützt ist,

insgesamt fünf besonders geschützte Muschel-Arten, darunter die im Betrachtungsraum nachgewiesene Malermuschel (Unio pictorum) und eine potenziell vorkommende
Art (die Abgeplattete Teichmuschel Pseudanodonta complanata), die nach der
BArtSchV streng geschützt ist.
Weder in Linden noch in Herrenhausen kann eine nutzungsbedingte Schädigung oder Tötung
einzelner Individuen dieser Arten bzw. ihrer Entwicklungsformen durch das Einsaugen mit dem
Flusswasser ganz ausgeschlossen werden. Unter Berücksichtigung der Vermeidungsmaßnahmen,
insbesondere der geplanten oder bereits bestehenden schonenden Rückführung in Linden und
Herrenhausen sowie der geringen entnommenen Wassermengen am Entnahmebauwerk II in
Herrenhausen und des nur kurzzeitigen Einsatzes der Tauchpumpen zur Rückführung in Linden
und vor dem Hintergrund der deutlich eingeschränkten Habitateignung der betroffenen Gewässerabschnitte für diese Arten ist jedoch ein signifikant erhöhtes Tötungs- oder Verletzungsrisiko
nicht zu erwarten.
Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 BNatSchG werden mit der beantragten
Benutzung insgesamt nicht erfüllt und sie steht auch den Zielen der Europäischen
Aal-Verordnung und des Aalbewirtschaftungsplanes nicht entgegen.
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Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
8.
45
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Anhang 1:
Anhang 1 – Seite 1
Ergänzende Angaben zur Relevanzprüfung
Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hat
Verzeichnisse der in Niedersachsen besonders oder streng geschützten Arten veröffentlicht
(THEUNERT 2008a, b), in denen insgesamt 19 Artengruppen unterschieden werden. Für sieben
dieser Artengruppen sind Fließgewässer nicht von Bedeutung, da sie nicht zu den typischen
Habitaten der Arten dieser Gruppen gehören. Aus diesem Grund müssen die Gruppen Flechten
(Lichenes), Pilze (Fungi), Schmetterlinge (Lepidoptera), Hautflügler (Hymenoptera), Netzflügler
(Neuroptera), Springschrecken (Saltatoria) und Stachelhäuter (Echinodermata) nicht weiter
berücksichtigt werden.
Alle übrigen Artengruppen werden nachfolgend näher betrachtet, um möglicherweise relevante
Arten zu ermitteln. Dabei wird berücksichtigt, dass als artenschutzrechtlich relevanter Wirkfaktor
nur die Entnahme von Organismen durch Einsaugen mit dem Flusswasser identifiziert wurde.
Farn- und Blütenpflanzen (Pterido- und Spermatophyta)
Bei der Kartierung der Makrophyten nach Phylib wurden zwischen Wehr Schneller Graben und
Luthe in Ihme und Leine nur sieben Arten nachgewiesen, sechs Blütenpflanzen und ein Moos.
Darunter war keine besonders oder streng geschützte Art.
Da die Kartierung nach Phylib auf die Erfassung der repräsentativen Pflanzenausstattung und
nicht auf vollständige Artenlisten abzielt, wird nachfolgend geprüft, ob möglicherweise dennoch
besonders geschützte Pflanzen im Einflussbereich der beantragten Gewässerbenutzung zu
erwarten sind.
(THEUNERT 2008a) nennt nur zwei besonders geschützte Farn- und Blütenpflanzen, für die Fließgewässer als Habitate von Bedeutung sind:

das streng geschützte Froschkraut (Luronium natans)
ist gefährdet (Kat. 2 der Roten Listen von Niedersachsen und Deutschland). Es kommt
in Niedersachsen zerstreut im Weser-Ems-Gebiet vor. Einzelne Vorkommen gibt es
auch im östlichen Tiefland bei Celle, Wolfsburg und am Rand der Ostheide bei Bodenteich. Es handelt sich um eine konkurrenzschwache Pionierart, die vorwiegend zeitweilig an flach überschwemmten Ufersäumen von basenarmen, oligo- bis mesotrophen
Seen, Heideweihern und Teichen sowie in den Uferbereichen von Fließgewässern –
insbesondere Gräben – mit mäßig schnell fließendem Wasser vorkommt. Im Bereich
von Ihme und Leine sind nach den Vollzugshinweisen zum Schutz von Pflanzenarten in
Niedersachsen (NLWKN 2011a) keine Vorkommen bekannt.

die besonders geschützte Wasserfeder (Hottonia palustris)
steht in Niedersachsen auf der Vorwarnliste und ist deutschlandweit gefährdet
(Kat. 3). Sie kommt hier zerstreut bis verbreitet in zum Teil größerer Anzahl im Tiefland vor, in Schwimmblatt-Gesellschaften stehender, mäßig nährstoffreicher, oft kalkarmer, mesotropher Gewässer über torfigen Schlammböden, in Altwässern, Gräben
und Moorseen (OBERDORFER 1990). Im Bereich der Flüsse Ihme und Leine ist ihr Vorkommen daher nicht zu erwarten.
Besonders oder streng geschützte Farn- und Blütenpflanzen kommen im Einwirkungsbereich der
beantragten Gewässerbenutzung somit nicht vor. Eine artenschutzrechtlich relevante BetroffenARSU GmbH, Oldenburg
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Anhang 1 – Seite 2
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
heit von Farn- und Blütenpflanzen durch die beantragte Gewässerbenutzung kann also ausgeschlossen werden.
Moose (Bryophyta)
Bei der Kartierung der Makrophyten wurde in Ihme und Leine zwischen dem Wehr Schneller Graben und Luthe nur eine Moos-Art nachgewiesen, das Ährige Tausendblatt (Myriophyllum spicatum), das weder streng noch besonders geschützt ist (vgl. Kap. 4.2.1). Da die Kartierung nach
Phylib auf die Erfassung der repräsentativen Pflanzenausstattung und nicht auf vollständige
Artenlisten abzielt, wird nachfolgend zusätzlich geprüft, ob möglicherweise dennoch besonders
geschützte Moose im Einflussbereich der beantragten Benutzung zu erwarten sind.
THEUNERT (2008a) weist nur eine besonders geschützte Moos-Art aus, zu deren typischen Habitaten Fließgewässer gehören: das Gezähneltes Torfmoos (Sphagnum denticulatum), das in zwei
Varianten (var. denticulatum und var. inundatum) verbreitet im Tiefland sowie im Weserbergland
und im Harz vorkommt.
Beide Varianten dieses Torfmooses nutzen vorwiegend saure, nährstoffarme, huminsäurereiche
und kalkfreie Gewässer, aber es gibt auch Hinweise auf Vorkommen in basenreicheren, mäßig
nährstoffreichen Biotopen. Als Habitate werden vor allem entsprechende Niedermoore, Quellsümpfe, nasse Borstgrasrasen, Erlenbrüche, moorige Tümpel und Teichränder sowie Bäche
genannt, als Sekundärbiotope auch Gräben, nasse Wegfurchen und Steine (PETERSEN et al. 2003;
DREHWALD et al. 2010)7.
Flüsse wie Leine und Ihme gehören also nicht zu den Habitaten dieses besonders geschützten
Mooses. Es ist dort entsprechend nicht zu erwarten. Eine artenschutzrechtlich relevante Betroffenheit von Moosen durch die beantragte Gewässerbenutzung kann daher ausgeschlossen
werden.
Säugetiere (Mammalia)
Kartierungen zu den im Bereich der Flüsse Ihme und Leine unterhalb des Wehres Schneller Graben vorkommenden Säugetieren liegen nicht vor. THEUNERT (2008a) nennt jedoch eine Reihe von
besonders geschützten Säuger-Arten, für die Fließgewässer zu den bedeutenden Habitaten zählen (vgl. A 1 - Tab. 1). Überwiegend sind diese Arten darüber hinaus streng geschützt.
7
außerdem: www.artensteckbrief.de und http://www.bbsfieldguide.org.uk/sites/default/files/pdfs/mosses/Sphagnum_denticulatum.pdf, jeweils besucht am 27.04.2015
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Anhang 1 – Seite 3
A 1 - Tab. 1: Besonders geschützte Säuger-Arten, für die Fließgewässer von Bedeutung sind
Zusammenstellung und Angaben zur Verbreitung der Arten vorwiegend nach THEUNERT
(2008a),Ergänzungen sind mit gesonderten Quellenangaben versehen
Art
Schutzstatus
RL
Nds.
Verbreitung
1856 ausgestorben, seit 1990 wiederangesiedelt, Vorkommen an der Hase, der Ems und der Elbe einschließlich der Unteren Seege-Niederung, vereinzelt auch in der
oberen Allerniederung
ist inzwischen auch in der Region Hannover wieder heimisch, bei der Winterkartierung 2014 wurden mindestens 15 Reviere an der Leine und ihren Zuflüssen
8
zwischen Schulenburg und Neustadt dokumentiert
Hauptvorkommen zwischen der Aller und der Elbe, festgestellt auch zwischen Wilhelmshaven und Emden sowie
im Bergland östlich der Leine, vereinzelt auch in der
Region Cloppenburg
zerstreut bis verbreitet, aber im Westen nicht vorhanden
semiaquatische Säuger
Biber
Castor fiber
streng
0
Fischotter
Lutra lutra
streng
1
besonders
3
Breitflügelfledermaus
Eptesicus serotinus
streng
2
verbreitet, aber von den Ostfriesischen Inseln nur auf Norderney bekannt
Große Bartfledermaus
Myotis brandtii
streng
2
zerstreut im Bergland, deutlich spärlicher im Tiefland,
besonders in Küstennähe, keine Funde im Ems- und
Elbegebiet
Teichfledermaus
Myotis dasycneme
streng
Wasserfledermaus
Myotis baubentonii
streng
3
Kleine Bartfledermaus
Myotis mystacinus
streng
2
im Bergland zerstreut bis verbreitet, ansonsten eher mäßig
vorhanden; in Küstennähe und entlang der Ems nicht
nachgewiesen
Fransenfledermaus
Myotis nattereri
streng
2
Zwergfledermaus
Pipistrellus pipistrellus
streng
3
zerstreut bis verbreitet, regional nicht nachgewiesen aber
wohl vorhanden, keine Funde auf den Ostfriesischen
Inseln
wohl mehr oder weniger verbreitet
Mückenfledermaus
Pipistrellus pygmaeus
streng
N
unzureichend bekannt, einige Nachweise im Harz, bei
Springe im Deister, im Südwestteil des Tieflandes sowie
in der Lüneburger und in der Ostheide
Braunbär
Ursus arctos
streng
0
im 17. Jahrhundert ausgestorben
Europäischer Nerz
Mustela lutreola
streng
0
Luchs
Lynx lynx
streng
0
wahrscheinlich schon vor dem 1. Weltkrieg ausgestorben,
Wiederansiedlungsprojekt im Raum Osnabrück, einzelne
Funde im östlichen Tiefland
im 19. Jahrhundert ausgestorben, seit 1999 im Harz wieder angesiedelt und inzwischen bis an den Nordrand des
Ostbraunschweigischen Hügellandes, bis Hildesheim
und über den Göttinger Raum hinaus bis in den Solling
abgewandert
Wasserspitzmaus
Neomys fodiens
Fledermäuse
nur regional nachgewiesen: im Harz, im Ith, zwischen
Rinteln und Hannover, im Osnabrücker Land, an der
Aller, im Nordosten des Tieflandes und im unteren
Weser- und Emsgebiet
wohl mehr oder weniger landesweit verbreitet, auch auf
Norderney vorkommend
andere Säuger
8
vgl. https://niedersachsen.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/biber/, besucht am 29.04.2015
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Anhang 1 – Seite 4
Art
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Schutzstatus
RL
Nds.
Wildkatze
Felis silvestris
streng
2
Wisent
Bison bonsus
streng
0
Wolf
Canis lupus
streng
0
Verbreitung
besonders im Harz und Solling sowie im dazwischen liegenden Bereich, nach Norden bis an die Mittelgebirgsschwelle nachgewiesen (Deister, Raum Hildesheim,
Elm)
seit dem 16. Jahrhundert ausgestorben
verschwand im 18. und 19. Jahrhundert, seither zunächst
vereinzelt inzwischen häufiger aus dem Osten wieder
zugewandert
wurde in Niedersachsen zunächst auf Truppenübungsplätzen in der Heide beobachtet, taucht inzwischen aber
in verschiedenen Landesteilen auf, auch aus der Region
9
nördlich von Hannover liegen Hinweise vor
Die Säugetiere haben eine unterschiedlich starke Bindung an Gewässer, während manche Arten
die Fließgewässer nur zur Nahrungssuche nutzen, halten sich die semiaquatischen Arten überwiegend im Bereich der Gewässer auf und haben auch ihre Fortpflanzungsstätten in Gewässernähe.
Eine Tötung oder Verletzung durch Einsaugen möglicherweise vorkommender Säugetiere ist aber
unter Berücksichtigung ihrer Lebensweise, ihrer Größe und ihres Schwimmvermögens ausgeschlossen.
Eine artenschutzrechtlich relevante Betroffenheit von Säugetieren durch die beantragte Gewässerbenutzung kann daher ausgeschlossen werden.
Vögel (Aves)
Kartierungen zu den im Bereich der Flüsse Ihme und Leine unterhalb des Wehres Schneller Graben vorkommenden Vogelarten liegen nicht vor. THEUNERT (2008a) nennt aber eine Reihe von
streng und besonders geschützten Arten, für die Fließgewässer von Bedeutung sind (vgl. A 1 Tab. 2). Darunter sowohl Brutvögel, als auch Durchzügler und Überwinterer.
A 1 - Tab. 2: Geschützte Vogel-Arten, für die Fließgewässer von Bedeutung sind
Zusammenstellung und Angaben zur Verbreitung der Arten nach THEUNERT (2008a)
Art
Schutzstatus
RL Nds.
Verbreitung
Brutvogel, zum Teil auch durchziehend oder überwinternd
Blässhuhn
Fulica atra
Blaukehlchen
Luscinia svecica
9
besonders
-
regelmäßiger und weit verbreiteter Brutvogel; nur in
Teilen des Berglandes nicht vorhanden o. selten
im Winter mitunter in großen Beständen auftretend
streng
V
als Brutvogel in der ssp. cyanecula verbreitet im
Bereich der Watten und Marschen; im mittleren,
östlichen und südlichen Landesteil nur hier und
da, südwärts bis in den Landkreis Göttingen
in der ssp. svecica regelmäßiger Durchzügler
vgl. http://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norden/Uebersicht/Woelfe-Luxe-und-Biber-in-Niedersachsen-sorgen-fuerDiskussionen, . http://www.wildtiermanagement.com/wildtiere/haarwild/wolf/wolfsnachweise_in_niedersachsen,
http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Wolf-beisst-Hund-einer-Radfahrerin-in-der-Region-Hannover und
http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Region/Wedemark/Nachrichten/Der-Wedemaerker-Wolf-ist-ueberfahren-worden,
besucht am 29.04.2015
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Art
Anhang 1 – Seite 5
Schutzstatus
RL Nds.
Verbreitung
Brandgans
Tadorna tadorna
besonders
-
regelmäßiger Brutvogel im Küstenraum und auf den
Inseln; vielerorts auch an der Unterläufen von
Ems, Weser und Elbe, an der unteren Mittelelbe
und in der Diepholzer Moorniederung sowie vereinzelt im südöstlichen Niedersachsen
in vielen Wintern im Küstengebiet verbleibend
Eiderente
Somateria mollissima
besonders
-
regelmäßiger Brutvogel auf den Ostfriesischen
Inseln, außer Wangerooge
im Winterhalbjahr in größerer Anzahl im Wattenmeer rastend; bisweilen Gastvogel in Niederungen im Binnenland
Eisvogel
Alcedo atthis
streng
3
regelmäßiger Brutvogel, nahezu landesweit verbreitet, mit Schwerpunkten im Osnabrücker
Raum, im Weser-Leinebergland, der nördlichen
Lüneburger Heide und im Wendland
Fischadler
Pandion haliaetus
streng
1
regelmäßiger Brutvogel erst wieder seit Mitte der
1990er Jahre, besonders nördlich der Aller bis in
der Südteil der Lüneburger Heide
regelmäßiger Durchzügler
Flussregenpfeifer
Charadrius dubius
streng
3
zerstreut auftretender Brutvogel, mit Ausnahme der
Küstenregion, einem Gürtel zwischen Lingen und
Vechta und den waldreichen Bereichen des
Berglandes
Flussseeschwalbe
Sterna hirundo
streng
2
regelmäßiger Brutvogel und dabei häufigste Art
innerhalb der Gattung; fast nur auf den Inseln im
Wattenmeer und am Küstensaum des Festlandes, z. B. Leybucht, Jadebusen; sporadisch auch
weiter landeinwärts auf künstlichen Brutplätzen
Flussuferläufer
Actitis hypoleucos
streng
1
insgesamt nur noch wenigen Brutvorkommen, vor
allem an der unteren Mittelelbe, mehrere Paare
am Unterlauf der Oker im östlichen Tiefland,
sonst nur vereinzelt und unregelmäßig auftretend
auf dem Zug insgesamt mehr oder weniger zahlreich, aber an der Küste nur in verhältnismäßig
geringer Anzahl
Gänsesäger
Mergus merganser
besonders
-
extrem seltener Brutvogel an der unteren Mittelelbe
regelmäßiger Durchzügler und Gast im Winterhalbjahr auf Elbe, Ems, Hase, Weser und Aller, im
Elbegebiet bisweilen auch im Sommer
Gebirgsstelze
Motacilla cinerea
besonders
-
im Bergland zerstreuter bis verbreiteter Brutvogel;
im Tiefland etwas weniger, aber in den südlichen
und mittleren Teilen regelmäßig brütend; in Küstennähe nur ausnahmsweise; größte Dichte im
Harz
Graugans
Anser anser
besonders
-
regelmäßiger und weit verbreiteter Brutvogel, jedoch regional kaum oder gar nicht brütend
zur Mauserzeit 2014 an der Küste örtlich sehr
große Ansammlungen
Graureiher
Ardea cinerea
besonders
-
als Brutvogel mittlerweile wieder in weiten Teilen
Niedersachsens vorhandener aber ungleichmäßig verteilt
Heringsmöwe
Larus fuscus
besonders
-
regelmäßiger Brutvogel auf einigen der Ostfriesischen Inseln; im Binnenland nur einzelne kleine
Brutvorkommen z. B. nahe der Unterelbe
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Art
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Schutzstatus
RL Nds.
Kanadagans
Branta canadensis
besonders
-
regelmäßiger Brutvogel, mit Schwerpunkten im
Südteil der Stader Geest und östlich davon bei
Lüneburg; im Westen vor allem in der Ostfriesischen Geest und im Osnabrücker Hügelland
Wintergast, insbesondere in Küstennähe, in kalten
Wintern mitunter in größerer Anzahl.
Kormoran
Phalacrocorax carbo
besonders
-
ausgehend von kleinen Brutvorkommen auf Leuchttürmen nunmehr wieder Bruten im Binnenland in
fast allen Regionen
außerhalb der Brutzeit weit umherziehend.
Mantelmöwe
Larus marinus
besonders
R
vereinzelt und unregelmäßiger Brutvogel auf den
Ostfriesischen Inseln
Wintergast in größerer Anzahl in Küstennähe, selten im Binnenland, sporadisch in den südlichen
Landesteilen nachgewiesen
Mehlschwalbe
Delichon urbicum
besonders
V
flächendeckend vorhandener Brutvogel, größere
Dichten im Süden und Nordosten
Mittelsäger
Mergus serrator
besonders
1
regelmäßiger Brutvogel im nördlichen Harzvorland,
und auf Mellum
außerhalb der Brutzeit hier und da vorhanden
Rauchschwalbe
Hirundo rustica
besonders
3
als Brutvogel nahezu flächendeckend vorhanden;
größere Dichten westlich der Weser, in der Lüneburger Heide und im Wendland
streng
2
regelmäßiger Brutvogel, östlich einer Linie von der
mittleren Elbe bis zum Zusammenfluss von Aller
und Weser nahezu flächendeckend; größte
Dichte im Harzvorland; im westlichen Tiefland
und in Küstennähe fehlend
Schellente
Bucephala clangula
besonders
-
Regelmäßiger Brutvogel im Tiefland im Umfeld
einzelner alter Fischteichanlagen
außerhalb der Brutzeit mitunter in größerer Anzahl
Schwarzkopfmöwe
Larus melanocephalus
besonders
-
regelmäßiger Brutvogel seit wenigen Jahrzehnten;
größtes Vorkommen auf Insel in der Unterelbe;
daneben westlich der Weser einschließlich der
Ostfriesischen Inseln in geringer Zahl
außerdem Durchzügler
Schwarzmilan
Milvus migrans
streng
-
regelmäßiger Brutvogel, zerstreut im mittleren Elbtal und südlich der Aller; westlich der Weser nur
sporadisch
Schwarzstorch
Ciconia nigra
streng
2
regelmäßig, aber ziemlich seltener Brutvogel nördlich der Aller, im Weser-Leinebergland und Harz;
westlich der Weser nur im Wiehengebirge
Seeadler
Haliaeetus albicilla
streng
2
regelmäßiger Brutvogel mit Hauptvorkommen in
den Urstromtälern von Elbe und Aller; vereinzelte
Bruten in Küstennähe, z. B. nahe der Emsmündung
im Winterhalbjahr an großen Stillgewässern auftretend, vorwiegend nördlich des Mittellandkanals
Silbermöwe
Larus argentatus
besonders
-
Brutvogel in teils großen Kolonien auf allen Ostfriesischen Inseln; kleine Brutvorkommen an der
Unterelbe und anderenorts im Binnenland
Stockente
Anas platyrhynchos
besonders
-
flächendeckend als Brutvogel vorhanden, mit
Schwerpunkt im Nordwesten
zu anderen Jahreszeit mitunter in größerer Anzahl
Rotmilan
Milvus milvus
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Verbreitung
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Art
Anhang 1 – Seite 7
Schutzstatus
RL Nds.
Verbreitung
besonders
-
regelmäßiger aber ungleichmäßig über weite Teile
Niedersachsens verteilter Brutvogel; im Bergland,
außer im nördlichen Harzvorland, selten brütend
im Winterhalbjahr mancherorts in größerer Anzahl
Teichhuhn
Gallinula chloropus
streng
V
verbreitet vorhandener Brutvogel, mit Schwerpunkt
im Nordwesten und Lücken im Osten und Süden
außerhalb der Brutzeit am Rand weiterer Gewässer
zu beobachten
Uferschwalbe
Riparia riparia
streng
V
Brutvogel zerstreut bis verbreitet im Tiefland und im
nördlichen Teil des Berglandes, fehlt im Bereich
der Watten und Marschen, im Harz und in weiten
Teilen des Weser-Leine-Berglandes
Waldwasserläufer
Tringa ochropus
streng
-
regelmäßiger Brutvogel im Aller-Urstromtal und
nördlich darüber hinaus, u. a. auf Truppenübungsplätzen
mitunter überwinternd
Wasseramsel
Cinclus cinclus
besonders
-
regelmäßiger Brutvogel, aber fast nur im Bergland
außerhalb der Brutzeit etwas nach Norden vordringend und Zuzug nordischer Tiere
Wiesenschafstelze
Motacilla flava
besonders
-
als Brutvogel zerstreut bis verbreitet vorhanden;
aber weitgehend fehlend auf den Ostfriesischen
Inseln, in der Ostfriesisch-Oldenburgischen
Geest, im Harz und außerhalb der Tallagen im
Weser-Leinebergland
Tafelente
Aythya ferina
Durchzügler und Wintergäste
Blässgans
Anser albifrons
besonders
-
Durchzügler und Wintergast alljährlich im Rheiderland, auf dem Dollart, in der Elbmündung, in der
Elbtalaue bei Hitzacker und Schnackenburg
sowie immer wieder auf dem Steinhuder Meer
Bergpieper
Anthos spinoletta
besonders
-
regelmäßiger Durchzügler und Wintergast im
gesamten Gebiet
Grünschenkel
Tringa nebularia
besonders
-
alljährlich durchziehend, mehr an der Küste als im
Binnenland
Präriemöwe
Larus pipixcan
besonders
-
Irrgast, 2003 auf der Elbe bei Winsen
streng
-
regelmäßiger Durchzügler im Küstengebiet und im
Binnenland
Rötelschwalbe
Cecropis daurica
besonders
-
umherstreifend mancherorts nachgewiesen, von
der Küste bis ins Bergland
Saatgans
Anser fabalis
besonders
-
Durchzügler und Wintergast besonders in der Elbniederung im Bereich Amt Neuhaus und Wendland, in der Elbmündung und im Rheiderland.
Strandpieper
Anthus petrosus
besonders
-
Durchzügler und Wintergast regelmäßig im Küstenraum, eher seltener aber wohl gleichfalls regelmäßig im Binnenland
Terekwasserläufer
Xenus cinereus
besonders
-
zur Zugzeit vereinzelt in verschiedene Regionen
nördlich der Mittelgebirgsschwelle, 2004 auch im
Landkreis Göttingen
Weißkopf-Ruderente
Oxyura leucocephala
streng
-
seltener Wintergast in Binnenland und Küstennähe
Zwergmöwe
Hydrocoloeus minutus
besonders
R
regelmäßig durchziehend an der Küste und besonders an der Unterelbe
Zwergsäger
Mergellus albellus
besonders
-
Durchzügler und Wintergast fast alljährlicher in
Küstennähe, seltener im Binnenland
Raubseeschwalbe
Hydroprogne caspia
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Anhang 1 – Seite 8
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Gemäß Atlas der Brutvögel in Niedersachsen und Bremen 2005–2008 (KRÜGER et al. 2014) kommen davon Eisvogel, Blässhuhn, Teichhuhn, Mehl- und Rauchschwalbe als Brutvögel im Umfeld
der Kühlwasserentnahmen vor. Weitere Arten sind südlich bzw. nördlich davon als Brutvögel
nachgewiesen, so Flussregenpfeifer, Graugans, Graureiher, Kormoran, Rot- und Schwarzmilan,
Tafelente, Uferschwalbe, Waldwasserläufer, Wasseramsel und Wiesenschafstelze. Weitere Arten
können außerhalb der Brutzeit, im Winter oder auf dem Durchzug im Gebiet auftreten.
Auch die Vögel haben wie die Säugetiere eine unterschiedlich starke Bindung an die Gewässer,
während manche Arten die Fließgewässer nur zur Nahrungssuche nutzen, halten sich andere
überwiegend im Bereich der Gewässer auf und brüten auch in Gewässernähe. Für alle im Einwirkungsbereich der beantragten Gewässerbenutzung vorkommenden Vögel gilt jedoch analog zu
den Säugetieren, dass unter Berücksichtigung ihrer Lebensweise, ihrer Größe und ihres
Schwimmvermögens eine nutzungsbedingte Tötung oder Verletzung von Individuen durch Einsaugen nicht zu besorgen ist.
Eine artenschutzrechtlich relevante Betroffenheit von Vögeln durch die beantragte Gewässerbenutzung kann daher ausgeschlossen werden.
Reptilien (Reptilia)
Als einzige besonders geschützte Reptilienart, für die Fließgewässer bedeutende Habitate sind,
nennt THEUNERT (2008a) die in Niedersachsen als gefährdet eingestufte Ringelnatter ( Natrix
natrix). Sie ist besonders geschützt, kommt verbreitet im östlichen Tiefland vor und hat im
Weser-Aller-Flachland einen Schwerpunkt ihres Vorkommens.
Ringelnattern nutzen offene und halboffene Lebensräume mit heterogenen Vegetationsstrukturen
und einem Mosaik unterschiedlicher Biotoptypen, die ihnen geeignete Jagdreviere, Überwinterungsmöglichkeiten (wie feuchte Hohlräume, Eiablageplätze, Sonnenplätze und Tagesverstecke
(wie Stein- und Holzhaufen) bieten. Vor allem nutzen sie Feuchtgebiete und deren Umgebung.
Sie leben sowohl an eher langsam fließenden Gewässern wie auch an Seen und Teichen sowie in
Sümpfen und Feuchtwiesen oder anderen Gebieten mit gutem Nahrungsangebot.
Ein Vorkommen der Ringelnatter im Einwirkungsbereich des Vorkommens ist vor allem aufgrund
der eingeschränkten Eignung der angrenzenden Biotope wenig wahrscheinlich. Nachweise für
den Bereich Hannover liegen nach dem Verbreitungsatlas der Amphibien und Reptilien Deutschlands (DGHT E. V. 2014) für den Zeitraum 1990–2014 nicht vor. Außerdem wäre unter Berücksichtigung der vorwiegend landgebundenen Lebensweise, Größe und Schwimmfähigkeit der Art
eine Tötung oder Verletzung von Individuen durch Einsaugen nicht zu prognostizieren.
Eine artenschutzrechtlich relevante Betroffenheit von Reptilien durch die beantragte Gewässerbenutzung kann daher ausgeschlossen werden.
Amphibien (Amphibia)
THEUNERT (2008a) weist fünf besonders geschützte Amphibien-Arten aus, für die Fließgewässer
als Habitate von Bedeutung sind. Wie A 1 - Tab. 3 zeigt, nutzen Salamander und Bergmolch kleinere Fließgewässer und der Teichfrosch benötigt eine reiche Wasservegetation. Diese Arten sind
daher in Ihme und Leine im Einwirkungsbereich der beantragten Wasserentnahme nicht zu
erwarten.
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Anhang 1 – Seite 9
A 1 - Tab. 3: Besonders geschützte Amphibien-Arten, für die Fließgewässer von Bedeutung sind
Zusammenstellung der Arten nach THEUNERT (2008a), Angaben zur Verbreitung und zu den
Lebensraumansprüchen nach THEUNERT (2008a) und GÜNTHER (1996)
Amphibien-Art
Schutzstatus
RL Nds.
Verbreitung und Lebensraumansprüche
Ichthyosaura alpestris
Bergmolch
besonders
3
verbreitet im Bergland, regional zerstreut im Tiefland;
z. T. selten oder nicht vorhanden so in Küstennähe, im Emsland, Oldenburger Münsterland,
nordwestlichen Elbe-Weser-Dreieck und Wendland
nutzt als Laichgewässer neben verschiedenen stehenden Gewässern auch Quelltöpfe, Gräben und
Bäche, optimal sind kleinere bis mittelgroße, waldnahe Gewässer mit ausgeprägter Flachwasserzone und nicht zu dichter Unterwasservegetation
Pelophylax kl. esculentus
Teichfrosch
besonders
-
außer im Nordwesten allgemein verbreitet, aber in
Küstennähe meist nicht vorhanden
erreicht die größten Bestandsdichten in permanenten
Gewässern (Weihern) bis 1 ha Größe mit lichten
Gehölzbeständen, nutzt aber u. a. auch Niederungsbäche und –gräben, Flüsse und Kanäle im
Flach- und Hügelland, benötigt Laichgewässer mit
reicher Unterwasser- bzw. Schwimmblattvegetation
Pelophylax ridibundus
Seefrosch
besonders
3
ist entlang der Elbe überall, entlang der Weser nördlich der Mittelgebirgsschwelle und an der Ems nur
am Unterlauf verbreitet; ansonsten zerstreut vorkommend so auch an der Leine und am Südharzrand; regional fehlend so auf den Ostfriesischen
Inseln, im Harz und im Südwesten
bevorzugt größere, eutrophe Gewässer in Flussauen
wie Seen, Altarme, Buchten und andere ruhige
Streckenabschnitte der Flüsse, Kanäle und breitere
Gräben; nutzt vor allem vegetationsreiche Stillgewässer, aber auch pflanzenreiche Kanäle und
Stillwasserbuchten von Flüssen zum Laichen
Rana temporaria
Grasfrosch
besonders
-
flächendeckend vorhanden, auch auf den meisten
Ostfriesischen Inseln
nutzt verkrautete Flachwasserzonen, aber auch
schwimmende Pflanzenteppiche in einem breiten
Spektrum stehender und fließender Gewässer zum
Laichen, bevorzugt bei Fließgewässern langsam
fließende Gräben und Niederungsbäche, in Bergbachtypen werden Buchten und andere langsam
durchströmte Bereiche genutzt
Salamandra salamandra
Feuersalamander
besonders
3
verbreitet im Osnabrücker Hügelland, im WeserLeinebergland und im Harz, außerdem einige isolierte Vorkommen im Braunschweiger Raum und
im östlichen Tiefland; westlich der Weser nur in
wenigen Gebieten zwischen Delmenhorst und Bad
Bentheim; fehlt im Nordwesen
Larven nutzen nährstoffarme (oligotrophe), kühle und
sauerstoffreiche Gewässer, vor allem Quellbäche
und -tümpel, Bäche, Bachstaue, Teich und Gräben
sowie Kleingewässer
Ihme und Leine gehören auch nicht zu den bevorzugten Lebensräumen von Seefrosch ( Pelophylax ridibundus) und Grasfrosch (Rana temporaria), ihr Vorkommen in ruhigen, vegetationsreicheren Bereichen dieser Gewässer kann aber nicht ganz ausgeschlossen werden. Jedoch ist eine
Nutzung als Laichhabitat im Bereich der Wasserentnahmestellen in Linden und Herrenhausen
aufgrund der dort vorhandenen Uferstruktur und fehlender Wasservegetation nicht zu erwarten.
Eine durch die beantragte Benutzung bedingte Tötung oder Verletzung durch Einsaugen von
ARSU GmbH, Oldenburg
22.03.2016
Anhang 1 – Seite 10
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Laich oder Larven ist daher nicht zu besorgen. Adulte Tiere sind auch aufgrund ihrer Schwimmstärke nicht gefährdet.
Eine artenschutzrechtlich relevante Betroffenheit von Amphibien durch die beantragte Gewässerbenutzung kann daher ausgeschlossen werden.
Fische und Rundmäuler (Pisces und Cyclostoma)
THEUNERT (2008a) nennt für Niedersachsen zwei streng geschützte Fischarten, den Atlantischen
Stör (Acipenser sturio) und den Nordseeschnäpel (Coregonus maraena), die beide als ausgestorben gelten und entsprechend im Wirkraum der beantragten Gewässerbenutzung nicht vorkommen.
Darüber hinaus nennt er den besonders geschützten Aal ( Anguilla anguilla) und drei besonders
geschützte Rundmäuler, das Bachneunauge (Lampetra planeri) und das Flussneunauge (Lampetra fluviatilis) sowie das Meerneunauge (Petromyzon marinus). Aal, Bach- und Flussneunauge
wurden 2013 bei den Untersuchungen von BIOCONSULT (2016b) in Leine und Ihme nachgewiesen.
Darüber hinaus ist von einem Vorkommen des Meerneunauges auszugehen. Es gehört nach
Angaben der FGG WESER (o. J.) zur Fischfauna der Leine. Auch in den Vollzugshinweisen zum
Schutz dieser Art (LAVES 2011c) wird auf einen Nachweis im Bereich nördlich von Hannover verwiesen.
Fische und Rundmäuler verbringen ihr gesamtes Leben im Wasserkörper und reproduzieren sich
auch dort. Sie könnten daher vom Einsaugen mit dem Kühlwasser in artenschutzrechtlich relevantem Maße betroffen sein.
Sowohl die nachgewiesenen als auch die potenziell vorkommenden Arten Aal, Bach-, Fluss- und
Meerneunauge sind daher einer genaueren Prüfung des Eintretens von Verbotstatbeständen zu
unterziehen.
Käfer (Coleoptera)
Als einzige besonders geschützte Käfer-Art Niedersachsens, für die Fließgewässer bedeutende
Habitate sind, nennt THEUNERT (2008b) den streng geschützten Grubenlaufkäfer (Carabus variolosus), der aber wohl bereits um 1950 ausgestorben ist. Sein Vorkommen im Einflussbereich der
beantragten Gewässerbenutzung ist somit auszuschließen.
Eine artenschutzrechtlich relevante Betroffenheit von Käfern durch die beantragte Gewässerbenutzung kann daher ausgeschlossen werden.
Libellen (Odonata)
Alle heimischen Libellen-Arten sind besonders, einige darüber hinaus streng geschützt. THEUNERT
(2008b) nennt insgesamt elf Klein- und 15 Großlibellen-Arten, für die Fließgewässer von Bedeutung sind (vgl. A 1 - Tab. 4).
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Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
Anhang 1 – Seite 11
A 1 - Tab. 4: Besonders geschützte Libellen-Arten, für die Fließgewässer von Bedeutung sind
Zusammenstellung der Arten und Angaben zur Verbreitung nach THEUNERT (2008b), Angaben zum
Rote-Liste-Status (RL Nds.) angegeben für Niedersachsen und Bremen / Region östliches Tiefland
nach ALTMÜLLER & CLAUSNITZER (2010) und zu den Ansprüchen an die besiedelten Gewässer nach
ALTMÜLLER & CLAUSNITZER (2010), ALTMÜLLER et al. (1989), den Artensteckbriefen der AG Libellen in
10
Niedersachsen und Bremen sowie ergänzend nach STERNBERG & BUCHWALD (1999a, b), Angaben
zum möglichen Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Gewässerbenutzung auf der Basis
von BIOCONSULT (2014, 2016b) sowie der gutachtlichen Bewertung des Lebensraumpotentials für
die Art, in der Tabelle farbig hinterlegte Arten wurde im Wirkraum der beantragten
Gewässerbenutzung nachgewiesen (orange) oder können dort nicht ausgeschlossen werden
(gelb)
1 = vom Aussterben bedroht, 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet,
G = Gefährdung unbekannten Ausmaßes, R = extrem selten, V = Vorwarnliste,
* = ungefährdet, - = kein Vorkommen in der Region
Libellen-Art
Schutzstatus
RL Nds.
Verbreitung und Ansprüche an die
Gewässer
Vorkommen
Kleinlibellen (Zygoptera)
Prachtlibellen (Calopterygidae)
Calopteryx splendens
Gebänderte Prachtlibelle
besonders
*/*
im Tiefland zerstreut bis verbreitet,
nach Nordwesten abnehmend, küstennah vereinzelt, im Bergland nur
hier und da
Fließgewässerart: Bäche, kleine Flüsse
besiedelt Mittel- und Unterläufe, Leitart
des Epi- und Metapotamals
Larven
nachgewiesen
(S-1 bis S-7)
Calopteryx virgo
Blauflügel-Prachtlibelle
besonders
3/V
zerstreut im östlichen Tiefland nördlich
der Aller, hier und da im südlichen
Teil des westlichen Tieflandes, im
Bergland nur ausnahmsweise
vorwiegend Bäche, Flussoberläufe, mit
guter Wasserqualität, natürlicher
Uferstruktur, Pflanzen im Gewässer,
bevorzugt kühleres, sauerstoffreicheres Wasser als C. splendens
potenziell
Schlanklibellen (Coenagrionidae)
Ceriagrion tenellum
Scharlachlibelle
streng
G/V
Tieflandart, zerstreut vorkommend
zwischen Ems und Allergebiet, nordwärts einzelne Nachweise in Ostfriesland und Lüneburger Heide
im östlichen Tiefland in Heidemooren,
vermoorten Quellbereichen und
Bachoberläufen sowie Stillgewässer
nein
Coenagrion mercuriale
Helm-Azurjunger
streng
1/1
im Übergangsbereich der südlichen
Dümmer-Niederung zum Osnabrücker Land, bei Sulingen und bei Stolzenau an der Weser, im Süden und
Osten des östlichen Tieflandes, am
Südrand des Ostbraunschweigischen
Hügellandes
Kalkquellmoore, Flussauen, langsam
fließende kalkhaltige Wiesenbäche
und Entwässerungsgräben mit
Grundwassereinfluss, winterwarm
nein
10
http://www.ag-libellen-nds-hb.de/libellen/artensteckbriefe/, besucht am 18.06.2015
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Anhang 1 – Seite 12
Libellen-Art
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Schutzstatus
RL Nds.
Verbreitung und Ansprüche an die
Gewässer
Vorkommen
Coenagrion ornatum
Vogel-Azurjungfer
streng
1/1
In neuerer Zeit im südlichen Wendland,
im Raum Bodenteich-Wittingen und
bei Braunschweig nachgewiesen;
verschollen im Übergangsbereich der
südlichen Dümmer-Niederung zum
Osnabrücker Land, am Steinhuder
Meer und bei Hildesheim
winterwarme Grund- oder Quellwasser
beeinflusste langsam fließende, Gräben und Bäche
nein
Coenagrion puella
Hufeisen-Azurjungfer
besonders
*/*
landesweit verbreitet
Charakterart eu- bis oligotropher Kleingewässer, auch an Altwässern, Sümpfen und mesotrophen Mooren, seltener an größeren Weihern und Seen,
überwachsenen Wiesengräben und
in strömungsberuhigten Bereichen
von Flüssen und Kanälen
potenziell
Ischnura elegans
Gewöhnliche Pechlibelle
besonders
*/*
praktisch überall verbreitet oft in größerer Anzahl
Gewässer aller Art, auch stark beeinträchtigte, vor allem stehende und
langsam fließende Gewässern, aber
auch in lenitischen Zonen mäßig
schnell strömender Wiesengräben
und –bäche, in ruhig fließenden
breiten Flüssen und sogar in kleinen
Flüssen mit turbulenter Strömung
potenziell
Pyrrhosoma nymphula
Frühe Adonislibelle
besonders
*/*
verbreitet im gesamten Tiefland, regional auch im Bergland
besiedelt breites Spektrum, stehender
und fließender Gewässer, kleine
Bäche, Kanäle und Gräben sowie
pflanzenreiche Tümpel, Mooraugen,
Wagenspuren, Teiche und Weiher;
fehlt weitgehend an größeren Seen
und Flüssen
hat ihr Optimum an ± nährstoffreichen,
verwachsenen Kleingewässern, träge
fließenden sauberen (Quell-)Gräben,
Oberläufen von (Quell-)Bächen und
kleinen Flüssen, insbesondere wenn
ruhige, krautreiche Buchten ausgebildet und die Ufer bewaldet sind.
potenziell
besonders
*/*
zerstreut bis verbreitet im Tiefland und
Bergland
kleine Tümpel bis größere Seen sowie
langsam strömende Gewässer, auch
anthropogene, naturferne oder weitestgehend vegetationslose Gewässer, gelegentlich auch an ruhigen
Uferbuchten schnell strömender
Bäche und Flüsse, braucht Ufergehölze mit überhängenden Zweigen
potenziell
Teichjungfern (Lestidae)
Lestes viridis
Weidenjungfer
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Libellen-Art
Sympecma fusca
Gewöhnliche Winterlibelle
Schutzstatus
besonders
Anhang 1 – Seite 13
RL Nds.
Verbreitung und Ansprüche an die
Gewässer
Vorkommen
*/*
Zerstreut, vornehmlich im östlichen
Tiefland, Einzelnachweise im Bergland und westlichen Tiefland
Weser-Aller-Flachland ein Vorkommensschwerpunkt in Niedersachsen
vor allem naturnahe Stillgewässer, aber
auch strömungsberuhigte Abschnitte
von Fließgewässern, mit Verlandungsvegetation (Seggenriede, Röhrichte) bzw. vorjährigem, flutenden
Pflanzenmaterial
potenziell
*/*
zerstreut im Tiefland, im Nordwesten
nur einzelne Funde, im Bergland
spärlich, vornehmlich an Innerste und
im Ostbraunschweigischen Hügelland
Charakterart der Auen größerer Flusssysteme, besiedelt breites Spektrum
schnell fließender bis stehender,
mehr oder weniger nährstoffreicher
Gewässer
Larven
nachgewiesen
(S-7)
Federlibellen (Platycnemididae)
Platycnemis pennipes
Gewöhnliche Federlibelle
besonders
Großlibellen (Anisoptera)
Edellibellen (Aeshnidae)
Aeshna grandis
Braune Mosaikjungfer
besonders
Boyeria irene
Westliche Geisterlibelle
besonders
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*/V
zerstreut bis verbreitet in den Marschen
und im Tiefland, Schwerpunkte: unterer Weserraum, Jadebusen; im Bergland vor allem in tieferen Lagen, so
im Ostbraunschweigischen Hügelland
Stillgewässer, langsam strömende
Fließgewässer
widersprüchliche Angaben: Teiche,
Weiher, Seen, Altwasser, Sumpf- und
Moorgewässer, Gräben, Kanäle,
Bäche, keine oder langsame Strömung in Larvenhabitaten
2007 erstmals im Tiefland nachgewiesen
Funde an der Örtze in der südlichen
Lüneburger Heide einziges bekanntes bodenständiges Vorkommen in
Deutschland
nutzt dort Abschnitte mit naturnahen
Sohl- und Uferstrukturen und sandigem bis feinkiesigem Sediment, gesäumt von locker bis mäßig dichten
Erlen, mit kleinräumigem Wechsel
zwischen sonnigen und schattigen
Bereichen
potenziell
nein
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Anhang 1 – Seite 14
Libellen-Art
Brachytron pratense
Früher Schilfjäger
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Schutzstatus
besonders
RL Nds.
Verbreitung und Ansprüche an die
Gewässer
Vorkommen
3/3
sehr zerstreut bis zerstreut im Tiefland,
selten im Bergland, vielerorts im
Wendland und in Ostfriesland, am
zahlreichsten wohl in Wesermarsch
bevorzugt Stillgewässer mit Röhrichten
und Hochstauden, auch Altwässer
und bewachsene Gräben
Auenart, Stillgewässer aber auch
schnell fließende Flüsse, Kanäle,
Bäche und Gräben
häufig zusammen mit Platycnemis
pennipes
potenziell
Quelljungfern (Cordulegastridae)
Cordulegaster bidentata
Gestreifte Quelljungfer
besonders
*/-
wenige Vorkommen im Weserbergland
von Hann. Münden bis zum Deister,
einzelne Funde im Harz; Vorkommen
im Osnabrücker Land fraglich
strenger Spezialist schwach und mäßig
schüttender Hangquellen
nein
Cordulegaster boltonii
Zweigestreifte Quelljungfer
besonders
3/3
nördlich der Aller bis Lüneburger Heide,
im südlichen Bergland, im Harzvorland, am Nordrand des Osnabrücker
Landes und im Raum Cloppenburg/
Oldenburg
sand- und/oder lehmgeprägter Bäche
mit naturnaher Struktur und wenig
bewachsenen Mikrostandorten
nein
Falkenlibellen (Corduliidae)
Somatochlora flavomaculata
Gefleckte Smaragdlibelle
besonders
3/V
einige aktuelle Funde im östlichen
Tiefland, vereinzelt westlich der
Weser, auch im Harzvorland
breites Gewässerspektrum, aber
Reproduktionsgewässer meistens
flach, ihr Untergrund bestehend aus
einer mächtigen organischen Schicht,
in dystrophem Milieu aus Torf
nein
Somatochlora metallica
Glänzende Smaragdlibelle
besonders
*/*
zerstreut bis verbreitet im Tiefland bis in
Marschen, sehr zerstreut im Bergland
bevorzugte Reproduktionsgewässer
sind Seen, Altwässer, Weiher und
größere Moorgewässer, oft mit Ufergehölzen bzw. in Waldnähe, auch an
Bächen, Flüssen oder Entwässerungskanälen zu beobachten, wo sie
aber wohl nur selten reproduzieren
nein
2/3
jahrzehntelang verschollen,
in den letzten Jahren in der unteren
Mittelelbe, in der unteren Aller und
folgend in der Weser
strömungsberuhigte Bereiche großer
Fließgewässer, Zwischenbuhnenfelder großer Ströme
nein
Flussjungfern (Gomphidae)
Gomphus flavipes
Asiatische Keiljungfer
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streng
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Libellen-Art
Schutzstatus
Gomphus vulgatissimus
Gewöhnliche Keiljungfer
besonders
Onychogompus forcipatus
Kleine Zangenlibelle
besonders
Ophiogomphus cecilia
Grüne Flussjungfer
streng
Anhang 1 – Seite 15
RL Nds.
Verbreitung und Ansprüche an die
Gewässer
Vorkommen
V/*
nur im Tiefland zwischen Grafschaft
Bentheim und Elbe, so in Ems, Hunte
und Weser, bei Braunschweig
Schwelle zum Bergland erreichend,
fehlt im Nordwesten
Aller und Nebenflüsse Verbreitungsschwerpunkt in Niedersachsen
Gewässer von Bächen bis zu großen
Strömen
Larven
nachgewiesen
(S-1, S-3,
S-6, S-7)
ausgestorben, um 1950/60 noch bei
Hannover, Bremen und Hamburg
schnell fließende Bäche und Flüsse mit
sandigem, kiesigem Grund und guter
Wasserqualität, Ufer größerer Seen
nein
3/V
zwischen Aller und Elbe vielerorts,
südwärts etwa bis Hannover und
Braunschweig; im Westen vereinzelt
bis zur Hunte
Weser-Aller-Flachland einer der Verbreitungsschwerpunkte
Sand- und lehmgeprägte sowie kiesgeprägte Tieflandflüsse, auch bebaute
Innenstadtbereiche
potenziell
Segellibellen (Libellulidae)
Libellula fulva
Spitzenfleck
besonders
2/2
sporadisch in einigen Tieflandregionen,
von der Ems bis zur Elbe
langsam strömende, nicht zu stark verschmutzte Flüsse, Kanäle und Altwässer der Tieflandauen mit reicher
Ufervegetation, gut ausgeprägten
Röhrichten und Großseggenrieden
potenziell
Orthetrum brunneum
Südlicher Blaupfeil
besonders
R/R
tritt regelmäßig in Lüneburger Heide,
bei Celle, Braunschweig und Helmstedt sowie im Eichsfeld auf
Quellrinnsale, kleinflächige, grundwasserbeeinflusste Stillgewässer, flach,
offene Wiesenbäche und –gräben
nein
Orthetrum coerulescens
Kleiner Blaupfeil
besonders
2/2
sehr zerstreut im östlichen, selten im
westlichen Tiefland sowie am nördlichen Harzrand und im Vorland bis
Großer Bruch und Salzgitter
grundwasserbeeinflusste oder quellnahe Bäche und Gräben, auch Quellmoore und –sümpfe, seltener andere
Lebensräume mit geringer oder mittlerer Fließgeschwindigkeit
nein
Sympetrum vulgatum
Gewöhnliche Heidelibelle
besonders
*/*
allgemein verbreitet, im Nordwesten
etwas weniger, auf allen Inseln
nutzt breites Spektrum von Still- und
langsamen Fließgewässern, besonders regelmäßig und häufig an mäßig
nährstoffreichen Weihern und Tümpeln mit starker Verlandungsvegetation
nein
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Anhang 1 – Seite 16
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Drei dieser Arten – zwei Klein- und eine Großlibelle – wurden von BIOCONSULT (2014, 2016b) bei
den Makrozoobenthos-Untersuchungen als Larven in Ihme und Leine nachgewiesen:

Die besonders geschützte Gebänderte Prachtlibelle (Calopteryx splendens) wurde 2013
sowohl unterhalb des Wehres Herrenhausen, oberhalb der Wasserentnahme am
KWH Herrenhausen (Abschnitt S-6) als auch in den Abschnitten unterhalb der Kläranlage Herrenhausen (Abschnitte S-1 bis S-4) nachgewiesen. Im Frühjahr 2014 trat
sie an nahezu allen untersuchten Probenahmestellen in Ihme und Leine auf.

Die besonders geschützte Gewöhnliche Federlibelle (Platycnemis pennipes) wurde ausschließlich 2013 im Bereich der Ihme (Abschnitt S-7) festgestellt.

Die ebenfalls besonders geschützte Gewöhnliche Keiljungfer ( Gomphus vulgatissimus)
wurde 2013 sowohl in der Ihme (Abschnitt S-7) als auch in verschiedenen Bereichen
der Leine angetroffen, so unterhalb des Wehres Herrenhausen (Abschnitt S-6), unterhalb der Wasserentnahme am KWH Herrenhausen (S-5) und bei Luthe (S-1). Im
Frühjahr 2014 wurde sie dagegen nur unterhalb des Wehres Herrenhausen (S-6) und
bei Luthe (S-1) nachgewiesen.
Darüber hinaus hat BIOCONSULT (2016b) im Jahr 2013 Larven einer weiteren Calopteryx-, einer
Schlanklibellen- und einer weiteren Kleinlibellen- sowie einer Edellibellen-Art in Ihme und Leine
zwischen dem Wehr Schneller Graben und der Leine bei Luthe festgestellt. Es kommen also weitere besonders geschützte Arten vor.
Unter Berücksichtigung der Lebensraumansprüche der von THEUNERT (2008b) genannten Arten
(vgl. A 1 - Tab. 4) sind im Wirkungsbereich der beantragten Gewässerbenutzung neben den drei
nachgewiesenen Libellen auch die folgenden Arten zu erwarten oder zumindest nicht auszuschließen:

die streng geschützte Grüne Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia), die gemäß der Vollzugshinweise zum Schutz dieser Art (NLWKN 2011d) in diesem Bereich vorkommt,

die besonders geschützte Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo),

die besonders geschützte Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella),

die besonders geschützte Gewöhnliche Pechlibelle (Ischnura elegans),

die besonders geschützte Frühe Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula),

die besonders geschützte Weidenjungfer (Lestes viridis),

die besonders geschützte Gewöhnliche Winterlibelle (Sympecma fusca),

die besonders geschützte Braune Mosaikjungfer (Aeshna grandis),

der besonders geschützte Frühe Schilfjäger (Brachytron pratense),

der besonders geschützte Spitzenfleck (Libellula fulva).
Zwar leben die Imagines der Libellen außerhalb des Wassers, nutzen aber zur Reproduktion das
Gewässer. Ihre Larven wachsen im Wasserkörper heran und verlassen diesen erst zur Metamorphose. Sie könnten daher vom Einsaugen mit dem Kühlwasser in artenschutzrechtlich relevantem
Maße betroffen sein.
Sowohl die nachgewiesenen als auch die potenziell vorkommenden Libellen-Arten sind daher
einer genaueren Prüfung des Eintretens von Verbotstatbeständen zu unterziehen.
22.03.2016
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Anhang 1 – Seite 17
Webspinnen (Araneae)
Als einzige besonders geschützte Webspinnen-Art Niedersachsens, für die Fließgewässer möglicherweise eine Bedeutung haben, nennt THEUNERT (2008b) die streng geschützte Sand-Wolfsspinne (Arctosa cinerea), die aber als ausgestorben bzw. verschollen gilt und zuletzt vor 1990 auf
den Ostfriesischen Inseln nachgewiesen wurde. Ihr Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung ist daher auszuschließen.
Eine artenschutzrechtlich relevante Betroffenheit von Webspinnen durch die beantragte Gewässerbenutzung besteht daher nicht.
Krebse (Crustacea)
Als einzige besonders geschützte Krebs-Art Niedersachsens, für die Fließgewässer von Bedeutung
sind, nennt THEUNERT (2008b) den streng geschützten Edelkrebs (Astacus astacus). Die bis
Anfang des 19. Jahrhunderts verbreitete Art kommt aktuell nur noch mit wenigen Populationen in
isolierten Fließgewässerabschnitten und Stillgewässern vor, die sich vorwiegend aus Wiederansiedlungsprojekten rekrutieren. Zwar gibt es auch in der Region Hannover Vorkommen in isolierten Gewässerabschnitten, die sich aber in kleinen Nebenbächen der Leine, in Teichen und
Baggerseen befinden (LAVES 2011e). Das Vorkommen des streng geschützten Edelkrebses im
Einflussbereich der beantragten Benutzung in Ihme und Leine ist daher nicht zu erwarten.
Eine artenschutzrechtlich relevante Betroffenheit von Krebsen durch die beantragte Gewässerbenutzung kann daher ausgeschlossen werden.
Weichtiere (Mollusca)
BIOCONSULT (2016b) hat 2013 mit der Malermuschel (Unio pictorum) im Bereich der Leine zwischen dem HKW Linden und dem KWH Herrenhausen eine besonders geschützte Muschel-Art
nachgewiesen. Sie wurde in geringer Dichte (0,4 Individuen/m²) im Bereich einer Probenahmestelle oberhalb der Wasserentnahme für das Kraftwerk Herrenhausen festgestellt. Bei ergänzenden Untersuchungen im Frühjahr 2014 wurden mit Anodonta sp. und Unio sp. weitere nicht bis
zur Art bestimmte besonders geschützte Süßwassermuscheln in Ihme und Leine nachgewiesen
(BIOCONSULT 2014).
THEUNERT (2008b) nennt für Niedersachsen insgesamt sieben besonders geschützte MuschelArten, für die Fließgewässer bedeutende Habitate sind (vgl. A 1 - Tab. 1). Das Vorkommen von
zwei dieser Arten, der Flussperlmuschel ( Margaritifera margaritifea) und der Bachmuschel (Unio
crassus) im Wirkungsbereich der beantragten Benutzung kann jedoch ausgeschlossen werden, da
sie im Einzugsgebiet der Weser nur noch im Landkreis Celle bzw. in der Delme vorkommen (vgl.
auch NLWKN 2011c, b). Das Vorkommen von Teichmuscheln (Anodonta anatina, A. cygnea und
Pseudanodonta complanata) und der großen Flussmuschel (Unio tumidus) ist hingegen möglich.
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22.03.2016
Anhang 1 – Seite 18
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
A 1 - Tab. 5: Besonders geschützte Weichtier-Arten, für die Fließgewässer von Bedeutung sind
Zusammenstellung der Arten nach THEUNERT (2008b), in der Tabelle farbig hinterlegte Arten
wurde im Wirkraum der beantragten Gewässerbenutzung nachgewiesen (orange) oder können
nicht ausgeschlossen werden (gelb)
Mollusken-Art
Schutzstatus
Verbreitung und Lebensraumansprüche
Anodonta anatina
Flache Teichmuschel
besonders
mehr oder weniger verbreitet
kommt in stehenden bis langsam fließenden, kleineren und
größeren Gewässern vor, Untergrund kann grob sandig
bis schlammig sein, besiedelt alle Gewässerbereiche
Anodonta cygnea
Gewöhnliche Teichmuschel
besonders
mehr oder weniger verbreitet
kommt vorwiegend in Stillgewässern oder langsam fließenden, gestauten Bereichen sommerwarmer Bäche und
Flüsse vor und bevorzugt schlammigen bis feinsandigen
Untergrund
Margaritifera margaritifera
Flussperlmuschel
streng
Vorkommen nur noch im Lutter-Lachte-System (Landkreis
Celle) und in Restbeständen im Ilmenau-System (Landkreis Uelzen)
Pseudanodonta complanata
Abgeplattete Teichmuschel
streng
sehr zerstreut im südlichen und mittleren Abschnitt des
Tieflandes von der Aller bis zur Ems, bis an die Schwelle
zu den Mittelgebirgen, fehlt im Nordwesten, in der Zevener Geest, in der Wümme-Niederung und in weiteren
Regionen des Tieflands
lebt in wenig bewegten Bereichen mittlerer und größerer
Flüsse, strömungsberuhigten Buchten sowie am Rand
größerer Seen, auf feinsandigen bis schlammigen Grund,
gräbt sich oft tief ein, Bestände schwer zu erfassen
Unio crassus
Bachmuschel
streng
zerstreut im Bergland und im Tiefland östlich einer Linie
Peine – Lüneburg,
im Einzugsgebiet der Weser einzelne neuere Nachweise
aus der Delme bei Bremen. Aus der Weser und Leine
weitgehend und aus der Ems anscheinend vollständig
verschwunden
Unio pictorum
Malermuschel
besonders
im Tiefland zerstreut bis verbreitet, im Bergland eher selten,
kommt auch in der Leine bei Nörten-Hardenberg vor
bevorzugt langsam fließende, mittlere bis größere meso- bis
eutrophe Gewässer und besiedelt typischerweise sandige
bis schlammige Substrate, lebt aber auch in feinkiesigen
Bereichen
ist in der Leine unterhalb des Wehres Herrenhausen nachgewiesen worden
Unio tumidus
Große Flussmuschel
besonders
im Tiefland zerstreut bis verbreitet, im Bergland eher selten,
keine Nachweise im südlichen und mittleren Abschnitt der
Leine und den Heidebächen
lebt in der Uferzone von Seen, Flüssen und kleineren Fließgewässern mit geringer bis mittlerer Strömung und bevorzugt sandige Substrate
kommt häufig in gemischten Beständen mit Maler- und
Teichmuscheln vor
Da Muscheln ihr gesamtes Leben innerhalb des Gewässers verbringen, könnten sie vom Einsaugen mit dem Kühlwasser in artenschutzrechtlich relevantem Maße betroffen sein.
Sowohl die nachgewiesene Art als auch die potenziell vorkommenden Muschel-Arten sind daher
einer genaueren Prüfung des Eintretens von Verbotstatbeständen zu unterziehen
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Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
Anhang 2:
Anhang 2 – Seite 1
Beschreibung der relevanten Fische und Rundmäuler
Relevante Arten dieser Tiergruppe sind der Aal (Anguilla anguilla) sowie das Bach⁻, das Flussund das Meerneunauge (Lampetra planeri, L. fluviatilis und Petromyzon marinus).
Aal (Anguilla anguilla)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Der Aal

ist eine nach der EG-Artenschutzverordnung besonders geschützte Art11;

ist in der aktuellen Roten Liste der Süßwasserfische in Deutschland (FREYHOF 2009)
nicht gelistet, da er sich im Meer reproduziert, nach der Roten Liste der Meeresfische
und Neunaugen ist er stark gefährdet (Kat. 2) und Deutschland ist für diese Art in
besonderem Maße verantwortlich (THIEL et al. 2013);

ist nach der Roten Liste der International Union for Conservation of Nature (IUCN) 12
aufgrund der starken Bestandsrückgänge 'critically endangered', d. h. es besteht ein
sehr hohes Risiko, dass die Art in freier Wildbahn ausstirbt13;

ist auch in Niedersachsen nach Angabe des LAVES (2011a) stark gefährdet (Kat. 2),

hat in Niedersachsen aufgrund des europaweiten Rückgangs von Glas- und Gelbaalen
sowie der in Niedersachsen als unzureichend eingestuften Habitatausstattung der
Gewässer einen schlechten Erhaltungszustand (LAVES 2011a).
Verbreitung
Der Europäische Aal kommt von Nordafrika bis zum Eismeer vor (BELANYECZ & BRÄMICK 2009) und
ist in ganz Deutschland verbreitet. Er besiedelt sowohl die Meeresküsten von Nord- und Ostsee
und die Ästuare, als auch die Binnengewässer. Natürlicherweise kommen Aale nicht nur in den
Fließgewässern sondern auch in damit verbundenen Altwässern und –armen sowie in Seen vor.
Heute ist der Aal in nahezu allen Binnen- und Küstengewässern, einschließlich der Schifffahrtskanäle und Seen verbreitet. In den Fließgewässern besiedeln Aale alle Abschnitte mit Ausnahme
sommerkalter Forellenbäche mit vergleichsweise hohen Strömungsgeschwindigkeiten (LAVES
2011a).
Auch in Niedersachsen kommt der Aal in nahezu allen Binnen- und Küstengewässern vor, meist
durch Besatz gestützt. Insbesondere die größeren Flüsse und Ströme Leda, Hase, Ems, Hunte,
Große Aue, Wümme, Aller, Leine, Weser, Oste, Ilmenau, Jeetzel und Elbe haben eine hohe
Bedeutung für den Schutz des Aals (LAVES 2011a).
Die Bestände des Aals sind in den letzten Jahrzehnten in Niedersachsen, Deutschland und Europa
rückläufig. In Deutschland erfolgen bereits seit über 100 Jahren Besatzmaßnahmen in den Fließ-
11
12
13
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 25.06.2015
The IUCN Red List of Threatened Species, Version 2015.2 (http://www.iucnredlist.org), Download vom 29.06.2015
vgl. http://www.iucnredlist.org/static/categories_criteria_3_1, zuletzt besucht am 29.06.2015
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Anhang 2 – Seite 2
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
gewässern, um den negativen Einfluss der Wanderungshindernisse auszugleichen (LAVES
2011a).
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Der Aal gehört zu den katadromen Wanderfischen, d. h. er wandert zur Eiablage aus den Binnengewässern ins Meer. Er hat einen komplexen Lebenszyklus mit verschiedenen Entwicklungsstadien, der noch nicht vollständig aufgeklärt ist.
Die Laichgebiete des Europäischen Aals liegen nach heutigem Kenntnisstand im Sargassomeer
vor der amerikanischen Ostküste. Von dort gelangen die unpigmentierten so genannten Weidenblatt- oder Leptocephalus-Larven des Aals wieder an die Küsten Europas. Wohl spätestens am
Rand des Kontinentalhangs nehmen die Larven dann eine unpigmentierte aalförmige Gestalt an
(GERSTMEIER & ROMIG 2003; KOTTELAT & FREYHOF 2007; BELANYECZ & BRÄMICK 2009). Diese so
genannten Glasaale sind aktive Schwimmer und steuern die Küsten- und Brackwasserbereiche an
(GERSTMEIER & ROMIG 2003). Sie erreichen die deutsche Nordseeküste im Februar (GERSTMEIER &
ROMIG 2003; BELANYECZ & BRÄMICK 2009).
Während ein Teil der Population im Bereich der Ästuare und Flussunterläufe verbleibt, wandert
der andere Teil stromauf, teilweise bis weit in die Flussläufe des Binnenlandes (BELANYECZ &
BRÄMICK 2009; LAVES 2011a). Die kleineren Männchen verbleiben eher in der Nähe der Unterläufe, die größeren Weibchen wandern bis zu 1.000 km flussaufwärts (GERSTMEIER & ROMIG
2003). Während der Wanderung erfolgt im Bereich der Flussmündungen und –unterläufe die
Pigmentierung der Tiere zum so genannten Gelbaal (LAVES 2011a).
Die pigmentierten Gelbaale siedeln sich letztlich in einer Vielzahl von Gewässertypen an (s. o.)
und sind dann sehr standorttreu. Nach GERSTMEIER & ROMIG (2003) bewegen sie sich meist nur
innerhalb eines Radius von wenigen hundert Metern. Allerdings kommt es vor allem in Fließgewässern auch zu saisonalen bis zu ca. 60 km langen Wanderungen der Aale zwischen Sommerund Winterquartieren (GERSTMEIER & ROMIG 2003; LAVES 2011a). Die Aktivität der Aale geht mit
sinkenden Wassertemperaturen deutlich zurück. In der kalten Jahreszeit suchen sie tiefe, frostfreie Stellen im Gewässer auf (LAVES 2011a). Die Abwanderung in die Winterquartiere und die
Rückwanderung erfolgen meistens Ende September und Anfang Mai und erstrecken sich jeweils
über ca. drei Wochen (BELANYECZ & BRÄMICK 2009).
Die Angaben zur Aufenthaltszeit der Aale im Süßwasser variieren erheblich und liegen zwischen
fünf und 20 Jahren (KOTTELAT & FREYHOF 2007; BELANYECZ & BRÄMICK 2009; LAVES 2011a). Mit
Erreichen der Geschlechtsreife beginnen die adulten Aale wieder flussabwärts zu wandern und
nehmen eine silbergraue Färbung an. Diese Blankaale wandern über 4.000–6.000 km zurück ins
Sargassomeer und sterben nach dem Ablaichen (LAVES 2011a). In den Flüssen wandern sie
dabei in der stärksten Strömung, mit einer von der Strömung unabhängigen Geschwindigkeit von
durchschnittlich ca. 3,3 km/h. Nach KOTTELAT & FREYHOF (2007) beginnt die Abwanderung im
Spätsommer oder Herbst. Sie scheint temperaturabhängig zu sein, wobei die untere Grenze
anscheinend bei ca. 4–6 °C liegt. Darunter sind die Tiere weitgehend inaktiv, aber auch zu hohe
Temperaturen reduzieren den Anteil der abwandernden Aale (BELANYECZ & BRÄMICK 2009).
In den Binnengewässern gilt der Aal als Bewohner der Gewässersohle. Hier hält er sich tagsüber
in geeigneten Verstecken aus Steinen, Baumwurzeln, Totholz oder dichten Pflanzenbeständen
verborgen. In ausgebauten Fließgewässern werden die Ufersicherungen aus Blocksteinen als
Sekundärhabitat genutzt. Aale sind nachtaktive mit dem Geruchssinn jagende Bodenfische. In
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Anhang 2 – Seite 3
den Flussgebieten ernähren sich die Jungaale von Kleintieren. Sie fressen vor allem Schnecken,
Muscheln, Kleinkrebse und Würmer, die größeren Aale vermehrt auch Fische (LAVES 2011a).
Nach BELANYECZ & BRÄMICK (2009) kann die Ernährungsweise von Gewässer zu Gewässer sehr
unterschiedlich sein und auch mit den Jahreszeiten variieren.
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Der Europäische Aal kommt in allen Abschnitten der niedersächsischen Leine vor und die Region
Hannover gehört zu den Gebieten mit höchster Priorität für die Umsetzung von Maßnahmen zum
Schutz und zur Entwicklung des Aals (vgl. LAVES 2011a).
BIOCONSULT (2016b) hat den Aal auch bei den 2013 durchgeführten Untersuchungen zur ökologischen Situation von Leine und Ihme im Abschnitt vom Wehr Schneller Graben bis Luthe nachgewiesen. Er trat in allen drei Untersuchungsabschnitten ober- und unterhalb der Kühlwasserentnahme- und Einleitungsbauwerke (S-5 bis S-7) auf. Dabei war die relative Abundanz im
Bereich des Ihme-Flusses (S-7) größer als in den Abschnitten unterhalb des Wehres Herrenhausen (S-5, S-6).
Bachneunauge (Lampetra planeri)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Das Bachneunauge

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Art14,

ist nach der Roten Liste Deutschland (FREYHOF 2009) ungefährdet,

ist in Niedersachsen nach THEUNERT (2008a) und LAVES (2008, 2011d) gefährdet
(Kat. 3)

hat in Deutschland nach dem aktuellen Nationalen Bericht 2013 gemäß FFH-Richtlinie
sowohl in der atlantischen als auch in der kontinentalen Region einen günstigen
Erhaltungszustand.15
Verbreitung
Die Hauptvorkommen des Bauneunauges liegen in Deutschland in den Einzugsgebieten der
Ströme Elbe, Weser und Rhein. Besiedlungsschwerpunkte finden sich in der Lüneburger Heide,
im Pfälzer Wald, Schwarzwald, Hunsrück, Taunus, Erzgebirge und im nordhessischen Bergland
(LAVES 2011d).
Insbesondere im norddeutschen Tiefland überschneidet sich sein Verbreitungsgebiet mit dem des
Flussneunauges, aber Bachneunaugen besiedeln auch Gewässerabschnitte oberhalb der von den
Flussneunaugen bevorzugten Bereiche und kommen noch deutlich weiter im Binnenland vor
(GERSTMEIER & ROMIG 2003; KRAPPE et al. 2012).
14
15
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 25.06.2015
vgl. Ergebnisübersicht – Nationale Bericht 2013 (https://www.bfn.de/0316_nat-bericht_ergebnisse2013.html), Einzelbewertungen Arten atlantische bzw. kontinentale biogeografische Region https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/
natura2000/Nat_Bericht_2013/arten_atl.pdf bzw. https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/natura2000/Nat_
Bericht_2013/arten_kon.pdf, zuletzt abgerufen am 25.06.2015
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Anhang 2 – Seite 4
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
In Niedersachsen war das Bachneunauge ursprünglich in den Einzugsgebieten von Elbe, Weser
und Ems weit verbreitet, fehlte aber in den Marschgewässern und den höher gelegenen Harzbächen. Aktuell werden überwiegend Einzelvorkommen in den Einzugsgebieten der drei großen
Flüsse nachgewiesen. Es gibt aber noch größere zusammenhängende Areale (LAVES 2011d).
Als Vorkommensschwerpunkte innerhalb des Weser-Einzugsgebiets werden genannt (LAVES
2011d):

die linken Weserzuflüsse Lethe, Delme, Hache und die nördlichen Zuflüsse der Großen
Aue

im Weserbergland die Schwülme und die Ilme mit Nebengewässern

im Leinebergland Oker, Sieber und Nebengewässer

in der Heide Örtze, Lachte und Böhme

im Bereich der Stader Geest die Fließgewässersysteme von Lehrde und Wümme.
Die Leine gehört also nicht zu den Verbreitungsschwerpunkten, aber sowohl oberhalb als auch
unterhalb von Hannover werden aktuelle Vorkommen verzeichnet (vgl. LAVES 2011d), wie auch
die aktuelle vom LAVES zur Verfügung gestellte Karte in A 2 - Abb. 1zeigt.
A 2 - Abb. 1: Bachneunaugen-Nachweise im Rahmen des fischereilichen Monitorings 2001–2013
Quelle: Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES),
Dezernat Binnenfischerei (E-Mail vom 12.06.2015), ergänzt um einen pinkfarbenen Kreis zur Markierung der Lage des Projekts im Bereich Hannover
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Anhang 2 – Seite 5
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Bachneunaugen leben stationär in sauerstoffreichen Bächen und kleinen Flüssen (GERSTMEIER &
ROMIG 2003; KOTTELAT & FREYHOF 2007; LAVES 2011d). Sie besiedeln bevorzugt sommerkühle
Bäche und kleine Flüsse, deren sommerliche Höchsttemperaturen in der Regel unter 20 °C liegen
und die eine gute bis sehr gute Wasserqualität (Güteklasse II oder besser) aufweisen. Aber auch
tendenziell sommerwarme Gewässerabschnitte werden genutzt, sofern sie hinreichende Laichmöglichkeiten bieten (PETERSEN et al. 2004; LAVES 2011d).
Der Lebenszyklus der Bachneunaugen umfasst eine mehrjährige larvale und eine kurze adulte
Phase, die auf einige Monate beschränkt ist (BLOHM et al. 1994). Als Grenztemperatur für den
Beginn der Laichzeit werden Werte von ca. 9–11 °C genannt (BLOHM et al. 1994; PETERSEN et al.
2004; KOTTELAT & FREYHOF 2007; KRAPPE et al. 2012), möglicherweise ist aber eine sprunghafte
Temperaturerhöhung um mehrere Grad der auslösende Faktor für die Laichaktivitäten (BLOHM et
al. 1994; PETERSEN et al. 2004). In Abhängigkeit von der geografischen Lage erstreckt sich die
Laichzeit über die Zeit von März bis Juli (GERSTMEIER & ROMIG 2003; PETERSEN et al. 2004; KRAPPE
et al. 2012). Das LAVES (2011d) gibt für Niedersachsen einen Zeitraum von Mitte April bis Juni
an, im norddeutschen Flachland liegt die Laichzeit häufig im Mai und das Ablaichen kann sich
innerhalb eines Bestandes über 1–3 Wochen hinziehen (BLOHM et al. 1994; LAVES 2011d), konzentriert sich aber meist auf wenige Tage (KRAPPE et al. 2012).
Als Laichhabitate werden flach überströmte, kiesig-sandige Substrate (LAVES 2011d) in Bereichen
mit moderater Strömung (KOTTELAT & FREYHOF 2007) genutzt. Meist liegt die Strömungsgeschwindigkeit bei ca. 0,2–0,5 m/s und die Wassertiefe ist in der Regel geringer als 40 cm, in größeren
Gewässern kann sie aber bis 60 cm betragen. Bevorzugt werden Korngrößen von 0,2–20 mm
(Mittelsand bis Mittelkies) (BLOHM et al. 1994; PETERSEN et al. 2004; KRAPPE et al. 2012). Während
die Bachneunaugen sonst das Tageslicht meiden, sind sie während des Laichzeit tagaktiv (BLOHM
et al. 1994; KOTTELAT & FREYHOF 2007; KRAPPE et al. 2012). Sie legen flache Laichgruben an und
das Ablaichen erfolgt in Gruppen. Danach sterben die adulten Tiere innerhalb weniger Wochen
(GERSTMEIER & ROMIG 2003; PETERSEN et al. 2004; KRAPPE et al. 2012).
Die Weibchen produzieren durchschnittlich jeweils ca. 500–2.000 Eier (PETERSEN et al. 2004;
KRAPPE et al. 2012), die sich im Lückensystem des stromab liegenden Randes der Laichgrube
ablagern. Die Larven schlüpfen nach ca. 11–14 Tagen und verbleiben noch etwa zehn Tage im
Bereich der Laichgrube bis der Dottersack aufgezehrt ist (LAVES 2011d; KRAPPE et al. 2012). Nur
ca. 5 % der Eier siedeln sich als Junglarven an und während der nachfolgenden Aufwuchsphase
wird die jährliche Sterblichkeitsrate nach KRAPPE et al. (2012) auf 20–40 % und nach PETERSEN et
al. (2004) auf 30–40 % geschätzt.
Die als Querder bezeichneten Larven (Ammocoetes-Larven) verdriften von der Laichgrube mit ca.
8 mm Länge (BLOHM et al. 1994) bachabwärts und besiedeln meist unmittelbar stromab der
Laichplätze liegende Habitate mit strömungsberuhigten Abschnitten und Ablagerungen von
Feinsedimenten. Die Querder sind auf sehr feinkörniges, weiches Substrat angewiesen, in dem
sie graben, Nahrung finden und sich bei Gefahr in tiefere Schichten zurückziehen können.
Genutzt werden Bereiche mit ganz schwacher bis mittlerer Strömung (ca. 0,03–0,5 m/s) aber die
höchsten Querder-Dichten werden bei schwacher Strömung (ca. 0,1 m/s) beobachtet. Bereiche
mit hoher Sedimentumlagerung werden gemieden (BLOHM et al. 1994). Aufgrund ihres langsamen
Stoffwechsels können die Larven offenbar relativ lange Phasen mit extremem Sauerstoffmangel
überdauern (KRAPPE et al. 2012).
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Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Die Querder halten sich vorwiegend im Feinsediment der stabilen Sandbänke verborgen und ernähren sich als Filtrierer von kleinen organischen Partikeln wie Kieselalgen, Einzellern, tierischen
Kleinlebewesen und Detritus (LAVES 2011d), die sie aus dem grundnahen Wasser und aus den
obersten Sedimentschichten aufnehmen (BLOHM et al. 1994). Sie verlassen das Sediment nur
ungern, aber im Frühjahr gibt es eine Phase, in der sie eine Tendenz zur Ausbreitung zeigen
(KRAPPE et al. 2012). Im Verlauf der mehrjährigen Larvalzeit breiten sich die Querder so stromabwärts aus, auch in der Folge von Hochwasser-Ereignissen. Ältere Querder besiedeln häufig dicke
Detritus-Ablagerungen aus sich zersetzendem Pflanzenmaterial (LAVES 2011d). Nach KRAPPE et
al. (2012) breiten sie sich im norddeutschen Tiefland durchschnittlich um ca. 230–320 m/Jahr
aus, aber bei ungünstigen Rahmenbedingungen dürfte die Ausbreitung noch größer sein. Mit
zunehmender Entfernung vom Laichplatz nimmt die Querdichte ab, so dass in 1,5–2 km Entfernung stromabwärts eine starke Ausdünnung zu verzeichnen ist und der Bestand sich überwiegend aus älteren Jahrgängen zusammensetzt.
Die Bachneunaugen haben im Vergleich zu den Fluss- und Meerneunaugen eine längere Larvalphase, die nach den älteren Schätzungen etwa 3–5 Jahre oder 6–8 Jahre dauern soll (GERSTMEIER
& ROMIG 2003; KOTTELAT & FREYHOF 2007; LAVES 2011d). Nach neueren Untersuchungen aus
dem norddeutschen Tiefland ist aber vermutlich von mindestens 10 Jahren, durchschnittlich
sogar 14–18 Jahren auszugehen, wobei sie bei den Weibchen vermutlich länger dauert als bei
den Männchen (KRAPPE et al. 2012).
Auch bezüglich des Beginns der Metamorphose der Querder zu den adulten Bachneunaugen
werden unterschiedliche Angaben gemacht. Sie erfolgt nach LAVES (2011d) bei einer Länge der
Querder von etwa 10–15 cm, nach GERSTMEIER & ROMIG (2003) bei ca. 15–20 cm. Nach KOTTELAT
& FREYHOF (2007) sowie BLOHM et al. (1994) beginnt sie im Juni, Juli oder August und vollständig
transformierte Adulte werden ca. sechs Wochen später gewöhnlich im August und September
gefunden. Nach KRAPPE et al. (2012) ist sie in den Beständen stark synchronisiert, beginnt
gewöhnlich gegen Ende Juli und vollzieht sich in den nächsten Wochen recht rasch, so dass die
Tiere ab Ende September den Adulten schon ähneln. Die weitere Umwandlung verläuft dann
deutlich langsamer, so dass man vollentwickelte Laichtiere erst im März findet. Während und
nach der Metamorphose graben sich die Tiere weiterhin wie die Querder ein (BLOHM et al. 1994).
Die metamorphosierten Bachneunaugen nehmen keine Nahrung mehr zu sich, sammeln sich in
kleinen Gruppen und überwintern, bevor sie im nächsten Frühjahr laichen (GERSTMEIER & ROMIG
2003; KOTTELAT & FREYHOF 2007). Um geeignete Laichareale zu finden, führen sie kurze Laichwanderungen durch. Nach BLOHM et al. (1994) liegen die Laichplätze in der Regel nahe an den
Querder-Habitaten, manchmal aber auch einige hundert Meter oder selten auch wenige Kilometer
bachaufwärts. KRAPPE et al. (2012) gehen jedoch davon aus, dass auch Distanzen von mehreren
Kilometern zwischen Winterquartier und Laichplatz überwunden werden. Die Laichwanderungen
erfolgen fast ausschließlich nachts, erst etwa zwei Wochen vor der Laichzeit und werden vermutlich durch einen Anstieg der Wassertemperatur auf 7–10 °C ausgelöst (BLOHM et al. 1994).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Bei den 2013 durchgeführten Untersuchungen zur ökologischen Situation von Leine und Ihme im
Abschnitt vom Wehr Schneller Graben bis Luthe hat BIOCONSULT (2016b) bei den Befischungen
zwar keine adulten Bachneunaugen wohl aber deren Querder nachgewiesen (vgl. Kap. 4.2.3).
Nach Angaben des LAVES wurden zwischen 2001 und 2013 Bachneunaugen im Rahmen des
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fischereilichen Monitorings zur Umsetzung der Wasserrahmen- und der Fauna-Flora-HabitatRichtlinie ober- und unterhalb von Hannover nachgewiesen. Im Bereich Hannover wurden Querder der Lampetra-Arten nachgewiesen, dabei wurde allerdings nicht zwischen Bach- und Flussneunaugen unterschieden (vgl. A 2 - Abb. 1).
Für Querder geeignete Habitate befinden sich nach Angaben von BIOCONSULT (2016b) im gesamten Untersuchungsbereich zwischen dem Wehr Schneller Graben und der Leine bei Luthe. Diese
weisen jedoch aufgrund der Unterschiede in der Gewässerstruktur, dem Uferverbau und dem
Strömungsgeschehen eine unterschiedliche Qualität auf. Bevorzugt werden locker gelagerte
Feinsedimentbänke in relativ flachen zumindest teilweise besonnten Uferbereichen (BIOCONSULT
2016b).
In allen sieben untersuchten Abschnitten (vgl. S-1 bis S-7 in Abb. 2 auf Seite 23) wurden in den
beprobten potenziellen Querderhabitaten Bachneunaugen-Querder nachgewiesen. Die Dichte der
Querder war mit 2–42 Individuen pro Probenahmestelle sehr unterschiedlich. Auch innerhalb
eines Untersuchungsabschnittes gab es deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Probenahmestellen, daher macht BIOCONSULT (2016b) keine Aussagen zu einem Trend entlang der
untersuchten Strecke. Die in der Leine bei Herrenhausen beprobten Querderhabitate (Q3–Q6)
wiesen bezogen auf den gesamten Untersuchungsbereich eine überdurchschnittliche Besiedlungsdichte auf (vgl. A 2 - Abb. 2). Die am Übergang vom Schnellen Graben zum Ihme-Fluss untersuchten Habitate (Q1 und Q2) hatten trotz potenziell gut geeigneter Habitatstrukturen nur eine
vergleichsweise geringe Besiedlungsdichte.
A 2 - Abb. 2: Neunaugen-Querder je Probenahmestelle in Ihme und Leine
dargestellt ist die Anzahl der Querder je Probenahmestelle (Q1-Q10, Q15-Q17) in den Untersuchungsabschnitten (S) 1–7, rot umrandet sind die Probenahmestellen Q1–Q6 in den Untersuchungsabschnitten S-7 bis S-5 ober- und unterhalb der Wasserentnahmestellen für die Kraftwerke in Hannover (Quelle: BIOCONSULT 2016b)
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Nach Angaben des LAVES16 wurde aus den Fängen des Monitorings zur Wasserrahmenrichtlinie
(WRRL) und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) seit 2001 für ganz Niedersachsen ein
Mittelwert der Dichte von Bach- und Flussneunaugen-Querdern von 0,056 Individuen/m² ermittelt17. In der Leine lag die Dichte mit im Mittel 0,008 Ind./m² deutlich niedriger.18 Nach den
'Empfehlungen für die Erfassung und Bewertung von Arten als Basis für das Monitoring nach Artikel 11 und 17 der FFH-Richtlinie in Deutschland' (SCHNITTER et al. 2006) entspricht eine Querderdichte von < 0,5 Ind./m² einem schlechten, eine von 0,5–5 Ind./m² einem guten und von
> 5 Ind./m² einem hervorragenden Erhaltungszustand einer Neunaugen-Population.
Nach Auffassung von BIOCONSULT (2016b) ist es nicht unwahrscheinlich, dass im Bereich der
Ihme aufgrund der Stauwirkung oder der Barrierewirkung des Wehres Herrenhausen weniger
Neunaugen ablaichen und somit auch weniger Querder anzutreffen sind. Eine vom LAVES zur
Verfügung gestellte Abbildung zeigt jedoch, dass sich in einem Seitenarm von Schnellem Graben/
Ihme zahlreiche Laichplätze der Neunaugen befinden. Auch in der Leine oberhalb des Wehres
Schneller Graben im Stadtteil Döhren, in der Mühlenleine im Zentrum von Hannover sowie in der
Leine kurz unterhalb des Wehres Herrenhausen sind Laichplätze bekannt (vgl. A 2 - Abb. 3). Da
es aber für den Bereich der Leine keine systematische Kartierung der Laichplätze gibt, sind sie
auch in anderen Gewässerabschnitten nicht auszuschließen.
A 2 - Abb. 3: Laichhabitate der Neunaugen in der Leine in Hannover
Quelle: Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES),
Dezernat Binnenfischerei (E-Mail vom 12.06.2015), die Laichplätze sind durch schwarze Punkte
markiert
16
17
18
Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES), Dezernat Binnenfischerei, E-Mail
vom 12.06.2015
bei einem Minimalwert von 0,0002 Ind./m² und einem Maximalwert von 3,81 Ind./m²
bei minimal 0,003 Ind./m² und maximal 0,006 Ind./m².
Da die Querder der Fluss- und der Bachneunaugen in den frühen Lebensstadien häufig vergesellschaftet sind, sich aber im
Feld nicht unterscheiden lassen, werden die Lampetra-Querder zusammen erfasst und zur Einschätzung des Erhaltungszustandes zu je 50 % auf die beiden Arten verteilt. Anzahl der Proben: für Niedersachsen n = 1.461, für die Leine N = 37.
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Anhang 2 – Seite 9
Flussneunauge (Lampetra fluviatilis)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Das Flussneunauge

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Art19,

ist nach der Roten Liste Deutschland (FREYHOF 2009) gefährdet (Kat. 3),

ist in Niedersachsen nach Angabe von THEUNERT (2008a) und LAVES (2008, 2011b)
stark gefährdet (Kat. 2),

hat in Deutschland nach dem aktuellen Nationalen Bericht 2013 gemäß FFH-Richtlinie
in der atlantischen Region einen ungünstig-unzureichenden und in der kontinentalen
Region einen ungünstig-schlechten Erhaltungszustand.20
Verbreitung
Flussneunaugen nutzen je nach Lebensphase sowohl marine Küstengewässer als auch Fließgewässer. Verbreitungsschwerpunkte in den Binnengewässern Deutschlands sind die Flüsse Rhein,
Elbe, Weser, Ems und Oder sowie deren Nebengewässer (LAVES 2011b).
Niedersachsen hat aufgrund der Verbreitungsschwerpunkte in den niedersächsischen Strömen
Elbe, Weser und Ems, deren Ästuaren und im Wattenmeer eine besondere Verantwortung für
den Erhalt dieser Art. Zudem sind die niedersächsischen Flussunterläufe ein wichtiger Wanderkorridor für die stromauf liegenden Lebensräume in anderen Bundesländer (LAVES 2011b).
Im Wesereinzugsgebiet stammen die meisten Nachweise aus den Einzugsgebieten von Wümme.
Geeste und Hunte sowie aus dem Flussgebiet der unteren Aller einschließlich der Leine bis
Hannover. Eine aktuelle vom LAVES zur Verfügung gestellte Karte zeigt Nachweise des Flussneunauges in und unterhalb von Hannover (vgl. A 2 - Abb. 4).
19
20
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 25.06.2015
vgl. Ergebnisübersicht – Nationale Bericht 2013 (https://www.bfn.de/0316_nat-bericht_ergebnisse2013.html), Einzelbewertungen Arten atlantische bzw. kontinentale biogeografische Region https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/
natura2000/Nat_Bericht_2013/arten_atl.pdf bzw. https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/natura2000/Nat_
Bericht_2013/arten_kon.pdf, zuletzt abgerufen am 25.06.2015
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Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
A 2 - Abb. 4: Flussneunaugen-Nachweise im Rahmen des fischereilichen Monitorings 2001–2013
Quelle: Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES),
Dezernat Binnenfischerei (E-Mail vom 12.06.2015), ergänzt um einen pinkfarbenen Kreis zur Markierung der Lage des Projekts im Bereich Hannover
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Im Gegensatz zum stationären Bachneunauge handelt es sich beim Flussneunauge um eine anadrome Wanderart. Sie nutzt die Fließgewässer als Laich- und Larvalhabitat, wandert für eine
Aufwuchsphase in die küstennahen marinen Bereiche ab und kehrt dann zur Reproduktion in die
Binnengewässer zurück. Dort benötigt das Flussneunauge durchgängige, sauerstoffreiche Fließgewässer mit mäßig bis stark überströmten Kiesbänken als Laichareal und Feinsedimentbänke als
Larvalhabitat. Entsprechende Abschnitte finden sich vor allem im oberen Potatmal (Barbenregion)
und besonders im Rhithral (Äschen- und zum Teil auch Forellenregion) der Fließgewässer (LAVES
2011b).
Der Lebenszyklus der Flussneunaugen umfasst eine mehrjährige larvale Phase und eine kürzere
Aufwuchsphase, in der die Tiere parasitisch bis räuberisch leben. Dabei heften sie sich an Wirtsfische und raspeln Gewebe ab, dass sie mit ihrem Saugmaul aufnehmen. Mit Beginn der Laichwanderung stellen sie die Nahrungsaufnahme ein und bilden den Verdauungstrakt zurück. Nach
dem Laichen sterben die adulten Tiere innerhalb weniger Tage (LAVES 2011b).
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Anhang 2 – Seite 11
Das Flussneunauge zieht zum Laichen weit in die Flusssysteme hinein. Erste Tiere wandern ab
dem Spätsommer aus den Küstengewässern kommend in die Brackwasserbereiche der Ästuare
von Elbe, Weser und Ems, die eigentliche Laichwanderung in den Binnengewässern erfolgt aber
erst vom Herbst (Oktober) bis zum Frühjahr (April) des nächsten Jahres, wird jedoch bei niedrigen Temperaturen unterbrochen. Dabei steigen im Herbst in der Regel mehr Neunaugen auf als
im Frühjahr. Die im Herbst aufsteigenden Tiere überwintern im Süßwasser stromabwärts der
späteren Laichplätze ohne Nahrung aufzunehmen und sind meist größer als die im Frühjahr wandernden (GERSTMEIER & ROMIG 2003; KOTTELAT & FREYHOF 2007; LAVES 2011b; KRAPPE et al.
2012).
Die Laichzeit des Flussneunauges ist im Frühjahr zwischen März und Mai, wenn eine kritische
Wassertemperatur von ca. 9–10 °C erreicht wird, aber auch bei 6 °C wurden schon Laichaktivitäten beobachtet. Entgegen der sonst das Tageslicht meidenden Verhaltensweise, laichen die
Tiere an sonnenexponierten Stellen. Meist sind die Laichhabitate des Flussneunauges durch kiesiges Substrat, eine rasche Strömung (ca. 0,20–0,95 m/s) und eine Wassertiefe von mindestens
20 cm gekennzeichnet. Sie liegen oft am Anfang und Ende von Gleithängen. In ausgebauten
Gewässern werden außerdem technische Steinschüttungen genutzt (GERSTMEIER & ROMIG 2003;
PETERSEN et al. 2004; KOTTELAT & FREYHOF 2007; LAVES 2011b; KRAPPE et al. 2012).
Wie die Bachneunaugen legen auch die Flussneunaugen Laichgruben an und laichen gruppenweise. Zum Teil nutzen beide Arten zeitgleich dieselben Laichgruben (KRAPPE et al. 2012). Ihre
Eier lagern sich im Kieslückensystem der Laichgrube ab (LAVES 2011b). Die Zahl der Eier pro
Weibchen variiert mit der Größe der Tiere zwischen 5.000 und 42.500 Stück, durchschnittlich
kann von etwa 25.000–30.000 Eiern/Weibchen ausgegangen werden. Die Larven schlüpfen nach
ca. 14 Tagen und verbleiben noch etwa 4–5 Tage im Bereich der Laichgrube bevor sie in die
Querderhabitate abwandern (KRAPPE et al. 2012).
Auch die Larven der Flussneunaugen leben vorwiegend im Gewässergrund eingegraben und
ernähren sich vor allem von organischen Partikeln, Algen, Diatomeen und anderen Kleinstorganismen. Sie bevorzugen Feinsedimentbänke mit Detritusauflage (GERSTMEIER & ROMIG 2003;
PETERSEN et al. 2004; KOTTELAT & FREYHOF 2007; LAVES 2011b; KRAPPE et al. 2012). Zwar verlassen sie das Sediment nur ungern, zeigen aber im Frühjahr eine Tendenz zur Ausbreitung. Meist
gelangen sie in dieser Phase in stromabwärts gelegene Bereiche, stromaufwärts gerichtete
Bewegungen sind vergleichsweise selten. Obwohl die Querder gelegentlich von Fischen gefressen
werden, wird ihre Mortalitätsrate während dieser Lebensphase als relativ gering eingestuft
(KRAPPE et al. 2012).
Die Larvalphase dauert vermutlich etwa 3–5 Jahre. Die Metamorphose erfolgt im Spätsommer
und Herbst, wenn die Querder etwa eine Länge von 10–15 cm erreicht haben. Die juvenilen
Flussneunaugen überwintern dann noch im Süßwasser, bevor sie im Frühling mit den Hochwässern zwischen März und Mai in die Ästuare und marinen Aufwuchsgebiete wandern (GERSTMEIER &
ROMIG 2003; PETERSEN et al. 2004; KOTTELAT & FREYHOF 2007; LAVES 2011b; KRAPPE et al. 2012).
Die marine Aufwuchsphase dauert 1–3 Jahre. Vermutlich halten sich die Tiere vorwiegend in den
äußeren Ästuaren und Küstengewässern auf, wo sie insbesondere an Stinten, Herings- und
Dorschfischen parasitieren. Die ausgewachsenen Flussneunaugen kehren nicht unbedingt in ihre
Geburtsgewässer zurück, sondern folgen chemotaktisch den von Querdern abgesonderten Pheromonen (KOTTELAT & FREYHOF 2007; LAVES 2011b; KRAPPE et al. 2012).
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22.03.2016
Anhang 2 – Seite 12
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Bei den 2013 durchgeführten Untersuchungen von Leine und Ihme im Abschnitt vom Wehr
Schneller Graben bis Luthe hat BIOCONSULT (2016b) keine adulten Flussneunaugen aber deren
Querder nachgewiesen (vgl. Kap. 4.2.3). Nach Angaben des LAVES wurden zwischen 2001 und
2013 Flussneunaugen im Rahmen des fischereilichen Monitorings inner- und unterhalb von Hannover nachgewiesen (vgl. A 2 - Abb. 4). Nach den zur Verfügung gestellten Daten21 wurden am
Wehr Herrenhausen zwischen 2000 und 2015 wiederholt Flussneunaugen beobachtet.
Auch Querder der Lampetra-Arten wurden im Bereich Hannover festgestellt, jedoch nicht nach
Bach- und Flussneunaugen unterschieden (vgl. A 2 - Abb. 1 und A 2 - Abb. 4). Für Querder
geeignete Habitate mit locker gelagerten Feinsedimenten befinden sich nach Angaben von
BIOCONSULT (2016b) im gesamten Untersuchungsbereich zwischen dem Wehr Schneller Graben
und der Leine bei Luthe. Diese weisen jedoch aufgrund der Unterschiede in der Gewässerstruktur, dem Uferverbau und dem Strömungsgeschehen eine unterschiedliche Qualität auf.
In allen sieben untersuchten Abschnitten (vgl. S-1 bis S-7 in Abb. 2 auf Seite 23) wurden in den
beprobten potenziellen Habitaten Lampetra-Querder nachgewiesen, jedoch nur an sechs der insgesamt 15 Probenahmestellen wurden neben Bachneunaugen auch Flussneunaugen-Querder
festgestellt. Darunter war eine Probenahmestelle ober- und eine unterhalb der Wasserentnahme
in Herrenhausen (vgl. A 2 - Abb. 2). Die Dichte der Flussneunaugen-Querder war gering (max.
2 Individuen pro Probenahmestelle).
Wie bei den Bachneunaugen bereits erläutert, sind verschiedene Laichplätze der Lampetra-Arten
in Leine und Ihme bekannt (vgl. A 2 - Abb. 3). Zwar liegen zahlreiche dieser Laichplätze in einem
Nebengewässer von Schnellem Graben und Ihme, aber BIOCONSULT (2016b) hat in der Ihme nur
Querder des Bachneunauges und keine des Flussneunauges nachgewiesen.
Meerneunauge (Petromyzon marinus)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Das Meerneunauge
21
22
23

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Art22,

steht nach der Roten Liste Deutschland (FREYHOF 2009) auf der Vorwarnliste (Kat. V),

ist in Niedersachsen nach Angabe von THEUNERT (2008a) und LAVES (2008, 2011c)
stark gefährdet (Kat. 2),

hat in Deutschland nach dem aktuellen Nationalen Bericht 2013 gemäß FFH-Richtlinie
in der atlantischen Region einen ungünstig-unzureichenden und in der kontinentalen
Region einen ungünstig-schlechten Erhaltungszustand.23
Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES), Dezernat Binnenfischerei
(06.09.2015): Zusammenfassung der Ergebnisse zum Neunaugenaufstieg in Niedersachsen, übermittelt per E-Mail vom
12.06.2015
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 25.06.2015
vgl. Ergebnisübersicht – Nationale Bericht 2013 (https://www.bfn.de/0316_nat-bericht_ergebnisse2013.html), Einzelbewertungen Arten atlantische bzw. kontinentale biogeografische Region https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/
natura2000/Nat_Bericht_2013/arten_atl.pdf bzw. https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/natura2000/Nat_
Bericht_2013/arten_kon.pdf, zuletzt abgerufen am 25.06.2015
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Anhang 2 – Seite 13
Verbreitung
Meerneunaugen nutzen je nach Lebensphase sowohl marine Küstengewässer als auch Fließgewässer. Im Binnenland von Deutschland kommt die Art vor allem in den Flüssen Rhein, Elbe und
Weser sowie deren Nebengewässern vor (LAVES 2011c).
Früher war das Meerneunauge in Niedersachsen als durchwandernde Art in Elbe, Weser und Ems
vertreten und nutzte zahlreiche ihrer Nebengewässer zum Laichen. Aus den Jahren 1994 bis
2009 liegen Nachweise von stromauf wandernden Meerneunaugen vor allem aus der Elbe und
den Unterläufen der Nebenflüsse Este, Luhe, Seeve und Ilmenau vor. Auch aus dem Emsästuar
und aus dem Einzugsgebiet der Weser gibt es einzelne Nachweise (LAVES 2011c).
Eine aktuellere vom LAVES zur Verfügung gestellte Karte zeigt nur wenige Nachweise von Meerneunaugen in Nebengewässern von Ems, Weser und Elbe, darunter auch ein Nachweis aus der
Leine deutlich nördlich von Hannover (vgl. A 2 - Abb. 5).
A 2 - Abb. 5: Meerneunaugen-Nachweise im Rahmen des fischereilichen Monitorings 2001–2013
Quelle: Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES),
Dezernat Binnenfischerei (E-Mail vom 12.06.2015), ergänzt um einen pinkfarbenen Kreis zur Markierung der Lage des Projekts im Bereich Hannover
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Anhang 2 – Seite 14
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Im Gegensatz zum stationären Bachneunauge handelt es sich beim Flussneunauge um eine anadrome Wanderart. Sie nutzt die Fließgewässer als Laich- und Larvalhabitat, wandert für eine
Aufwuchsphase in die küstennahen marinen Bereiche ab und kehrt dann zur Reproduktion in die
Binnengewässer zurück. Dort benötigt das Flussneunauge durchgängige, sauerstoffreiche Fließgewässer mit mäßig bis stark überströmten Kiesbänken als Laichareal und Feinsedimentbänke als
Larvalhabitat. Entsprechende Abschnitte finden sich vor allem im oberen Potatmal (Barbenregion)
und besonders im Rhithral (Äschen- und zum Teil auch Forellenregion) der Fließgewässer (LAVES
2011b).
Der Lebenszyklus der Flussneunaugen umfasst eine mehrjährige larvale Phase und eine kürzere
Aufwuchsphase, in der die Tiere parasitisch bis räuberisch leben. Dabei heften sie sich an Wirtsfische und raspeln Gewebe ab, dass sie mit ihrem Saugmaul aufnehmen. Mit Beginn der Laichwanderung stellen sie die Nahrungsaufnahme ein und bilden den Verdauungstrakt zurück. Nach
dem Laichen sterben die adulten Tiere innerhalb weniger Tage (LAVES 2011b).
Das Flussneunauge zieht zum Laichen weit in die Flusssysteme hinein. Erste Tiere wandern ab
dem Spätsommer aus den Küstengewässern kommend in die Brackwasserbereiche der Ästuare
von Elbe, Weser und Ems, die eigentliche Laichwanderung in den Binnengewässern erfolgt aber
erst vom Herbst (Oktober) bis zum Frühjahr (April) des nächsten Jahres, wird jedoch bei niedrigen Temperaturen unterbrochen. Dabei steigen im Herbst in der Regel mehr Neunaugen auf als
im Frühjahr. Die im Herbst aufsteigenden Tiere überwintern im Süßwasser stromabwärts der
späteren Laichplätze ohne Nahrung aufzunehmen und sind meist größer als die im Frühjahr wandernden (GERSTMEIER & ROMIG 2003; KOTTELAT & FREYHOF 2007; LAVES 2011b; KRAPPE et al.
2012).
Die Laichzeit des Flussneunauges ist im Frühjahr zwischen März und Mai, wenn eine kritische
Wassertemperatur von ca. 9–10 °C erreicht wird, aber auch bei 6 °C wurden schon Laichaktivitäten beobachtet. Entgegen der sonst das Tageslicht meidenden Verhaltensweise, laichen die
Tiere an sonnenexponierten Stellen. Meist sind die Laichhabitate des Flussneunauges durch kiesiges Substrat, eine rasche Strömung (ca. 0,20–0,95 m/s) und eine Wassertiefe von mindestens
20 cm gekennzeichnet. Sie liegen oft am Anfang und Ende von Gleithängen. In ausgebauten
Gewässern werden außerdem technische Steinschüttungen genutzt (GERSTMEIER & ROMIG 2003;
PETERSEN et al. 2004; KOTTELAT & FREYHOF 2007; LAVES 2011b; KRAPPE et al. 2012).
Wie die Bachneunaugen legen auch die Flussneunaugen Laichgruben an und laichen gruppenweise. Zum Teil nutzen beide Arten zeitgleich dieselben Laichgruben (KRAPPE et al. 2012). Ihre
Eier lagern sich im Kieslückensystem der Laichgrube ab (LAVES 2011b). Die Zahl der Eier pro
Weibchen variiert mit der Größe der Tiere zwischen 5.000 und 42.500 Stück, durchschnittlich
kann von etwa 25.000–30.000 Eiern/Weibchen ausgegangen werden. Die Larven schlüpfen nach
ca. 14 Tagen und verbleiben noch etwa 4–5 Tage im Bereich der Laichgrube bevor sie in die
Querderhabitate abwandern (KRAPPE et al. 2012).
Auch die Larven der Flussneunaugen leben vorwiegend im Gewässergrund eingegraben und
ernähren sich vor allem von organischen Partikeln, Algen, Diatomeen und anderen Kleinstorganismen. Sie bevorzugen Feinsedimentbänke mit Detritusauflage (GERSTMEIER & ROMIG 2003;
PETERSEN et al. 2004; KOTTELAT & FREYHOF 2007; LAVES 2011b; KRAPPE et al. 2012). Zwar verlassen sie das Sediment nur ungern, zeigen aber im Frühjahr eine Tendenz zur Ausbreitung. Meist
gelangen sie in dieser Phase in stromabwärts gelegene Bereiche, stromaufwärts gerichtete
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Anhang 2 – Seite 15
Bewegungen sind vergleichsweise selten. Obwohl die Querder gelegentlich von Fischen gefressen
werden, wird ihre Mortalitätsrate während dieser Lebensphase als relativ gering eingestuft
(KRAPPE et al. 2012).
Die Larvalphase dauert vermutlich etwa 3–5 Jahre. Die Metamorphose erfolgt im Spätsommer
und Herbst, wenn die Querder etwa eine Länge von 10–15 cm erreicht haben. Die juvenilen
Flussneunaugen überwintern dann noch im Süßwasser, bevor sie im Frühling mit den Hochwässern zwischen März und Mai in die Ästuare und marinen Aufwuchsgebiete wandern (GERSTMEIER &
ROMIG 2003; PETERSEN et al. 2004; KOTTELAT & FREYHOF 2007; LAVES 2011b; KRAPPE et al. 2012).
Die marine Aufwuchsphase dauert 1–3 Jahre. Vermutlich halten sich die Tiere vorwiegend in den
äußeren Ästuaren und Küstengewässern auf, wo sie insbesondere an Stinten, Herings- und
Dorschfischen parasitieren. Die ausgewachsenen Flussneunaugen kehren nicht unbedingt in ihre
Geburtsgewässer zurück, sondern folgen chemotaktisch den von Querdern abgesonderten
Pheromonen (KOTTELAT & FREYHOF 2007; LAVES 2011b; KRAPPE et al. 2012).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Bei den 2013 durchgeführten Untersuchungen zur ökologischen Situation von Leine und Ihme im
Abschnitt vom Wehr Schneller Graben bis Luthe hat BIOCONSULT (2016b) weder Meerneunaugen
noch deren Querder nachgewiesen. Meerneunaugen gehören nach Angaben der FGG WESER (o.
J.) zur Fischfauna der Leine, sind dort aber selten.
Im Rahmen des fischereilichen Monitorings wurde das Meerneunauge zwischen 2001 und 2013 in
der Leine nachgewiesen, jedoch nur deutlich nördlich von Hannover. Querder wurden im Bereich
der Leine nicht festgestellt (vgl. A 2 - Abb. 5). Nach den vom LAVES darüber hinaus zur Verfügung gestellten Daten24 wurden in der Leine am Wehr Herrenhausen zwischen 2000 und 2015
keine Meerneunaugen beobachtet.
Das gelegentliche Vorkommen von besonders geschützten Meerneunaugen im Einflussbereich der
beantragten Gewässerbenutzung kann nach den vorliegenden Erkenntnissen jedoch nicht ausgeschlossen werden.
24
Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES), Dezernat Binnenfischerei
(06.09.2015): Zusammenfassung der Ergebnisse zum Neunaugenaufstieg in Niedersachsen, übermittelt per E-Mail vom
12.06.2015
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Anhang 3:
Anhang 3 – Seite 1
Beschreibung der relevanten Libellen
Als relevant wurden insgesamt dreizehn Libellen-Arten ermittelt:

Gebänderte Prachtlibelle (Calopteryx splendens)

Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo),

Gewöhnliche Federlibelle (Platycnemis pennipes),

Gewöhnliche Keiljungfer (Gomphus vulgatissimus)

Grüne Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia),

Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella),

Gewöhnliche Pechlibelle (Ischnura elegans),

Frühe Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula),

Gemeine Weidenjungfer (Lestes viridis),

Gewöhnliche Winterlibelle (Sympecma fusca),

Braune Mosaikjungfer (Aeshna grandis),

Früher Schilfjäger (Brachytron pratense),

Spitzfleck (Libellula fulva).
Gebänderte Prachtlibelle (Calopteryx splendens)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Die Gebänderte Prachtlibelle (Calopteryx splendens)

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Kleinlibellen-Art25,

steht nach der Roten Liste Deutschland (OTT & PIPER 1998) auf der Vorwarnliste
(Kat. V),

ist in Niedersachsen nicht gefährdet (ALTMÜLLER & CLAUSNITZER 2010).
Verbreitung
Die Gebänderte Prachtlibelle ist in Deutschland weit verbreitet, ist jedoch nach Norden spärlicher
vertreten als im Süden. Dabei sind die Populationsdichten heute geringer als früher. Als Verbreitungsschwerpunkte werden genannt: der gesamte Oberrheingraben von Basel bis Mainz mit dem
Hardt-Gebirge, der Eifelsüdrand und das Moseltal, Mittelfranken und in Niedersachsen das AllerWeser-Tiefland (SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Nach dem Artensteckbrief der 'Arbeitsgemeinschaft Libellen Niedersachsen und Bremen' zeigt die
Art in Niedersachsen in allen Naturräumen eine dichte Besiedlung, jedoch in der Marsch und in
den küstennahen Geestbereich deutliche Lücken.26
25
26
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 25.06.2015
Artensteckbrief unter http://www.ag-libellen-nds-hb.de/libellen/artensteckbriefe/calopteryx-splendens-gebaenderteprachtlibelle/, besucht am 06.07.2015
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Anhang 3 – Seite 2
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Calopteryx splendens besiedelt den Mittel- und Unterlauf von Fließgewässern vom Metarhithral
bis zum Metapotamal und ist Leitform des Epi- und Metapotamals (Barben- bzw. Brachsenregion)
träge strömender Flüsse der Ebene (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Die Imagines schlüpfen von Ende April/Anfang Mai bis in die zweite Julihälfte hinein, vor allem
aber zwischen Ende Mai und Mitte/Ende Juni, die Hauptflugzeit ist von Mitte Juni bis Mitte August
(STERNBERG & BUCHWALD 1999a)27. Geschlechtsreife Tiere findet man von Mitte Mai bis Ende September (SCHORR 1990).
Die Eiablage erfolgt in der Regel in Fließgewässerabschnitten mit strömendem Wasser aber gelegentlich werden auch Abschnitte ohne erkennbare Strömung genutzt. Die Weibchen legen die
Eier endophytisch meist unmittelbar unterhalb der Wasserlinie ab, können aber auch vollständig
unter Wasser tauchen und die Eier bis in eine Tiefe von über 30 cm in die Pflanzen einstechen.
Genutzt werden recht unspezifisch von Wasser umströmte Sprossteile und Wurzeln von verschiedenen Wasserpflanzen, teilweise auch von Röhrichten und überhängenden Uferstauden
(STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Die Embryonalentwicklung dauert ca. 6–9 Wochen, die Gesamtdauer der Larvalentwicklung variiert in Abhängigkeit von den Temperaturverhältnissen zwischen einem und zwei Jahren. Die
mittlere Sommertemperatur des Larvalgewässers muss mindestens 16 °C betragen, optimal sind
Werte von 18–24 °C und auch bei Werten von 28 C können sich die Larven noch entwickeln
(SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999a). In thermisch belasteten Fließgewässern wirkt sich
vor allem die Verkürzung der winterlichen Entwicklungsruhe, insbesondere bei den spät im Jahr
aus dem Ei schlüpfenden Larven, beschleunigend auf die Entwicklung aus (STERNBERG &
BUCHWALD 1999a).
Die Larven meiden normalerweise den Gewässerboden und bevorzugen mehr oder weniger
gleichgerichtete, gleichmäßige Strömungen von 3 cm/s bis 30 cm/s, werden aber auch bei Strömungsgeschwindigkeiten von bis zu 70 oder 80 cm/s angetroffen. Sie sitzen vorwiegend auf
stabilem, in die Strömung ragendem Substrat, das ein gutes Anklammern gestattet und in der
Strömung festen Halt bietet. Häufig leben sie an frei flutenden Wurzeln von Bäumen, Sträucher
und Gräsern, sowie an Wurzel- und Sprossteilen verschiedener Wasserpflanzen. Sie nutzen aber
auch Spalten an durch Erosion unterhöhlten Abbruchkanten und Steilufern, ruhigere Buchten und
angeschwemmtes Falllaub sowie Vegetationsbestände in der Hauptströmung des Gewässers
(SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Die Larven legen nur unbedeutende Wanderstrecken zurück. Bei Verdriftung gelangen sie normalerweise durch spezifische Verhaltensweisen bereits nach wenigen Metern auf den Gewässerboden und von dort wieder auf geeignetes Pflanzensubstrat. Sie bleiben daher in der Regel in
unmittelbarer Nähe der Eiablagestellen und Schlüpfen dort auch. Dazu klettern sie an vertikalen
Strukturelementen (meist der Emersvegetation) des Ufers in der Regel bis in ca. 5–40 cm Höhe
über dem Wasser (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
An die Gewässergüte werden von den Larven keine allzu großen Anforderungen gestellt, jedoch
fehlt die Art in Gewässern, deren absoluter Sauerstoffgehalt ständig 6–7 mg/l unterschreitet
(SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999a). Bei Sauerstoffmangel versuchen sie die Sauerstoffaufnahme durch Vergrößerung der atmungsaktiven Körperoberfläche und Bewegungen von
27
vgl. auch Artensteckbrief ebenda
22.03.2016
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Anhang 3 – Seite 3
Thorax und Abdomen zu vergrößern oder klettern unter Umständen auch für kurze Zeit aus dem
Wasser. Anhaltender akuter Sauerstoffmangel führt bei jungen Larven zu Häutungsproblemen,
oder sie fallen in eine Starre und Sterben. Larven im letzten Stadium häuten sich vorzeitig, allerdings mit hohen Verlusten durch Häutungsprobleme während der Metamorphose (STERNBERG &
BUCHWALD 1999a).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Die Larven der Gebänderter Prachtlibelle (Calopteryx splendens) wurden 2013 von BIOCONSULT
(2016b) bei den Untersuchungen des Makrozoobenthos von Leine und Ihme sowohl unterhalb
des Wehres Herrenhausen, oberhalb der Wasserentnahme am KWH Herrenhausen (Abschnitt S6, vgl. Abb. 2 auf Seite 23) als auch in den Abschnitten unterhalb der Kläranlage Herrenhausen
(Abschnitte S-1 bis S-4) nachgewiesen. An der Probenahmestelle oberhalb der Wasserentnahme
in Herrenhausen war die mittlere Abundanz der Larven dieser Art mit 0,4 Ind./m² deutlich geringer als an den weiter flussabwärts gelegenen Probenahmestellen mit Abundanzen zwischen
0,8 Ind/² und 6,9 Ind./m². Im Bereich der Ihme sowie an den Probenahmestellen unterhalb der
Wasserentnahme in Herrenhausen hat BIOCONSULT (2016b) 2013 keine Larven von Calopteryx
splendens nachgewiesen.
Bei ergänzenden Untersuchungen im Frühjahr 2014 hat BIOCONSULT (2014) Larven der Gebänderten Prachtlibelle in allen sieben Abschnitten und an nahezu allen Probenahmepunkten festgestellt. Die Individuendichte lag dabei in der Leine zwischen 1,0 und 2,5 Individuen/m² und in
der Ihme bei 10 Individuen/m².
Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Die Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo)

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Kleinlibellen-Art28,

ist nach der Roten Liste Deutschland (OTT & PIPER 1998) gefährdet (Kat. 3),

ist auch in Niedersachsen gefährdet (Kat. 3), und steht in der Region östliches Tiefland
auf der Vorwarnliste (Kat. V) der Roten Liste (ALTMÜLLER & CLAUSNITZER 2010).
Verbreitung
Die Blauflügel-Prachtlibelle ist nahezu in ganz Deutschland verbreitet, ist aber im Norden seltener
oder fehlt ganz. Vorkommensschwerpunkt sind die Mittelgebirgsbäche, insbesondere die naturräumlichen Haupteinheiten Bergisch-Sauerländisches Gebirge, Schwäbisches Keuper-Lias-Land
und Mittleres Oberrheintiefland (SCHORR 1990).
In Niedersachsen gibt es nach Angaben der AG Libellen in Niedersachsen und Bremen29 ein deutliches Häufigkeitsgefälle von Ost nach West, mit einem eindeutigen Dichtezentrum östlich der
28
29
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 06.07.2015
http://www.ag-libellen-nds-hb.de/libellen/artensteckbriefe/calopteryx-virgo-blaufluegel-prachtlibelle/, besucht am
07.07.2015
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Anhang 3 – Seite 4
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Aller-Weser-Linie. Die Börden und das nordwestliche Weser- und Leineberg scheinen dünn oder
gar nicht besiedelt zu sein und in Westniedersachsen sind nur wenige nennenswerte Vorkommen
im Raum Osnabrück bekannt. Nachweise aus den Marschen und küstennahen Gebieten liegen
nicht vor.
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Calopteryx virgo besiedelt Bäche, Gräben, Kanäle und Flüsse. Sie gilt als Leitart kleinerer, oligostenothermer Flüsse planarer und montaner Gebiete und ist vor allem im Meta- bis Hyporhithral
der schnell fließenden Bäche anzutreffen, kann aber auch das Epipotamal (Barbenregion) besiedeln. C. virgo kommt in den gleichen Gewässern vor wie C. splendens, jedoch mehr in den oberen kühleren und beschatteteren Bereichen und ist in den sommerwärmeren Gewässern seltener.
Aber die beiden Calopteryx-Arten kommen auch neben einander vor (SCHORR 1990; STERNBERG &
BUCHWALD 1999a; ALTMÜLLER & CLAUSNITZER 2010).
Die Schlüpfhabitat von C. virgo entsprechen denen von C. splendens. Die Imagines schlüpfen in
der Regel von Anfang Mai bis Mitte Juli. Die Hauptflugzeit liegt zwischen Ende Mai und Anfang
August (STERNBERG & BUCHWALD 1999a). Die höchste Aktivität ist im Juni und Juli zu beobachten.30
Die Eiablagehabitate und –substrate entsprechen ebenfalls denen von C. splendens. Fortpflanzungshabitate von C. virgo sind im Allgemeinen kühle, saubere, mit Uferröhricht und lockerer
Submersvegetation bewachsene, mehr oder weniger beschattete Gewässer mit besonnten
Abschnitten, mehr oder weniger schnell fließendem Wasser und naturnaher Uferstruktur
(STERNBERG & BUCHWALD 1999a). Die Strömungsgeschwindigkeit muss mindestens 2 cm/s betragen und überschreitet in der Regel 60–70 cm/s nicht (SCHORR 1990). Die Larven von C. virgo
meiden ebenso wie die von C. splendens normalerweise den Gewässerboden (STERNBERG &
BUCHWALD 1999a).
Die Embryonal- und Larvalentwicklung gleicht ebenfalls im Wesentlichen der von C. splendens.
Bei gemeinsamem Vorkommen beider Arten in einem Gewässer dauert die Embryonalentwicklung
wahrscheinlich ebenfalls ca. 6–9 Wochen. Die Blauflügel-Prachtlibelle besiedelt jedoch in der
Regel kühlere Gewässer, daher gehen STERNBERG & BUCHWALD (1999a) davon aus, dass die Larvalentwicklung im Mittel insgesamt etwas länger dauert als bei der Gebänderten Prachtlibelle.
Die Optimaltemperatur der Larvalgewässer von C. virgo liegt bei 13–18 °C, also um ca. 5-6 °C
unter der von C. splendens. Bei einem längerfristigen Anstieg der Wassertemperatur auf Werte
> 22 °C wird ein Schädigung der Larven (vor allem Schlüpfdefekte) und eine erhöhte Mortalität
festgestellt. Verantwortlich dafür ist wahrscheinlich nicht die Temperatur selbst, sondern ein
durch die Erwärmung sinkender Sauerstoffgehalt des Wassers. So wurden auch schon Populationen nachgewiesen in deren Brutgewässern regelmäßig sommerliche Maximaltemperaturen von
22–25 °C herrschen (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Die Larven von C. virgo können Sauerstoff weniger gut aus dem Wasser aufnehmen und sind
daher gegenüber Sauerstoffmangel sensibler als C. splendens. Bereits nach ca. vier Tagen
kommt es zu nachhaltigen Schädigungen und höheren Mortalitätsraten (STERNBERG & BUCHWALD
1999a). Die höhere Sensibilität gegenüber Sauerstoffmangel ist wahrscheinlich ein wesentlicher
30
Artensteckbrief der AG Libellen in Niedersachsen und Bremen, http://www.ag-libellen-nds-hb.de/libellen/artensteckbriefe/
calopteryx-virgo-blaufluegel-prachtlibelle/, besucht am 07.07.2015
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Anhang 3 – Seite 5
Grund für die Bevorzugung von eher sommerkühlen Gewässern mit eher geringer bis mäßiger
Belastung.
Insgesamt haben die Larven von C. virgo trotz der sehr ähnlichen Habitatansprüche und Lebensweise eine kleinere ökologische Amplitude und stellen höhere ökologischen Ansprüche an ihren
Lebensraum als C. splendens (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Aktuelle Nachweise der Larven der Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo) liegen nicht vor, ihr
Vorkommen ist jedoch möglich.
BIOCONSULT (2016b) gibt für das Makrozoobenthos von Leine und Ihme neben Calopteryx splendens auch das Vorkommen von Larven einer weiteren Calopteryx-Art an. Die Nachweise von
Calopteryx sp. erfolgten für Probenahmestellen in der Ihme (Abschnitt S-7), in der Leine unterhalb des Wehres Herrenhausen (S-6) sowie nahe der Autobahn 2 und unterhalb davon (S-2, S-1,
vgl. Abb. 2 auf Seite 23) nachgewiesen. Die Abundanz lag zwischen 12,6 Ind./m² in der Ihme
und 0,4 Ind./m² unterhalb des Wehres Herrenhausen. Sofern es sich dabei nicht auch um C.
splendens handelt, kommt nur C. virgo in Frage.
Gewöhnliche Federlibelle (Platycnemis pennipes)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Die Gewöhnliche Federlibelle (Platycnemis pennipes)

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Kleinlibellen-Art31,

ist nach der Roten Liste Deutschland (OTT & PIPER 1998) ungefährdet,

und ist auch in Niedersachsen nicht gefährdet (ALTMÜLLER & CLAUSNITZER 2010).
Verbreitung
Die Gewöhnliche Federlibelle hat in Deutschland ihre Verbreitungsschwerpunkte im Südwesten im
Bereich des gesamten Oberrheintieflandes und westlich davon bis ins Saar-Nahe-Bergland und im
Süden des Alpenvorlandes. Sie erreicht etwa in Schleswig-Holstein ihre nördliche Verbreitungsgrenze. Die Art ist vor allem im thermisch begünstigtem Flachland zu finden, kommt aber auch
bis in Höhen von 400 m oder sogar 700 m über Normalnull vor (SCHORR 1990; STERNBERG &
BUCHWALD 1999a).
In Niedersachsen ist sie nur spärlich vorhanden und fehlt im Nordwesten weitgehend. Etwa 50 %
aller Fundorte liegen in Flussniederungen.
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Platycnemis pennipes ist eine Charakterart der Auen größerer Flusssysteme und besiedelt ein
breites Spektrum fließender bis stehender, mehr oder weniger nährstoffreicher Gewässer. An
31
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.htmlin , besucht am 06.07.2015
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22.03.2016
Anhang 3 – Seite 6
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Flüssen, Bächen, Kanälen und Gräben nutzt sie überwiegend die Bereiche mit langsamer Strömung. Außerdem nutzt sie auch größere Stillgewässer, wie Altwässer, Seen und Kiesgruben,
meidet aber auch kleinere, tiefere Gewässer nicht. Auffällig oft kommt sie an fischreichen Gewässern wie Fischzucht- und Angelteichen vor. Ihr Optimum hat sie in wenig belasteten Gewässern
(SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Die Imagines schlüpfen in der Regel von Anfang Mai bis Anfang August. Die Flugzeit der Adulten
reicht von Mitte Mai bis Ende September, seltener bis Mitte Oktober und hat im Juni und Juli ihr
Maximum. Sie treten häufig mit der Gebänderten Prachtlibelle ( Calopteryx splendens), der
Großen Pechlibelle (Ischnura elegans) und der Frühen Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula) vergesellschaftet auf (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Für die endophytische Eiablage nutzt die Federlibelle die Stiele und Stängel von Schwimm- und
Röhrichtpflanzen, aber auch Wurzeln und Holz werden verwendet. In der Regel werden die submersen Pflanzenteile nur soweit genutzt, wie das weibliche Abdomen reicht, aber es wurden auch
schon vollständig untergetauchte Weibchen beobachtet (SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD
1999a).
Die Dauer der Eientwicklung ist stark von der Wassertemperatur abhängig bei 12 °C beträgt sie
mehr als 60 Tage, bei etwa 28 °C nur etwa 12 Tage. Die größte Überlebensrate (55 %) wurde
bei Wassertemperaturen von 19–21 °C festgestellt. Viele Larven sind bereits vor dem Winter
mehr oder weniger ausgewachsen, überwintern als Larve und schlüpfen bereits im Sommer nach
der Eiablage. Larven von spät im Jahr gelegten Eiern benötigen zum Teil wahrscheinlich ein weiteres Jahr bis zur Metamorphose (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Die Larven der Federlibelle sind im Vergleich zu anderen Arten wenig aktiv, langsam und träge.
In Stillgewässern leben sie gern auf dem Bodenschlamm, häufig auch auf und zwischen Falllaub.
Sie halten sich aber auch an den submersen Teilen von Emerspflanzen und seltener an flutenden
Wasserpflanzen oder an Wurzeln unterspülter Uferbäume auf. In Fließgewässern findet man die
Larven vorwiegend in den strömungsberuhigten Uferzonen, aber sie halten sich auch im Bereich
der stärkeren Strömung im submersen Pflanzengewirr oder im Wurzelwerk von Ufersträuchern
verborgen. Die Habitatwahl der Larven hängt offenbar von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere auch vom Feinddruck (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Der Gewässergrund der Larvenhabitate ist meist sandig bis schlammig und häufig mit Falllaub
stark durchsetzt oder vollständig davon bedeckt. Die Larven scheinen langsam und gleichmäßig
fließendes Wasser turbulenter Strömung vorzuziehen, können aber auch starker Strömung widerstehen. Sie bevorzugen offenbar struktur- und pflanzenreiche Habitate, können sich aber auch in
sehr vegetationsarmen Gewässern entwickeln. Zum Schlüpfen nutzen sie meist mehr oder weniger senkrechte Substrate, an denen sie sich in der Regel nur weniger Zentimeter über dem Wasser aufhalten. Gelegentlich werden auch fast waagerechte Substrate wie Seerosenblätter, Erdklumpen oder Blätter von Uferstauden genutzt (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Platycnemis pennipes gilt als Indikator für oligo- bis β-mesosaprobe Gewässer (Güteklasse I–II),
wird aber auch noch in stark belasteten Gewässern (Güteklasse III) gefunden. Hohe LarvenAbundanzen werden nur in Gewässern gefunden, deren absoluter Sauerstoffgehalt höchstens für
kurze Zeit auf Werte < 5,5 mg/l sinkt. Aus der Verbreitung der Art kann eine gewisse Thermophilie der Larven abgeleitet werden, dabei scheinen mäßig sommerwarme Gewässer mit eher
gleichmäßigen Temperaturen bevorzugt zu werden – möglicherweise infolge ihres Sauerstoffbedarfes. In wärmegetönten Gewässern meiden sie die ausgesprochen warmen Flachwasser22.03.2016
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Anhang 3 – Seite 7
zonen und sind vorwiegend in Tiefen von 0,5–1 m zu finden, in kühleren Gewässer bevorzugen
sie die oberflächennahen Schichten bis etwa 30 cm. Im Winter ziehen sie sich in größere Tiefen
(> 1,5 m) zurück (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Die Larven der Gewöhnlichen Federlibelle (Platycnemis pennipes) wurden 2013 von BIOCONSULT
(2016b) bei den Untersuchungen des Makrozoobenthos im Bereich Schneller Graben/Ihme
(Abschnitt S-7, vgl. Abb. 2 auf Seite 23) festgestellt. Ihre mittlere Abundanz war mit 0,4 Ind./m²
gering. In den sechs Untersuchungsabschnitten (S-6 bis S-1) der Leine zwischen dem Wehr
Herrenhausen und Wunstorf Luthe wurde die Art nicht nachgewiesen, ihr Vorkommen ist aber
potenziell möglich.
Gewöhnliche Keiljungfer (Gomphus vulgatissimus)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Die Gewöhnliche Keiljungfer (Gomphus vulgatissimus)

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Großlibellen-Art32,

ist nach der Roten Liste Deutschland (OTT & PIPER 1998) stark gefährdet (Kat. 2),

steht in Niedersachsen auf der Vorwarnliste (Kat. V) der Roten Liste (ALTMÜLLER &
CLAUSNITZER 2010), ist aber in der Region östliches Tiefland nicht gefährdet.
Verbreitung
Stabile Vorkommen der Gewöhnlichen Keiljungfer (Gomphus vulgatissimus) waren in Deutschland
bis vor Kurzem nur wenige bekannt, beispielsweise in der Lüneburger Heide und in der Mittleren
und Südlichen Oberrheinebene (STERNBERG & BUCHWALD 1999b). SCHORR (1990) gibt nur wenige
naturräumliche Haupteinheiten mit einem spärlichen Vorkommen an, das Schleswig-Holsteinische
Hügelland, die Stader Geest und das nördliche Harzvorland. Darüber hinaus verweist er auf Einzelfunde in weiteren Haupteinheiten.
In Niedersachsen liegt der Verbreitungsschwerpunkt im Einzugsgebiet der Aller und ihrer Nebenflüsse. Außerdem sind Teile der Einzugsgebiete von Ems und Hunte sowie Teile der Weser und
das Wendland recht gut besiedelt.33
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Gomphus vulgatissimus besiedelt ein breites Spektrum von Fließgewässern, das von Buchten und
Buhnenfeldern großer Ströme, über Altwässer, kleinere Flüsse, Bäche und Gräben bis zu Stillgewässern reicht. An träge fließenden Flachlandflüssen kann die Gewöhnliche Keiljungfer zusam-
32
33
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 06.07.2015
Artensteckbrief der AG Libellen in Niedersachsen und Bremen (http://www.ag-libellen-nds-hb.de/libellen/artensteckbriefe/
gomphus-vulgatissimus-gemeine-keiljungfer/), besucht am 08.07.2015
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Anhang 3 – Seite 8
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
men mit der Gebänderten Prachtlibelle (Calopteryx splendens) und der Gemeinen Federlibelle
(Platycnemis pennipes) die häufigste Art sein (SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999b).
Die Imagines schlüpfen nach STERNBERG & BUCHWALD (1999b) in der Regel ab Anfang bis Mitte
Mai und die Flugzeit endet meist Mitte Juli. In Norddeutschland hat sich der Beginn der Flugperiode in den letzten Jahrzehnten um mehr als einen halben Monat auf Mitte April vorverlagert und
es werden auch immer häufiger spät fliegende Individuen noch bis Anfang Oktober beobachtet,
die Hauptflugzeit ist aber Anfang Mai bis Juli.34
Die Eier werden bei den Gomphiden über dem Wasser abgeworfen oder durch Eintippen des
Hinterleibsendes an der Wasseroberfläche abgestreift. Die Eiablage von Gomphus vulgatissimus
wurde bisher nur selten beobachtet und erfolgte vorwiegend in stark strömenden Bereichen an
die sich ruhigere Bereiche anschlossen (STERNBERG & BUCHWALD 1999b). Die Eier werden einige
Meter weit verdriftet, bevor sie zum Grund sinken (SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999b).
Die Embryonalentwicklung dauert bei 20 °C etwa 14–18 Tage, die Gesamtentwicklung erfordert
in der Regel zwei, sonst drei und selten vier Jahre (STERNBERG & BUCHWALD 1999b).
Die Larven der Gemeinen Keiljungfer leben ca. 7 mm tief im Sediment vergraben, nur ihre Analpyramide ragt aus dem Grund hervor. So sind sie vor Verdriftung geschützt. Sie sind überwiegend nachts aktiv, schaufeln sich auf der Suche nach Beute durch das Sediment. Nur nachts
kommen sie gelegentlich an die Sedimentoberfläche (STERNBERG & BUCHWALD 1999b). In Fließgewässern nutzen sie oft nur die Feinsedimente der Gleithänge und anderer strömungsberuhigter
Bereiche, können aber bei sehr schwacher Strömung auch die gesamte Gewässersohle besiedeln,
sofern sie nicht zu kiesig ist oder zu stark umgelagert wird. Häufig zeichnet sich der von den Larven besiedelte Gewässergrund durch eine hohe Strukturvielfalt und sandig-schlammige Mischsubstrate mit wechselnden Mischungsverhältnissen und Korngrößenverteilungen aus, das meist
mit Grobdetritus durchsetzt ist. Möglicherweise werden je nach Alter der Larven unterschiedliche
Mikrohabitate genutzt. In manchen größeren Gewässern führen die Larven offenbar saisonale
Wanderungen durch, vor Winterbeginn suchen sie tiefere Regionen auf und kehren im Frühjahr
langsam wieder zum Ufer zurück (STERNBERG & BUCHWALD 1999b).
Überwiegend halten sich die Larven in der Grenzzone zwischen schnellfließendem und nahezu
stehendem Wasser auf oder bevorzugen Gewässerbereiche mit mäßiger Strömung und leben in
makrophytenfreien oder -armen Gewässerbereichen. Bei Fehlen geeigneter Freiflächen mit Sand
und Schlamm besiedeln sie auch lichtere Röhrichtbestände und strömungsberuhigtere Bereiche in
der Nähe von freigespülten Wurzeln der Ufergehölze oder dichter Pflanzenbestände in der Strömung. Nur bei extremem Niedrigwasser werden sie überwiegend unter Pflanzenbeständen gefunden. Stärkere Strömung gefährdet die Larven vor allem, wenn sie zum Schlüpfen das Sediment
verlassen. Gelegentlich findet man verdriftete Larven gehäuft vor Strömungsbarrieren (STERNBERG
& BUCHWALD 1999b).
Die Larven-Gewässer sollten sommerliche Temperaturen von 16–17 °C erreichen. Im Jahresverlauf können die Temperaturen zwischen 4,5 und 27 °C schwanken. Die besten Vorkommen finden sich in Fließgewässern der Güteklasse II (mäßig belastet), aber auch stark belastete Gewässer (Güteklasse III) werden noch genutzt. Die Larven sind gegenüber starken Schwankungen des
Sauerstoffgehalts im Wasser wenig empfindlich. Dabei werden in Fließgewässern offenbar geringere Sauerstoffkonzentrationen toleriert als in Seen (STERNBERG & BUCHWALD 1999b). Nach
34
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Anhang 3 – Seite 9
SCHORR (1990) schwankten die Werte an Larvenfundorten in Rumänien zwischen 5,5 mg/l und
14,5 mg/l.
Die Libellen schlüpfen am Prall- und Gleithang auf vertikalen und horizontalen Substraten jeglicher Art, meist auf Uferpflanzen, aber auch auf Steinen, Baumstämmen, Mauerwerk und gelegentlich auch auf Sand- und Schlickflächen (STERNBERG & BUCHWALD 1999b).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Die Larven der Gewöhnlichen Keiljungfer (Gomphus vulgatissimus) wurden 2013 von BIOCONSULT
(2016b) bei den Untersuchungen des Makrozoobenthos von Leine und Ihme in mehreren
Abschnitten nachgewiesen in der Ihme (S-7), in der Leine unterhalb des Wehres Herrenhausen
(S-6), sowie in den Bereichen Seelze (Abschnitt S-3) und Wunstorf-Luthe (S-1, vgl. Abb. 2 auf
Seite 23). Die mittlere Abundanz der Larven dieser Art war mit Werten zwischen 0,4 Ind./m² und
1,5 Ind./m² gering.
Auch bei ergänzenden Untersuchungen im Frühjahr 2014 hat BIOCONSULT (2014) Larven der
Gewöhnlichen Keiljungfer festgestellt, wiederum in der Leine unterhalb des Wehres Herrenhausen (S-6) sowie bei Wunstorf-Luthe (S-1). Die Individuendichte lag zwischen 1,3 und 2,0 Individuen/m².
Grüne Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Die Grüne Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia)

ist eine nach Anhang IV der FFH-Richtlinie streng geschützte Großlibellen-Art35,

ist nach der Roten Liste Deutschland (OTT & PIPER 1998) stark gefährdet (Kat. 2),

ist in der Roten Liste Niedersachsen (ALTMÜLLER & CLAUSNITZER 2010) als gefährdet
(Kat. 3) eingestuft, in der Region östliches Tiefland steht sie auf der Vorwarnliste
(Kat. V).

hat in Deutschland nach dem aktuellen Nationalen Bericht 2013 gemäß FFH-Richtlinie
in der atlantischen Region einen ungünstig-unzureichenden Erhaltungszustand, in der
kontinentalen Region hingegen einen günstigen.36
Verbreitung
Die Grüne Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia) ist in Deutschland vor allem in den östlichen Landesteilen verbreitet. Die Hauptvorkommen liegen im Bereich der Lüneburger Heide und des Einzugsgebiet der Aller und mittleren Weser, im Bereich von Oder, Neiße und Spree. Diese sind
offenbar über einen Verbreitungsschwerpunkt entlang der mittleren Elbe verbunden. Weitere
35
36
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 06.07.2015
vgl. Ergebnisübersicht – Nationale Bericht 2013 (https://www.bfn.de/0316_nat-bericht_ergebnisse2013.html), Einzelbewertungen Arten atlantische bzw. kontinentale biogeografische Region https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/
natura2000/Nat_Bericht_2013/arten_atl.pdf bzw. https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/natura2000/Nat_
Bericht_2013/arten_kon.pdf, zuletzt abgerufen am 13.07.2015
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Anhang 3 – Seite 10
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Vorkommensschwerpunkt befinden sich im bayerische Alpenvorland, in Mittelfranken und in der
Oberpfalz (SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999b; PETERSEN et al. 2003; NLWKN 2011d).
In Niedersachsen hat die Grüne Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia) einen deutlichen Schwerpunkt im Bereich zwischen der Aller und der Ilmenau, einschließlich des Einzugsgebietes der Oste
im Nordwesten. Zu den besiedelten Naturräumen gehören neben der Lüneburger Heide vor allem
der südliche Teil der Stader Geest und das Weser-Aller-Flachland. Das FFH-Gebiet (Nr. 090) 'Aller
(mit Barnbruch), untere Leine, untere Oker' hat eine besondere Bedeutung für diese Art. Aus den
Bereichen westlich der Weser liegen dagegen nur wenige Nachweise vor (SCHORR 1990;
STERNBERG & BUCHWALD 1999b; NLWKN 2011d).
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Nach STERNBERG & BUCHWALD (1999b) kommt die Grüne Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia) typischerweise in großen bis mittelgroßen, gut strukturierten Wasserläufen (Hyporhithral bis Epipotamal, Äschen- bis Barbenregion) der Ebene und der Vorgebirge vor. Gemäß NLWKN (2011d)
werden vor allem Bäche und Flüsse mit mäßiger Fließgeschwindigkeit und geringer Wassertiefe
genutzt. Auch wenn die Art als Indikator für naturnahe Verhältnisse an Fließgewässern angesehen wird und gering verschmutzte Gewässer (Güteklasse II) bevorzugt, wird sie auch in technisch ausgebauten Fließgewässern angetroffen (STERNBERG & BUCHWALD 1999b; NLWKN 2011d)37.
Die Grüne Keiljungfer ist oft mit der Gemeinen Flussjungfer ( Gomphus vulgatissimus) und der
Gebänderten Prachtlibelle (Calopteryx splendens) vergesellschaftet (NLWKN 2011d). Zur charakteristischen rheotypischen Begleitfauna gehören auch Maler- und Flache Teichmuschel, Bachneunaugen und deren Querder (STERNBERG & BUCHWALD 1999b). Ihre Imagines schlüpfen meist in
der Zeit zwischen Anfang Juni und Ende Juli. Die Flugzeit reicht entsprechend in der Regel von
Juni bis Ende September, mit einem Maximum der Flugaktivität in der ersten Augusthälfte
(STERNBERG & BUCHWALD 1999b; PETERSEN et al. 2003; NLWKN 2011d)38.
Die Eier dieser Gomphiden-Art werden in kurzer Zeit durch mehrmaliges Eintauchen des Hinterleibs ins Wasser abgelegt, meist im Schutz dichter Vegetation (NLWKN 2011d). Nach STERNBERG
& BUCHWALD (1999b) werden sowohl Bereiche mit geringer wie auch solche mit stärkerer Strömung genutzt. Nach PETERSEN et al. (2003) erfolgt die Eibablage in der Gewässermitte und es
werden pro Ablage mindestens 260 wahrscheinlich bis 500 Eier in Form von Eiballen abgelegt, die
dann frei im Wasser verdriften. Die Eiablagehabitate können mehrere hundert Meter oberhalb der
Schlüpfhabitate liegen. Zur Dauer der Eientwicklung werden sehr unterschiedliche Angaben
gemacht, die von 3–4 Wochen bis 3–8 Monate reichen. Die Gesamtentwicklungsdauer der Larven
ist ebenfalls sehr vielfältig und variiert zwischen zwei und maximal vier Jahren (vgl. STERNBERG &
BUCHWALD 1999b; PETERSEN et al. 2003).
Als Larvalhabitate werden meist vegetationsarme, sandig-kiesige Bereiche der Gewässersohle
genannt (vgl. z. B. NLWKN 2011d). Nach STERNBERG & BUCHWALD (1999b) gibt es aber auch Nachweise aus grobkörnigeren Lückensystemen oder Schlammsedimenten. Auch hinsichtlich der
Fließgeschwindigkeit sind die Larven offenbar anpassungsfähig. Nach Angaben des NLWKN
(2011d) findet man sie in strömungsberuhigten Bereichen. Nach PETERSEN et al. (2003) und
STERNBERG & BUCHWALD (1999b) besiedeln sie eher die Zonen höherer Fließgeschwindigkeiten und
37
38
sowie: Artensteckbrief der AG Libellen in Niedersachsen und Bremen (http://www.ag-libellen-nds-hb.de/libellen/artensteckbriefe/ophiogomphus-cecilia-gruene-flussjungfer/), besucht am 13.07.2015
sowie: Artensteckbrief der AG Libellen in Niedersachsen und Bremen
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Anhang 3 – Seite 11
können hohe Strömungen tolerieren, suchen aber andererseits auch aktiv strömungsberuhigtere
Sohlenbereiche z. B. hinter Steinen oder Pflanzenpolstern auf. In etwa 10–120 cm Wassertiefe
lauern sie oberflächlich im Substrat vergraben oder in gröberen Sedimenten in Mulden geduckt
auf Beute (STERNBERG & BUCHWALD 1999b; NLWKN 2011d) oder suchen grabend nach Nahrung
(PETERSEN et al. 2003). Sie erreichen Populationsdichten von 10 Larven/m² in günstigen Gewässern auch bis zu 50 Larven/m² (PETERSEN et al. 2003).
Insgesamt sind die Larven wenig aktiv, verharren viele Tage an der derselben Stelle und vermindern so die Gefahr der Verdriftung. Auch zum Häuten verlassen sie anscheinend das Sediment
nur kurzzeitig (STERNBERG & BUCHWALD 1999b). Dennoch können sie vor allem bei Hochwasserereignissen verdriftet werden (NLWKN 2011d). Bei Verdriftung zeigen die Larven unterschiedliches Verhalten, während sich einige mit angezogenen Beinen treiben lassen, versuchen andere
durch Schwimmbewegungen möglichst bald wieder Substratkontakt zu bekommen (STERNBERG &
BUCHWALD 1999b). Welche Rolle die Ausbreitung über driftende Larven spielt ist nicht bekannt,
aber in der Oder wurden in Driftfängen regelmäßig junge Larvenstadien in geringer Anzahl nachgewiesen. In Laboruntersuchungen waren die Larven überwiegend nachtaktiv und legten durchschnittlich Strecken von nur 2 cm pro Nacht zurück (PETERSEN et al. 2003).
Die Wassertemperatur der Larvengewässer ist meist im Jahres- und Tagesverlauf recht ausgeglichen. Als Sommertemperatur werden nach STERNBERG & BUCHWALD (1999b) in der Regel Werte
von 18–20 °C angegeben. Die Wasserqualität ist meist gut bis sehr gut, aber auch in kritisch
belasteten Gewässern (Güteklasse II–III) kommt die Art vor. Hinsichtlich der Ansprüche an den
Sauerstoffgehalt des Wassers liegen keine Daten vor, jedoch besteht die Vermutung, dass die
Larven empfindlich auf geringe Sauerstoffgehalte reagieren und daher in der Regel schlammige
Sedimente und belastete Gewässer meiden, diese aber nutzen können, wenn durch höhere Fließgeschwindigkeiten eine bessere Sauerstoffversorgung gegeben ist (STERNBERG & BUCHWALD
1999b).
Die Schlüpfhabitate der Grünen Flussjungfer liegen in unmittelbarer Nachbarschaft zu den bevorzugten Larvenhabitaten, häufig im Bereich stärkster Strömung (z. B. Prallhänge). Genutzt werden
horizontale und vertikale Positionen in bis zu ca. 1 m Entfernung von der Wasserlinie auf Sand,
Steinen und Uferbefestigungen, an Wurzeln, Gebüschen und anderer Vegetation (STERNBERG &
BUCHWALD 1999b)
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Aktuelle Nachweise für Grüne Flussjungfer ( Ophiogomphus cecilia) aus dem Einwirkungsbereich
der beantragten Benutzung liegen nicht vor. BIOCONSULT (2014, 2016b) hat bei den
Untersuchungen des Makrozoobenthos von Leine und Ihme keine Larven dieser Art
nachgewiesen. Aufgrund ihrer Verbreitung, ihrer Lebensraumansprüche und der häufig
beobachteten Vergesellschaftung mit im Untersuchungsraum nachgewiesener Arten ist ihr
Vorkommen aber möglich. Gemäß der Vollzugshinweise für diese Art (NLWKN 2011d) wurde sie
in diesem Bereich Hannovers auch schon nachgewiesen.
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Anhang 3 – Seite 12
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Die Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella)

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Kleinlibellen-Art39,

ist nach der Roten Liste Deutschland (OTT & PIPER 1998) nicht gefährdet,

ist in Niedersachsen ebenfalls nicht gefährdet (ALTMÜLLER & CLAUSNITZER 2010).
Verbreitung
Die Hufeisen-Azurjungfer gehört in Deutschland zu den häufigsten Libellen-Arten und kommt in
allen naturräumlichen Haupteinheiten mit hoher Stetigkeit vor (SCHORR 1990).
In Niedersachsen ist sie im Bereich der Marschen, im östlichen Flachland und im Weser-Leinebergland häufig, im Bereich der Börden und der westlichen Geestflächen dagegen spärlicher vertreten (SCHORR 1990).
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Coenagrion puella ist einer Charakterart stehender eutropher bis oligotropher Kleingewässer.
Fließgewässer, wie überwachsene Wiesengräben und strömungsberuhigte Bereiche von Flüssen
und Kanälen, werden dagegen nur spärlich besiedelt (SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD
1999a).
Die Imagines schlüpfen an senkrechten Substraten aller Arte in einer Höhe von 3–50 cm (maximal 100 cm) über dem Wasserspiegel. In der Regel schlüpfen sie ab Anfang Mai, in warmen
Jahren auch bereits Ende April, in einen Zeitraum von 6–10 Wochen. Die Hauptflugzeit ist dann
von Juni bis Juli (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Zur Eiablage sitzen die Paare vorzugsweise auf schwimmenden Pflanzenteilen oder bis an die
Wasseroberfläche reichenden Submerspflanzen wie beispielsweise Laichkraut ( Potamogeton spp.)
oder Tausendblatt (Myriophyllum spp.), die auch im Untersuchungsraum nachgewiesen wurden.
Zur Eiablage werden in der Regel zarte Pflanzen bzw. weiche Pflanzenteile, auch halb verfaulte
aus dem Vorjahr genutzt. Meist handelt es sich dabei um Stängel oder Halme. Im Freiland entwickeln sich die Eier in 3–5 Wochen, im Labor bei 22 °C in 18–21 Tagen. Die Larvalentwicklung
dauert ½–2 Jahre (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Die jungen, frisch geschlüpften Larven halten sich auf der Unterseite der Blätter auf, verteilen
sich jedoch im Laufe der Entwicklung auf die umliegende Unterwasser-Vegetation oder auf dem
Grund seichter Bereiche. Sie schwimmen nur selten und sind dabei nicht sehr ausdauernd und
schnell. Zur Nahrungsaufnahme laufen sie frei herum, halten sich aber bei hoher Fischdichte eher
zwischen Pflanzen versteckt (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Optimal für die Larven sind Stillgewässer, langsam fließende Gräben, Fluss- oder Kanalbereiche
sind dagegen suboptimal. An die Wasserqualität werden keine besonderen Ansprüche gestellt,
die Larven sind auch in stark belasteten Gewässern (Gütestufe III) noch zu finden. Über die
Temperaturansprüche der Larven ist nichts bekannt (STERNBERG & BUCHWALD 1999a). Gegenüber
39
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 06.07.2015
22.03.2016
ARSU GmbH, Oldenburg
Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
Anhang 3 – Seite 13
Sauerstoffmangel sind sie vergleichsweise wenig empfindlich, jedoch darf der Sauerstoffgehalt
nicht unter 4–5 mg/l absinken (SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Aktuelle Nachweise von Larven der Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella) im Untersuchungsraum liegen nicht vor, ihr Vorkommen ist jedoch in strömungsberuhigten Bereichen von Ihme
und Leine möglich.
BIOCONSULT (2016b) gibt für das Makrozoobenthos des Untersuchungsgebietes das Vorkommen
von Larven einer Coenagrionidae-Art an. Diese wurde in der Ihme (Abschnitt S-7, vgl. Abb. 2 auf
Seite 23) in hoher Abundanz (ca. 76 Ind./m²) und in der Leine unterhalb des Wehres Herrenhausen (S-6) in geringer Abundanz (0,4 Ind./m²) festgestellt. Dabei könnte es sich um Coenagrion puella handeln.
Gewöhnliche Pechlibelle (Ischnura elegans)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Die Gewöhnliche Pechlibelle (Ischnura elegans)

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Kleinlibellen-Art40,

ist nach der Roten Liste Deutschland (OTT & PIPER 1998) nicht gefährdet,

ist in Niedersachsen ebenfalls nicht gefährdet (ALTMÜLLER & CLAUSNITZER 2010).
Verbreitung
Die Gewöhnliche Pechlibelle ist nicht nur in ganz Deutschland, sondern in ganz Mitteleuropa sehr
verbreitet und wahrscheinlich die häufigste Kleinlibellen-Art.
Auch in Niedersachsen dürfte sie flächendeckend und in allen Naturräumen vorkommen.41 Nach
SCHORR (1990) ist sie in den östlichen Naturräumen häufig, nur im Weser-Leine-Bergland ist sie
spärlich vertreten.
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Die Gewöhnliche Pechlibelle nutzt ein breites Spektrum unterschiedlicher Gewässer, insbesondere
stehende, aber auch langsam fließende (SCHORR 1990). Auch in ruhigeren Zonen schnell strömender Wiesengräben und –bäche, an ruhig fließenden Flüssen und sogar an kleinen Flüssen mit
turbulenter Strömung ist sie anzutreffen (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Die Flugzeit von Ischnura elegans reicht insgesamt von Mitte April bis Ende September bzw.
Anfang Oktober. Die Hauptflugzeit ist in der Regel im Juli und August (STERNBERG & BUCHWALD
1999a).
40
41
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 06.07.2015
Artensteckbrief der AG Libellen in Niedersachsen und Bremen (http://www.ag-libellen-nds-hb.de/libellen/artensteckbriefe/
ischnura-elegans-grosse-pechlibelle/), besucht am 14.07.2015
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22.03.2016
Anhang 3 – Seite 14
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Die Eiablage erfolgt häufig in halbverfaulte Halme und Blätter von Binsen, Schilf oder Rohrkolben,
die auf dem Wasser treiben. Aber auch senkrechte Halme, Blütenstände und andere Teile diverser Wasserpflanzen werden genutzt. Dabei tauchen die Weibchen auch vollständig unter Wasser
(SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999a). Meist liegen die Eiablagestellen innerhalb der Röhrichtzone oder unmittelbar davor, aber in spärlich bewachsenen Gewässern erfolgt sie auch auf
der freien Wasserfläche (STERNBERG & BUCHWALD 1999a). Bei 10–27 °C Wassertemperatur benötigen die Eier 10–20 Tage zur Entwicklung. Auch die Larvalentwicklung der Pechlibelle hängt stark
von der klimatischen Situation ab. So können sich zwei (oder sogar drei) Generationen pro Jahr
entwickeln, aber auch zwei Jahre für die vollständige Entwicklung erforderlich sein (STERNBERG &
BUCHWALD 1999a).
Die Larven halten sich häufig zwischen auf dem Wasser schwimmenden Pflanzenteilen, submersen Pflanzen oder untergetauchten Teilen der emersen Vegetation auf. Sie bewegen sich aber
auch nicht selten völlig frei auf dem Grund und suchen im Verlauf des Jahres unterschiedliche
Gewässerbereiche wie die Gewässermitte oder die ufernahen Zonen auf (SCHORR 1990;
STERNBERG & BUCHWALD 1999a). In der Regel beträgt die Fließgeschwindigkeit in der unmittelbaren Umgebung der Larven bis zu etwa 10 cm/s, kann aber auch noch erheblich höher sein. Die
Larven suchen aktiv die Habitate kleinster Strömung auf, wie etwa den Strömungsschatten von
Pflanzen. Sie sind sehr gefräßig, fallen aber auch selbst besonders leicht Fischen zum Opfer
(STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Die Larven halten sich bevorzugt in den warmen Flachwasserzonen auf und sind nicht auf eine
bestimmte Vegetation angewiesen. Auch bezüglich der Gewässergüte sind sie offenbar sehr
tolerant und werden sogar in stark verschmutzten Gewässern (Güteklasse III) gefunden (SCHORR
1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999a). Zur Metamorphose nutzen sie meist senkrechte Halme und
Blätter der emersen Vegetation, schlüpfen aber auch auf waagerechten Substraten – in der Regel
maximal ca. 1 cm über der Wasseroberfläche (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Aktuelle Nachweise von Larven der Gewöhnlichen Pechlibelle ( Ischnura elegans) im Untersuchungsraum liegen nicht vor, ihr Vorkommen ist jedoch insbesondere in strömungsberuhigten
Bereichen von Ihme und Leine möglich.
BIOCONSULT (2016b) gibt für das Makrozoobenthos des Untersuchungsgebietes das Vorkommen
von Larven einer Coenagrionidae-Art an. Diese wurde in der Ihme (Abschnitt S-7, vgl. Abb. 2 auf
Seite 23) in hoher Abundanz (ca. 76 Ind./m²) und in der Leine unterhalb des Wehres Herrenhausen (S-6) in geringer Abundanz (0,4 Ind./m²) festgestellt. Dabei könnte es sich um Ischnura
elegans handeln.
22.03.2016
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Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
Anhang 3 – Seite 15
Frühe Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Die Frühe Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula)

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Kleinlibellen-Art42,

ist nach der Roten Liste Deutschland (OTT & PIPER 1998) nicht gefährdet,

ist in Niedersachsen ebenfalls nicht gefährdet (ALTMÜLLER & CLAUSNITZER 2010).
Verbreitung
Die Frühe Adonislibelle ist in Deutschland weit verbreitet und gehört in ihrem mitteleuropäischen
Verbreitungsgebiet zu den häufigsten Arten (SCHORR 1990).
In Niedersachsen kommt sie in allen Naturräumen vor.43 Nach SCHORR (1990) ist sie im östlichen
Tiefland häufig, im Westen, auf den Börden und im Bergland spärlicher.
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Auch die Frühe Adonislibelle nutzt ein breites Spektrum verschiedener Gewässer, hat ihr Optimum aber an mehr oder weniger nährstoffreichen, verwachsenen Kleingewässern (Weiher, Teiche), träge fließenden sauberen (Quell-)Gräben, Oberläufen von (Quell-)Bächen und kleinen
Flüssen, insbesondere wenn ruhige, krautreiche Buchten und bewaldete Ufer ausgebildet sind
(STERNBERG & BUCHWALD 1999a). An größeren Seen und (Tiefland-)Flüssen fehlt sie weitgehend
(STERNBERG & BUCHWALD 1999a)44.
Die Imagines schlüpfen meist nur wenige Zentimeter über der Wasseroberfläche und in der Regel
innerhalb weniger Tage Ende April oder Anfang Mai, in warmen Jahren auch schon Anfang April
und Nachzügler in kalten Sommern noch bis Ende Juli. Die Hauptflugzeit ist nach STERNBERG &
BUCHWALD (1999a) im Tiefland von Ende Mai bis Mitte Juni. Nach dem Artensteckbrief der AG
Libellen reicht die Flugzeit in Niedersachsen und Bremen bis Anfang August.
Zur Eiablage werden offenbar verschiedenste Pflanzen genutzt (SCHORR 1990; STERNBERG &
BUCHWALD 1999a). Die Embryonalentwicklung dauert 2–6 Wochen, die Gesamtentwicklung im
Flachland vermutlich (1–)2 Jahre, in den Hochlagen 2–3 Jahre (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Die jungen Larven leben am Ort der Eiablage zwischen den Pflanzen (SCHORR 1990; STERNBERG &
BUCHWALD 1999a), lassen sich anscheinend aber auch mit der Strömung treiben und verteilen sich
so im Gewässer (STERNBERG & BUCHWALD 1999a). Sie unterliegen einer sehr hohen Mortalität. Da
sie ihr Futter von der Submersvegetation aus jagen und die Halmdichte die Futterverfügbarkeit
beeinflusst, darf in den Larvenhabitaten eine bestimmte Dichte der Unterwasservegetation nicht
unterschritten werden. Mit ca. 10 mm Länge wechseln die Larven auf den Gewässergrund und
bevorzugen dunkle Mikrostandorte wie überhängende Ufer, faulende Blätter oder Löcher
(STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
42
43
44
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 06.07.2015
Artensteckbrief der AG Libellen in Niedersachsen und Bremen (http://www.ag-libellen-nds-hb.de/libellen/artensteckbriefe/
pyrrhosoma-nymphula-fruehe-adonislibelle/), besucht am 14.07.2015
sowie Artensteckbrief (ebenda)
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Anhang 3 – Seite 16
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
In Fließgewässern halten sich die Larven ausnahmslos an Stellen mit geringer Strömung oder in
Bereichen mit ruhig und gleichmäßig fließendem Wasser von Buchten oder dichten Pflanzenbeständen auf. Turbulent fließendes Wasser wird gemieden. Hinsichtlich der Gewässergüte werden
oligotrophe und leicht meso- bis eutrophe Gewässer besiedelt. Die Art kann jedoch auch in stark
belasteten Gewässern (Güteklasse III) gefunden werden (STERNBERG & BUCHWALD 1999a). Bei
Fließgeschwindigkeiten von 3–4 cm/s wird eine Mindestsauerstoffkonzentration von 5,5 mg/l
genannt, aber es wird auch von Vorkommen bei geringeren Konzentrationen von 3,2 mg/l,
2 mg/l oder sogar 0,6 mg/l berichtet. Die Larvenhabitate weisen insgesamt ein ganzjährig kühles
Mikroklima und einigermaßen ausgeglichene Tages- und Jahresverläufe auf, die sommerlichen
Mitteltemperaturen liegen anscheinend in der Größenordnung von 14–17 °C (STERNBERG &
BUCHWALD 1999a).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Aktuelle Nachweise von Larven der Frühen Adonislibelle ( Pyrrhosoma nymphula) im Untersuchungsraum liegen nicht vor, ihr Vorkommen ist jedoch in strömungsberuhigten Bereichen von
Ihme und Leine möglich.
BIOCONSULT (2016b) gibt für das Makrozoobenthos des Untersuchungsgebietes das Vorkommen
von Larven einer Coenagrionidae-Art an. Diese wurde in der Ihme (Abschnitt S-7, vgl. Abb. 2 auf
Seite 23) in hoher Abundanz (ca. 76 Ind./m²) und in der Leine unterhalb des Wehres Herrenhausen (S-6) in geringer Abundanz (0,4 Ind./m²) festgestellt. Dabei könnte es sich um Pyrrhosoma
nymphula handeln.
Gemeine Weidenjungfer (Lestes viridis)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Die Gemeine Weidenjungfer (Lestes viridis)

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Kleinlibellen-Art45,

ist nach der Roten Liste Deutschland (OTT & PIPER 1998) nicht gefährdet,

ist in Niedersachsen ebenfalls nicht gefährdet (ALTMÜLLER & CLAUSNITZER 2010).
Verbreitung
Die Gemeine Weidenjungfer ist in Deutschland weit verbreitet, nimmt aber in Norddeutschland ab
und erreicht in Schleswig-Holstein bzw. Dänemark ihre nördliche Verbreitungsgrenze (SCHORR
1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999a)46.
Sie ist auch in Niedersachsen weit verbreitet, tritt aber im Westen spärlicher auf als im Osten.
Hauptsächlich wird das wärmebegünstigte Tiefland besiedelt, aber die Gemeine Weidenjungfer ist
45
46
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 06.07.2015
sowie Artensteckbrief der AG Libellen in Niedersachsen und Bremen (http://www.ag-libellen-nds-hb.de/libellen/artensteckbriefe/lestes-viridis-westliche-weidenjungfer/), besucht am 14.07.2015
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Anhang 3 – Seite 17
auch im Harzvorland noch vertreten. Die Besiedlung ist jedoch in den Bereichen südlich des
Mittellandkanals lückiger (SCHORR 1990)47.
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Lestes viridis besiedelt stehende und langsam fließende Gewässer aller Art, benötigt aber Ufergehölze mit überhängenden Ästen. Es gibt auch Nachweise von kleinen ruhigen Uferbuchten schnell
strömender Bäche und Flüsse sowie von strukturreichen, schnell fließenden Gewässerabschnitten
(SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Die Imagines der Weidenjungfer schlüpfen ab Ende Juni. Ihre Hauptflugzeit beginnt gemäß
Artensteckbrief der AG Libellen in Niedersachsen im Juli, erreicht ihren Höhepunkt im August und
September und endet im Oktober. Einzelne Tiere werden auch im Juni oder November beobachtet.
Die Eiablage erfolgt in glattrindige Uferbäume und –büsche deren Zweige zumindest im Frühjahr,
wenn die Larven schlüpfen, über dem Wasser hängen. Genutzt werden verschiedene Laubholzarten bis in 3 m oder maximal 6 m Höhe, aber auch verholzte Uferstauden und krautige Pflanzen
werden gelegentlich verwendet, insbesondere in der Nachbarschaft von Eiablagegehölzen
(SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999a). Die Embryonen überdauern den Winter und je
nach Regionalklima und Frühjahrswetter schlüpfen die Larven Ende März bis Mitte April aus den
Eiern und fallen normalerweise direkt auf die Wasseroberfläche und lassen sich zu Boden sinken.
Erst dort sind sie relativ sicher vor Jungfischen. Fallen die Larven auf festen Boden, versuchen sie
durch bis zu 3 cm weite Sprünge das Wasser zu erreichen (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
In Gewässern mit Wellenschlag und bei Anwesenheit von Fischen halten sich die Larven in den
ruhigen Zonen bzw. im Bereich der Ufervegetation auf, ansonsten bewegen sie sich aber auch
frei auf dem Gewässergrund. In schnell fließenden Gewässern nutzen sie strömungsberuhigte
Uferzonen. Die Larven bevorzugen warmes Wasser, entwickeln sich aber, wenn auch deutlich
verlangsamt, auch in kühleren Gewässern. An dem Gewässergrund und die Wasservegetation
stellen sie keine besonderen Anforderungen, bevorzugen aber Pflanzen in unmittelbarer Ufernähe. Im Flachwasser tolerieren sie offenbar auch stark eutrophierte Verhältnisse, werden aber
in tieferen Gewässern nur selten unter stark eutrophen Bedingungen mit hoher Sauerstoffzehrung gefunden (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Aktuelle Nachweise von Larven der Gemeinen Weidenjungfer ( Lestes viridis) im Untersuchungsraum liegen nicht vor, ihr Vorkommen in strömungsberuhigten Bereichen von Ihme und Leine mit
geeigneten überhängenden Ufergehölzen kann jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Gewöhnliche Winterlibelle (Sympecma fusca)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Die Gewöhnliche Winterlibelle (Sympecma fusca)
47
sowie Artensteckbrief (ebenda)
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Anhang 3 – Seite 18
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Kleinlibellen-Art48,

ist nach der Roten Liste Deutschland (OTT & PIPER 1998) gefährdet (Kat. 3),

ist in Niedersachsen und in der Region östliches Tiefland ungefährdet (ALTMÜLLER &
CLAUSNITZER 2010).
Verbreitung
Die Gewöhnliche Winterlibelle kommt in Deutschland zwar in allen naturräumlichen Haupteinheiten vor, ist aber wahrscheinlich regional nirgendwo häufig. Im norddeutschen Tiefland ist die
Art nur zerstreut bis spärlich vertreten und erreicht in Schleswig-Holstein ihre nördliche Verbreitungsgrenze (SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Nach SCHORR (1990) ist sie in Niedersachsen im östlichen Tiefland spärlich vertreten, in den übrigen Regionen kaum. Zu den Bereichen, in denen die Winterlibelle häufiger festgestellt wurde,
gehören neben der Stader Geest, Teilen der Lüneburger Heide und dem Wendland mit Elbtalaue
auch das Weser-Aller-Flachland.49
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Da die Winterlibelle im Gegensatz zu den übrigen Libellen als Imago überwintert, benötigt sie
entsprechende Überwinterungsplätze. Hinsichtlich der Reproduktionsgewässer bevorzugt sie
naturnahe Stillgewässer oder sonnige und strömungsberuhigte Fließgewässerabschnitte. Sie
besiedelt entsprechend Seeufer, Weiher und Teiche, Altwässer und strömungsberuhigte Flussbuchten mit sonnenbeschienener, nicht zu dichter Röhricht- oder Seggenvegetation (STERNBERG &
BUCHWALD 1999a)50.
Die Imagines schlüpfen vorwiegend von Ende Juli bis Mitte August, manchmal auch bis Anfang
September. Sie fliegen bis zum Kaltwerden Ende Oktober/Anfang November. Gewöhnlich sind sie
frühestens im März oder im April wieder aktiv, verlassen ihr Winterquartier aber in wärmeren
Phasen auch zwischendurch (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Die Eiablage erfolgt im Frühjahr und kann sich je nach Witterung bis Juni oder Juli verzögern. Sie
erfolgt nur an besonnten, im Vergleich zum freien Wasser thermisch begünstigten Habitaten.
Genutzt werden verschiedene meist horizontale, schwimmende und nur selten aufrechte Substrate, in der Regel abgestorbene Pflanzenteile wie Seggen-, Binsen- oder Typha-Halme. Die
Embryonalentwicklung dauert wahrscheinlich ca. 3–6 Wochen. Die Gesamtentwicklung ist in etwa
10–12 Wochen, in warmen Gewässern auch schon nach 8 Wochen abgeschlossen. Als Schlüpfhabitate dienen meist mehr oder weniger senkrechte Substrate in einer Höhe von ca. 5–35 cm
über der Wasserfläche (SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Die Lebensweise der Larven ist weitgehend unbekannt, sie sind anscheinend sehr agil und gefräßig und außerdem flinke Schwimmer. Entsprechend ihrer kurzen Entwicklungszeit sind sie vermutlich recht wärmbedürftig und auf ein gutes Nahrungsangebot angewiesen. Sie bevorzugen
wahrscheinlich auch deshalb meso- bis eutrophe Gewässer (STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
48
49
50
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 06.07.2015
Artensteckbrief der AG Libellen in Niedersachsen und Bremen (http://www.ag-libellen-nds-hb.de/libellen/artensteckbriefe/
sympecma-fusca-gemeine-winterlibelle/), besucht am 15.07.2015
sowie Artensteckbrief (ebenda)
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Anhang 3 – Seite 19
Die Larven der Winterlibelle halten sich bevorzugt zwischen den submersen Teilen der Ufervegetation, auf der Tauchblattvegetation oder auf Algenwatten dicht unter der Wasseroberfläche auf.
Auch die Unterseite von schwimmenden Pflanzenteilen, Treibholz etc. wird genutzt. Sie beschränken sich auf Gewässerbereiche, in denen höchstens eine kaum wahrnehmbare Wasserströmung
festzustellen ist, überleben aber auch reißende Hochwässer. In der Regel beträgt die Wassertiefe
in den Larvenhabitaten maximal 30 cm, seltener bis 50 cm. Sauerstoffgehalte von < 8,75 % bei
20 °C, von < 15,45 % bei 25 °C bzw. von < 22,63 % bei 30 C sind für die Larven lethal
(STERNBERG & BUCHWALD 1999a).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Aktuelle Nachweise von Larven der Gewöhnlichen Winterlibelle (Sympecma fusca) im Untersuchungsraum liegen nicht vor, ihr Vorkommen in strömungsberuhigten Bereichen von Ihme und
Leine kann jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Braune Mosaikjungfer (Aeshna grandis)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Die Braune Mosaikjungfer (Aeshna grandis)

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Großlibellen--Art51,

steht nach der Roten Liste Deutschland (OTT & PIPER 1998) auf der Vorwarnliste
(Kat. V),

ist in Niedersachsen nicht gefährdet (ALTMÜLLER & CLAUSNITZER 2010), steht aber in der
Region östliches Tiefland auf der Vorwarnliste (Kat. V).
Verbreitung
Die Braune Mosaikjungfer (Aeshna grandis) ist nach SCHORR (1990) in Deutschland sehr unregelmäßig verbreitet. Die Schwerpunkte ihres Vorkommens liegen in Schleswig-Holstein und südlich
der Donau. In den übrigen Landesteilen kommt sie eher spärlich oder kaum vor.
Nach Angaben der AG Libellen52 ist die Art in Niedersachsen in großen Teilen des Tieflands verbreitet und häufig. Lücken finden sich vor allem in den westlichen Landesteilen (küstennahe Marschen, Diepholzer Moorniederung, südliches Emsland) und im Übergangsbereich zum Berg- und
Hügelland. Im südlichen Berg- und Hügelland ist sie selten und weitgehend auf die Flusstäler
beschränkt und im Harz fehlt sie nahezu vollständig.
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Die Braune Mosaikjungfer besiedelt sowohl ein breites Spektrum von Stillgewässern als auch
langsam strömende Fließgewässer. Sie kommt auch in Städten vor und nutzt Parkteiche und
51
52
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 06.07.2015
Artensteckbrief der AG Libellen in Niedersachsen und Bremen (http://www.ag-libellen-nds-hb.de/libellen/artensteckbriefe/
aeshna-grandis-braune-mosaikjungfer/), besucht am 15.07.2015
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Anhang 3 – Seite 20
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
-seen. Die höchsten Individuenzahlen werden in Niedersachsen an vegetationsreichen Marschgewässern, Teichen und Altwässern der Flusstäler festgestellt. Die besiedelten Gewässer haben
meist eine gut entwickelte Verlandungszone, vor allem mit Schwimmblattvegetation, und befinden sich in Waldnähe. Nur selten kommt Aeshna grandis als alleinige Aeshnide vor. Der Frühe
Schilfjäger (Brachytron pratense) gehört zu den Arten, die häufig gemeinsam mit der Braunen
Mosaikjungfer anzutreffen sind (SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD 1999b)53.
Die Imagines der Braune Mosaikjungfer schlüpfen meist zwischen Mitte Juni und Ende Juli bzw.
Anfang August an senkrechten Halmen und Stängeln der Ufervegetation in 10–40 cm Höhe, an
Totholz bis in 2 m Höhe oder an im Wasser treibendem Astwerk. Ihre Flugzeit reicht von Anfang
Juni bis in den Oktober mit einem Schwerpunkt im Juli und August (STERNBERG & BUCHWALD
1999b)54.
Für die endophytische Eiablage werden verschiedene, meist besonnte Substrate genutzt, dabei
scheinen abgestorbene auf dem Wasser treibende Pflanzenteile (Stängel, Rhizome, Sprossteile)
bevorzugt zu werden. Aber auch Tot- und Treibholz, Pfähle, ins Wasser hängende Zweige und
verschiedenste Pflanzenarten werden genutzt. Die Eier überwintern und erst im Mai des nächsten
Jahres schlüpfen die Larven und wachsen je nach klimatischen Bedingungen innerhalb von zwei
bis drei oder sogar vier Jahren heran. Aus einem Gewässer schlüpfen dabei nach den bisherigen
Beobachtungen nie mehr als hundert Individuen (STERNBERG & BUCHWALD 1999b).
In der warmen Jahreszeit halten sich die Larven im Bereich der submersen und emersen Vegetation auf. Dabei haben sie anscheinend keine Bindung an bestimmte Pflanzenarten oder –gesellschaften. Die Larven sind vergleichsweise träge und halten sich vorwiegend an versteckten,
dunklen Orten auf. Im Herbst und Winter sind sie auf dem Gewässergrund oder an Torfwänden
zu finden. Dabei stellen sie an den Gewässergrund keine besonderen Anforderungen. Ihre Habitate weisen jedoch keine nennenswerte Strömung auf oder werden nur langsam durchströmt mit
Fließgeschwindigkeiten bis 1 m/s. Die Larven nutzen Wassertiefen von 0,1–1,5 m und suchen vor
allem im Winter die tieferen Schichten auf. Genutzt werden Gewässer aller Trophiestufen, am
häufigsten jedoch meso- und eutrophe Gewässer. Es wird vermutet, dass die Larven eher
gemäßigt kühles Mikroklima bevorzugen, bei Temperaturen < 12 °C werden sie aber noch
lethargischer (STERNBERG & BUCHWALD 1999b).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Aktuelle Nachweise von Larven der Braunen Mosaikjungfer ( Aeshna grandis) im Untersuchungsraum liegen nicht vor, ihr Vorkommen ist jedoch in strömungsberuhigten Bereichen von Ihme
und Leine möglich.
BIOCONSULT (2016b) gibt für das Makrozoobenthos der untersuchten Gewässerabschnitte das
Vorkommen von Larven einer Aeshnidae-Art an. Diese wurde unterhalb des Untersuchungsraumes in der Leine zwischen Mittellandkanal und Autobahn A 2 (Abschnitt S-2, vgl. Abb. 2 auf
Seite 23) in geringer Abundanz (0,4 Ind./m²) festgestellt. Dabei könnte es sich um Aeshna grandis handeln.
53
54
sowie Artensteckbrief (ebenda)
sowie Artensteckbrief (ebenda)
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Anhang 3 – Seite 21
Früher Schilfjäger (Brachytron pratense)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Der Frühe Schilfjäger (Brachytron pratense)

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Großlibellen-Art55,

ist nach der Roten Liste Deutschland (OTT & PIPER 1998) gefährdet (Kat. 3),

ist auch in Niedersachsen und in der Region östliches Tiefland gefährdet (ALTMÜLLER &
CLAUSNITZER 2010).
Verbreitung
Auch der Frühe Schilfjäger ist nach SCHORR (1990) in Deutschland sehr unregelmäßig verbreitet
und bevorzugt tendenziell das Tiefland und die Flussniederungen gegenüber den Mittelgebirgen.
Nur im östlichen Schleswig-Holstein ist er häufig, in den übrigen naturräumlichen Regionen aber
nur spärlich, vereinzelt oder gar nicht nachgewiesen.
Für Niedersachsen gibt die AG Libellen56 als Verbreitungsschwerpunkte die wärmebegünstigten
Niederungen von Ems, Weser, Aller und deren Nebenflüssen sowie der Elbe an. Die höchsten
Dichten werden demnach an der Unterweser bei Bremen, in der südlichen Lüneburger Heide und
im Wendland beobachtet. Zusammenhängende Vorkommen gibt es aber auch an der unteren
Ems, in der nördlichen Stader Geest und im nördlichen Harzvorland. Im Bergland sind die Vorkommen auf die Flusstäler beschränkt.
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Der Frühe Schilfjäger ist eine Art der Aue. Er besiedelt vorzugsweise Stillgewässer unterschiedlicher Größe, deren Ufer dichte Röhricht- und Hochstaudenbestände aufweisen. Aber offenbar
werden gelegentlich auch langsam und sogar schnell fließende Gewässer wie Bäche, Gräben,
Flüsse und Kanäle genutzt. Häufige Begleiter sind beispielsweise Spitzenfleck (Libellula fulva),
Federlibelle (Platycnemis pennipes), Frühe Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula), Große Pechlibelle (Ischnura elegans) und Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella) (STERNBERG & BUCHWALD
1999b)57.
Die Imagines von Brachytron pratense schlüpfen im Röhricht versteckt im zeitigen Frühjahr etwa
von Mitte April bis Mitte Mai. Die Hauptflugzeit liegt in Niedersachsen im Mai und bereits ab Mitte
Juni wird die Art nur noch vereinzelt beobachtet (STERNBERG & BUCHWALD 1999b)58.
Die Eiablage erfolgt vorwiegend in abgestorbene, halbverfaulte Wurzelbereiche, Rhizomballen,
Strünke und anderer Pflanzenteile von Schilf, Rohrkolben, Seebinse, Simsen oder Seggen, die im
Bereich der Röhrichte bzw. unmittelbar davor schwimmen (SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD
1999b). Die Angaben zu Dauer der Embryonalentwicklung schwanken zwischen drei und sieben
55
56
57
58
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 06.07.2015
vgl. Artensteckbrief der AG Libellen in Niedersachsen und Bremen (http://www.ag-libellen-nds-hb.de/libellen/artensteckbriefe/brachytron-pratense-frueher-schilfjaeger/, besucht am 15.07.2015
sowie Artensteckbrief (ebenda)
sowie Artensteckbrief (ebenda)
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Anhang 3 – Seite 22
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Wochen. Die Larven wachsen nur langsam heran und überwintern zwei- oder dreimal (STERNBERG
& BUCHWALD 1999b).
Die Laven halten sich bevorzugt im Bereich der Rhizome des Uferröhrichts, des Wurzelgeflechts
von Uferbäumen oder unterseits von verfaulten schwimmenden Pflanzenteilen auf. In Fließgewässern werden auch strömungsberuhigte Zonen zwischen Schwaden, Rohrglanzgras, Brunnenkresse und Minze besiedelt. Die Larven tolerieren zeitweises oder permanentes Durchströmen
ihrer Habitate, werden auch in permanent schnell fließenden Gewässern gefunden und ertragen
Fließgeschwindigkeiten von mindestens 8–10 cm/s. Die Larvalgewässer sind in der Regel mesobis eutroph und aufgrund der Beschattung recht kühl mit einem ausgeglichenen Mikroklima. Der
für Larven letale Sauerstoffgehalt liegt bei 30 °C bei ca. 26 % (STERNBERG & BUCHWALD 1999b).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Aktuelle Nachweise von Larven des Frühen Schilfjägers ( Brachytron pratense) im Untersuchungsraum liegen nicht vor, ihr Vorkommen ist jedoch nicht ausgeschlossen.
BIOCONSULT (2016b) gibt für das Makrozoobenthos der untersuchten Gewässerabschnitte das
Vorkommen von Larven einer Aeshnidae-Art an. Diese wurde in geringer Abundanz (0,4 Ind./m²)
in der Leine unterhalb des Untersuchungsraumes zwischen Mittellandkanal und Autobahn A 2
(Abschnitt S-2, vgl. Abb. 2 auf Seite 23) festgestellt. Dabei könnte es sich um Brachytron pratense handeln.
Spitzenfleck (Libellula fulva)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Der Spitzenfleck (Libellula fulva)

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Großlibellen-Art59,

ist nach der Roten Liste Deutschland (OTT & PIPER 1998) stark gefährdet (Kat. 2),

ist auch nach der Roten Liste Niedersachsen (ALTMÜLLER & CLAUSNITZER 2010) und in
der Region östliches Tiefland stark gefährdet (Kat. 2).
Verbreitung
Der Spitzenfleck ist in Mitteleuropa zwar weit aber meist nur zerstreut verbreitet. Nach SCHORR
(1990) liegen Verbreitungsschwerpunkte in Deutschland im Norddeutschen Tiefland, insbesondere dem östlichen Schleswig-Holstein, im Rheintal, im voralpinen Hügel- und Moorland und im
Berliner Raum.
In Niedersachsen ist der Spitzenfleck nur sehr lückenhaft verbreitet. Zwar gelten die größeren
Stromtäler des Tieflandes als primäres Areal der Art, sind aber nur lückig besiedelt. Häufiger ist
die Art entlang der Weser zwischen Nienburg und Bremen sowie in der Jeetzel-Niederung in
59
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 06.07.2015
22.03.2016
ARSU GmbH, Oldenburg
Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
Anhang 3 – Seite 23
Lüchow-Dannenberg. Einzelne ergänzende Vorkommen werden am ehesten in den Urstromtälern
von Weser, Aller und Elbe erwartet.60
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Der Spitzenfleck ist eine Charakterart der Auen von Tieflandflüssen, die stehende und mehr oder
weniger langsam fließende Gewässer besiedelt (STERNBERG & BUCHWALD 1999b). In Niedersachsen
werden vor allem langsam strömende, nicht zu stark verschmutzte Flüsse, Kanäle und Altwässer
genutzt, die eine reiche Ufervegetation aufweisen und besonnt sind. Gut ausgeprägte Uferröhrichte und Großseggenriede aber auch Bereiche mit offenen Wasserflächen und Gehölze in der
Umgebung sind wichtige Habitatelemente für Libellula fulva (SCHORR 1990; STERNBERG &
BUCHWALD 1999b)61.
Die Imagines schlüpfen versteckt an vertikalen Strukturen der Verlandungs- und Ufervegetation,
in der Regel im Mai. Ihre Hauptflugzeit erstreckt sich bis Ende Juni, je nach Witterung können sie
aber auch noch im Juli oder August gesichtet werden (STERNBERG & BUCHWALD 1999b)62. In Fließgewässern kommt der Spitzenfleck oft gemeinsam mit der Gebänderten Prachtlibelle ( Calopteryx
splendens) oder auch mit der Gewöhnlichen Keiljungfer (Gomphus vulgatissimus) vor (STERNBERG
& BUCHWALD 1999b).
Die Eier werden exophytisch an seichten Wasserstellen (4–50 cm) an Strünken von Carex-Horsten und Ähnlichem oder über der freien Wasserfläche in der Nähe des Röhrichtsaumes abgestreift oder abgeworfen (STERNBERG & BUCHWALD 1999b). Die Angaben zur Dauer der Embryonalentwicklung variieren zwischen elf Tagen und sieben Wochen, die Larven benötigen vermutlich
zwei Jahre bis sie an den einzelnen Gewässern weitgehend synchron schlüpfen (SCHORR 1990;
STERNBERG & BUCHWALD 1999b).
Die jungen Larven von Libellula fulva halten sich zunächst auf dem Grund des Gewässers auf und
verstecken sich erst nach der dritten Häutung unter abgestorbenen Pflanzenteilen oder graben
sich ins Sediment ein, dass schlammig bis kiesig sein kann (SCHORR 1990; STERNBERG & BUCHWALD
1999b). Es wird davon ausgegangen, dass die Larven zumindest leichte Strömungen tolerieren.
Zwar ist der Spitzenfleck charakteristisch für saubere, meist oligo- bis mesotrophe Gewässer und
man nimmt an, dass eutrophe Gewässer nur dann besiedelt werden, wenn sie eine durchgehend
hohe Sauerstoffsättigung aufweisen, aber es gibt auch Hinweise, dass die Larven eine hohe Toleranz gegenüber hypertrophen Verhältnissen haben. Da sie tiefere Gewässer mit Grundwasseranbindung bevorzugen, wird angenommen, dass sie sich möglicherweise nur bei einem recht
kühlen Mikroklima mit gleichmäßigem Temperaturgang optimal entwickeln können (STERNBERG &
BUCHWALD 1999b).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Aktuelle Nachweise von Larven des Spitzenflecks (Libellula fulva) im Untersuchungsraum liegen
nicht vor, ihr Vorkommen ist jedoch nicht ausgeschlossen.
60
61
62
vgl. Artensteckbrief der AG Libellen in Niedersachsen und Bremen (http://www.ag-libellen-nds-hb.de/libellen/artensteckbriefe/libellula-fulva-spitzenfleck/), besucht am16.07.2015
sowie Artensteckbrief (ebenda)
sowie Artensteckbrief (ebenda)
ARSU GmbH, Oldenburg
22.03.2016
Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
Anhang 4:
Anhang 4 – Seite 1
Beschreibung der relevanten Weichtiere
Fünf Arten der Mollusken wurden als relevant identifiziert:

Malermuschel (Unio pictorum)

Große Flussmuschel (Unio tumidus)

Flache Teichmuschel (Anodonta anatina)

Gewöhnliche Teichmuschel (Anodonta cygnea)

Abgeplattete Teichmuschel (Pseudanodonta complanata)
Malermuschel (Unio pictorum)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Die Malermuschel (Unio pictorum)

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Muschel-Art63,

steht nach der Roten Liste Deutschland (JUNGBLUTH & KNORRE 2011) auf der Vorwarnliste (Kat. V),

ist in Niedersachsen gefährdet (Kat. 3 der Roten Liste)64.
Verbreitung
Sie war früher in Deutschland weit verbreitet, ist jedoch heute in vielen ursprünglich besiedelten
Gebieten nicht mehr anzutreffen (BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT 2012e).
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Die Malermuschel ist bis zu ca. 9 cm lang und eine typische Tieflandart. Sie kommt in den Unterläufen von Bächen, Flüssen und Altwässern sowie in einigen Seen (an den bewegten Seerändern)
im Litoral, Potamal und Rhithral vor. In der Regel besiedelt sie sandige bis schlammige
Abschnitte, kommt aber auch in feinkiesigen Bereichen vor. Sie nutzt meso- bis eutrophe Gewässer, toleriert Wassertemperaturen bis über 25 °C und kann ein Alter von etwa 10–15 Jahren
erreichen (BAUMGÄRTNER & HEITZ 1995; GLÖER & DIERCKING 2010; BAYERISCHES LANDESAMT FÜR
UMWELT 2012e).
Die adulten Muscheln vermehren sich im Frühsommer durch Eier, die jedoch im Brutraum der
Muschel verbleiben und durch mit dem Atemwasser eingesogene Spermien befruchtet werden.
Pro Gelege entwickeln sich 100.000–400.000 Eier im Kiemenraum der weiblichen Malermuschel
zu etwa 0,2 mm großen Muschellarven (Glochidien), was je nach Temperatur bis zu sechs
Wochen dauert. Die Muschellarven werden dann zwischen März und Juli mit dem Atemwasserstrom ins Wasser abgegeben und sinken zu Boden. Wenn Fische nach den Larven schnappen,
63
64
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 25.06.2015
nach den Angaben im Meldebogen 'Mollusken – Limnische Arten' der Erfassung von Tierarten in Niedersachsen, Stand
11/2014 (www.nlwkn.niedersachsen.de/download/21944/Suesswasserschnecken_und_-muscheln.pdf, Download vom
16.07.2015), der sich bezieht auf Jungbluth, J. H. (1990): Vorläufige 'Rote Liste' der bestandsbedrohten und gefährdeten
Binnenmollusken (Weichtiere: Schnecken und Muscheln) in Niedersachsen, unveröffentlicht
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Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
haken diese sich an deren Kiemen fest und werden nachfolgend von den Kiemenblättern
umwachsen. Die Larven verbleiben über einige Wochen in den Fischkiemen und ernähren sich
von Nahrungspartikeln, die die Fische mit ihrem Atemwasser den Kiemen zuführen. Wenn die
Metamorphose zur Muschel abgeschlossen ist, platzt die Zyste auf, die Jungmuschel fällt vom
Wirtsfisch ab und sinkt auf den Gewässergrund (BAUMGÄRTNER & HEITZ 1995) 65.
Aber nur einem sehr kleinen Prozentsatz der Glochidien gelingt es, sich an einem geeigneten
Wirtsfisch festzusetzen, die meisten gehen zugrunde oder werden gefressen. Als Wirtsfische
genannt werden Flussbarsch (Perca fluviatilis), Kaulbarsch (Gymnocephalus cerna), Rotfeder
(Scardinius erythrophthalmus), Rotauge/Plötze (Rutilus rutilus), Döbel/Aitel (Squalius cephalus),
Gründling (Gobio gobio), Schleie (Tinca tinca) und Dreistachliger Stichling (Gasterosteus aculeatus) (BAUMGÄRTNER & HEITZ 1995; GLÖER & DIERCKING 2010; BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT
2012e).
Die jungen Muscheln leben die ersten Jahre im Gewässergrund eingegraben. Anscheinend werden sie dennoch von Wasservögel und anderen Räubern gefressen. Mit etwa drei bis vier Jahren
werden sie geschlechtsreif. Und auch die ausgewachsenen Muscheln lieben tief im Sediment eingegraben, so dass oft nur ihr Hinterende herausragt. Sie ernähren sich von planktischen Organismen und organischen Partikel (Detritus), sind sehr ortstreu und neigen kaum zu ausgedehnten
Wanderungen. Ihre Ausbreitung erfolgt im Wesentlichen über die Wirtsfische im GlochidienStadium (BAUMGÄRTNER & HEITZ 1995).
In Fließgewässern sind größere Muschelbestände vor allem an Stellen mit geringer Fließgeschwindigkeit (wie Auskolkungen, Gumpen etc.), zwischen Erlenwurzeln, an Bachbiegungen und
in Röhrichtbeständen zu finden (BAUMGÄRTNER & HEITZ 1995).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Die Malermuschel (Unio pictorum) wurde 2013 von BIOCONSULT (2016b) unterhalb des Wehres
Herrenhausen (Abschnitt S-6, vgl. Abb. 2 auf Seite 23) in der Leine nachgewiesen, jedoch nur an
einer Probenahmestelle und nur in geringer Dichte (0,4 Ind./m²). Dieser Nachweis konnte bei
den ergänzenden Untersuchungen im Frühjahr 2014 nicht bestätigt werden (BIOCONSULT 2014).
Große Flussmuschel (Unio tumidus)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Die Große Flussmuschel (Unio tumidus)
65
66
67

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Muschel-Art66,

ist nach der Roten Liste Deutschland (JUNGBLUTH & KNORRE 2011) stark gefährdet
(Kat. 2),

ist in Niedersachsen gefährdet (Kat. 3 der Roten Liste)67.
sowie http://www.wirbellosen-aquarium.de/schnecken/muscheln/malermuschel.html, besucht am 16.07.2015
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 25.06.2015
nach den Angaben im Meldebogen 'Mollusken – Limnische Arten' der Erfassung von Tierarten in Niedersachsen, Stand
11/2014 (www.nlwkn.niedersachsen.de/download/21944/Suesswasserschnecken_und_-muscheln.pdf, Download vom
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Verbreitung
Die Große Flussmuschel trat früher in Massen in Bächen auf, ist heute aber sehr selten. Größere
Vorkommen gibt es in Deutschland noch in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern
(BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT 2012b).
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Im Allgemeinen wird die Große Flussmuschel ca. 7–10 cm lang, selten bis zu 12 cm. Sie ist eine
noch extremere Tieflandart als die Malermuschel und lebt im Litoral und Potamal träge fließender
oder leicht bewegter Gewässer, beispielsweise in Altwässern, Baggerseen, Fischteichen und in
größeren Bächen und Flüssen. Sie bevorzugt sandige Substrate bis in mehrere Meter Wassertiefe
(BAUMGÄRTNER & HEITZ 1995; GLÖER & DIERCKING 2010; BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT
2012b). Gewässerbereiche mit submerser Vegetation werden weitgehend gemieden (GLÖER &
DIERCKING 2010). Die Große Flussmuschel ist häufig mit der Maler-, Bach- oder Teichmuscheln
vergesellschaftet (BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT 2012b).
Die Entwicklung gleicht der der Malermuschel. Dabei entwickeln sich ca. 200.000 Glochidien pro
Weibchen (BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT 2012b). Als Wirtsfische genannt werden Flussbarsch (Perca fluviatilis), Kaulbarsch (Gymnocephalus cerna), Rotfeder (Scardinius erythrophthalmus), Rotauge/Plötze (Rutilus rutilus), Güster (Blicca bjoerkna), Schleie (Tinca tinca) und
Dreistachliger Stichling (Gasterosteus aculeatus) (BAUMGÄRTNER & HEITZ 1995; GLÖER & DIERCKING
2010; BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT 2012b)
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Bei den Untersuchungen von BIOCONSULT (2016b) wurde die Große Flussmuschel (Unio tumidus)
2013 weder in der Leine noch in der Ihme nachgewiesen, ihr Vorkommen kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, zumal bei den ergänzenden Untersuchungen im Frühjahr 2014 eine Unio-Art
an zwei Probenahmestellen in der Leine unterhalb der Bahnstrecke Richtung Seelze mit 1,0 bzw.
1,3 Individuen/m² nachgewiesen wurde (BIOCONSULT 2014). Dabei könnte es sich um Unio tumidus aber auch um Unio pictorum handeln.
Flache Teichmuschel (Anodonta anatina)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Die Flache Teichmuschel (Anodonta anatina)

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Muschel-Art68,

steht nach der Roten Liste Deutschland (JUNGBLUTH & KNORRE 2011) auf der Vorwarnliste (Kat. V),

ist in Niedersachsen gefährdet (Kat. 3 der Roten Liste)69.
16.07.2015), der sich bezieht auf Jungbluth, J. H. (1990): Vorläufige 'Rote Liste' der bestandsbedrohten und gefährdeten
Binnenmollusken (Weichtiere: Schnecken und Muscheln) in Niedersachsen, unveröffentlicht
68
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 25.06.2015
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Verbreitung
Die Flache Teichmuschel war früher sehr weit verbreitet. Ihre Bestände sind zurückgegangen
aber sie zählt in Deutschland auch heute noch zu den weniger stark gefährdeten GroßmuschelArten (BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT 2012c).
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Nach GLÖER & DIERCKING (2010) kommt die Flache Teichmuschel (Anodonta anatina) im Litoral
ebenso vor wie im Potamal und Rhithral. Gemäß Artensteckbrief des BAYERISCHEN LANDESAMTES FÜR
UMWELT (2012c) bewohnt sie das breiteste Spektrum an Gewässertypen und kommt in stehenden
bis langsam fließenden, kleineren und größeren Gewässern mit sandigem bis schlammigem
Untergrund vor. Vereinzelt wird sie auch auf Kiesgrund gefunden und besiedelt etwas schnellfließendere Bereiche als Anodonta cygnea (BAUMGÄRTNER & HEITZ 1995).
Die Flache Teichmuschel wird ausgewachsen rund 8–10 cm (BAUMGÄRTNER & HEITZ 1995) oder
sogar bis ca. 15 cm (BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT 2012c) lang. Sie nutzt alle Gewässerbereiche, wird jedoch selten tiefer als acht Meter beobachtet. BAUMGÄRTNER & HEITZ (1995) berichten, dass sie neben der ruhigen Strömung von Bächen und Flüssen sowie durchströmten Teichen
und Baggerseen auch Altwässer nutzt, die oft einen reichen Pflanzenwuchs aufweisen. In Hamburg bevorzugt sie aber Gewässer ohne submerse Vegetation (GLÖER & DIERCKING 2010).
Der Entwicklungszyklus der Teichmuschel ähnelt dem der Malermuschel, die Fortpflanzung erfolgt
jedoch im Herbst und die ca. 300.000–400.000 Glochidien werden erst im folgenden Jahr zwischen Januar und April ins Wasser abgegeben. Sie sind etwa 0,35 mm groß und können sich an
Flossen oder Kiemen von Wirtsfischen anheften. Ihre parasitäre Phase dauert ca. zehn Tage bis
vier Wochen. Nach ca. 2–4 Jahren sind die Jungmuscheln geschlechtsreif. Insgesamt kann die
Flache Teichmuschel bis zu 15 Jahre alt werden.
Als Wirtsfische von Anodonta anatina werden Bachforelle (Salmo trutta), Regenbogenforelle
(Oncorhynchus mykiss), Flussbarsch (Perca fluviatilis), Rotfeder (Scardinius erythrophthalmus),
Rotauge/Plötze (Rutilus rutilus), Döbel/Aitel (Squalius cephalus), Gründling (Gobio gobio), Güster
(Blicca bjoerkna), Schleie (Tinca tinca), Hasel (Leuciscus leuciscus), Moderlieschen (Leucaspius
delineatus), Aland/Nerfling (Leuciscus idus), Zander (Sander lucioperca), (Mühl-)Koppe/Groppe
(Cottus gobio) und Dreistachliger Stichling (Gasterosteus aculeatus) genannt (GLÖER & DIERCKING
2010; BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT 2012c).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Bei den Untersuchungen von BIOCONSULT (2016b) wurde die Flache Teichmuschel (Anodonta
anatina) 2013 weder in der Leine noch in der Ihme nachgewiesen, ihr Vorkommen kann jedoch
nicht ausgeschlossen werden, zumal bei den ergänzenden Untersuchungen im Frühjahr 2014
eine Anodonta-Art in der Ihme (S-7) und in der Leine unterhalb von Herrenhausen bei Seelze (S3) mit 1,3 bzw. 1,0 Individuen/m² nachgewiesen wurde (BIOCONSULT 2014). Dabei könnte es sich
um Anodonta anatina aber auch um Anodonta cygnea handeln.
69
nach den Angaben im Meldebogen 'Mollusken – Limnische Arten' der Erfassung von Tierarten in Niedersachsen, Stand
11/2014 (www.nlwkn.niedersachsen.de/download/21944/Suesswasserschnecken_und_-muscheln.pdf, Download vom
16.07.2015), der sich bezieht auf Jungbluth, J. H. (1990): Vorläufige 'Rote Liste' der bestandsbedrohten und gefährdeten
Binnenmollusken (Weichtiere: Schnecken und Muscheln) in Niedersachsen, unveröffentlicht
22.03.2016
ARSU GmbH, Oldenburg
Wasserrechtliches Erlaubnisverfahren für die Kraftwerke Herrenhausen und Linden
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Gewöhnliche Teichmuschel (Anodonta cygnea)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Die Gewöhnliche Teichmuschel (Anodonta cygnea)

ist eine nach der BArtSchV besonders geschützte Muschel-Art70,

ist nach der Roten Liste Deutschland (JUNGBLUTH & KNORRE 2011) gefährdet (Kat. 3),

ist in Niedersachsen gefährdet (Kat. 3 der Roten Liste)71.
Verbreitung
Angaben zur Verbreitung in Deutschland liegen nicht vor.
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Die Gewöhnliche Teichmuschel kann eine Länge von bis zu 20–25 cm und ein Alter von bis zu
30 Jahren erreichen. Sie ist limnophil und kommt vorwiegend im Litoral und Potamal von Seen,
Altwässern, Baggerseen oder langsam fließenden, häufig auch gestauten Bereichen sommerwarmer Bäche und Flüsse vor. Ihre höchsten Bestandsdichten erreicht sie auf schlammig-feinsandigem Untergrund. Hinsichtlich der Wasservegetation zeigt sie keine Präferenz (BAUMGÄRTNER &
HEITZ 1995; GLÖER & DIERCKING 2010; BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT 2012d).
Der Entwicklungszyklus von Anodonta cygnea gleicht dem der Flachen Teichmuschel. Im Gegensatz zu dieser ist die Gewöhnliche Teichmuschel aber zwittrig und die Befruchtung erfolgt bereits
im Sommer. Im Frühjahr werden dann zwischen Februar und April etwa 200.000–
600.000 Glochidien ins Wasser abgegeben. Als Wirtsfische werden Bachforelle (Salmo trutta),
Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss), Flussbarsch (Perca fluviatilis), Brachse/Brasse/Blei
(Abramis brama), Elritze (Phoxinus phoxinus), Laube/Ukelei (Alburnus alburnus), Hecht (Esox
lucius), Rotfeder (Scardinius erythrophthalmus), Güster (Blicca bjoerkna), Hasel (Leuciscus leuciscus), Aland/Nerfling (Leuciscus idus), Zander (Sander lucioperca), (Mühl-) Koppe/Groppe
(Cottus gobio) und Dreistachliger Stichling (Gasterosteus aculeatus) genannt (BAUMGÄRTNER &
HEITZ 1995; GLÖER & DIERCKING 2010; BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT 2012d).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Bei den Untersuchungen von BIOCONSULT (2016b) wurde 2013 die Gewöhnliche Teichmuschel
(Anodonta cygnea) weder in der Leine noch in der Ihme nachgewiesen, ihr Vorkommen kann
jedoch – vor allem im gestauten Bereich der Ihme – nicht ausgeschlossen werden, zumal bei den
ergänzenden Untersuchungen im Frühjahr 2014 eine Anodonta-Art in der Ihme (S-7) und in der
Leine unterhalb von Herrenhausen bei Seelze (S-3) mit 1,3 bzw. 1,0 Individuen/m² nachgewiesen wurde (BIOCONSULT 2014). Dabei könnte es sich um Anodonta cygnea aber auch um
Anodonta anatina handeln.
70
71
vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 25.06.2015
nach den Angaben im Meldebogen 'Mollusken – Limnische Arten' der Erfassung von Tierarten in Niedersachsen, Stand
11/2014 (www.nlwkn.niedersachsen.de/download/21944/Suesswasserschnecken_und_-muscheln.pdf, Download vom
16.07.2015), der sich bezieht auf Jungbluth, J. H. (1990): Vorläufige 'Rote Liste' der bestandsbedrohten und gefährdeten
Binnenmollusken (Weichtiere: Schnecken und Muscheln) in Niedersachsen, unveröffentlicht
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22.03.2016
Anhang 4 – Seite 6
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag
Abgeplattete Teichmuschel (Pseudanodonta complanata)
Schutz- und Gefährdungsstatus
Die Abgeplattete Teichmuschel (Pseudanodonta complanata)

ist eine nach der BArtSchV streng geschützte Muschel-Art72,

ist nach der Roten Liste Deutschland (JUNGBLUTH & KNORRE 2011) extrem selten und
vom Aussterben bedroht (Kat. 1),

ist auch in Niedersachsen vom Aussterben bedroht (Kat. 1 der Roten Liste)73.
Verbreitung
Der Hauptverbreitungsschwerpunkt der Abgeplatteten Teichmuschel ist Mitteleuropa und
Deutschland trägt eine besondere Verantwortung für den Schutz und Erhalt dieser Art
(BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT 2012a).
Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen
Die Abgeplattete Teichmuschel wird selten mehr als 8 cm lang und bis zu 20 Jahre alt. Sie ist
rheo- bis limnophil und lebt in den wenig bewegten Bereichen mittlerer und größerer Flüsse
(Strombuchten) und am Rand größerer Seen im Litoral und Potamal. Sie besiedelt vorzugsweise
den feinsandigen bis schlammigen Gewässergrund in bis zu elf Metern Tiefe. Dort gräbt sie sich
oft tief ins Substrat ein. Bereiche mit submerser Vegetation werden gemieden (BAUMGÄRTNER &
HEITZ 1995; GLÖER & DIERCKING 2010; BAYERISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT 2012a).
Über Verbreitung, Ökologie und Entwicklungszyklus von Pseudanodonta complanata ist noch
wenig bekannt. Die Art ist getrenntgeschlechtlich und die Befruchtung der Eier erfolgt von August
bis Oktober. Sie produziert nur etwa 5.000–50.000 Glochidien, die zwischen Januar und April ins
Wasser abgegeben werden. Als Wirtsfische werden Bachforelle (Salmo trutta), Regenbogenforelle
(Oncorhynchus mykiss), Fluss- und Kaulbarschbarsch (Perca fluviatilis, Gymnocephalus cerna),
Zander (Sander lucioperca) sowie Drei- und Neunstachliger Stichling (Gasterosteus aculeatus,
Pungitius pungitius) genannt (BAUMGÄRTNER & HEITZ 1995; GLÖER & DIERCKING 2010).
Die Jungmuscheln der Abgeplatteten Teichmuschel (Pseudanodonta complanata) sind besonders
empfindlich gegenüber Eutrophierung (BAUMGÄRTNER & HEITZ 1995; BAYERISCHES LANDESAMT FÜR
UMWELT 2012a).
Vorkommen im Einflussbereich der beantragten Benutzung
Bei den Untersuchungen von BIOCONSULT (2014, 2016b) wurde die Abgeplattete Teichmuschel
(Pseudanodonta complanata) weder in der Leine noch in der Ihme nachgewiesen, ihr Vorkommen in strömungsberuhigten Bereichen kann jedoch nicht ausgeschlossen werden.
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vgl. http://www.wisia.de/FsetWisia1.de.html, besucht am 25.06.2015
nach den Angaben im Meldebogen 'Mollusken – Limnische Arten' der Erfassung von Tierarten in Niedersachsen, Stand
11/2014 (www.nlwkn.niedersachsen.de/download/21944/Suesswasserschnecken_und_-muscheln.pdf, Download vom
16.07.2015), der sich bezieht auf Jungbluth, J. H. (1990): Vorläufige 'Rote Liste' der bestandsbedrohten und gefährdeten
Binnenmollusken (Weichtiere: Schnecken und Muscheln) in Niedersachsen, unveröffentlicht
22.03.2016
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