Welt online 27. Juli 2009, 11:17 Uhr Ferien-Sex Geschlechtskrankheiten als Urlaubsandenken Von Maren Peters Bei aller Leichtigkeit, die Ferien versprechen, sollten Sicherheitsaspekte beachtet werden. Dennoch bringen Touristen immer häufiger Geschlechtskrankheiten mit nach Hause. Seit Ende der 90er-Jahre beobachten Forscher einen Wiederanstieg bereits besiegt geglaubter sexuell übertragbarer Erkrankungen. Foto: dpa Ein kleiner Ferienspaß kann sich auf die Gesundheit auswirken mehr Bilder Liebe, Sex und Umfragen Wie oft? Wie lange? Die besten Partnerschafts-Studien 333 Fakten über Sex Wie lang, wie oft, wo und mit wem? „Der Grund ist nicht die gestiegene Reiseaktivität allein, sondern das allgemein gelockerte Sexualverhalten der Menschen“, sagt Norbert Brockmeyer von der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Ruhr-Universität Bochum und Sprecher des Kompetenznetzes HIV/Aids. Das Wissen über Krankheiten wie Syphilis und Gonorrhö – im Volksmund Lues und Tripper genannt –, aber auch um Chlamydieninfektionen sei kaum noch verbreitet. Sogar Ärzte übersehen manchmal die Symptome. Mit dem Rückgang der Geschlechtskrankheiten bis zum Jahr 2000 sind sie aus dem Bewusstsein verschwunden. Infolgedessen hat Deutschland nun eine der höchsten Syphilisraten Westeuropas. Der in der Praxis eindeutig zu beobachtende Anstieg aller sexuell übertragenen Infektionen resultiert nach Meinung der Experten jedoch nicht allein aus sorglosem Verhalten. „Es könnte auch sein, dass unsere HIV-Präventionsbotschaft durchaus angekommen ist“, sagt Brockmeyer. Tatsächlich scheinen sich viele sexuell Aktive mit häufig wechselnden Partnern aus Angst vor Aids beim Geschlechtsverkehr mit Kondomen zu schützen. Für andere Praktiken gilt dies nicht unbedingt. Der in der Aids-Aufklärung als relativ sicher propagierte Oralsex kann so als Multiplikator für Tripper, Syphilis und Co. wirken. „Das Tückische an einer Infektion im Hals ist, dass die Betroffenen häufig keine äußerlichen Symptome zeigen“, sagt Brockmeyer. Vor allem Chlamydien können sich so leicht verbreiten. Die Bakterien siedeln sich in der Schleimhaut an und führen zu häufig unbemerkten Entzündungen der inneren Geschlechtsorgane, die bei Männern und Frauen Unfruchtbarkeit hervorrufen können. Ein tragischer Verlauf, denn vor allem junge Menschen tragen diese Krankheitserreger in sich. Gleiches gilt für das humane Papillomvirus (HPV), das als ursächlich für Gebärmutterhalskrebs, Tumore der Mundschleimhaut und des unteren Enddarms gilt. Weiterführende Links • • • • • • "Flatrate"-Bordelle nach Razzia geschlossen Urlaubsrückkehrer bringen die Schweinegrippe mit Lustschreie bieten Schutz beim Sex Vierhundert Jahre im Dunkeln ohne Sex Das dunkle Geheimnis des Mannes Ärzte empfehlen gegen Unfruchtbarkeit mehr Sex • Auch beschnittene Männer übertragen das HI-Virus Besonders problematisch sind nicht diagnostizierte Erkrankungen von Schwangeren. Eine unerkannte Syphilis etwa kann eine Totgeburt auslösen oder aber auf das Kind übertragen und erst Jahre später festgestellt werden. Sie kann Zahndeformationen, Schwerhörigkeit und Schwellungen der Leber und Milz hervorrufen. „Ich möchte niemandem die Urlaubsfreuden vermiesen – im Gegenteil“, sagt Brockmeyer. Aber viele Krankheiten sind für den Laien nicht erkennbar und treten zunehmend in Ländern auf, in denen sie kaum jemand erwartet. So meldeten in den letzten Jahren Ärzte aus England und der Schweiz einen Anstieg der Syphilisinfizierten, genauso wie New York. Auch Großstädte wie Berlin, Hamburg, Frankfurt, Köln, München und das Ruhrgebiet, aber auch kleinere Städte wie Aachen kämpfen mit sich plötzlich häufenden Infektionen. „Natürlich ist nicht jedermann gleichermaßen gefährdet, sich anzustecken“, sagt Osamah Hamouda, Leiter des Fachgebiets Sexuell übertragbare Infektionen am Berliner Robert-KochInstitut (RKI). Aber bei entsprechender Lebensweise und Vorgeschichte bestehe ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Wie hoch dieses genau ist, kann der RKI-Fachmann nicht sagen. Außer für HIV, Hepatitis und Syphilis gibt es seit einigen Jahren keine Meldepflicht mehr für sexuell übertragbare Infektionen, sodass es keine sicheren Fallzahlen gibt. Doch ohne Fallzahlen sind Aufklärung und Prophylaxe schwierig. Was die Experten jedoch beunruhigt, ist der Anstieg von sogenannten Koinfektionen. Dabei leidet ein Patient gleich an zwei oder gar mehreren der genannten Krankheiten. „Da die Erreger leichter in eine bereits vorgeschädigte Schleimhaut eindringen können, ist die Ansteckungsgefahr für bereits von einer Geschlechtskrankheit Betroffene deutlich höher“, sagt Hamouda. Nach wie vor sind von den sexuell übertragbaren Krankheiten vor allem homo- und bisexuelle Männer betroffen. In dieser Gruppe sind die Koinfektionen von Syphilis und HIV sowie in der letzten Zeit auch von HIV und HepatitisC deutlich angestiegen. Gleiches dürfte auch für die nicht offiziell dokumentierten Krankheiten wie Gonorrhö gelten. Immerhin: Durch die seit 1995 allgemein empfohlene Impfung, sind durch Hepatitis-B-Viren verursachte Leberentzündungen rückläufig. Sozialpsychologe Phil Langer von der Universität München warnt aber vor einer Ausbreitung der HepatitisC. Und auch er mag den Anstieg der sexuell übertragenen Infektionen nicht einfach steigender Sorglosigkeit zuschreiben. „Die meisten wissentlich HIV-Positiven achten auf einen verantwortungsvollen Umgang“, sagt er. Der konsequente Gebrauch von Kondomen gehe bei vielen Homosexuellen allerdings eindeutig zurück. Einige Männer betreiben dafür eine Art Risikomanagement: Sie klassifizieren ihre möglichen Partner in HIV-positiv oder negativ. Je nach eigenem Status wird dann gegebenenfalls auf ein Kondom verzichtet. Da diese Einschätzungen zumeist subjektiv vorgenommen werden, besteht für Nichtinfizierte die Gefahr, falsch zu liegen und sich doch anzustecken, sagt Langer. Auf Koinfektionen wird zumeist gar nicht geachtet. Da die meisten Geschlechtskrankheiten heutzutage gut behandelbar sind, haben sie an Schrecken verloren. „Sogar eine HIV-Infektion erscheint vielen Menschen nicht mehr so lebensbedrohlich wie noch vor einigen Jahren“, sagt Langer. Themen • • • • • • Geschlechtskrankheiten Sex Urlaub Hepatitis HIV Syphilis Das Entscheidende ist jedoch die möglichst frühe Diagnose und Therapie. „Auch wenn der Gang zum Arzt als peinlich empfunden wird“, sagt Norbert Brockmeyer. Unbehandelte Infektionen verlaufen eindeutig unangenehmer, als eine Untersuchung es je sein kann.