Fit auch ohne Pillen und Pulver

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MEDIZINREPORT
ERNÄHRUNG FÜR SPORTLER
Fit auch ohne Pillen und Pulver
Foto: mauritius images
Nach dem Krafttraining
viel Eiweiß für die
Muskelmasse, vor dem
Wettkampf Kohlenhydrate
und ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Welche
Ernährungsempfehlungen
sind für Breiten- und
Leistungssportler tatsächlich sinnvoll?
thleten im antiken Griechenland tranken vor Wettkämpfen einen Becher Stierblut in der
Überzeugung, ihre Muskeln zu stärken. Diese rund 2 500 Jahre alte
Idee ist nach wie vor aktuell: Welche Lebensmittel, welche Inhaltsstoffe, welche Ernährungsstrategien
lassen die Muskeln wachsen, bringen mehr Ausdauer und ermöglichen sportliche Bestleistungen?
Breitensportler, die bis zu einer
Stunde pro Tag joggen, schwimmen
oder Tennis spielen, verbrennen dabei maximal 400–800 kcal. Sie
brauchen sich keine Gedanken um
ihren Speiseplan zu machen, denn
der Mehrbedarf lässt sich problemlos über die normale Ernährung
(entsprechend den Empfehlungen
der Deutschen Gesellschaft für Ernährung) decken. Anders bei Sportlern, die nach überdurchschnittlicher Leistung streben und dafür eine bis drei Stunden täglich trainieren – etwa um bei einem Marathon
mitzulaufen. Bei ihnen kann die Ernährung über Erfolg oder Misserfolg entscheiden: „Wer gut trainiert,
aber schlecht isst, wird immer unter seinen Möglichkeiten bleiben“,
A
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 112 | Heft 31–32 | 3. August 2015
sagte Hans Braun, Ernährungswissenschaftler an der Deutschen
Sporthochschule Köln. Pauschale
Ratschläge gebe es aber nicht:
„Sporternährung funktioniert nicht
nach Schema F, sondern ist sehr individuell, abgestimmt auf Sportart,
aktueller Trainingsphase und den
Zielen des Athleten.“
Individueller Energiebedarf
Wie differenziert die Ernährung von
Spitzensportlern geplant sein muss,
zeigen die großen Unterschiede
im Körpergewicht. Kunstturner oder
Marathonläufer wiegen oft nur 55 kg,
Basketballspieler oder Gewichtheber
können mit 120 kg noch zu leicht
sein. Entsprechend schwankt der individuelle Energiebedarf von 2 000
bis 8 000 kcal pro Tag.
Ist die Energiezufuhr ausreichend, kann die normale Ernährung
den Körper mit allen wichtigen
Nährstoffen versorgen, auch mit
Protein. Ausdauer- und Kraftsportler brauchen mit 1,2–1,7 g/kg KG
zwar mehr als Freizeitsportler
(0,8 g). Doch auch der erhöhte Bedarf lässt sich problemlos mit magerem Fleisch, Käse, Quark, Milch,
Eier, aber auch Mandeln, Vollkornbrot oder -nudeln decken. „Eine zusätzliche Einnahme von Proteinund Aminosäurepräparaten ist nicht
nötig“, so Braun. Allerdings sollten
Sportler, die auf ihr Gewicht achten
müssen, auf eine ausreichende Proteinversorgung achten. Für sie könne ein Eiweißshake manchmal eine
praktische Lösung sein, „jedoch nur
aus organisatorischen, nicht aus
physiologischen Gründen.“
Auch das Timing spielt eine Rolle: Idealerweise verteilen Sportler
die Proteinzufuhr auf mehrere kleine Portionen am Tag. Und es gibt
Hinweise, dass die Muskelproteinsynthese optimal angeregt wird,
wenn Sportler nach einem Krafttraining 15–25 g Protein aufnehmen; eine Menge, die etwa in 150 g
Magerquark oder einem halben Liter Kakao steckt. Höhere Mengen
Eiweiß verwertet der Organismus
schlicht als zusätzliche Energiequelle. Grundsätzlich gilt: „Muskelmasse wird durch Training aufgebaut, nicht durch den Verzehr von
Eiweiß“, so Braun.
Kohlenhydrate sind der zentrale
Brennstoff beim Sport und eine ent-
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scheidende Stellschraube für den
Erfolg. Galt bis in die 1990er Jahre
die pauschale Empfehlung, reichlich Kohlenhydrate zu essen, sind
die Strategien heute individuell und
fein abgestimmt: Je nach Trainingsphase wird für die Zufuhr vor, während und nach der Belastung differenziert. Die Spannweite reicht von
3 g bis 12 g Kohlenhydrate/kg KG.
Low-Carb-Diäten sind kritisch
Eine optimale Versorgung mit Kohlenhydraten ist immer dann wichtig, wenn Schnelligkeit gefragt ist:
„Dann muss genug Sprit im Tank
sein“, erklärte Braun. „Wer mit
schlecht gefüllten Energiespeichern
startet, kommt zwar ins Ziel, aber
nicht in der Bestzeit.“ Low-CarbDiäten seien für Leistungssportler
daher kritisch: Sie können die Leistungsfähigkeit mindern, die Trainingsanpassung reduzieren und die
Infektanfälligkeit erhöhen.
Ab einer Belastungsdauer von
45 Minuten kann die Zufuhr von
30–60 g Kohlenhydrate pro Stunde
helfen, körperlich und geistig fit zu
bleiben. Praktisch sind Sportgetränke, Kohlenhydratgele oder -riegel:
Sie haben sich bei intensiven Dauerbelastungen bewährt, etwa im
Spielsport, bei Radfahrern oder
Läufern. Wer dagegen Golf, Bogenschießen oder eine andere Sportart
langer Dauer und niedriger Intensität ausübt, kann Kohlenhydrate
zwischendurch auch über Brot, Bananen oder Kekse nachschieben.
Sportler müssen trinken, um ihre
Flüssigkeitsverluste auszugleichen.
Je nach Sportart und -dauer, Trainingszustand und Außentemperatur
kann es sich um mehrere Liter pro
Belastung handeln. Da der Organismus den Wasserhaushalt fein und
vielfältig reguliert, ist in der Regel
auf das Durstgefühl Verlass. Bereits
bei einem Flüssigkeitsverlust von
ein bis drei Prozent des Körpergewichts – das entspricht etwa einem
halben Liter – sinkt die Leistungsfähigkeit: Dann meldet sich Durst.
Untrügliche Anzeichen sind ein trockener Mund und dunkler Urin.
„Anders als häufig empfohlen
hat Trinken ohne Durst oder über
den Durst hinaus keine Vorteile“,
berichtete Prof. Dr. oec. troph. Hel-
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mut Heseker von der Universität
Paderborn.
Im intensiven Training oder
Wettkampf sind Sportgetränke sinnvoll, weil sie die Leistungsfähigkeit verbessern können. Sie versorgen den Körper rasch mit Wasser,
Kohlenhydraten und Natrium. Isooder leicht hypotonische Getränke
erfüllen diese Bedingungen am besten. Sie enthalten 30 bis 80 g Kohlenhydrate pro Liter, am besten als
Gemisch aus Glukose und Fruktose, der Natriumgehalt liegt zwischen 400 und 1 100 mg pro Liter.
Freizeitsportler brauchen keine Spezialgetränke, im Gegenteil: „Wer
joggt, um abzunehmen, sollte auf
die Kohlenhydratkalorien in Sportgetränken verzichten und nur Wasser trinken“, riet Heseker. Ungeeignete Durstlöscher wie koffeinhaltige Energydrinks, Fruchtsäfte, Limonaden, Eistees und Malzbier
sind stark hyperton und bewirken
eine kurzfristige Dehydratation mit
möglichem Leistungseinbruch. Auch
alkoholfreie Weizenbiere sind keine
gute Wahl. Sie sind zwar isoton,
enthalten aber statt Natrium viel
Kalium. „Damit führen wir den falschen Mineralstoff zu“, so Heseker.
Bei moderater Belastung reiche eine selbst gemixte Saftschorle aus.
Weniger ist mehr – das gilt auch
für den großen Markt der Nahrungsergänzungsmittel. 67–91 Prozent der
Leistungssportler konsumieren solche Produkte, oft sogar mehrere
gleichzeitig. Am beliebtesten sind
Präparate mit Vitaminen und Mineralstoffen. Anders als die Werbung
verspricht, können sie aber weder
die Leistung steigern, noch das Immunsystem stärken oder vor Krankheiten schützen. Im Gegenteil: Es
besteht die Gefahr der Überdosierung, insbesondere bei Athleten, die
hochkalorische Kost essen und darüber bereits viele Vitamine und Mineralstoffe aufnehmen. „Solche Präparate kommen nur in Frage, wenn es
nicht gelingt, den Bedarf über Lebensmittel zu decken“, sagte Dr.
oec. troph. Stephanie Mosler, Ernährungswissenschaftlerin am Universitätsklinikum Ulm. Ein „Renner“ sind auch Präparate mit Antioxidanzien, weil sie Zellschutz und
eine schnellere Regenerierung ver-
sprechen, Infekten und Sportverletzungen vorbeugen sollen. Ein Trugschluss: Sie sind überflüssig und
kontraproduktiv für gut trainierte
Sportler. „Zum einen haben sie eine
erhöhte körpereigene antioxidative
Kapazität, zum anderen fördert ein
gewisser zellulärer Stress die Adaptation, indem er zur Freisetzung
von Wachstumsfaktoren und zur
Bildung bestimmter Proteine in
den Mitochondrien führt“, erklärte
Mosler.
Zu den Nahrungsergänzungsmitteln, deren Wirkung wissenschaftlich anerkannt ist und die bei adäquater Dosierung eine Leistungssteigerung ermöglichen, gehören
klassische Sportprodukte wie Elektrolyt-Getränke, Kohlenhydratgele
oder -riegel, medizinische Produkte
wie Eisen- und Kalziumpräparate,
ergogene Substanzen wie Koffein,
Kreatin oder Natriumbicarbonat.
Koffeinassoziierte Risiken
Koffein kann bei Ausdauersportlern
einer muskulären Ermüdung vorbeugen. Im Kraftsportbereich kommt
Kreatin zum Einsatz. Es vermag die
Leistungsfähigkeit zu fördern, die
Muskelmasse zu vergrößern und
die Maximalkraft zu erhöhen. Allerdings führt seine Einnahme zu einer
verstärkten Wasseransammlung mit
Gewichtzunahme, einem erhöhten
Verletzungsrisiko und möglichen
Nierenschäden.
Nahrungsergänzungsmittel gelten
als Hauptquelle für Dopingsubstanzen. Dabei unterscheidet man kontaminierte Präparate, die unbeabsichtigt pharmakologisch irrelevante
Mengen verbotener Substanzen enthalten. Gefälschten Präparaten hingegen werden bewusst Dopingsubstanzen beigemengt, ohne Deklaration. Dennoch werben sie mit den
▄
Wirkungen dieser Substanzen.
Dipl. oec. troph. Dorothee Hahne
Quelle: Workshop „Essen – Trinken – klar zum
Start“ – Änderung des Nährstoffbedarfs durch
sportliche Aktivität und deren Berücksichtigung in
der Ernährungspraxis. Veranstalter: Institut Danone
Ernährung für Gesundheit e.V. in Kooperation mit
der Deutschen Sporthochschule Köln
In der Service-Datenbank Kölner Liste finden
Sportler einen guten Überblick über Nahrungsergänzungsmittel, die auf Anabolika und Stimulanzien überprüft und negativ getestet worden sind.
Wer dort gelistete Produkte einnimmt, reduziert
das Risiko, in eine Dopingfalle zu tappen
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 112 | Heft 31–32 | 3. August 2015
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