a-ling - Uni Bielefeld

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!"# nominal categories in Urum
JANINA ABELS &
VERENA REUSCH
KENDRA GROTZ
LINA THULL &
BETTINA REMPEL
SINA VAN ZIJP,
JAQUELINE WILD &
FREDERIC ZÄHRES
Inhalt, Struktur und
Eigenschaften der
Nominalphrase in Urum (1-4)
Lokale Kasus in Urum (5-8)
Possession im Urum (9-17)
Vokalharmonie des
Genitivsuffixes im Urum
(19-23)
a-ling
Inhalt, Struktur und Eigenschaften der Nominalphrase in Urum
Janina Abels, Verena Reusch
University of Bielefeld, Bielefeld, Germany
[email protected], [email protected]
Abstract
This article examines the general structure of the noun phrase
in Urum. Our approach contains analyzing the vital parts of
NPs such as determiners and adjectives with reference to word
order and common structures of the Turkish noun phrase. The
results of this work prove, that Urum is closely related to
Turkish, because the main properties of the Turkish noun
phrase, i.e. head-final word order inside the phrase, the
absence of concord or gender and the employ of the
demonstrative pronoun in the role of an article.
1. Einleitung
Dieser Artikel untersucht die Struktur der Nominalphrase in
der Turksprache Urum, die im Kaukasus von ca. 1500
Menschen gesprochen wird und intensiven Kontakt zum
Russischen hat. Die schrumpfende Sprechergemeinschaft
dieser Minderheitensprache besteht aus Menschen griechischer
Abstammung, deren Vorfahren aus der Türkei nach Georgien
eingewandert sind; somit haben vier Sprachen mehr oder
weniger Einfluss auf Urum gehabt und haben es noch. Unsere
Frage ist die, ob das Türkische hier eine Sonderstellung inne
hat und das Urum in erhöhter Weise prägt. Die Nominalphrase
als grundlegende sprachliche Struktur erschien uns als
geeigneter Ansatzpunkt diese Frage zu beantworten, da es
unterschiedliche Möglichkeiten gibt eine solche zu realisieren.
Im Türkischen beispielsweise existieren keine Definitartikel, im
Russischen allerdings
unter Umständen schon. Die
Reihenfolge der einzelnen Elemente innerhalb der
Nominalphrase ist von Sprache zu Sprache sehr
unterschiedlich, so dass auch dies einen angemessenen
Forschungsgrund darstellt. Unsere Arbeit konzentriert sich auf
den Vergleich mit dem Türkischen, hierfür werden in
Abschnitt 2 zunächst die Mechanismen von Interesse in der
türkischen Grammatik beleuchtet und dann in Abschnitt 4
nach der Methode, die in Abschnitt 3 erläutert wird, mit den
Daten des Urum verglichen. Abschnitt 5 fasst unsere
wichtigsten Erkenntnisse noch einmal zusammen und gibt
Ideen die Forschung fortzuführen.
2. Hintergrund
2.1. Die Nominalphrase
Um einen Rahmen für diese Arbeit zu legen, ist es zunächst
vonnöten zu klären, was eine Nominalphrase im Allgemeinen
ausmacht. Generell lässt sich sagen, dass eine Nominalphrase
eine syntaktische Kategorie ist, welche die Subjekt- oder
Objektfunktion in einem Satz ausfüllen kann. Als eine phrasale
Kategorie zeichnet sie sich durch die Besetzung der
Kopfposition aus: Eine XP hat X als Kopf und eine NP somit
N ([1]: 24).
2.2. Die Realisierung der NP im Türkischen
Um die türkische Nominalphrase eingehender zu betrachten
widmen wir uns folgenden Fragestellungen:
1. Was beinhaltet eine türkische NP?
2. Wie werden ihre Subkonstituenten angeordnet?
3. Welche morphologischen Eigenschaften werden in der NP
markiert?
Ersteres ist an den Beispielen (1-4) gut ersichtlich: Die NP
besteht aus dem obligatorischen nominalen Kopf sowie den
optionalen Modifikatoren. Letztere gehören zu der Klasse der
Determinanten oder der Adjektive. Die NP kann folglich
unterschiedlich komplex sein – von dem einfachen Kopf wie
in (1) zu mehrteiligen NPs bestehend aus dem Kopf und den
Modifikatoren (2-4). Hier wird außerdem deutlich, dass das
Türkische keine Artikel im Sinne des Deutschen kennt,
sondern Demonstrativpronomina oder Zahlwörter in dieser
Funktion verwendet.
(1) inek
Kuh
'die Kuh'
(2) bu
inek
diese/r/s Kuh
'diese Kuh'
(3) bir
inek
eins
Kuh
'eine Kuh'
(4) bu
büyük inek
diese/r/s groß Kuh
'diese große Kuh'
Zur Frage der Anordnung der Subkonstituenten innerhalb
einer NP werden die Beispiele (4-7) angeführt. Hier zeigt sich,
dass die Unterordnung von Phrasen linksverteilend ist. Das
heißt, dass der Kopf am Ende der Phrase und die Attribute
(wie Adjektive (5-8), Zahlwörter (8) und Determinierer (6-7))
vor dem Bezugsnomen stehen. Attributive Adjektive können
im Türkischen aus einfachen Adjektiven wie büyük 'groß' oder
yeni 'neu' bestehen bis hin zu vielen unterschiedlichen
komplexen Formen und Relativsätzen. Im Folgenden werden
die einfachen Adjektive betrachtet sowie die etwas
komplexeren possessiven Adjektive (s.u.).
Attributiv gebrauchte Adjektive stehen in der Regel vor dem
Substantiv und lassen einen unausgesprochenen bestimmten
Artikel
mitschwingen
(5).
Wird
stattdessen
ein
Demonstrativpronomen verwendet, wird es noch vor das
Adjektiv gesetzt (6). Anders wird der Fall allerdings bei der
Kombination aus Adjektiv und unbestimmtem Artikel, der sich
zwischen dem Adjektiv und dem Substantiv zeigt (7). Diesst
eine auffällige Eigenschaft des Türkischen, die nicht im
Einklang mit den allgemeinen Wortstellungsregelmäßigkeiten
der Nominalphrase in dieser Sprache ist, wie sie von Lewis
(1979) und Schröder beschrieben werden. Auch Kardinal- und
Ordinalzahlen in attributiver Form gehen dem Substantiv
direkt voran (8). Steht ein Adjektiv in postnominaler Possition,
ist es nicht mehr ein Modifikator der NP. In diesem Fall hat es
eine prädikative Funktion, wie an Beispiel (9) ersichtlich wird
(vgl. [2]: 117, 170f.; [3]: 429).
(5) büyük ev
groß Haus
'das große Haus'
(6) bu
büyük ev
diese/r/s groß Haus
'dieses große Haus'
(7) büyük bir
ev
groß eins
Haus
'ein großes Haus'
(8) elli
iki
öğrenci
fünfzig zwei Schüler
'zweiundfünfzig Schüler'
(9) ev
büyük
Haus groß
'Das Haus ist groß.'
Zuletzt zur Frage, welche morphologischen Eigenschaften in
der NP im Türkischen markiert werden. Der Kopf der NP kann
bezüglich des Numerus, der Possession und des Kasus flektiert
werden, im Gegensatz zum Deutschen weist das Türkische
kein Genus auf. Der Numerus wird nur für den Plural markiert,
diese Markierung ist allerdings fakultativ. Wird beispielsweise
durch ein Numeral schon der Plural angezeigt, entfällt die
Markierung des Kopfes durch das Pluralsuffix (10) ([2]: 148).
(10)
üç
çocuk
drei
Kind
'drei Kinder'
Durch die Markierung der Possession wird Aufschluss über die
grammatische Person gegeben ([2]: 151). Eine NP im
Akkusativ, Dativ, Lokativ, Ablativ oder Genitiv wird in der
Regel markiert.
Die genannten Kategorien werden ausschließlich am Kopf der
NP durch das Anhängen von Suffixen markiert. Es findet keine
Markierung der Subkonstituenten der NP statt – das Türkische
weist hier also keine Kongruenz auf.
Der Kopf einer NP kann unterschiedliche Grade an
Komplexität aufweisen. Wie im Beispiel (1) kann es sich um
ein einfaches Nomen handeln. Andere Möglichkeiten sind
Pronomina oder Komposita ([2]: 145). In diesem
Zusammenhang sind auch die für das Türkische typischen
genitiv-possessiven Konstruktionen zu nennen. Diese bestehen
aus zwei NPs, wovon die erste NP durch ein Genitivsuffix und
die zweite NP durch ein Possessivsuffix markiert ist (11). Das
zweite Nomen, welches die Possessivmarkierung trägt, ist der
Phrasenkopf.
(11)
Fatma-nın
ev-i
Fatma-GEN Haus-3SG.POSS
'Fatmas Haus'
2.3. Zielsetzungen
Mit den Eigenschaften des Türkischen als Hintergrund werden
wir die Urumdaten bearbeiten, um zu ermitteln, ob die
Sprecher dieser Sprache die einschlägigen Eigenschaften der
Struktur der Nominalphrase des Türkischen beibehalten oder
unter dem Einfluss des Russischen wesentliche Abweichungen
von der ursprünglichen Struktur dieser Phrasen zu beobachten
sind. Die Fragestellungen ergeben sich aus denen, die schon
zum Türkischen bearbeitet wurden:
1. Was beinhaltet die NP?
2. Wie werden ihre Subkonstituenten angeordnet?
3. Welche morphologischen Eigenschaften werden in der NP
markiert?
3. Methode
Die Phänomene von Interesse werden anhand der im Feld
gesammelten Daten des Urum Documentation Projects
untersucht. Einerseits wurde die Urum Narrative Collection
[5] betrachtet, die ein Korpus von spontanen Erzählungen
einheimischer Sprecher des Urum darstellt, die von
Muttersprachlern transkribiert und ins Englische übersetzt
wurden, während andererseits auch kontrollierte Daten aus den
Urum Basic Grammatical Sturctures [7] verwendet wurden,
für die den Sprechern russische Zielsätze (sog. Targets)
vorgegeben wurden, die sie auf Urum wiedergeben sollten.
Die Fragestellungen werden anhand der Daten überprüft und
mit einschlägigen Beispielen belegt oder gegebenenfalls
widerlegt.
4. Befunde
4.1. Subkonstituenten der NP
Die Nominalphrase im Urum beinhaltet ein Nomen als Kopf
und in (12) auch ein Attribut. Da im Türkischen keine
bestimmten Artikel vorkommen liegt das Augenmerk nun
darauf herauszufinden, ob dies in Urum auch der Fall ist, oder
ob aufgrund des Einfluss des Russischen Artikel vorkommen,
wenn eine bereits ins Gespräch eingeführte Information erneut
genannt wird. Hierzu wurden Beispiele aus der Pear Story aus
der Urum Narrative Collection [5] gewählt, die
wiederkehrende Motive enthält.
In (12) werden die "kleinen Kinder" erstmalig erwähnt, zwei
Sätze später werden sie in (13) wieder genannt und mit dem
aus dem Türkischen bekannten Demonstrativpronomen in der
Funktion eines unbestimmten Artikels versehen, außerdem
wird angesprochen, dass jedes Kind eine Birne nimmt, die
dann wiederrum zwei Sätze später, in (14) von ihnen gegessen
wird. Die Birnen in (13) besitzen keinerlei Artikel, und die
Birnen in (14) ebensowenig, obwohl es sich um eine wieder
aufgegriffene Information handelt. Daraus kann geschlossen
werden, dass auch das Urum über keinen bestimmten Artikel
verfügt.
(12)
orada durierdılär
chüchüq ushaxlar
there standing_were little
children
'There were little children standing.'
(13)
bu
ushaxlar birärtänä
armut aldılar,
these children one_by_one pear took_they
gettılär
airi
yolunan
went_they other road_with
'These children took one pear each and went the other
way.'
baxti
qidä ushaxlar gächierlär
looked_he that
children
passing_are
ierlär
armut
eating_are pear
'He saw that the children were eating pears.'
(14)
4.2. Wortstellung innerhalb der NP
Im Türkischen ist eine klare Linksverteilung in der
Phrasenstruktur zu erkennen, das Spezifizierte steht hinter dem
Spezifizierenden. Nun ist zu überprüfen, ob auch das Urum
einen solchen Aufbau aufweist. Anhand der Urum Narrative
Collection wurde eine Suche bezüglich der Modifikatoren
durchgeführt. Wie zu erwarten, stehen alle Modifikatoren in
Urum ebenfalls links des Kopfes. Dies gilt für den
Indefinitartikel (15), Adjektive (16) und Numerale (17-18).
Besteht eine NP aus mehreren Modifikatoren, treten die
Modifikatoren in der Reihenfolge Indefinitartikel vor Numeral
vor Adjektiv auf (19-21). Daraus wird ersichtlich, dass sich das
Urum hinsichtlich der Reihenfolge der Modifikatoren vom
Türkischen unterscheidet, da im Türkischen der Indefinitartikel
hinter dem Adjektiv steht (vgl. 7).
(15)
bir
adam
one
man
'a man'
(16)
qirli karzinasi-inän
dirty basket-INSTR
'with the dirty basket'
(17)
bir
saat-tan
one
hour-ABL
'after one hour'
(18)
vasemnadsati vektä
eighteenth
century
'eighteenth century'
(19)
o
bir
that
one
'one child'
usag
child
(20)
bir
çüçüq qörpi
one
small bridge
'a small bridge'
(21)
bir
çüçüq
oglan baxti
one
handsome little boy
'a handsome little boy'
In (17) fällt auf, dass bir, welches zuvor als unbestimmter
Artikel eingeführt wurde, hier eine Kardinalzahl darstellt. Dies
wird aus dem semantischen Zusammenhang klar, denn bir –
eins könnte in diesem Fall durch zwei ersetzt werden, aber
nicht durch der. der.
4.3. Morphologie innerhalb der NP
Wie aus Abschnitt 2.2. ersichtlich ist, findet innerhalb der NP
im Türkischen keine Kongruenz statt. Die Markierungen der
Kategorien Numerus, Kasus und Possession werden nur am
Nomen sichtbar. Für das Urum stellt sich die Frage, ob
Kongruenz innerhalb der Nominalphrase entdeckt werden
kann. Würde sich vermehrte Markierung feststellen lassen,
wäre dies auf den Einfluss des Russischen zurückzuführen.
Die Markierung des Kasus findet ausschließlich am Nomen
statt, wie in (16) aus Abschnitt 4.2. zu sehen ist. Auch der
Numerus wird am Substantiv erkennbar. Vergleicht man (12)
mit (22), zeigt sich, dass die Endung -lar in (12) den Plural
markiert. Des weiteren zeigt sich, dass das Adjektiv çüçüq
keinen Plural anzeigt. In (23) wird schließlich ersichtlich, dass
die Markierung aller drei Kategorien am Nomen geschieht.
(12)
orada durierdılär
çüçüq
ushaxlar
there standing_were little
children
'There were little children standing.'
(22)
gäldi ushax velosipednän
came child bike_by
'There came a boy by bike.'
(23)
qi qöti
is-lär-im-i
to bad
thing-PL-POSS.1.SG.-ACC
'to cover expenses'
ortem
cover
Weiterhin soll noch geprüft werden, inwiefern das Urum über
genitiv-possessiv Konstruktionen verfügt. Bei der Sichtung der
Daten fällt auf, dass die Sprecher größtenteils zuerst das durch
das Genitivmorphem markierte Nomen nennen und an zweiter
Stelle das Nomen mit der Possessivmarkierung (24). In circa
6% der Fälle findet sich diese Konstruktion in umgedrehter
Reihenfolge, wie in Beispiel (25). Die, im Vergleich zum
Türkischen, hohe Anzahl an kopfinitialen genitiv-possessiven
Konstruktionen könnte durch den Einfluss des Russischen,
welches eine kopfinitiale Sprache ist, erklärt werden (vgl. [7]).
(24) bän-ım
1.SG-GEN
baba-m-ın
father-POSS.1.SG-GEN
deduşka-si
grandfatherPOSS.3
'the grandfather of my father'
(25)
ğat-ier-lär
maya-sın-i
peinır-ın
add-PROG-3.PL whey-POSS.3-ACC cheese-GEN
'they add cheese's whey'
Zuletzt wird noch die Existenz spezifischer Genusmorpheme
untersucht, die im Türkischen nicht vorkommen ([3]: 302).
Wie in allen bisher aufgeführten Beispielen aufgefallen sein
dürfte, stach nirgends ein Genusmorphem oder ein generischer
Artikel hervor. In den Beispielen (26-27) taucht ebenso wenig
ein erkennbares Genus auf, obwohl auf lexikalischer Ebene ein
eindeutiger Unterschied besteht.
(26)
(27)
petros argishi-dır
Petros man_is
'Petros is a man'
maria ɣari-dır
Maria woman_is
'Maria is a woman.'
5. Abschließende Bemerkungen
Die obige Analyse der Originaldaten des Urum im Vergleich
mit den Eigenheiten des Türkischen zeigt die nahe
Verwandtschaft dieser beiden Sprachen. Als Subkonstituenten
einer Nominalphrase besitzen sowohl Urum als auch Türkisch
Modifizierer wie Determinierer, Adjektive und Numerale, die
in beiden Sprachen links des Kopfes stehen. Dies lässt sich
sagen, obwohl der Sonderfall des unbestimmten Artikels
zwischen dem Adjektiv und dem Kopf aus (7) sich nicht im
Urum finden lässt, da dieser auch den allgemeinen türkischen
Wortstellungsregeln widerspricht. Die Morphologie beider
Sprachen sieht weder Genusmorpheme vor, noch Kongruenz
innerhalb der Nominalphrase; alle kategoriellen Informationen
werden durch den Kopf, also das Nomen, ausgedrückt; so dass
es auch hier große Überschneidungspunkte gibt.
Weiterführend wäre es interessant direkte Vergleiche wie
diesen mit dem Russischen durchzuführen, um zu untersuchen
ob bzw. welche Strukturen oder Mechanismen aus dieser
Sprache, die ebenfalls starken Kontakt zum Urum hat,
übernommen wurden und ob bzw. wie sich diese mit dem
sprachlichen Erbe des Türkischen im Urum arrangieren.
6. Zitierte Literatur
[1] Alexiadou, A.; Haegeman, L.; Stavrou, M. (2007): Noun
Phrase in the Generative Perspective. Berlin u.a.: de
Gruyter.
[2] Göksel, A.; Kerslake, C. (2005): Turkish: A
Comprehensive Grammar. London u.a.: Routledge.
[3] Kornfilt, J. (1997): Turkish. London u. a.: Routledge.
Lewis, G.L. (????): Turkish Grammar. Oxford u. a.:
Oxford University Press
[4] Payne, T.E. (2006): Exploring Language Structure. A
Students Guide. Cambridge u.a.: Cambridge
University Press.
[5] Skopeteas, S.; Moisidi, V. (2011): Urum Narrative
Collection.
http://urum.lili.unibielefeld.de/download/docs/uum-text.pdf (29.09.2012).
[6] Skopeteas, S. (2011): Language documentation in
repeated-observations design: Directionality of
syntactic projections in Urum. In: Austin, P.; Bond, O.;
Marten, L.; Nathan, D. (Hrsg.): Proceedings of
Conference on Language Documentation and
Liguistic Theory 3. London: School of Oriental and
African Studies, 257-266.
[7] Verhoeven, E.; Moisidi, V.; Yordanoglu, E. (2011):
Urum
Basic
Grammatical
Structures.
http://urum.lili.uni-bielefeld.de/download/docs/uumsentence.pdf (29.09.2012)
Lokale Kasus in Urum
Kendra Grotz
Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland
[email protected]
Abstract
In this article, I examine how the locative and the ablative, the
two local cases, are applied in Urum in order to express local
relations. Since this language is based on Turkish, I assume a
considerable amount of equality in this respect. The focus will
be on the usage of suffixes as well as on the consistency of
usage: this involves static situations in connection with the
locative, and situations in motion in connection with the
ablative. In doing so, slight exceptions and abstractions will be
pointed out.
1. Einleitung
Das Kaukasische Urum ist eine weitestgehend unbekannte
Sprache und bislang nur wenig erforscht worden. Die lokalen
Relationen, also der Forschungsgegenstand dieses Papiers,
werden sprachlich völlig anders realisiert als zum Beispiel im
Deutschen oder Spanischen, außerdem lassen sie manchmal
Rückschlüsse zu über das Konzept, das die Sprecher des Urum
von einer Situation haben. In diesem Fall ist dies das Konzept
von der lokalen Situation, das sich von den Konzepten der
Sprecher anderer Sprachen immerhin im gleichen Maße
unterscheiden kann wie ihre sprachliche Realisierung. Es ist
also im weitesten Sinne auch ein minimaler Teil des Weltbilds
der Sprecher, das man durch die Forschungsfrage
kennenlernen kann.
Diese dreht sich im Folgenden darum, wie genau die
beiden lokalen Kasus, der Lokativ und der Ablativ, im Urum
verwendet werden, um lokale Situationen auszudrücken. Auch
der Dativ erfüllt diese Funktion zum Teil; er wird in diesem
Papier allerdings nicht genauer untersucht, da gerade die
lokalen Kasus mit ihrem weniger häufigen Auftreten in den
Sprachen der Welt ein interessanterer typologischer Aspekt
sind. Um die Forschungsfrage nach der Verwendung der
lokalen Kasus zu klären, werde ich zunächst einen
Hintergrund geben, indem ich die allgemeinen Informationen
über die lokale Situation sowie einen Überblick über die
Enkodierung lokaler Situationen in den relevanten Sprachen
Türkisch und Russisch anbiete (sieht Abschnitt 3). Abschnitt 4
behandelt die grundlegenden Eigenschaften der lokalen Kasus
des Urum anhand von Korpusdaten. Die Schlussfolgerungen
dieser empirischen Studie fasse ich als Antwort auf die
Forschungsfrage im Abschnitt 5 zusammen.
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Lokale Kasus
Im Allgemeinen drücken lokale Kasus, wie der Name schon
andeutet, räumliche Konzepte aus, genauer gesagt Konzepte
von Standort, Ziel, Herkunft und Weg. Wenn Sprachen
flektierende Kasussysteme benutzen, werden dafür mindestens
zwei Kasus verwendet, so zum Beispiel der Lokativ und der
Ablativ in indoeuropäischen Sprachen. Sie zeigen die Position
bzw. die Herkunft eines Objekts an. Hinzu kommt der das Ziel
oder den Weg kennzeichnende Akkusativ, dessen Aufgabe im
Türkischen der Dativ übernimmt, in anderen Sprachen
stattdessen auch der Allativ (Blake 1994: 153).
Die sprachliche Realisierung solcher Konzepte geschieht
durch Sprachzeichen, die als lokale Relatoren bezeichnet
werden und ein lokales Verhältnis zwischen lokalisiertem
Objekt und Bezugsobjekt ausdrücken (Lehmann 1992: 630).
Besonders umfangreiche lokale Kasussysteme ergeben sich
dabei aus einer Kombination von diesen Sprachzeichen bzw.
Kennzeichnungen für eine verhältnismäßige räumliche
Orientierung mit Kennzeichnungen für Standort, Ziel,
Herkunft und Weg. Wie unter anderem in den Nordöstlichen
Kaukasischen Sprachen der Fall, sind sie verantwortlich für
den großen Umfang eines gesamten Kasussystems einer
Sprache; so machen von 27 Kasus in Awarischen allein 20 die
lokalen Kasus aus (Blake 1994: 153f.).
2.2 Lokale Situation
Die Struktur einer lokalen Situation, also einer, die explizit im
Raum und nicht davon unabhängig stattfindet, beinhaltet
verschiedene konzeptuelle Komponenten: hauptsächlich den
Situationskern, der (im Regelfall durch ein Verb) die lokale
Situation statisch oder dynamisch erscheinen lässt, den darin
enthaltenen zentralen Partizipant (meist ein Nominalsyntagma
wie ‚den Ball‘), und das Bezugsobjekt. Entscheidend ist
hierbei das lokale Verhältnis der Komponenten zueinander.
Der Partizipant wird durch dieses Verhältnis zum lokalisierten
Objekt, das in Relation zum Bezugsobjekt steht. Diese
Relation wird spezifiziert durch die Dynamizität und die
„lokale Orientierung des Situationskerns … gegenüber dem
Bezugsobjekt“ (Lehmann 1994: 627).
Erstere definiert die Relation als essiv oder lativ, also
gekennzeichnet von Ortsruhe oder von Bewegung. Der zweite
Aspekt ist jedoch entscheidend und wird hier nur
einhergehend mit lativen Relationen betrachtet: entweder
bewegt sich das lokalisierte Objekt zum Bezugsobjekt hin
(allativ), vom Bezugsobjekt weg (ablativ), oder am
Bezugsobjekt entlang (perlativ) (Lehmann 1994: 627f.). Die
folgende Untersuchung bezieht sich also auf das räumliche
Verhältnis zwischen dem lokalisierten Objekt und dem
Bezugsobjekt.
3. Objektsprachen
3.1 Kontaktsprachen: Türkisch und Russisch
In der russischen Sprache gibt es keine lokale Kasus;
stattdessen werden lokale Relationen mithilfe von
Präpositionen und teilweise auch Adverbien ausgedrückt. Bei
letzteren lassen sich primär ‚wo‘, ‚hier‘ und ‚dort‘ nennen,
wobei jeweils zwischen den drei Konzepten Lokation,
Richtung und Ausgangsort unterschieden wird und
dementsprechend verschiedene russische Wörter verwendet
werden (Wade 2011: 401f.). Bei den Präpositionen dagegen
drückt die Kombination einer bestimmten Präposition mit
verschiedenen Kasus mitunter die verschiedenen Konzepte
aus: Dem Präpositional vorausgehend drücken zum Beispiel в
(‚in‘) und на (‚auf‘) ein essives Verhältnis aus, vor dem
Akkusativ aber zeigen sie Richtung an. Der Ausgangsort, im
Gegensatz dazu, wird von из (‚heraus‘) und с (‚herunter‘) in
Verbindung mit dem Genitiv ausgedrückt (Wade 2011: 423).
Im Türkischen -einer agglutinierenden Sprache, in der
Affixe problemlos voneinander und vom Stamm zu
unterscheiden sind (Blake 1994: 3)- wird die sprachliche
Realisierung von lokalen Situationen wie folgt vorgenommen:
Sie werden mittels Kasus-Suffixen, Postpositionen, und
adverbial genutzten und nominalisierten Verbformen
ausgedrückt. Auch umschreibende Ausdrücke übernehmen
häufig lokale Funktionen (Kornfilt 1997: 242). Die lokalen
Kasus spielen dabei die bedeutendste Rolle und sind in nahezu
jeder türkischsprachigen Realisierung einer lokalen Situation
zu finden.
Die Sprache besitzt sechs Kasus, wovon es sich bei dreien
(unter anderem) um lokale handelt: dem Lokativ, dem Dativ,
und dem Ablativ. Ihre Endungen folgen einem sehr strengen
und regelmäßigen Muster für alle Nomen, das nur zum Teil
durch phonologische Anpassungen beeinflusst wird, wie sie
beispielsweise die Vokalharmonie verlangt (Blake 1994: 2,
van Zijp, Wild, Zähres 2012). Die relativ geringe Anzahl von
Kasus zeigt, dass das Türkische Kasussystem nicht Markierer
für Orientierung und für lokale Konzepte miteinander
kombiniert; stattdessen wird die Orientierung durch
eigenständige Lexeme vermittelt.
Der Lokativ gibt den Standort bzw. die statische
Lokalisation eines Objektes an. In Verbindung mit den
entsprechenden Postpositionen ergeben sich aus den Suffixen
Bedeutungen wie ‚nahe (bei)‘, ‚vor‘, ‚hinter‘, ‚über‘, ‚unter‘,
‚neben‘, usw. Der Kasus wird durch das Suffix -DA
ausgedrückt, das sich an den Stamm des Wortes auch in Form
von -de, -ta, oder -te anpasst (Kornfilt 1997: 243ff., Göksel
2005: 158, Lewis :34).
Der Dativ erfüllt neben mehreren anderen semantischen
Funktionen im Türkischen diejenige, das Ziel oder Ende einer
Bewegung oder Aktion anzuzeigen, wie bei ‚(hin) zu‘, ‚nach‘,
‚heran‘, ‚herein‘, ‚drauf‘, usw. Er wird realisiert durch das
Suffix -A, alternativ durch -ya sobald der Stamm auf einem
Vokal endet und eine solche Epenthese erfordert. Die
Anpassung an den Stamm verhält sich ebenso wie beim
Lokativ: das Suffix wird zu -e bzw. -ye (Kornfilt 1997: 242ff.,
Göksel 2005: 157).
Die Herkunft oder der Ausgangspunkt eines Objektes und
die Bewegung von etwas weg wird durch den Ablativ
ausgedrückt, vergleichbar mit ‚von‘, ‚aus‘, und ‚her‘. Dieser
Kasus ist gekennzeichnet durch das Suffix -DAn, oder
entsprechend auch durch -den, -tan, oder -ten (Göksel 2005:
159, Kornfilt 1997: 242ff., Lewis: 34).
3.2 Objektsprache: Urum
Entstanden ist die Sprache Urum –im Folgenden ist
ausschließlich vom Kaukasischen Urum die Rede- aus dem
Türkischen, das durch die Sprachkontaktsituation mit Russisch
und Georgisch in der Region Trialeti in Georgien verändert
wurde. Nach eigenen Aussagen der Urum-Sprecher kamen
Griechen aus der östlichen Türkei am Anfang des 19.
Jahrhunderts in den Kaukasus. Ihre ursprüngliche Sprache, ein
anatolischer Dialekt des Türkischen, veränderte sich im Laufe
der Zeit vor allem durch Sprachkontakt und Einfluss durch das
Russische und Georgische.
Nachdem viele Sprecher in den letzten Jahrzenten aus den
traditionellen Orten in die Hauptstadt gezogen oder nach
Griechenland ausgewandert sind, wurde ihre Zahl in 2006 nur
noch auf etwa 1500 in den ursprünglichen Siedlungen
geschätzt, womit das Kaukasische Urum mittlerweile extrem
vom Aussterben bedroht ist. Dies macht die Erforschung und
Aufzeichnung der Sprache umso notwendiger und
interessanter (Skopeteas 2012).
Diese sprachhistorische Ausgangslage, genauer gesagt die
Tatsache, dass die türkische Sprache die Grundlage des Urum
darstellt, ist Grund für die Annahme, dass das
Lokalkasussystem des Türkischen beibehalten wurde. Dieses
hat lediglich einen Einfluss vor allem durch das Russische
erfahren.
4. Lokale Kasus in Urum
Im Folgenden werden von den drei Kasus, die in Urum zum
Ausdruck von lokalen Verhältnissen verwendet werden, nur
der Lokativ und der Ablativ untersucht, da diese hauptsächlich
diesem Zweck dienen. Der Dativ hingegen weist daneben
mehrere weitere grammatische Funktionen in Urum auf, und
wird hier nicht behandelt.
4.1 Lokativ
Der Lokativ wird in der Sprache Urum, wie auch im
Türkischen, in der Regel verwendet, um essive lokale
Situationen auszudrücken. Es geht also darum, dass sich das
lokalisierte Objekt am oder im Bezugsobjekt befindet; es lebt,
bleibt, ist, oder findet beispielsweise dort statt, siehe (1) und
(2).
(1) zamlyanka-da yaş-ier-dı-lar
dugout-LOC live-PROG-PST-3.PL
‘They lived in dugouts’
(2) göl
ora-dä,
çai
ora-dä
lake
that.place-LOC
river that.place-LOC
‘the lake is here, the river is here’
Gekennzeichnet wird dieser Kasus durch das Suffix -DA,
das, entsprechend der Türkischen Sprache, phonologisch
angepasst wird. Es wird an die Nominalphrase angefügt, die
das Bezugsobjekt darstellt. Interessant ist in Beispiel (2), dass
Urum (genau wie Türkisch) offenbar keine obligatorischen
Kopula aufweist.
Wird die (tatsächliche bzw. positive) Existenz eines
lokalisierten Objektes ausgedrückt, und nicht nur dessen
Eigenschaft(en) bzw. Standort, geschieht dies mithilfe des
Lokativs und des existentiellen Verbs. Das Suffix wird wie
gewöhnlich an das Bezugsobjekt, in diesem Fall das deiktische
Adverb or (‚dort‘) gehängt, wie das folgende Beispiel (3)
zeigt.
(3) or-da
var
there-LOC
are
‚There are woods.‘
ağaç-lar
wood-PL
In diesem Zusammenhang wird vom Sprecher nicht nur
die existenzielle Prädikation der Wälder ausgedrückt, also ‚es
gibt Wälder‘, sondern auch die Lokalisation im Raum scheint
stattzufinden: ‚dort gibt es Wälder‘, worauf zumindest eine
Ortsangabe im Kontext des Beispielsatzes hindeutet. Anhand
der Beispiele (2) und (3) lässt sich eine Korrelation der
Benutzung einer Kopula mit der Wortstellung vermuten: so
findet sich in Ersterem das lokalisierte Objekt vor dem
Bezugsobjekt, während im zweiten Beispielsatz das
lokalisierte Objekt auf das Bezugsobjekt und eben das
existentielle Verb folgt.
Kommt die räumliche Region des Bezugsobjekts mit ins
Spiel, so steht sie in der Postposition, wobei das Lokativ-
Suffix nun an diese gehängt wird. Der Grund zeigt sich bei
genauerer Betrachtung des Beispiels (4).
(4) da anbelyada iştem göl-un
dörtbirän-ın-da
and thus
so
lake-GEN around-POSS.3-LOC
eğıl-di
uru
xalx-i
gather-PST(3) Urum people-ACC
‘And thus around lake gathered Urum people’
Wo in diesem Fall die räumliche Region dörtbirän
sinngemäß mit einem Adverb (‚um…herum‘) übersetzt wurde,
ist eine Nominalphrase wie ‚der umgebende Raum‘
wahrscheinlicher. Das Suffix -ın, das als den Possessiv
anzeigend angegeben wird, zeigt eventuell nur die dritte
Person Singular an. Trotzdem ist das Genitiv-Suffix am
Bezugsobjekt göl Beweis dafür, dass ein Besitz ausgedrückt
wird. Somit verhält sich die Angabe der räumlichen Region
ebenso wie in der türkischen Grammatik: wörtlich würde man
den Beispielsatz etwa mit ‚Das Volk der Urum versammelte
sich beim umgebenden Raum des Sees‘ übersetzen. Durch
diese Trennung der Kasus und durch die Verwendung einer
Postposition wird die Entstehung eines umfangreichen
Kasussystems vermieden, wie es in anderen Sprachen
vorkommt.
Der Lokativ wird in Urum nicht ausschließlich für
statische Verben, sondern auch bei Bewegungsverben benutzt.
Ein vermutlich typischer Fall ist in Beispiel (5) dargestellt.
(5) gäl-dı-lä
tsalka-da
bax-tı-lär
come-PST-3.PL Tsalka-LOC look-PST-3.PL
bur-da
var-ıdi
çai,
göl.
here-LOC be-PST
river lake
‘They came to Tsalka and saw that there were river and
lake.’
Obwohl im Falle des ersten Lokativ-Markierers das Ziel
einer Bewegung angegeben wird, nämlich tsalka, verwendet
der Sprecher nicht den Dativ. Dass unmittelbar darauf eine
statische Lokalisation folgt, die sich semantisch auf das Ziel
bezieht (‚hier‘ bzw. ‚Tsalka‘), lässt allerdings eine Anpassung
der Kasus vermuten: da der Sprecher in beiden Fällen dasselbe
Bezugsobjekt vor Augen hat, drückt er dieses Konzept nur
durch den Lokativ aus.
4.2 Ablativ
Genau wie in der Grammatik des Türkischen, markiert auch in
Urum der Ablativ eine lative, genauer gesagt eben eine
ablative lokale Relation. Das bedeutet, dass der Herkunftsort
einer Bewegung angezeigt wird: Das lokalisierte Objekt dreht
sich, geht oder fährt beispielsweise vom Bezugsobjekt weg,
oder es kommt aus dem Bezugsobjekt (her), siehe (6).
(6) beştaş-tan
çıx-ier-ıx,
qöv-dän,
beshtash-ABL go.out-1.PL
village-ABL
ğırağ-ın-dan
edge-POSS.3-ABL
‘We go out from Beshtasheni, from the village, from its
edge’
Das Suffix -DAN, gegebenenfalls phonologisch angepasst,
zum Beispiel in Form von -tan an die Stimmlosigkeit des
letzten Lautes von beştaş, wird wie gewohnt an die
Nominalphrase angefügt, die das Bezugsobjekt darstellt.
Somit wird angezeigt, von wo aus die Bewegung startet; in
diesem Fall, von wo das lokalisierte Objekt ‚wir‘ weggeht
bzw. woraus es herausgeht.
Es fällt auf, dass bei qöv-dän ğırağ-ın-dan kein Genitiv
vorkommt, obwohl ein Besitz ausgedrückt wird. Dies ist
vermutlich auf Apposition zurückzuführen: qöv-dän ist nicht
in ğırağ-ın-dan eingebettet. Es deutet außerdem darauf hin,
dass das Suffix -ın doch einen Possessiv anzeigt. Dass sich
Genitiv- und Ablativ-Suffixe im Türkischen und in Urum
nicht kombinieren lassen, könnte man als Grund dafür
annehmen, dass Ersteres ausgelassen wird. Der direkte
Vergleich mit der ähnlichen Aussage eines anderen Sprechers
in Beispiel (7) –in der der Ablativ allerdings nicht benutzt
wird- verdeutlicht dies:
(7) çıx-ier-ım
uje
qöv-ın
go.out-PROG-1.SG
already village-GEN
ğırağ-ın-ä
edge-POSS.3-DAT
‘I go out to the edge of the village.’
(8) adamda enier çalid-an
man_and climbs_down tree-ABL
‘The man climbs down from the tree’
An Beispiel (8) hingegen zeigt sich eine spezifischere
Anwendung des Ablativs. Es geht hierbei nicht direkt,
zumindest nicht ausschließlich, um den Herkunftsort einer
Bewegung, sondern auch um ihren Verlauf und somit einer
Art Lokalisation: das lokalisierte Objekt, der Mann, bewegt
sich herab. In diesem Fall klettert er herunter, ob ‚von‘ dem
Bezugsobjekt ‚Baum‘ herunter oder ‚an‘ dem Baum herunter
ist dabei nicht vollständig eindeutig; beide Konzepte sind bei
dem Sprecher vorstellbar.
Ersteres wurde auch für die englische Übersetzung benutzt
und würde (wörtlich genommen) implizieren, dass durch das
Ablativ-Suffix tatsächlich der Herkunftsort angezeigt wird. Da
man aber intuitiv eher eine Situation hinter der Aussage
vermutet, in der der Fokus auf der momentanen Bewegung des
Mannes am Baum liegt, und eher nicht darauf, dass er sich
vom Baum als dem Herkunftsort weg bewegt, scheint es sich
um eine untypische Anwendung dieses Kasus zu handeln.
Man könnte es als eine Art nicht-statische Lokalisation
beschreiben, da mit der Aussage das Bewegungsverb
‚herunterklettern‘ einher geht.
Auch in Verbindung mit dem Ablativ steht die räumliche
Region des Bezugsobjekts in der Postposition. Anstelle des
Bezugsobjekts wird das entsprechende Suffix an diese gefügt,
wie in Beispiel (9) zu sehen ist:
(9) süjüg-i
çıx-ier
iç-ın-dän
whey-POSS.3 go_out(3) inside-POSS.3G-ABL
‘The whey goes out.’
Wo die sinngemäße englische Übersetzung, vermutlich
ebenso eine deutsche, auf die explizite Erwähnung der Region
verzichtet, wird diese in der Aussage auf Urum verwendet,
nicht aber das Bezugsobjekt selbst. Wörtlich ‚geht‘ bzw.
‚kommt‘ das lokalisierte Objekt, ‚die Molke‘, also nicht nur
‚heraus‘, sie kommt aus dem Innenraum eines Objekts heraus,
von innen wenn man so will. Dabei wird die räumliche Region
iç wieder durch ein Affix ergänzt, dass den Possessiv angibt.
Wessen Innenraum gemeint ist, bzw. welches das
Bezugsobjekt ist, an das das Genitiv-Suffix gehängt würde,
kann hier ganz offensichtlich ausgelassen werden, ohne einen
ungrammatischen Satz zu äußern.
5. Schlussfolgerungen
Die Untersuchung der Korpusdaten auf die Verwendung der
beiden lokalen Kasus Lokativ und Ablativ in Urum hat
bestätigt, dass diese wie erwartet ebenso benutzt werden um
lokale Verhältnisse auszudrücken, wie es im Türkischen der
Fall ist, also in der Sprache auf der Urum basiert. Dabei
dienen die beiden Kasus primär diesem Zweck, wobei der
Lokativ essive lokale Situationen in Verbindung mit statischen
Verben ausdrückt, und der Ablativ für ablative lokale
Situationen in Verbindung mit Bewegungsverben verwendet
wird. Eine Ausnahme konnte allerdings im Falle des Lokativs
bestätigt werden: wenn ein Bezugsobjekt unmittelbar
aufeinanderfolgend in einer essiven und einer lativen Relation
erwähnt wird, wird der Lokativ als eine Art Assimilation in
beiden Fällen verwendet. Im Falle des Ablativ ließ sich
zumindest die Tendenz erkennen, dass das Konzept des
Ausgangsortes auf Abstraktionen aus dem expliziten
Bezugsobjekt erweitert wird. Die Kasussuffixe im Einzelnen
sind ebenso wie im Türkischen beibehalten worden. Sie
werden sowohl beim Lokativ, als auch beim Ablativ, an das
Bezugsobjekt angefügt, oder, wenn vorhanden, an die
Postposition, die dessen räumliche Region näher bestimmt.
6. Zitierte Literatur
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
Blake, B.J. Case. Cambridge: CUP. 1994.
Lehmann, C., "Yukatekische locale Relatoren in typologischer
Perspektive", Z. Phon. Sprachwiss. Kommun.forsch., 6:697-708,
1992.
Wade, T. A Comprehensive Russian Grammar. Chichester:
Wiley-Blackwell. 2011.
Kornfilt, J. Turkish. London: Routledge. 1997.
Van Zijp, S., Wild, J., & Zähres, F. Vokalharmonie des
Genitivsuffixes in Urum. Bielefeld. 2012.
Göksel, A. and Kerslake, C. Turkish: A Comprehensive
Grammar. London: Routledge. 2005.
Lewis, G.L. Turkish Grammar. Oxford: OUP.
Stavros, S., “Caucasian Urum”, Urum Documentation Projekt,
Universität Bielefeld. Online: http://urum.lili.uni-bielefeld.de/,
accessed on 10 Sep 2012.
Possession im Urum
Lina Thull, Bettina Rempel
Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland
[email protected], [email protected]
Abstract
This study examines the question of how possession in Urum,
a Turkic language, is coded. Possession can be expressed in
three different ways: with the genitive suffixes, which are very
similar to the Turkish genitive suffixes, with a possessive
marker and with double marking. The double marking is a
special construction in Turkish and it is coded by adding to the
head of the nominal phrase a possessive marker and to the
dependent phrase a genitive suffix. The purpose of this study
is to find out in which context which form of possession is
used in Urum and to find explanations for why it is used that
way. We detected that the register has no effect on the choice
of possession but on the frequency. Just the age of the
speakers affect the possession; older speakers use the double
marking more often than younger speakers. Other hypotheses
were not confirmed.
1. Einleitung
Ein wichtiges typologisches Unterscheidungsmerkmal für die
Sprachen der Welt ist die morphologische Enkodierung von
grammatischen Kategorien. Nach Nichols (1986: 71-72) gibt
es vier Typen von Sprachen: die kopfmarkierenden Sprachen
(crosslinguistisch gesehen der häufigste Sprachtypus), die
dependentenmarkierenden Sprachen (vornehmlich die IndoEuropäischen Sprachen), die doppeltmarkierenden Sprachen
(ein sehr seltener Sprachtypus, zu dem auch das Türkische
gehört) und die Sprachen, die die morphologische
Enkodierung entweder auf dem Kopf oder auf der abhängigen
NP tragen (“split-marking languages“), [1]. Die
Sprachsituation des Urum ist insofern ein interessanter
Untersuchungsgegenstand als dass Urum eine Turksprache ist,
die viele Parallelen mit dem Türkischen aufweist (unter
anderem die doppelte Markierung des Possessiv), jedoch unter
großem Einfluss des Russischen steht, das eine
dependentenmarkierende Sprache ist. In unserer Studie
untersuchen wir, ob aufgrund dieser besonderen
Sprachkontaktsituation eine tendenzielle Änderung des Urum
von einer doppeltmarkierenden Sprache zu einer
dependentenmarkierenden Sprache zu erkennen ist.
Als Grundlage für unsere Studie haben wir Sprachdaten
von insgesamt 10 älteren Urum-Muttersprachlern untersucht,
die verschiedene Erzählaufträge hatten, darunter die
Geschichte ihrer Vorfahren, eine Beschreibung zur
Käseherstellung, eine Wegbeschreibung, das moderne Leben
in der Urum-Gemeinschaft und die Nacherzählung eines
Kurzfilms (pear story). Die Beispiele wurden der Urum
Narrative Collection entnommen, [2].
Wie schon erwähnt ist Urum eine Turksprache, die von
griechischen Einwanderern im 18ten Jahrhundert ihren Weg in
den Kaukasus fand. In den letzten Jahrzehnten ist auch dort
der Einfluss des Russischen immer wichtiger und größer
geworden. Wenn wir uns also mit der Bildung der Possession
im Urum beschäftigen, sollten wir uns zunächst mit der
Bildung der Possession im Türkischen und im Russischen
beschäftigen:
Die Possession im Türkischen wird in der Regel durch
eine doppelte Markierung gebildet, bei der der Kopf der
Nominalphrase mit einem Possessiv-Marker und die
abhängige Nominalphrase mit einem Genitiv-Suffix versehen
werden. Die abhängige Nominalphrase folgt nach dem Kopf.
Es ist allerdings auch möglich, die Possession nur durch
einen Possessiv-Marker oder nur durch den Genitiv zu bilden.
Wenn nur der Possessiv-Marker verwendet wird, wird er oft
an den Kopf angehängt, z.B. Abla-m-lar ‚my elder sister‘
(Göksel, Kerslake 2005: 151) oder der Kopf kann mit einem
Ersatzkasus wie dem Lokativ versehen werden. Beim Genitiv
kann der Kopf der Phrase unmarkiert bleiben, [3].
Im Russischen kann man auf zweierlei Art die Possession
ausdrücken:
mit
dem
Genitiv
oder
mit
den
Possessivpronomen.
Im ersten Fall wird die abhängige Nominalphrase mit dem
Genitiv markiert und steht in der Regel hinter dem Kopf der
Phrase, z. B. дом брáта ‘my brother’s house‘(Wade 2011:
106). Es ist eher unüblich брáта дом zu sagen, also die
Reihenfolge umzukehren. Im zweiten Fall werden die
Possessivpronomen vor den Kopf der Nominalphrase gestellt.
Dabei werden die Possessivpronomen мой, твой, наш, ваш
(my, your, our, your) nach Kasus, Genus und Numerus
entsprechend dekliniert, die Possessivpronomen eró, eё und иx
(his, her, their) bleiben unverändert. Beispiele: егó сестрá
‘his sister‘ oder её кнйги ‘her books’ (Wade 2011: 141-142).
Eine doppelte Markierung wie im Türkischen gibt es im
Russischen nicht, [4].
Der Genitiv im Urum wird durch die Endungen -in, -ın
oder -un gebildet. Dabei ist die Vokalharmonie zu beachten
und anzuwenden. Der Possessiv betrifft den Kopf der
Nominalphrase und hat, ähnlich wie im Türkischen, die
Endungen -(ı)m, -(ı)n, -(s)ı(n), -(ı)mız, -(ı)nız und -(lar)ı(n).
In Abschnitt 2 erläutern wir unsere Beobachtungen zu den
analysierten Daten und formulieren dann in Abschnitt 3
Hypothesen zum Gebrauch (oder nicht Nicht-Gebrauch) der
doppelten Markierung, die wir anhand der Sprachdaten
überprüfen. Abschließend diskutieren wir in Abschnitt 4
unsere Ergebnisse und ziehen in Abschnitt 5 unsere
Schlussfolgerungen.
2. Beobachtungen
Wir haben uns alle Formen der Possessionsbildung angeschaut
und haben dabei zwei wichtige Beobachtungen gemacht.
10
2.1.
Lina Thull und Bettina Rempel
Freie Verteilung
Die erste Beobachtung ist, dass die drei Varianten der
Possession in freier Verteilung auftreten, das heißt, wir haben
keinen Kontext gefunden, in der nicht jede Variante möglich
war. Allerdings tritt bei Formulierungen wie „innen“ oder
„oben drauf“ überdurchschnittlich häufig die doppelte
Markierung auf.
(1) peçkon-un
ust-un-ä
stove-GEN
topside-POSS.3-DAT
‘on a stove’ (speaker 21, double)
(2) inäg-ın
mämä-lär-ın-i
cow-GEN
udder-PL-POSS.3-ACC
‘cow’s udder’ (speaker 21, double)
Sprecher beträgt 38 Jahre (Sprecher 26 ist Jahrgang 1977 und
Sprecher 30 ist Jahrgang 1939).
Hierbei ist vor allem deutlich zu erkennen, dass die
doppelte Markierung bei den älteren Sprechern einen
prozentual höheren Anteil der gebildeten Possession
ausmacht.
Während die Sprecher 30, 25 und 28 (Jahrgang 1939 –
1948) zu rund 50% die doppelte Markierung nutzen,
verwenden die Sprecher 21, 24 und 29 (Jahrgang 1962 – 1969)
sie nur zu 22% – 37% (s. Abbildung 1).
Aus dem Rahmen fallen dabei Sprecher 22 (Jahrgang
1949), der für sein Alter unterdurchschnittlich wenig doppelte
Markierung nutzt, und Sprecher 26 (1977) der generell nur
sehr wenig die Possession verwendet hat und damit
wahrscheinlich nicht repräsentativ ist.
(3) urus
dil-ın-da
Russian
language-POSS.3-LOC
‘in the Russian language’ (speaker 22, simple)
(4) biz-ım
xalx-a
1.PL-GEN people-DAT
‘our people’ (speaker 27, simple)
Während in (1) und (2) die doppelte Markierung vorliegt, wird
in (3) die Possession nur durch einen Possessiv-Marker und in
(4) nur durch ein Genitiv-Suffix gebildet.
2.2.
Variation innerhalb eines Sprechers
Die zweite Beobachtung zeigt, dass sogar innerhalb eines
Sprechers und Kontextes die Verwendung der Possession
variieren kann. Die nachfolgenden Beispiele stammen von ein
und demselben Sprecher (Nr. 27) aus der Ahnengeschichte:
(5) adam-lar-ın
mäzär-lär-i
man-PL-GEN
graveyard-PL-POSS.3
‘the graveyards of our people’
(6) dädä-lär-ımız-dan
grandparent-PL-POSS.1.PL-ABL
‘our grandparents’
(7) biz-ım
urum-lux
1.PL-GEN Urum-ADJR
‘our Urum people’
Beispiel (5) zeigt, die Verwendung der doppelten Markierung,
(6) nur den Possessiv und (7) nur den Genitiv.
3. Hypothesen
Auf der Grundlage unserer Daten haben wir mehrere
Hypothesen für unsere Beobachtungen zur Bildung der
Possession entwickelt.
3.1.
Alter
Diese Hypothese stützt sich auf den Fakt, dass es auch im
Urum Sprachwandel gibt und sich dementsprechend der
Sprachgebrauch jüngerer Sprecher von älteren unterscheidet.
Zwar haben wir die Daten ganz junger Sprecher nicht
untersucht, aber die Altersspanne der von uns untersuchten
Abbildung 1 Vorkommen der Possession nach Sprechern
3.2.
Herkunft der Wörter
Neben dem Türkischen hatte das Russische den größten
Einfluss auf das Urum. Da die doppelte Markierung der
Possession ein Element des Türkischen ist, während das
Russische nur den Genitiv oder die Possessivpronomen hat,
kann dies auch ursächlich dafür sein, wann die doppelte
Markierung benutzt wird und wann nicht. Unsere Vermutung
ist, dass bei Nominalphrasen mit russischen Lehnwörtern eher
nur der Genitiv oder ein Possessivpronomen statt einer
doppelten Markierung verwendet wird, wohingegen in
Nominalphrasen mit türkischen Wörtern alle drei Varianten zu
finden sind.
Nach Sichtung unserer Daten hat sich diese Hypothese
nicht bestätigt. Von den 36 Fällen, in denen der Kopf der
Nominalphrase ein russisches Lehnwort war, haben wir
erstaunlich viele Fälle (11 an der Zahl) gefunden, wo dieses
Wort mit türkischem Possessiv-Marker kombiniert wurde und
dann auch noch in der Konstruktion der doppelten Markierung
vorkam. Hier drei Beispiele dazu:
(8) baba-m-ın
deduşka-si
father-POSS.1.SG-GEN grandfather-POSS.3
‘my father’s grandfather’ (speaker 25, AN)
(9) biz-ım
obrad-lar-ımız
1.PL-GEN rite-PL-POSS.1PL
‘our rites’ (speaker 27, AN)
(10) adam-ın
mozg-i
man-GEN
brain-POSS.3
‘man’s brain’ (speaker 29, LI)
Possession im Urum
3.3.
Register
11
5. Schlussfolgerung
Die
Urum
Narrative
Collection
beinhaltet
die
unterschiedlichsten Sprachanlässe, wie z. B. die Geschichte
der Vorfahren, eine Beschreibung zur Käseherstellung, das
moderne Leben in der Urum-Gemeinschaft, eine
Wegbeschreibung und die Nacherzählung eines Kurzfilms
(pear story).
Dabei ist uns aufgefallen, dass in den ersten drei
Sprachanlässen recht häufig die Possession verwendet wurde,
während bei der Filmbeschreibung und der Wegbeschreibung
die Tendenz zu weniger Possessionsbildung ging. Eine
mögliche Erklärung wäre, dass in tradierten Texten
(Ahnengeschichte, Käseherstellung) eher das Possessiv
verwendet wird und so auch unverändert von Generation zu
Generation weitergegeben werden, während bei spontan
gesprochenen Sprache (Weg- und Filmbeschreibung) auf das
Possessive verzichtet wird. Eine weitere Vermutung
unsererseits war, dass möglicherweise auch die doppelte
Markierung des Possessiv im Zusammenhang mit tradierten
Texten steht, doch in Relation gesehen konnten wir keinen
signifikante Unterschied zwischen dem einfachen Gebrauch
des Possessive und der doppelten Markierung feststellen (s.
Tabelle 1).
Zunächst ist festzuhalten, dass die Possession im Urum auf
drei verschieden Weisen gebildet werden kann und diese in
den allermeisten Fällen in freier Verteilung vorkommen.
Dabei hat das Register zwar keinen Einfluss auf die Art
der Possessionsbildung, wohl aber auf deren Häufigkeit.
Der Ursprung der Wörter spielt ebenfalls keine Rolle, so dass
auch Wörter, die aus dem Russischen entlehnt wurden, mit der
doppelten Markierung versehen werden können.
Allein das Alter der Sprecher ist möglicherweise
ausschlaggebend für die Wahl der Possession, wie die
Tendenz in unsere Studie zeigt. Hier wäre eine weitere Studie
von Nöten, die auch die Daten der jungen Urum-Sprecher
untersucht.
6. Zitierte Literatur
[1]
[2]
[3]
[4]
Tabelle 1. Vorkommen der Possession nach Register
Story
double
just GEN
just Poss.
AN
20
24
20
Sum
64
CH
32
1
24
57
LI
20
15
28
63
PA
10
6
3
19
PS
4
5
2
11
Sum
86
51
77
214
4. Diskussion
Der Bildung der Possession im Urum ist wahrscheinlich nicht
mit einem monokausalen Erklärungsansatz beizukommen. Nur
eine von drei gebildeten Hypothesen konnten wir in der
Tendenz bestätigen. Möglicherweise ist die Wahl der
Possession auch rein intuitiv und erschließt sich für uns
Außenstehende, die wir nicht das Gespür für die Nuancen
haben, nicht.
Punkte, die wir nicht untersucht haben, die aber einer
weiteren Beobachtung wert wären, sind zum Beispiel die
Frage, ob es einen Unterschied der Possessionsbildung
zwischen Urum-Sprechern, die in Großstädten leben und
denen die in eher ländlicheren Gegenden leben, gibt.
Interessant wäre es auch, die ganz jungen Sprecher, die
wir bei unserer Studie außen vor gelassen haben, zu
untersuchen und mit den Ergebnissen der älteren Sprecher zu
vergleichen. Denn eine Tendenz, dass die Verwendung der
doppelten Markierung bei den jüngeren Sprechern abnimmt,
zeichnet sich in unseren untersuchten Daten ab.
Ferner könnte die Hypothese aufgestellt werden, ob es
sich bei adverbialen Konstruktionen wie „innen“ oder „oben
drauf“, die überdurchschnittlich oft mit der doppelten
Markierung gebildet werden, nicht eher um eine beginnende
Lexikalisierung einer grammatischen Konstruktion handelt.
Nichols, J. Head-marking and Dependent-marking Grammar,
In.: Language, Vol. 62, No. 1, Mar., 1986.
Skopeteas, S., Moisidi, V. Urum Narrative Collection
(Manuscript), University of Bielefeld, 2011
Göksel, A., Kerslake, C. Turkish: A comprehensive Grammar,
Routledge, 2005
Wade, T., A Comprehensive Russian Grammar, Third Edition,
Wiley-Blackwell, 2011.
Appendix
n
Translation
people
DependentNP
biz-ım
dyortbiryan9 ın-da
around-POSS.3LOC
göl-un
su-yn
Speaker Story Line Kopf-NP
1
21 AN
2 xalx
yapı-lar-ın
lake-GEN
house-PLGEN
Kopfursprung Genitiv Possessiv Anmerkung
Türkisch
ja
nein
"around that
lake" /also in
Türkisch
ja
ja
line 10
"places of
Türkisch
ja
nein
houses"
inäg-ın
cow-GEN
Türkisch
ja
ja
"cow's udder"
peçkon-un
stove-GEN
Türkisch
ja
ja
Türkisch
nein
ja
"on a stove"
"add powder to
it"
water-GEN
Türkisch
ja
ja
biz-ım
our 1.PL-GEN
Türkisch
ja
nein
biz-ım
our 1.PL-GEN
Türkisch
ja
nein
Türkisch
nein
ja
we 1.PL-GEN
Türkisch
ja
ja
Greece-GEN
we have 1.PLGEN
center-GEN.3DAT
Türkisch
ja
nein
ja
nein
ja
nein
nein
ja
ja
ja
ja
nein
nein
ja
ja
nein
Türkisch
Türkisch
nein
nein
ja
ja
Türkisch
nein
ja
2
21 AN
3
21 AN
4
21 CH
14 er-lär-i
myamya-lär18 ın-i
5
21 CH
21 ust-un-ya
6
21 CH
23 iç-ın-ya
7
21 CH
28 iç-ın-ya
place-PL-ACC
udder-POSS.3ACC
topside-POSS.3DAT
inside-POSS.3GDAT
inside-POSS.3GDAT
8
21 LI
36 xalx-tan
people-ABL
9
21 LI
37 xalx-a
people-DAT
10
21 LI
38 av-ım
house-POSS.1
11
21 LI
42 iş-ımız
work-POSS.1.PL
biz-ım
12
21 LI
45 stili-inyan
style-INSTR
gretsia-nın
13
21 PA
47
14
15
21 PA
21 PS
57 hyadig-ya
77 şapka-n
16
17
22 AN
22 AN
83 dädä-m-dän
88 beştaş-a
18
22 AN
94 urum xalx-i
19
22 AN
96 urum-lar
20
21
22 CH
22 CH
22
22 CH
23
24
22 CH
22 CH
25
22 CH
26
22 CH
27
22 CH
28
22 CH
Urum-PL
animal-PL97 mal-lar-ımız POSS.1.PL
101 barmağ-ın
finger_POSS.2.SG
powder-POSS.3102 maya-sın-i
ACC
inside-POSS.3G104 iç-ın-da
LOC
105 syujyug-i
whey-POSS.3
topside-POSS.3107 ust-yun-ya
DAT
whey-POSS.3108 syujyug-yun-i ACC
inside-POSS.3110 iç-in-ya
DAT
inside-POSS.3G111 iç-ın-ya
DAT
29
22 CH
112 iç-ın-dya
30
22 CH
115 iç-ın-ya
31
32
22 LI
22 LI
118 iç-in-dya
120 dil-ın-da
biz-im
Hadiq-DAT
hat_POSS.2.SG
grandfatherPOSS.1.SG-ABL
Beshtasheni-DAT
Urum peoplePOSS.3
inside-POSS.3GLOC
inside-POSS.3GDAT
inside-POSS.3LOC
language-POSS.3-
tsentr-ın-ya
Translationp
our 1.PL-GEN
Türkisch
bän-im
biz-ım
my 1.SG-GEN Russisch
our 1.PL-GEN
Türkisch
biz-ım
1.PL-GEN
ğazan-ın
on-un
pot-GEN
its 3.SG-GEN
Türkisch
??
ja
ja
ja
ja
torba-i
sack-ACC
Türkisch
nein
ja
??
nein
ja
Türkisch
nein
ja
ğalib-ın
shape-GEN
Türkisch
ja
ja
ğalib-ın
shape-GEN
Türkisch
ja
ja
on-un
3.SG-GEN
Türkisch
ja
ja
el-ın
urus
year-GEN
russian
Türkisch
Türkisch
ja
nein
ja
ja
"into water"
"our people
went…"
"what happend
to our
people…"
"at home I
have"
"we had a
different work"
"Greek style
(way of
living)"
"center of
Hadiq"
"his hat"
and
grandmother,
fathers
/ancestors
"(all) Urum
people"
"our Urum
people"
"we have
animals"
"your finger"
"we add
powder"
"in the pot"
"its whey"
"she puts the
sack up"
"she takes the
whey out"
"she pours in"
"turns it in the
shape"
"in the shape it
becomes good
cheese"
"we put the
cheese in it"
"during these
years"
"in the Russian
LOC
33
22 LI
savetskoi
121 armii
soviet:DAT
army:DAT
savetskomu
sayuzu
soviet:GEN
union:GEN
34
35
36
22 LI
22 LI
22 LI
129 urum-lux
135 xalx-tan
137 iş-i
biz-ım
biz-ım
our 1.PL-GEN
our 1.PL-GEN
37
22 PA
143 ğırağ-ın-dan
Urum-1.PL?
people-ABL
work-POSS.3
edge-POSS.3ABL
38
22 PA
147 iç-ın-ya
39
40
22 PA
23 AN
148 namaz-ımız-i
171 urum-lux
41
23 AN
172 dädä-lär-ımiz
42
23 AN
174 torpağ-ın-ya
43
44
23 AN
23 AN
175
180 xalx
45
46
23 AN
23 AN
182 su-i
185 xalx
47
23 CH
48
23 CH
49
23 CH
50
23 CH
51
23 CH
52
23 CH
53
23 LI
54
23 LI
55
23 LI
56
23 LI
57
23 LI
58
59
60
61
62
63
64
65
23
23
23
23
23
24
24
24
66
67
24 AN
24 AN
68
69
24 AN
24 CH
LI
LI
PA
PA
PA
AN
AN
AN
inside-POSS.3DAT
pray-POSS.1.PLACC
Urum people
grandfather-PLPOSS.
land-POSS.3DAT
people
water-POSS.3
people
topside-POSS.3191 ust-un-ya
DAT
topside-POSS.3192 ust-un-ya
DAT
topside-POSS.3192 ust-un-ya
DAT
temperatura- temperature194 sın-i
POSS.3-ACC
topside-POSS.3196 ust-yun-i
DAT
inside-POSS.3G198 iç-ın-ya
DAT
inside-POSS.3202 iç-ın-dya
LOC
house-PL203 av-lär-ın-i
POSS.3-ACC
land-PL-POSS.3203 torpax-lar-ın-i ACC
animal-PL203 mal-lar-ın-i
POSS.3-ACC
inside-POSS.3211 iç-ın-ya
DAT
each_other-PL214 birbir-lär-ın-i POSS.3-ACC
215 sora-si
end-POSS.-3
217
222 dağ-i
hill-ACC
225 göl-da
lake-LOC
241 urum-lar
Urum
242 dedı
grandfather:PL
244 beştaşa
Beshtasheni-DAT
tısyaçi devya
vosemsot
sorok
1874
250 sedmom
(Jahresangabe)
255 xalx
people
palajeniasituation256 mız-da
POSS.1.PL
260 maya-sın-i
whey-POSS.3-
Russisch
ja
nein
Türkisch
Türkisch
ja
ja
nein
nein
nein
ja
Türkisch
nein
ja
Türkisch
ja
ja
Türkisch
nein
ja
ja
nein
language"
"We served in
the Soviet
Army, to
Soviet Union."
"our Urum
people"
"their work"
"ist (village)
edge"
"before
entering
Tsalka"
"make our
prayers"
dzalga-nın
Tsalka-GEN
(?)
biz-im
our 1.Pl-Gen.
biz-im
our 1.Pl-Gen.
Russisch
ja
ja
kavkaz-ın
Caucasus-GEN Türkisch
ja
ja
torpağ-in
biz-ım
land-GEN
our 1.Pl-Gen.
Türkisch
ja
ja
nein
nein
buran-ın
biz-ım
place-GEN
our 1.Pl-Gen.
Türkisch
Türkisch
ja
ja
ja
nein
peçkon-un
furnace-GEN
Türkisch
ja
ja
ateş-ın
fire-GEN
Türkisch
ja
ja
plitkan-ın
stove-GEN
Türkisch
ja
ja
on-un
3.SG-GEN (it)
Russisch
ja
ja
on-un
3.SG-GEN (it)
Türkisch
ja
ja
ğazan-ın
casserole-GEN Türkisch
ja
ja
el-ın
year-GEN
Türkisch
ja
ja
"during these
years"
Türkisch
nein
ja
"their houses"
Türkisch
nein
ja
"their land"
??
nein
ja
"their animals"
Türkisch
nein
ja
Türkisch
Türkisch
nein
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
nein
nein
nein
nein
nein
nein
"came here" (?)
"with each
other"
dyunya-nın
biz-ım
ai ilian-ın
biz-im
biz-im
biz-ım
biz-im
word-GEN
we 1.Pl.-GEN
saint Ilia-GEN
1.PL-GEN
our 1.Pl-Gen.
our 1.Pl-Gen.
our 1.Pl-Gen.
godu
biz-im
year:GEN
our 1.Pl-Gen.
Russisch
Türkisch
ja
ja
nein
nein
peinır-ın
cheese-GEN
Russisch
??
nein
ja
ja
ja
Türkisch
Türkisch
Russisch
Akkusativ im
Deutschen
"the water
here"
"it - the
temperature"
"our situation"
70
24 CH
263 iç-ın-ya
71
24 CH
270 syujyug-i
72
24 CH
270 iç-ın-dän
73
74
75
24 CH
24 LI
24 LI
76
ACC
inside-POSS.3GDAT
torban-ın
sack-GEN
ja
ja
??
nein
ja
Türkisch
nein
ja
272 iç-ın-ya
279 semyam-da
284 uşax-lar
whey-POSS.3
inside-POSS.3GABL
inside-POSS.3GDAT
family-LOC
child-PL
su-yun
bän-ım
biz-im
water-GEN
Türkisch
my 1.SG-GEN Russisch
our 1.Pl-Gen.
Türkisch
ja
ja
ja
ja
nein
nein
24 LI
286 uşax-lar
child-PL
tsalka-nın
??
ja
nein
77
24 LI
286 uşax-lar
child-PL
beştaş-ın
Tsalka-GEN
BeshtasheniGEN
??
ja
nein
78
24 PS
karzinkan-ın
basket-Gen
Türkisch
ja
ja
79
25 AN
Türkisch
nein
ja
80
25 AN
310 iç-ın-ya
inside-POSS.3
urum xalx-ın- Urum people321 i
POSS.3-ACC
grandfather322 deduşka-m-ın POSS.1.SG-GEN
bän-ım
Russisch
ja
ja
81
25 AN
326 uşax-i
child-POSS.3
birın-ım
??
ja
ja
82
83
25 AN
25 AN
327 uşağ-i
328
child-POSS.3
birın-ın
bän-ım
??
ja
ja
ja
ja
84
25 AN
328 deduşka-si
Russisch
ja
ja
85
86
25 AN
25 AN
Russisch
Russisch
ja
ja
ja
nein
87
25 CH
329 deduşka-si
331 familya
myamya-lär334 ın-i
Türkisch
nein
ja
88
25 CH
343 iç-ın-ya
Türkisch
ja
ja
89
25 LI
346 ğonşu-m
90
25 LI
348 ğonşu-m
91
25 LI
350 şkola-m-a
92
93
25 LI
25 LI
355 iş-lär-ım-i
358 baj-ım
94
25 LI
359 ğar-ım-i
95
25 LI
96
97
25 LI
25 LI
360 bişe-miz-da
denrajdenya364 si
366 av-ın
98
25 LI
370 gardof-i
99
100
25 LI
25 LI
371 tarla-m-dan
371 dana-lar-i
101
102
25 LI
25 LI
372 dana-lar-ım
374 ogorod-dan
103
25 PA
382 tsentr-ın-a
104
25 PA
384 tiq-ın-ya
grandfatherPOSS.3
grandfatherPOSS.3
surname
udder-PLPOSS.3-ACC
inside-POSS.3GDAT
neighbourPOSS.1.SG
neighbourPOSS.1.SG
schoolPOSS.1.SG-DAT
thing-PLPOSS.1.SG-ACC
sister-POSS.1G
wife-POSS.1.SGACC
nothingPOSS.1.PL-LOC
baba-m-ın
baba-m-ın
biz-im
my 1.SG-GEN
somebodyGEN
somebodyGEN
my 1.SG-GEN
fatherPOSS.1.SGGEN
fatherPOSS.1.SGGEN
our 1.Pl-Gen.
su-yun
water-GEN
bän-ım
(my) 1.SGGEN
ja
Türkisch
nein
ja
"my neighbour"
Russisch
nein
ja
Türkisch
Türkisch
nein
nein
ja
ja
Türkisch
nein
ja
Türkisch
nein
ja
"my school"
"my things
(expenses)"
"my sister"
"my wife" also
line 260
"we don't have
anything"
Russisch
Türkisch
ja
ja
ja
ja
potato-POSS.3
field-POSS.1.SGABL
calf-PL-POSS.3
qim-ın
who-GEN
russisch (?)
ja
ja
Türkisch
Türkisch
nein
nein
ja
ja
Türkisch
Russisch
nein
ja
ja
nein
Russisch
ja
ja
Türkisch
ja
ja
beştaş-ın
beştaş-ın
"their udder"
ja
child-GEN
man-GEN
who-GEN
BeshtasheniGEN
BeshtasheniGEN
"one had 10
children"
"other had no
children"
Türkisch
uşağ-ın
adam-ın
qim-in
"children
from…"
"children
from…"
Glossierung
selbst
vorgenommen
"the Urum
people"
Zeile 348: auch
ohne GEN
(252, 254)
birthday-POSS.3
house-POSS.3
(seven) calf-PLPOSS.1.SG
garden
center-POSS.3DAT
edge-POSS.3DAT
"The whey
goes out"
"The whey
goes out"
"who has
potatos"
"from my field"
"their calfs"
"I have 7 calfs"
mehrere POSS
in 1 Satz
"whose"
"center of
Beshtasheni"
"edge of
Beshtasheni"
105
25 PA
389 iç-ın-ya
106
107
25 PA
26 AN
390 iç-ın-dya
404 xalx
108
26 AN
405 dädä-m-dän
109
26 LI
433 sıra-sın-da
110
26 LI
437 sıra-sın-da
111
26 PA
112
113
26 PA
27 AN
114
27 AN
115
27 AN
116
27 AN
117
27 AN
inside-POSS.3DAT
inside-POSS.3LOC
people
tsalka-nın
Tsalka-GEN
Türkisch
ja
ja
tsalka-nın
biz-im
Tsalka-GEN
our 1.Pl-Gen.
Türkisch
Türkisch
ja
ja
ja
nein
grandfatherPOSS.1.SG-ABL
gamsaxyrdianın
saakaşvilinın
446 iç-ın-dan
time-POSS.3LOC
time-POSS.3LOC
inside-POSS.3ABL
452 tsalka-dan
470 urum-lux
Tsalka-ABL
Urum-PL?
tsentır-ın-an
biz-im
472 myazyar-lär-i
graveyard-PLPOSS.3
names-POSS.3ABL
surname474 familya-mız
POSS.1.PL
dädä-lär-ımız- grandparent-PL475 dan
POSS.1.PL-ABL
development476 razvitia-si
POSS.3
child-POSS.3478 uşağ-ın-i
ACC
ancestorPOSS.1.PLata-mızgrandfather480 dyadya-mız
POSS.1.PL
473 ad-ın-dän
beştaş-ın
gamsahurdiaGEN
saakashviliGEN
BeshtasheniGEN
center-GENABL?
our 1.PL-GEN
Russisch
nein
ja
Türkisch
ja
ja
Türkisch
ja
ja
Türkisch
ja
ja
ja
ja
nein
nein
"go inside" to
enter Tsalka
"in Tsalka"
"my
grandfather" +
"my
grandmother"
"during
Gamsahurdia's
time"
"Sakashvili's
time"
"in
Beshtasheni"
"centre of
Tsalka"
adam-lar-ın
man-PL-GEN
??
ja
ja
çai-lar-ın
river-PL-GEN
Türkisch
ja
ja
biz-im
our 1.PL-GEN
Russisch
ja
ja
Russisch
nein
ja
milyat-ın
nationalityGEN
Russisch
ja
ja
& biz-im
"graveyards of
our people"
+ 6x Poss.
without Genitiv
"our names are
given from
river (names)"
+ villages and
cities (all in
GEN)
& 3 x Poss.
without Genitiv
"our
grandparents"
"national
development"
??
nein
ja
"their children"
Türkisch/
russ.
nein
ja
Turkisch
ja
ja
Türkisch
nein
ja
Türkisch
nein
ja
ja
nein
"our ancestors"
"the Turks
(within
Turkey?)"
"their
languages"
"have
friendship" (2x)
"for us"?? (s.a.
488: warum
hier GEN?)
Russisch
ja
ja
Türkisch
nein
ja
Türkisch
nein
ja
ja
nein
Russisch
nein
ja
Türkisch
ja
ja
Türkisch
nein
ja
Russisch
nein
ja
118
27 AN
119
27 AN
120
27 AN
121
27 AN
122
27 AN
123
27 AN
inside-POSS.3SGLOC
turk-lar-ın
language-PL483 dil-lär-ın-i
POSS.3-ACC
dosluğ-umuz- friendship483 da
POSS.1.PL-LOC
124
27 AN
485
125
27 AN
obrad-lar489 ımız
126
481 iç-ın-dya
Turk-PL-GEN
biz-im
our 1.PL-GEN
our 1.PL-GEN
27 AN
rite-PL-POSS.1PL biz-im
one-one-PL489 bir-bir-lär-ın-i POSS.3-ACC
127
128
27 AN
27 CH
490 ğız-lar-ın-i
494
129
27 CH
505 massa-si
130
27 CH
509 iç-ın-dya
mass-POSS.3
inside-POSS.3GLOC
131
27 CH
132
27 CH
511 gyoz-i
dyadya-lär514 ımız
eye-POSS.3
grandfather-PLPOSS.1.PL
daughter-PLPOSS.3-ACC
mal-lar-ın
ğalib-ın
udder-PL-GEN
shape-GEN
"(marry) each
other"
"their
daughters" and
"their children"
"cow's udder"
"its (weight)" +
serum-POSS.3
+line 506/7
"in the shape"
Übersetzung
???
"our
grandparents"
133
27 CH
134
27 CH
135
27 CH
136
137
27 LI
27 LI
138
139
140
27 LI
27 LI
27 LI
141
27 LI
142
516 post-un-i
skin-POSS.3-ACC
inside-POSS.3517 iç-ın-ya
DAT
inside-POSS.3518 iç-ın-dya
LOC
inside-POSS.3522 iç-ın-dya
LOC
526 xalx-a
people-DAT
child-PL-POSS.3530 uşax-lar-ın-ya DAT
531 xalx-in
people-GEN
539 yaşa-ma-si
live-NR-POSS.3
Türkisch
nein
ja
"its skin"
Türkisch
ja
ja
"into that skin"
Türkisch
nein
ja
year-GEN
our 1.PL-GEN
Türkisch
Türkisch
ja
ja
ja
nein
"it stays in it"
"during these
year(s)"
our 1.PL-GEN
people-GEN
??
Türkisch
Türkisch
nein
ja
ja
ja
nein
ja
skin-POSS.3post-yun-yun GEN (?)
el-ın
biz-ım
biz-ım
xalx-ın
time-POSS.3LOC
live-NRPOSS.1.PL.LOC
gamsaxurdia- Gamsakhurdianın
GEN
Türkisch
ja
ja
27 LI
540 sıra-sın-da
yaşa-ma-sın546 da
adam-ın
man-GEN
Türkisch
ja
ja
143
27 PA
561 çyatınnığ-i
difficult-POSS.3
xalx-ın
people-GEN
??
ja
ja
144
27 PS
581 biz
we
uşax-lar-ın
child-PL-GEN
Türkisch
ja
nein
145
27 PS
584 armut-ların
pear-PL
owner-GEN
Türkisch
ja
nein
146
147
148
27 PS
28 AN
28 AN
585
596
599 xalx
saabın-ın
karzinjkasının
biz-im
biz-im
Türkisch
ja
ja
ja
nein
nein
nein
149
28 AN
600 iş-lär-ın-dän
Türkisch
nein
ja
150
28 AN
602 xalx-i
151
152
28 CH
28 CH
614 iç-ın-ya
615 yust-yun-dän
153
28 CH
616 iç-ın-ya
154
155
28 CH
28 CH
617 iç-ın-ya
619 ust-yun-i
156
28 CH
620 iç-ın-ya
157
28 CH
158
28 CH
159
160
28 CH
28 CH
621 iç-ın-ya
623,
624 iç-ın-ya
625,
626,
627 iç-ın-ya
628
161
28 LI
162
163
164
28 LI
28 LI
28 LI
165
28 LI
166
28 LI
167
28 LI
168
169
28 LI
28 LI
170
28 PA
people
work-PL-POSS.3ABL
people-POSS.3
(our)
inside-POSS.3DAT
top-POSS.3-ABL
inside-POSS.3DAT
inside-POSS.3DAT
top-POSS.3-ACC
inside-POSS.3DAT
inside-POSS.3DAT
inside-POSS.3DAT
inside-POSS.3DAT
inside-POSS.3LOC
household644 xozyaistvo-mi POSS.1.SG
646 ax-i
price-POSS.3
647 axi-idi
price-PST.COP
income-POSS.3650 gäl-ın-ın
GEN
nothing655 bişe-mız-da
POSS.1.PL-LOC
income656 gäl-ımız
POSS.1.PL
inside-POSS.3657 iç-ın-dya
LOC
660 ğız-ım
girl-POSS.1.SG
road-POSS.3662 torpağ-ınan ? INSTR
633 iç-ın-dya
basket-GEN
us 1.PL-GEN
our 1.PL-Gen
"their children"
"people's life"
"(compared to)
Gamsakhurdia's
time"
"man's life"
"difficult for
people"
"and if we were
those children"
"owner of those
pears"
"one basket
(was missing)"
"of"
"our"
qyov-un
village-GEN
Türkisch
ja
ja
"from work"
"people from
our village"
ğazan-ın
peçkon-un
casserole-GEN Türkisch
stove-GEN
Türkisch
ja
ja
ja
ja
"inside"
"from stove"
maya-i
whey-ACC
Türkisch
ja
ja
"inside"
Türkisch
Türkisch
nein
nein
ja
ja
"inside"
"top"
torban-ın
sack-GEN
Türkisch
?
?
torban-ın
sack-GEN
Türkisch
ja
ja
"inside"
forman-ın
shape-GEN
Türkisch
ja
ja
"inside"
forman-ın
shape-GEN
Türkisch
ja
nein
ja
ja
inside
ist
el-ın
year-GEN
Türkisch
ja
ja
inside
bän
inäg-ın
inäg-ın
1.SG
cow-GEN
cow-GEN
Russisch
??
??
nein
ja
ja
ja
ja
nein
my
price of cow
cow?
Türkisch
ja
ja
"income"
Türkisch
nein
ja
have
Türkisch
nein
ja
"income"
qyov-yun
village-GEN
Türkisch
Türkisch
ja
nein
ja
ja
inside
my
su-y-un
water-0-GEN
??
ja
ja
?
171
28 PA
663 yol-un-an ?
172
28 PA
671 yust-yun-ya
173
174
175
176
28
28
28
28
PS
PS
PS
PS
674 ust-yun-ya
675
678 şliapa-si
679 şliapa-si
177
178
179
180
28
28
29
29
PS
PS
AN
AN
682 iç-ın-ya
683 şliapa-si
695 storonu
698
181
29
182
183
184
29 CH
29 LI
29 LI
185
29 LI
724 ana-m-nan
186
187
29 LI
29 LI
730 qyov-un-i
736 u
188
29 PA
740 povorot-un-a
189
30 AN
767 mal-lar-i
190
191
192
30 AN
30 AN
30 AN
768 ğızıl-lar-ın-i
772 böyugi
773 ego
193
30 CH
194
195
196
30 CH
30 CH
30 CH
779 bur-ya
myamya-lär780 ın-i
780
781 otravasi
197
30 CH
782 uj-lar-ın-dan
30 LI
hat-POSS.3
hat-POSS.3
inside-POSS.3DAT
hat:POSS.3
side
Türkisch
nein
ja
by
hadig-ın
Hadiq-GEN
Türkisch
ja
ja
topside
velosiped-ın
arıfın
ğlan-ın
bike-GEN
man-GEN
boy-GEN
Türkisch
ja
ja
ja
nein
ja
nein
nein
ja
topside
man
his hat
his hat
sya-lyan-ın
uşağ-ın
gruzii
domov
basket-PLGEN
Türkisch
child-GEN
Russisch
Georgia:GEN Russisch
house:GEN.PL
ja
ja
ja
ja
ja
ja
nein
nein
nein
nein
inside
his hat
side Georgia
no houses
inside Dativ
statt Genitiv
Russisch
Russisch
…
formas-ın-a711 da
721 mozg-i
723
198
road-POSS.3INSTR
topside-POSS.3DAT
topside-POSS.3DAT
796 er-i-dya
shape-POSS.3DAT-an
brain-POSS.3
mother-POSS.3INSTR
village-POSS.3ACC
in
turning-POSS.3DAT
animal-PLPOSS.3
gold-PL-POSS.3ACC
governor
POSS.3.SG
udder-PLPOSS.3-ACC
udder-PLPOSS.3-ACC
poison-POSS.3
nipple-PLPOSS.3-ABL
peinir
adam-ın
cheese
man-GEN
Russisch
Russisch
nein
ja
nein
ja
ja
ja
shape
human brain
my
bän
1.SG
Türkisch
nein
ja
my
gyandi
nego
Türkisch
Russisch
nein
ja
ja
nein
their
"in advantage"
beştaş-in
own
3.SG.GEN
BeshtasheniGEN
Russisch
ja
ja
"turning to B."
var-ıdi
be-EPST.COP
??
nein
ja
have
zoloto
uruset-ın
familiyu
gold (russisch)
Russia-GEN
surname
??
Türkisch
Russisch
ja
ja
nein
ja
nein
ja
bottom
Russian
his
gäl-dı-lär
cow-GEN
??
ja
ja
cows udder
inäg-ın
cow-GEN
Türkisch
syud-yun
milk-GEN
Russisch
ja
nein
ja
ja
ja
ja
cows udder
ist
milk poison
??
nein
ja
Türkisch (?)
ja
ja
ist
Urum (an
einem Wort)
place-POSS.3-and urum-lar-ın
Urum-PLGEN
Vokalharmonie des Genitivsuffixes im Urum
Sina van Zijp, Jaqueline Wild, Frederic Zähres
Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland
[email protected], [email protected], [email protected]
Abstract
2. Hintergrund
Vowel harmony is an assimilatory phonological process found
in the Turkic language family to which Urum counts. In this
article, we examine the vowel harmony of the genitive suffix
with data from semi-spontaneous Urum narratives and
compare our findings with previous results obtained through
production experiments. Results show a variation in
realization of vowel harmony of the genitive morpheme
especially in the group of the front, rounded vowels, which
could be subject for further research.
2.1. Vokalharmonie
Die Vokalharmonie ist ein phonologischer Prozess bzw.
Assimilationsvorgang, bei welchem sich Vokale an den
Artikulationsort oder die Artikulationsweise anderer Vokale
angleichen, [3]. Hierbei gilt die phonologische Regel, dass die
Vokale eines Wortes aus derselben Vokalgruppe kommen
müssen. Die Gruppen bilden sich meistens nach den
Merkmalen gerundet/ungerundet bzw. offen/geschlossen.
Zum Beispiel gibt es im Finnischen drei Vokalgruppen,
die vorderen Vokale (ä, ö, y), die hinteren Vokale (a, o, u) und
die neutralen Vokale (i, e). Nach den phonotaktischen Regeln
des Finnischen kann sich die Gruppe der neutralen Vokale mit
beiden anderen Gruppen verbinden. Vokale der Gruppen der
vorderen und hinteren Vokale dürfen jedoch nicht gleichzeitig
in einem Wort vorkommen, [4].
Ausnahmen zur Vokalharmonie sind vor allem Lehnwörter
und entlehnte Suffixe. Aber auch spracheigene Wurzeln und
Komposita können nicht harmonisch sein.
1. Einleitung
Die Sprache Urum wird im kleinen Kaukasus, insbesondere in
Georgien, von griechischen Siedlern gesprochen, welche
ursprünglich aus einem östlichen Teil der Türkei (Kars)
stammen. Somit hat diese anatolische Varietät des Türkischen
einige Einflüsse von verschiedenen Sprachen erfahren, zu
denen unter anderem Griechisch, Russisch und Georgisch
zählen.
Eine Besonderheit der Turksprachen stellt der
phonologische Assimilationsprozess der Vokalharmonie dar.
Da die Vokalharmonie in den verschiedenen Varietäten des
Türkischen unterschiedlichen Prinzipien folgt, [1], ist es
relevant zu untersuchen, wie sich dieser phonologische
Prozess im Urum verhält, denn auch hier existiert eine
Vokalharmonie, die sich aufgrund der verschiedenen Einflüsse
vermutlich von der des Türkischen – zumindest in Teilen –
unterscheidet. Es ist schon anhand von Produktionsexperimenten gezeigt worden, dass die Vokalharmonie des
Urum Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Türkischen
aufweist, [1]. Ziel der vorliegenden Studie ist die
Regelmäßigkeiten
der
Vokalharmonie
anhand
von
Korpusdaten zu untersuchen, um eine Einschätzung des
Vorkommens dieses Phänomens in (semi-)spontanen Daten zu
ermitteln. Dafür wird ein Korpus von Narrativtexten
untersucht, die von verschiedenen MuttersprachlerInnen
erhoben wurden, [2]. Zudem sind die Daten des Urum
Documentation Project in zwei grobe Altersgruppen unterteilt
– sogenannte 'ältere' (geboren 1939-77) und 'jüngere' (geboren
1979-94) Sprecher. Ein weiterer Aspekt dieser Arbeit ist der
Vergleich dieser Gruppen, um einen eventuellen
Sprachwandel auszumachen.
Dazu wird im Folgenden zunächst die Vokalharmonie, vor
allem anhand des Türkischen und bereits vorhandenen Studien
zum Urum, näher erläutert (siehe Abschnitt 2), woraufhin in
Abschnitt 3 eine Einführung in die angewandte Methode folgt.
Abschnitt 4 behandelt die Ergebnisse dieser Untersuchung,
während Abschnitt 5 die Befunde zusammenfasst und einen
Vergleich zu früheren Befunden durch experimentelle
Methoden liefert.
2.2. Vokalharmonie im Türkischen
Im Türkischen existieren zwei verschiedene Harmonien, die
sogenannte kleine und große Vokalharmonie, [5]. Die kleine
Vokalharmonie (auch fronting harmony), siehe Tabelle 1,
betrifft die Zungenposition beim Realisieren der Vokale. Das
Türkische verbietet das gleichzeitige Vorkommen von Vorderund Hinterzungenvokalen in ein- und demselben Wort. Die
kleine Vokalharmonie gleicht also den Artikulationsort des
Vokals des folgenden Suffixes dem Stammvokal des Wortes
an. Ein Beispiel dafür ist das Pluralallomorph -ler/-lar. Die
Wahl des Allomorphs hängt vom Stammvokal ab. Die Endung
-ler folgt auf a, ı, o, u und die Endung -lar auf e, i, ö, ü.
Tabelle 1. Übersicht der kleinen Vokalharmonie
(fronting harmony) im Türkischen.
auf
folgt
Singular
Plural
Übersetzung
e
e
ev
evler
‘Haus’
ö
e
söz
sözler
‘Wort’
a
a
ad
adlar
‘Name’
o
a
dost
dostlar
‘Bekannter’
Zudem regelt die große Vokalharmonie (auch 'rounding
harmony'), siehe Tabelle 2, potentielle Konflikte nach
gerundeten bzw. ungerundeten Stammvokalen. Ein Beispiel
hierfür ist das Possessivsuffix -(i)m (1. Person Singular). Hier
werden vier verschiedene Fälle unterschieden:
20
Sina van Zijp, Jaqueline Wild, Frederic Zähres
Tabelle 2. Übersicht der großen Vokalharmonie
('rounding harmony') im Türkischen.
auf
folgt
Grundform
Possessiv
Übersetzung
e; i
i
ev
evim
‘mein Haus’
ö; ü
ü
söz
sözüm
‘meine Rede’
a; ı
ı
ad
adım
‘mein Name’
o; u
u
dost
dostum
‘mein Bekannter’
Große und kleine Vokalharmonie können auch bei
verschiedenen Affixen desselben Worts vorkommen. Da der
Infinitiv auch als Nomen verwendet werden kann, kann es mit
einem Possessivsuffix vorkommen. Der Infinitivsuffix wird
nach der kleinen und das Possessivsuffix nach der großen
Vokalharmonie gebildet – auch wenn sie im selben Wort
vorkommen, siehe (1).
(1)
gelmek ‘(das) Kommen‘- gelmegim ‘mein Kommen‘
bakmak ‘(das) Schauen’ - bakmagim ‘mein Schauen’
An einen Verbstamm wird die Endung -di nach der großen
Vokalharmonie angehängt. Danach folgt die Personalendung;
die 3. Person Plural wird durch -ler nach der kleinen
Vokalharmonie gebildet, siehe (2).
(2)
gelmek ‘kommen’ - geldiler ‘sie kamen’
bölmek ‘teilen’ - böldüler ‘sie teilten’
Im Kontext der Vokalharmonie gibt es im Türkischen zwei
Suffixtypen: I-Typ und A-Typ. Die I-Typ-Suffixe sind hohe
Vokale, die ihre restlichen Eigenschaften (fronting und
rounding) vom vorhergehenden Vokal übernehmen. Die
zugehörigen Vokale sind i, ı, ü und u. Ein Beispiel für ein ITyp-Suffix ist das Genitivsuffix -(n)in. Die A-Typ-Suffixe
haben immer ungerundete, nicht hohe Vokale. Ob sie zu
Vorder- oder Hinterzungenvokalen werden, hängt vom
vorhergehenden Vokal ab. Bei A-Typ-Suffixen kommt also
nur die kleine Vokalharmonie zum Tragen. Das Plural-Suffix lar/-ler gehört beispielsweise zu dieser.
2.3. Vokalharmonie im Urum
Wie Experimentalstudien bereits gezeigt haben, siehe [1],
unterscheidet sich die Vokalharmonie im Urum offenbar in
bestimmten Teilen von der des Türkischen. Bei A-TypSuffixen wurde die gleiche Vokalharmonie wie im Türkischen
beobachtet, beispielsweise im Falle des Dativsuffixes -(y)A,
des Lokativs -DA, des Ablativs -DAn oder des Pluralsuffixes
-lAr.
Unterschiede werden beim I-Typ-Suffix deutlich. Als
Beispiel sind hier das Genitivsuffix -(n)In,
das
Akkusativsuffix -(y)I und das Possessivsuffix der dritten
Person -(s)I(n) angeführt, [1].
3. Methode
Die bereitgestellten Daten des Urum Documentation Project
beinhalten
transkribierte,
kurze
Erzählungen
zu
unterschiedlichen Themen von insgesamt 24 Muttersprachlern
des Urums, siehe [6]. 16 dieser Datensätze gehören zu den
oben erwähnten 'älteren' Sprechern (Alter: 35-78, Mittelwert:
58), während die restlichen 8 den 'jüngeren' Sprechern (Alter:
18-33, Mittelwert: 25,9) zuzuordnen sind. Wir haben die
Daten auf das Genitivsuffix -(n)In in Zusammenhang mit
Vokalharmonie untersucht. Die Analyse der Erzählungen der
'jüngeren' Sprecher stellte sich aufgrund fehlender Glossierung
als schwierig heraus, weswegen dort nur eine Stichprobe
analysiert wurde, welche letztendlich nur als grobe, kaum
repräsentative Tendenz gesehen werden kann.
Durch die vorhandenen Korpusdaten ist zu erwarten, dass
durch die breitere Variation von Stämmen eine größere
Datenbasis für Generalisierungen geboten wird. Allerdings
wird so auch mehr Raum für potentielle Einflüsse weiterer
Aspekte der Sprachproduktion, beispielsweise Sprachfehler,
gelassen.
4. Ergebnisse
Der untersuchte Gesamtdatensatz beläuft sich auf grob
geschätzt 960-1.200 Sätze, was sich aus 24 Sprechern à 5
Texten à 8-10 Sätzen ergibt. Insgesamt sind wir bei den Daten
der 'älteren Sprecher' auf insgesamt 255 Vorkommen des
Genitivsuffixes gestoßen, während wir bei den 'jüngeren'
Sprechern lediglich 28 Fälle fanden. Die Ergebnisse sind nach
den Eigenschaften des Stammvokals gegliedert (±vorne und
±rund).
4.1. Vorderer, ungerundeter Stammvokal
Wir konnten zwei Möglichkeiten der Realisierung der
Vokalharmonie des Genitivsuffixes bei Stämmen des Typs
vorderer, ungerundeter Vokale beobachten, nämlich i, siehe
(3), und ı, siehe (4). Die Realisierungsmöglichkeiten sind
asymmetrisch verteilt: -ın ist die dominante Variante (93,5%,
n=115), während –in deutlich seltener vorkommt (6,5%, n=8).
Siehe dazu auch Abbildung 1.
Die meisten Vorkommen des Genitivsuffixes in den Daten
der 'älteren' Sprecher sind dieser Gruppe zuzuordnen, nämlich
123 der 255 Fälle. Die Vokale ä, e und i fallen in diese
Kategorie.
Abbildung 1: Verteilung d. Vokalharmonie (+front; -round)
bei 'älteren' Sprechern und jungen Sprechern im Vergleich.
Vokalharmonie des Genitivsuffixes im Urum 21
ğatellär maya, birğaç
gün dur-ier
add-3.PL whey one_some day stay(3)
ortier-lär şe-in
ust-ün-dän
close-3.PL it-GEN topside-POSS.3-ABL
‘They put the whey into it and it stays for several days,
they closed it at the topside.’
(4) igirmi el-ın
iç-in-dä
çoğ
iş
twenty year-GEN inside-POSS.3-LOC many thing
dägişlän-di
change-PST(3)
‘During these twenty years many things have changed.’
beştaş-tan-da
sora airländi
Beshtasheni-ABL-and after separated
ol-di
baiburt, ol-di
become-PST(3) baiburt become-PST(3)
gäräq, hadiq-madiq, uje
o
garaq Hadiq
already that
göl-un
dörtbirän-ın-da
ol-di
lake-GEN around-POSS.3-LOC become-PST(3)
o
yapı-lar
that
house-PL
‘After Beshtasheni separated, it became Baiburt, Garaq,
Hadiq and already around that lake became those
houses.’
(3)
(5)
25 der 28 Vorkommen des Genitivsuffixes in den
Datensätzen der 'jüngeren' Sprecher haben einen vorderen,
ungerundeten Stammvokal – und sind damit leider das einzige,
verwertbare Ergebnis aus dieser Gruppe. Wie ebenfalls in
Abbildung 1 zu sehen ist, benutzen 88% (n=22) dieser
Sprecher den Vokal ı nach einem vorderen, ungerundeten
Stammvokal, während 12% (n=3) das i nutzen.
Anhand der untersuchten Stichprobe der Daten der
jüngeren Sprecher ist in diesem Datensatz keine Evidenz für
einen Sprachwandel durch Unterschiede zwischen Sprechern
verschiedener Altersstufen zu erkennen. Von nun an werden
nur noch die Ergebnisse der Analyse der Datensätze der
'älteren' Sprecher dargestellt.
4.3. Hinterer, ungerundeter Stammvokal
Zu den hinteren, ungerundeten Vokalen gehören a und ı. Für
Stämme dieses Typs gibt es wie in 4.1. zwei
Realisierungsmöglichkeiten des Genitivsuffixes. Abbildung 3
zeigt, dass die Urum-Sprecher hier mit eindeutiger Mehrheit
Genitivsuffixe mit einem ı (97,2%, n=104), siehe (6), und
nicht mit einem i (2,8%, n=3), siehe (7), bilden. Mit insgesamt
107
Vorkommen
ist
dies
die
zweithäufigste
Stammvokalgruppe bei Genitivsuffixen.
4.2. Vorderer, gerundeter Stammvokal
Bei den vorderen, gerundeten Vokalen – ö und ü – zeigt sich
eine Auffälligkeit von insgesamt 3 möglichen Variationen des
Genitivsuffixes. Auch hier ist die Verteilung asymmetrisch.
Die Suffixe zwischen den Vokalen ü und u sind dabei mit
45,45% (n=5) bzw. 36,36% (n=4) noch ausgeglichener
verteilt. Der ungerundete Vokal ı kommt weniger häufig
(18,18%, n=2) vor, wie in Abbildung 2 erkennbar ist.
Allerdings tauchten in den Daten auch nur insgesamt 11 dieser
Vorkommen auf. Ein Beispiel für die Realisierung des
Genitivsuffixes mit u ist in (5) gegeben.
Abbildung 3: Verteilung d. Vokalharmonie (-front; -round) bei
'älteren' Sprechern.
(6)
(7)
Abbildung 2: Verteilung d. Vokalharmonie (+front; +round)
bei 'älteren' Sprechern.
Soram on-i
dağıdier-lär
then
3.SG-ACC divide-3.PL
iç-ın-ä
ğazan-ın,
dağıdie-lär
inside-POSS.3G-DAT casserole-GEN divide-3.PL
‘Then they divide it into the casserole.’
torpağ-in sra arqäş
gändi ara-di
land-GEN sra everyone own
search-PST(3)
nerädä
äxşi
olabülür
where
good could.be-XX(3)
‘They searched a place where they could be well.’
Zu beobachten ist, dass die Sprecher, die in diesem Fall „i“
produzieren, nicht identisch mit den Sprechern sind, die in 4.1
„i“ produzierten. Somit ist dies keine Variation einzelner,
gesonderter Sprecher.
4.4. Hinterer, gerundeter Stammvokal
Abbildung 4 zeigt die eindeutige Benutzung des Vokals u nach
den Stammvokalen o oder u, siehe (8) und (9). Dies wurde bei
allen der insgesamt 14 Vorkommen festgestellt.
22
Sina van Zijp, Jaqueline Wild, Frederic Zähres
Abbildung 4: Verteilung d. Vokalharmonie (-front; +round)
bei 'älteren' Sprechern.
(8)
(9)
süjüg-i
on-un
çıx-ier
whey-POSS.3
3.SG-GEN
go.out(3)
‘Its whey goes out.’
bir
zaman-dan
soram ed-ier-lär
atier-lär
one
time-ABL
after
make-3.PL throw-3.PL
duzlii
su-yun
iç-ın-ä
salty
water-GEN
inside-POSS.3G-DAT
‘Some times later they do… they put it into salty water.’
Beobachtungen Verhoevens. Bei den hinteren, ungerundeten
Vokalen haben wir in den Korpusdaten Vorkommen mit
Realisierung des i finden können, während in den
experimentellen Daten lediglich ı vorkommt. Dagegen ließ
sich in den Korpusdaten in der hinteren, gerundeten
Vokalgruppe ausschließlich das u finden, während die
experimentellen Daten eine kleine Variation zeigen konnten.
Ein Grund für die verschiedenen Ergebnisse sind die
benutzten Korpora. Verschiedene Sprecher, Texte und
Strategien haben natürlich Einfluss auf die Daten, die
letztendlich zur Verfügung stehen. Die Vorkommen des
Genitivsuffixes waren in unseren Daten sehr unterschiedlich
verteilt, weswegen für die gerundeten Vokale, die in diesem
Kontext anscheinend nicht so häufig auftreten, nur
vergleichsweise wenige Ergebnisse zur Verfügung standen.
Dennoch ist eine klare Varianz zu erkennen - insbesondere bei
den vorderen, runden Vokalen -, der man in einem anderen
Korpus weiter nachgehen könnte.
5. Diskussion
Die Ergebnisse zeigen bei drei der vier Stammvokalgruppen
eine Varianz in der Vokalharmonie des Genitivmorphems. Die
ungerundeten Vokale variieren zwischen i und ı, mit einer
deutlichen Tendenz zum ı. Die gerundeten Vokale zeigen
derweil kein so deutliches Muster. Während bei den hinteren,
gerundeten Vokalen keine Variation zu finden war, werden bei
den vorderen, gerundeten Vokalen gleich 3 Varianten benutzt:
ü, u und ı.
Abbildung 5 zeigt eine Tabelle von Verhoeven, die die
übliche Realisierung der Vokalharmonie des Genitivsuffixes
im Türkischen und im Urum darstellt. Diese bietet auch eine
mögliche Erklärung für die Varianz der ungerundeten Vokale,
da das i (zumindest bei den vorderen Vokalen) häufig in der
türkischen Sprache realisiert wird. Im Großen und Ganzen
stimmen unsere Ergebnisse mit dieser Darstellung Verhoevens
überein, wenngleich bei den vorderen, gerundeten
Stammvokalen keine klare Mehrheit der Realisierung des
Genitivmorphems mit einem ü erkennbar ist.
Abbildung 6: Vokalharmonie des Genitivsuffixes (Verhoeven).
Abbildung 7: Ergebnis unserer Untersuchung zur
Vokalharmonie des Genitivs.
6. Schlussfolgerung
Abbildung 5: Realisierung des Genitivsuffixes im Urum und
im Türkischen (Verhoeven).
Bei genauerer Betrachtung (Abb. 6 & 7) wird sichtbar,
dass sich unsere und Verhoevens Ergebnisse in Details
unterscheiden. Den größten Unterschied gibt es dort bei der
bereits erwähnten Gruppe der vorderen, gerundeten
Stammvokale. Das u wird dabei häufiger benutzt als in den
Die Ergebnisse zeigen, dass es eine signifikante Variation der
Realisation der Vokalharmonie des Genitivsuffixes unter den
Sprechern der bedrohten Sprache des Urums gibt, was bei der
vorherrschenden Sprachkontaktsituation keine Überraschung
ist. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass die von uns
untersuchten Korpusdaten und die bereits vorhandenen
Experimentaldaten zur Vokalharmonie des Genitivsuffixes des
Urum Unterschiede aufweisen, was zeigt, dass die Sprecher
des Urums mit ihren komplexen sprachlichen Hintergründen
durchaus zahlreiche Möglichkeiten zur weiteren Forschung
bieten.
Vokalharmonie des Genitivsuffixes im Urum 23
Der erwartete Sprachwandel konnte nicht belegt werden.
Unsere Untersuchung ist in diesem Bereich durch die geringe
Anzahl an untersuchten Daten ungenau und müsste in einem
größeren Umfang wiederholt werden, um zu repräsentativeren
Ergebnissen zu kommen.
7. Bibliographie
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
Verhoeven, Elisabeth: Vowel Harmony and Noun Inflection
in Caucasian Urum, 2011. Manuscript, University of
Bremen.
Urum Documentation Project. Online: http://urum.lili.unibielefeld.de, aufgerufen am 23. September 2012.
Hall, Tracy Alan: Phonologie – Eine Einführung. Walter
de Gruyter, Berlin 2000
Ringen, Catherine O. & Orvokki Heinämäki: Variation in
Finnish Vowel Harmony. An OT Account. Natural
Language & Linguistic Theory Volume 17, Number 2 /
May, 1999
Göksel, Ash & Kerslake, Celia: Turkish: A comprehensive
Grammar. 2005
Skopeteas, Stavros & Violeta Moisidi: Texts. Urum
Narrative
Collection.
Online
verfügbar
unter:
http://urum.lili.uni-bielefeld.de/download/docs/uumtext.pdf
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