2 Arzt-Patient-Beziehung 2 festhält, die objektiv gar nicht mehr vorhanden ist. Ein Grund für solches Verhalten kann z. B. darin bestehen, dass der Patient sich selbst psychische Probleme nicht eingestehen will, sondern diese lieber „organisch“ interpretiert. In manchen Fällen kann eine iatrogene Fixierung sich zu einer Hypochondrie, also einer übermäßigen Sorge um die eigene Gesundheit entwickeln. Auch der Arzt kann durch sein Verhalten maßgeblich die iatrogene Fixierung verstärken, z. B. wenn er auf Wunsch des Patienten auch unnötige Untersuchungen wiederholt. Stattdessen wäre es sinnvoll, die psychischen Probleme auch anzusprechen. Beispiel Aufgrund der intensiven Untersuchung seines Bauches meint der Patient, dass dort eine Symptomatik vorliegen müsse, obwohl der Arzt ihm sagt, es sei alles in Ordnung. Das mehrmalige Abtasten und die folgende Ultraschalluntersuchung interpretiert der Patient jedoch als „Beweis“ für das Vorliegen einer Erkrankung. 2.5 Über- und Gegenübertragung In der Interaktion zwischen Arzt und Patient schwingen immer auch Erfahrungen mit, die beide Personen mit anderen Menschen in der Vergangenheit gemacht haben. Zu großenTeilen verlaufen solche Aktivierungen von vergangenen Interaktionsmustern jedoch unbewusst. Die Psychoanalyse hat diese Prozesse genauer beschrieben. 2.5.1 Übertragung Der Patient wiederholt Einstellungen oder Verhaltensmuster, die er in der Kindheit bestimmten Personen gegenüber erworben hat, in seiner Beziehung zum Arzt/Therapeuten. Beispielsweise führt das autoritäre Auftreten des Arztes dazu, dass der Patient sich wieder in 6 eine Art unterlegene Kinderrolle, wie er sie gegenüber seinem Vater hatte, hineinbegibt und sich vollkommen vom Arzt abhängig macht. Dieses Verhalten ist ihm jedoch nicht bewusst. Während der psychoanalytischen Therapie werden solche Übertragungsphänomene genutzt, um mehr über bedeutsame frühkindliche Interaktionsmuster des Patienten zu erfahren. 2.5.2 Gegenübertragung Der Arzt nimmt die ihm vom Patienten übertragene Rolle an und verhält sich entsprechend. Überträgt der Patient dem Arzt die Rolle des Vaters und der Arzt verhält sich entsprechend autoritär, so spricht man von Gegen­ übertragung. Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse können in psychoanalytischen Therapien genutzt werden, um frühere ungünstige Beziehungserfahrungen zu korrigieren; diese Prozesse können aber auch hinderlich sein. Um schwierige Arzt-Patienten-Beziehungen zu besprechen, treffen sich daher insbesondere psychoanalytisch orientierte Ärzte in so genannten Balintgruppen. Merke! –– Ein Übertragungsprozess geht immer vom ­Patienten aus. –– Von Gegenübertragung spricht man, wenn der Arzt oder Therapeut die ihm ü­ bertragenen Aspekte annimmt.