18. Erzählwettbewerb Julius-Springer-Schule 2010 3. Preis Ein letztes Mal Saskia Mazanke (BK 2/3) Ich schaue nervös auf die Uhr, verdammt es geht gleich los! Ich sehe mich um, es sind etwa 70 andere Menschen mit mir im Zug, alle genauso aufgeregt, wie ich es bin, ich weiß, ich sollte es nicht tun, ich habe es versprochen, doch es ist das letzte Mal für mich…Endlich, wir sind im Bahnhof angekommen, die Polizei steht schon mit Hundertschaften bereit, sie beäugen uns skeptisch aber auch etwas respektvoll, es wird gegrölt und gesungen. In der Luft liegt der Geruch von Bier und gezündeten Feuerwerkskörpern. Es herrscht ein riesen Andrang am Stadion-Eingang, ich drücke mich durch die Menge hindurch, der Ordner guckt grade nicht, ich hetze schnell an ihm vorbei, bevor er mich bemerkt, für eine Kontrolle hab ich jetzt doch keine Zeit mehr! Wir stürmen die Treppe hinauf in den Block, das Spiel wurde schon angepfiffen, der Block füllt sich, kurz darauf fällt auch schon das erste Tor, doch leider für den Gegner, sie jubeln und schreien, es werden Hasslieder in die gegnerischen Kurven geschmettert, es geht hier um alles oder nichts, wir feuern unsere Mannschaft an, da, endlich der Ausgleich! Die ersten Becher fliegen an mir vorbei, neben mir werden Bengalische Lichter gezündet, ich ziehe meinen Schal bis über die Nase und stülpe mir meine Kapuze über, der Block versinkt im Rauch, es kommt mir wir eine Ewigkeit vor, doch der Siegtreffer fällt endlich, jetzt gibt es kein Halten mehr, der ganze Block rastet aus, es ist gigantisch, das Stadion scheint zu kochen, die ersten Fans des anderen Clubs verlassen schon das Stadion, die Gesänge werden lauter und hasserfüllter, meine Stimme wird morgen unbrauchbar sein, doch das interessiert mich jetzt nicht, es zählt nur der Moment. Da ertönt auch schon der langersehnte Schlusspfiff. Ich schließe mich einer kleinen Gruppe an, wir besprechen uns kurz und dann geht es auch schon abseits des Stadions, jetzt beginnt sie, die dritte Halbzeit, wir werden schon von einer Gruppe der gegnerischen Fans erwartet, sie lachen uns hämisch an, Parolen werden gegrölt und man beleidigt sich gegenseitig. Da stürmen wir auch schon aufeinander los, ich packe mir den Ersten, den ich zu greifen bekomme, und schlage auf ihn ein. Es ist ein verdammt gutes Gefühl, mit jedem meiner Schläge steigt mein Adrenalinpegel im Körper an, es ist wie ein Rausch, ich trete ihn, klatsch ihn an die Wand, er wehrt sich und versetzt mir einen gezielten Schlag in die Magengrube, doch ich gebe nicht auf, ich will zeigen, dass ich besser bin und rappele mich auf, ich schlag ihm ins Gesicht, Blut spritzt, plötzlich spüre ich einen Schmerz in meinem Bein, ich sehe an mir herunter, es steckt ein Messer in meinem Bein, ich werde noch hasserfüllter und schleudere meinen Angreifer herum, er liegt auf dem Boden, ich humple auf ihn zu, doch plötzlich ertönen Polizeisirenen, ich drehe mich um und humple mit meinen Kumpels davon, ich fühle mich einfach nur gut. Saskia Mazanke, geb. 16.06.1992 in Heidelberg, besuchte in Nussloch die Grundschule und in Leimen – bis zur Mittleren Reife – die Realschule. An der Julius-Springer-Schule strebt sie im Berufskolleg II die Fachhochschulreife an, will aber nicht studieren, sondern eine Ausbildung als Kauffrau für Versicherungen und Finanzen machen. Sie schreibt gerne, immer mal wieder, auch ohne besonderen Grund. Der Erzählwettbewerb war für sie ein guter Anlass herauszufinden, „ob das, was ich schreibe, auch ankommt.“ Jetzt hat sie ein gutes Gefühl, ist zufrieden. Die Entscheidung der Jury ist für sie ein großer Erfolg. Das Thema hat sie fasziniert: die Denkweise von jungen Menschen, die sinnlos gewaltbereit sind. Die ein Fußballspiel benutzen, um „ihre dritte Halbzeit“ auszuleben: ihre Lust auf Brutalität. Obgleich sie aus der Ich-Perspektive erzählt, kann sie die beschriebenen Gefühle nicht wirklich nachvollziehen. Der 3. Preis ist für sie Grund genug sich zu überlegen, ob sie nicht weiter schreiben sollte. 1