Charakterisierung der DNA-Methylierung geprägter Gene im Kontext physiologischer und gestörter Entwicklung und somatischer Differenzierung Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel vorgelegt von Julia Kolarova Kiel, 2015 Erster Gutachter: Prof. Dr. rer. nat. Manuela Dittmar Zweiter Gutachter: Prof. Dr. med. Reiner Siebert Tag der müdlichen Prüfung: 21.07.2015 Zum Druck genehmigt: 21.07.2015 Gez. der Dekan Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang J. Duschl Zusammenfassung Zusammenfassung Die Expression von Genen in Abhängigkeit von der elterlichen Herkunft des Allels wird als Imprinting (“Prägung“) bezeichnet. Diese Eltern-spezifische Expression wird u.a. durch die Allel-spezifische DNAMethylierung differenziell methylierter Regionen (DMRs) reguliert. Dabei liegt eine DMR in der Regel auf einem der beiden elterlichen Allele methyliert und auf dem anderen Allel unmethyliert vor. Da viele geprägte Gene in Wachstums- und Differenzierungsprozesse eingebunden sind, ist die korrekte Regulation der Expression geprägter Gene wichtig für die physiologische Entwicklung. Eine gestörte DNA-Methylierung von DMRs kann die aberrante Expression elterlich geprägter Gene bewirken. Konstitutionelle Störungen der elterlichen Prägung sind sowohl mit klassischen Imprintingsyndromen als auch mit Multi-Locus Methylierungsdefekten (MLMD) assoziiert. DNA-Methylierungsstörungen geprägter Gene werden aber auch bei benignen und malignen somatischen Erkrankungen beschrieben und können zu deren Krankheitsentstehung und Progression beitragen. Ausgangspunkt für die vorliegende Arbeit waren, bis auf die IG-DMR auf Chromosom 14q32.2, sämtliche 34 somatisch und 20 Plazenta-spezifisch geprägten DMRs des Menschen. Da diese DMRs z.T. erst jüngst beschrieben wurden, sind zu vielen keine systematischen DNA-Methylierungsdaten zur physiologischen Entwicklung oder zu pathologischen Prozessen publiziert. Deshalb war das Ziel dieser Arbeit, die physiologische DNA-Methylierung dieser geprägten DMRs in pränatalen und postnatalen Normalgeweben auch unter Berücksichtigung des Einflusses der Gewebefixierung zu charakterisieren. Weiterhin sollte die DNA-Methylierung dieser DMRs im Kontext benigner und maligner somatischer Erkrankungen, konstitutioneller Störungen und in Patienten-spezifischen induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSZ) analysiert werden. Analysiert wurden DNA-Proben von 2 pränatalen Geweben und 4 normalen postnatalen Geweben, von Leberproben von Patienten mit einer nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) vor und nach Therapie sowie von Normal- und Tumorgewebeproben von Patienten mit Dickdarmkrebs (CRC). Weiterhin wurden DNA-Proben von Patienten mit verschiedenen Arten einer Entwicklungsstörung (zu klein und/oder zu leicht für Geburtsalter und Geschlecht geboren, Blasenekstrophie, mentale Retardierung), von Patienten mit MLMD und Patienten-spezifische iPSZ analysiert. Insgesamt wurden 517 Hybridisierungen auf Infinium HumanMethylation450 BeadChips prozessiert. Weiterhin wurden Daten von 171 bereits vorhandenen Hybridisierungen auf Infinium HumanMethylation27 bzw. Infinium HumanMethylation450 BeadChips für die Analysen herangezogen. Die Verifizierung ausgewählter Ergebnisse erfolgte mittels Bisulfit-Pyrosequenzierung und Methylierungs-spezifischer multiplex-ligationsabhängiger Probenamplifikation. Zur Abklärung einer aberranten DNA-Methylierung wurden Mikrosatelliten- und SNP-Array Analysen durchgeführt. 1 Zusammenfassung Die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Analysen zeigten, dass die Standard-Formalin Fixierung von Gewebeproben zu DNA-Methylierungsveränderungen im Vergleich zu kryokonservierten und HOPE fixierten Gewebeproben führt. Die Analysen zur physiologischen DNA-Methylierung Plazentaspezifisch geprägter DMRs ergab nur in DNA-Proben aus Chorionzotten eine, wie bei geprägten Genen zu erwartende, Hemi-Methylierung (41 % - 77 %). In anderen Geweben waren die drei Genorte GPR1-AS, ZFAT und MIR512-1 cluster immer hoch (87 %, 89 %, 90 %), LIN28B immer intermediär (30 %) und die restlichen Genorte immer niedrig methyliert (6 % - 15 %). Die physiologische DNA-Methylierung der somatisch geprägten Genorte zeigte, bis auf den Genort BLCAP/NNAT, in allen untersuchten Normalgeweben eine DNA-Methylierung zwischen 40 % und 67 %. Die DNA-Methylierung des Genorts BLCAP/NNAT betrug in DNA-Proben aus peripherem Blut 63 %, in den anderen Normalgeweben zwischen 78 % - 84 %. Auch in pathologisch veränderten Geweben zeigten die Plazenta-spezifisch geprägten Genorte ein einheitliches DNA- Methylierungsmuster wie in den Normalgeweben. Die Außnahme bildeten DNA-Proben von Tumoren, welche für die Genorte FAM196A/DOCK1, RGMA, FAM20A und CABIN1 DNAMethylierungswerte zwischen 13 % und 31 % aufwiesen (umgebendes Normalgewebe 6 % - 14 %). Der Genort LIN28B zeigte in Kolontumor- (59 %) und Normalgewebe (47 %) höhere DNAMethylierungswerte als in den anderen untersuchten Normalgeweben (30 %). Die Analysen zu pathologischen Veränderungen der somatisch geprägten Genorte ergaben aberrante DNAMethylierungswerte in DNA-Proben von Patienten mit CRC, NAFLD und konstitutionellen Erkrankungen. Sehr viel häufiger betroffen waren somatisch geprägte Genorte, die bis jetzt keinem klassischen Imprintingsyndrom zugeordnet sind, als Genorte, die einem solchen Syndrom zugeordnet sind. Bei Patienten mit verschiedenen Entwicklungsstörungen war die DNA-Methylierung des Genorts ZNF331 am häufigsten verändert (16/200). Drei der mit einem klassischen Imprintingsyndrom assoziierten Genorte (MEG3, MEG8: Temple Syndrom, PLAGL1: Transienter Neonataler Diabetes Mellitus) waren bei insgesamt 3/200 Patienten aberrant methyliert. Die iPSZ Analysen ergaben für viele der somatisch geprägten Genorte eine Hypomethylierung. Insgesamt zeigten die DNA-Methylierunganalysen der Plazenta-spezifisch geprägten Genorte ein stabiles DNA-Methylierungsmuster, welches nur in Tumorgewebeproben Änderungen zum physiologischen Muster aufwies. Die somatisch geprägten Genorte hingegen wiesen sowohl eine Gewebespezifität als auch Veränderungen der DNA-Methylierung in allen analysierten krankhaft veränderten DNA-Proben auf. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit sind einerseits für die Planung von vergleichenden DNA-Methylierungsstudien geprägter Gene an menschlichem Gewebe von Bedeutung. Andererseits können sie als Basis für die Interpretation von physiologischen und pathologischen DNA-Methylierungsbefunden an DMRs geprägter Gene zukünftiger Studien dienen. 2 Summary Summary The term parental imprinting describes the expression of genes dependend of the parental origin of the alleles. This parental-specific expression is regulated amongst others by allele-specific DNAmethylation of differentially methylated regions (DMRs). In general, the DMR on one of the two parental alleles is methylated while the other is unmethylated. Due to the involvement of imprinted genes in growth and differentiation processes the accurate regulation of imprinted gene expression is important for the physiological development. A disturbed DNA-methylation at a DMR can cause the aberrant expression of parent-specific imprinted genes. Constitutional disturbances of the parental imprinting are associated with classical imprinting disorders as well as with multi locus methylation defects (MLMD). Moreover, aberrant DNA-methylation of imprinted genes has also been described in benign and malignant somatic diseases and may contribute to their development and progression. All 34 somatic, except for the somatic IG-DMR on chromosome 14q32.2, and 20 placental-specific human imprinted genes were analysed in this study. Since these DMRs have been described just recently DNA-methylation data concerning the physiological development or regarding pathological processes have yet not been published. Therefore, the aim of this study was to characterize the physiological DNA-methylation of these imprinted DMRs in prenatal and postnatal normal tissues. Moreover, the influence of tissue fixation on DNA-methylation should be studied. Furthermore, the DNA-methylation of these DMRs should be analysed in context of benign and malignant somatic diseases, constitutional disorders and in patient-specific induced pluripotent stem cells (iPSC). The analyses were performed on DNA samples from two prenatal and four normal postnatal tissues, on liver samples of patients with non-alcoholic fatty liver disease (NAFLD) before and after therapy as well as on normal and tumoral tissue of patients with colorectal cancer (CRC). Finally, DNA samples of patients with different developmental disorders (small for gestational age, bladder extrophy, mental retardation), of patients with MLMD and of patient-specific iPSC were analysed. Overall 517 hybridizations were processed on Infinium HumanMethylation450 BeadChips. Furthermore, 171 existing hybridization data from Infinium HumanMethylation27 BeadChips and Infinium HumanMethylation450 BeadChips were used for the analyses. Verification of selected results was performed by bisulfite pyrosequencing and methylation-specific multiplex ligationdependend probe amplification. The reasons for aberrant DNA-methylation were further investigated by microsatellite and SNP-Array analyses. Analyses of the influence of the tissue fixation revealed that formalin-fixed and paraffin-embedded tissues showed different DNA-methylation levels at imprinted loci as compared to cryo-conserved 3 Summary and HOPE fixed tissues. Analyses of physiological DNA-methylation of placental-specific imprinted genes revealed only in chorionic villi a hemi-methylation (41 % - 77 %), as expected for imprinted genes. In contrast, the DNA-methylation values in the other analysed normal tissues were high for GPR1-AS, ZFAT and MIR512-1 cluster (87 %, 89 %, 90 %), intermediate for LIN28B (30 %) and low for the remaing gene loci (6 % - 15 %). The physiological DNA-methylation of somatic imprinted genes showed DNA-methylation values between 40 % and 67 % in all analysed normal tissues. The exception was the BLCAP/NNAT locus which showed in peripheral blood a DNA-methylation of 63 % and in the other normal tissues between 78 % and 84 %. In almost all pathologically altered tissues the DNA-methylation pattern of the placental-specific imprinted genes was consistent with the pattern seen in normal tissue. However, the tumor samples showed DNA-methylation values for the gene loci FAM196A/DOCK1, RGMA, FAM20A and CABIN1 between 13 % and 31 % (surrounding normal colon tissue 6 % - 14 %). The gene locus LIN28B exhibited in colon tumor samples (59 %) and in normal tissue samples (47 %) a higher DNA-methylation than in the other analysed normal tissues (30 %). Analyses of the physiological DNA-methylation of somatic imprinted genes revealed aberrant DNA-methylation in patients with CRC, NAFLD and constitutional disorders. These analyses furthermore revealed that somatic imprinted genes, which have been so far not associated with one of the classical imprinting disorders, are more commonly affected by aberrant methylation than genes associated with such a syndrome. The ZNF331 locus was most frequently aberrantly methylated in patients with different developmental disorders (16/200). Moreover three loci associated with a classical imprinting disorder (MEG3, MEG8: Temple syndrome, PLAGL1: transient neonatal diabetes mellitus) were aberrantly methylated in a total of 3/200 of these patients. Analyses of DNA-methylation in iPSC revealed many hypomethylated somatic imprinted genes. Altogether the DNA-methylation of placental-specific imprinted genes showed a stable DNAmethylation pattern, showing pathological DNA-methylation changes only in tumor samples. However, the somatic imprinted genes showed tissue specificity as well as DNA-methylation changes in all analysed diseased DNA-samples. On the one hand the results obtained in the present study provide a basis for the planning of future comperative DNA-methylation studies on human tissues. On the other hand they can also help in the interpretation of physiological and pathological DNA-methylation findings on DMRs of imprinted genes in future studies. 4