Einführung in die Wirtschaftswissenschaften für Nicht-ÖkonomInnen Teil 1: Einführung Dieses Werk ist unter einem Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenzvertrag lizenziert. Um die Lizenz anzusehen, gehen Sie bitte zu http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/de/ www.mo-ment.info 1 moment! Initiative für emanzipatorische Bildung Mehr Informationen, weitere Seminare, einen Newsletter sowie die Unterlagen zu diesem Tutorium finden sich unter: www.mo-ment.info www.mo-ment.info 2 Was ist Ökonomie? ● ● Gesamtheit aller Einrichtungen und Handlungen, die der planvollen Deckung des menschlichen Bedarfs dienen. Hierzu zählen insbesondere Herstellung, Verbrauch, Umlauf und Verteilung von Gütern Ökonomie ist damit auch Raum sozialen Handelns, jede soziale Realität hat eine ökonomische Dimension (je nach dem, wie weit man den Begriff „Bedarf“ fasst) www.mo-ment.info 3 Was ist ein Gut? ● ● Als „Gut“ im wirtschaftlichen Sinne bezeichnet man alle Mittel und Leistungen, die direkt oder indirekt der Bedürfnisbefriedigung dienen. Dies können Sachgüter, aber auch Dienstleistungen oder Nutzungsrechte sein. www.mo-ment.info 4 Was ist Ökonomik? ● ● Wissenschaft von der Ökonomie. Beschäftigt sich demnach mit der Koordination des Handelns individueller Akteure in ihrem Umgang mit Ressourcen. Oder anders: Allokation knapper Ressourcen bei alternativen Verwendungsmöglichkeiten. www.mo-ment.info 5 Was ist Ökonomik? ● Der Gegenstandsbereich der ökonomischen Theorie reicht ebenso weit in die anderen gesellschaftlichen Handlungsbereiche hinein, wie der ökonomische Handlungsraum selbst (muss dem aber nicht kritiklos folgen). www.mo-ment.info 6 BWL und VWL ● ● BWL: Wirtschaftliche Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten einzelner Unternehmen VWL (früher Nationalökonomie): Wirtschaftliche Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten einer Gesellschaft ● Mikroökonomik ● Makroökonomik www.mo-ment.info 7 Mikro- und Makroökonomik ● Mikroökonomik ● ● ● Ausgangspunkt ist das einzelne Wirtschaftssubjekt Dieses hat vielfältige (ökonomische) Entscheidungen zu treffen Versucht, diese Einzelentscheidungen und von da aus das wirtschaftliche Geschehen insgesamt zu erklären www.mo-ment.info 8 Mikro- und Makroökonomik ● Makroökonomik Geht vom Aggregat aller Wirtschaftssubjekte aus, nicht von jedem einzelnen ● Zweifache Aggregation: ● ● ● ● Wirtschaftssubjekte zu Aggregaten Güter zu Güterbündeln → Nicht verschiedene Theorien, sondern verschiedene Methoden mit unterschiedlichem Erkenntnisinteresse www.mo-ment.info 9 Mikro- vs. Makroökonomik ● Mikro: ● ● ● Allokation (Verwendung knapper Ressourcen auf alternative Verwendungszwecke: Welche Güter werden produziert und in welcher Kombination) Distribution (Einkommensverteilung auf Personen, Gruppen oder Produktionsfaktoren) Makro: ● ● Konjunktur, Wachstum, Beschäftigung Auseinandersetzung mit Globalgrößen (Sozialprodukt, Arbeitslosenquote etc.) www.mo-ment.info 10 Neoklassik ● ● ● Weiterentwicklung der klassischen Nationalökonomie des 19. Jahrhunderts Weltweit und vor allem in Deutschland am weitesten verbreitete Denkrichtung innerhalb der Ökonomik – auch an der Kölner WiSo-Fakultät Erscheint auf Grund der weiten Verbreitung oftmals alternativlos – es gibt aber auch andere Ansätze www.mo-ment.info 11 Der Beginn: Die Klassik ● ● ● ● ● Textauszug: Adam Smith: Wohlstand der Nationen, 1. & 2. Kapitel Historischer Beginn der klassischen Wirtschaftswissenschaft / Nationalökonomie Gleichzeitig Grundwerk des Wirtschaftsliberalismus Text erschien im Jahr 1776 Originaltitel: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations www.mo-ment.info 12 Der Beginn: Die Klassik ● Erstes Buch Kapitel 1: ● ● Vorteile von Arbeitsteilung und Spezialisierung Erstes Buch Kapitel 2: ● ● ● ● Tausch und Handel => Märkte / die Idee der Marktwirtschaft Begründung: Eigenliebe, Fähigkeit zur Kommunikation => Neigung zum Tausch. Vom Tausch profitieren jeweils beide Seiten. Durch diesen eigennützigen Tausch kommt es zum Wohlstand einer ganzen Nation. www.mo-ment.info 13 Grundannahmen der Ökonomik www.mo-ment.info 14 Grundannahmen der Ökonomik „Daß diese Vereinfachungen, wenn sie sich auf Menschen erstrecken, wie Karikaturen wirken können, ist nicht die Schuld derer, die mit ihnen wirtschaftliche Entwicklungen vorhersagen [...], sondern liegt an denjenigen, die das wissenschafliche Vorgehen der Ökonomik nicht nachvollziehen können.“ www.mo-ment.info 15 Methodologischer Individualismus ● ● Grundsätzliches Werturteil der (neoklassischen) Ökonomik: Ziel ökonomischer Bemühungen ist die Steigerung des Nutzens von Individuen Methodologischer Individualismus beinhaltet zwei Aspekte: ● Anthropozentrismus ● Liberaler Ansatz www.mo-ment.info 16 Methodologischer Individualismus ● ● Anthropozentrismus: Der Wert eines Gegenstandes (einer Dienstleistung, einer Regelung) bemisst sich allein nach Maßgabe des Nutzens, den er für ein Individuum entfaltet. Es existiert kein Wert an sich, der losgelöst vom einzelnen Menschen begriffen werden könnte Liberaler Ansatz: Nur Individuen sind Entscheidungsträger und Akteure. Kollektive Entscheidungen hängen ausschließlich von den individuellen Entscheidungen (und dem Modus der Entscheidungsfindung) ab. www.mo-ment.info 17 Konsumentensouveränität ● Folgt unmittelbar aus der individualistischen Grundposition: ● ● Die Entscheidung, was welchen Nutzen stiftet, kann ausschließlich das einzelne Individuum treffen Diese normative Grundposition richtet sich ausdrücklich gegen die Auffassung von Eliten, sie wüssten besser, „was gut für die Menschen ist“ www.mo-ment.info 18 Präferenzen ● ● ● Unmittelbare Folge für die ökonomische Theorie: Die Präferenzen der Individuen werden als gegeben (exogen) angenommen und als konstant unterstellt Ihre Untersuchung wird anderen Wissenschaften überlassen, vor allem der Sozialpsychologie Es werden allerdings bestimmte Annahmen über die Struktur von Präferenzen getroffen www.mo-ment.info 19 Axiome der Präferenztheorie ● ● ● ● Vollständigkeit: Eine Aussage über die Präferenzen ist in jeder Situation möglich. Reflexivität: Jedes Bündel innerhalb der Präferenzordnung eines Individuums ist so gut wie es selber. Transitivität: Aus A > B und B > C folgt A > C Problem: Alle drei Axiome halten empirischen Überprüfungen sehr häufig nicht stand (vgl. Tietzel 1988) www.mo-ment.info 20 Der homo oeconomicus ● ● ● „Verkörperung“ des ökonomischen Verhaltensmodells Geht zurück auf den Utilitarismus des 19. Jahrhunderts (v.a. Bentham, Mill, Smith) Menschliches Verhalten ist die rationale Auswahl aus den zur Verfügung stehenden Alternativen, einziges Ziel ist die Maximierung des eigenen Nutzens www.mo-ment.info 21 Der homo oeconomicus (2) ● ● In modernen Ansätzen (vgl. Kirchgässner 2000) werden sowohl der Rationalitätsbegriff als auch der Begriff des Nutzens sehr weit gefasst In der (Modell-)Realität der Wirtschaftswissenschaften aber: ● Vollständige Information ● Ausrichtung allein an monetären Überlegungen www.mo-ment.info 22 Ziele und Methoden der VWL www.mo-ment.info 23 Ziele und Aufgaben der Wirtschaftswissenschaft ● ● ● ● Beschreibung als wichtigstes Ziel -> Empirische Fundierung, Überprüfung Erklärung -> kausale Beziehungen Prognose wirtschaftlicher Entwicklung, Veränderungen einzelner Größen (insbesondere in Folge einer Veränderung der (politischen) Rahmenbedingen) Beratung der Politik Prognosen implizieren Handlungsanweisungen. www.mo-ment.info 24 Methoden der VWL: Modelle „Ein Modell, das die ganze Buntheit der Wirklichkeit berücksichtigte, würde nicht nützlicher sein als eine Landkarte im Maßstab Eins zu Eins.“ (Joan Robinson, britische Ökonomin (1903-1983)) www.mo-ment.info 25 Methoden der VWL: Modelle ● Vereinfachungen / Abstraktion in drei Schritten: 1. Berücksichtigung nur von als wesentliche erachteten Kausalbeziehungen 2. Abbruch der Erklärungskette: weil man sich sonst in andere Wissensgebiete vorwagen müsste oder weil man eben nicht alles auf einmal erklären kann. 3. Möglichst einfache Quantifizierung der Kausalbeziehungen zwischen den berücksichtigten Größen www.mo-ment.info 26 Methoden der VWL: Modelle ● ● ● ● ● Ökonomische Modelle enthalten Annahmen über menschliches Verhalten. Insbesondere wird nutzenmaximierendes, rationales Verhalten unterstellt. Dieses wird in mathematischer Form formuliert. So stellt das Modell insgesamt ein komplexes Gleichungssystem dar. Die kausalen Zusammenhänge der Größen stellen Restriktionen für die Akteure dar. www.mo-ment.info 27 Restriktionen ● ● ● ● Wichtigste Restriktion: Knappheit: Die Produktionsfaktoren (menschliche Arbeitskraft, Ressourcen und Kapital) sind nicht unbegrenzt vorhanden => Die Produktionsmöglichkeiten besitzen eine absolute Grenze Darstellung: Produktionsmöglichkeitskurve www.mo-ment.info 28 Effizienz ● ● ● ● Die vorhandenen Kapazitäten / Produktionsmöglichkeiten werden voll ausgeschöpft -> Nutzenmaximum (P1) Ansonsten (P2) würden Ressourcen ungenutzt bleiben = verschwendet (Ineffizienz!!!) www.mo-ment.info 29 Opportunitätskosten ● ● ● Opportunität=Möglichkeit; Sind alle Ressourcen voll ausgenutzt, so geht eine Mehrproduktion von x1 auf Kosten der Produktion x2 Jede Entscheidung hat damit Kosten zur Folge: 1. Die direkten Kosten 2. Der entgangene Nutzen alternativer Verwendung www.mo-ment.info 30 Methoden der VWL: Modelle ● ● ● Der modellierte Akteur besitzt Präferenzen und trifft auf die Restriktionen. Unter Berücksichtigung dieser optimiert er durch rationale Kalkulation seinen Nutzen. Optimierungsbedingungen werden dabei mathematisch durch die sogenannte Marginalanalyse bestimmt www.mo-ment.info 31 Methoden der VWL: Marginalanalyse ● ● ● ● Beispiel für Nutzenoptimierung: Die Kalkulation eines Unternehmens Gewinn = Verkaufserlös – Kosten = E(x) - K(x) Verkaufserlös = Preis * Stückzahl E(x) = p * x Kosten = K (x) [Funktion von x] -> Die Kosten sind abhängig von der Stückzahl www.mo-ment.info 32 Die Erlösgerade ● Die Erlösgerade: ● ● Der Preis p (pro Stück) bildet sich auf dem Markt und ist für das Unternehmen gegeben. Die Steigung der Erlösgerade entspricht p. www.mo-ment.info 33 Die Standardkostenkurve ● Meist wird ein Verlauf der Kostenkurve angenommen, der: ● Zuerst ansteigt ● Dann abflacht ● Und dann wieder ansteigt www.mo-ment.info 34 Die Standardkostenkurve ● ● Die Ableitung der Kostenkurve GK (Grenzkostenkurve) hat dem entsprechend ein Minimum Sie beschreibt die Kosten für die marginale x-te Einheit www.mo-ment.info 35 Kosten und Erlös ● Ein rational nutzenoptimierendes Unternehmen wird versuchen genau die Stückzahl x zu produzieren, bei deren Verkauf der maximale Gewinn anfällt. www.mo-ment.info 36 Methoden der VWL: Marginalanalyse ● ● ● ● Der Gewinn ist maximal, wenn die Differenz zwischen Erlös und Gewinn maximal ist. Bestimmung des Gewinnmaximum durch Differentialrechnung: G(x) = E(x) – K(x) Ableitung: G'(x) = E'(x) – K'(x) Grenzgewinn = Grenzerlös – Grenzkosten Grenzgewinn = Gewinn einer zusätzlichen (marginalen) Einheit x. www.mo-ment.info 37 Methoden der VWL: Marginalanalyse ● Das Unternehmen sucht die Produktionsmenge (x), bei der die Erhöhung der Produktion um eine marginale Einheit das letzte mal einen zusätzlichen Gewinn bringt. ● => G'(x) != 0 ● => E'(x) – K'(x) != 0 ● => E'(x) != K'(x) [Grenzerlös = Grenzkosten] ● => Die Produktionsmenge mit dem maximalen Gewinn. www.mo-ment.info 38 Das Gewinnmaximum ● Gewinnmaximum: ● ● ● ● Maximaler Abstand zwischen E und C Eine marginale Einheit bringt keinen zusätzlichen Gewinn mehr Preis = Grenzkosten => Optimale Produktionsmenge x* www.mo-ment.info 39 Fazit: Methoden der VWL ● Modelle: ● ● ● ● Vereinfachung der komplexen Realität auf „relevante“ Wirkungszusammenhänge („Funktionen als Hypothesen“) Modellierung von rationalem Verhalten durch Grenznutzenkalkül / Marginalanalyse Modelle erlauben Berechnungen und Prognosen. Kritik: ● Die Entscheidung welche Faktoren als „relevant“ angesehen werden, determiniert das Ergebnis. => konkurrierende Modelle in der VWL www.mo-ment.info 40 Einordnung der Ökonomik www.mo-ment.info 41 Einordnung der Ökonomik ● Stellung im System der Wissenschaften: ● Keine Naturphänomene -> Geisteswissenschaft ● Genauer: Sozialwissenschaft ● ● Empirische und stark formalisierte (mechanische) Arbeitsweise Denkmethode statt Gegenstandsbereich: Ökonomischer Imperialismus www.mo-ment.info 42 Ökonomischer Imperialismus „Ökonomie ist also kurz gesprochen ein Denkprozeß oder, anders ausgedrückt, die Art und Weise, wie Ökonomen an ein Problem herangehen, nicht aber eine Menge von Problemen, die man ohne weiteres von anderen abtrennen kann und durch die so der Ökonom von anderen Wissenschaftlern unterschieden werden kann.“ (Richard B. McKenzie/Gordon Tullock) www.mo-ment.info 43 Ökonomischer Imperialismus „In der Tat bin ich zu der Auffassung gekommen, daß der ökonomische Ansatz so umfassend ist, daß er auf alles menschliche Verhalten anwendbar ist, sei es nun Verhalten, das monetär meßbar ist oder unterstellte „Schatten“-Preise hat, seien es wiederkehrende oder seltene Entscheidungen, handele es sich um emotionale oder nüchterne Ziele, reiche oder arme Menschen, Männer oder Frauen, Erwachsene oder Kinder, kluge oder dumme Menschen, Patienten oder Therapeuten, Geschäftsleute oder Politiker, Lehrer oder Schüler.“ (Gary S. Becker) www.mo-ment.info 44