Geschichte Veronika Pichl Kylonischer Frevel Studienarbeit Der Kylonische Frevel Die Vorgeschichte und die Anfänge Athens Die archaische Periode umfasst den Zeitabschnitt vom 8. Jahrhundert bis etwa 500 v. Chr., die Lebensform die sich in dieser Zeit aus dem Königtum entwickelt, die Polis, ist eine Gemeinschaft von Bürgern ohne territoriale Beschränkung. 8ZH:DOWHUQHQQWLQVHLQHP%XFKÄ$QGHU3ROLVWHLOKDEHQ³]ZHL8UVSUXQJVP\WKHQGLH]XU Entstehung eines Staatengebildes beigetragen haben: Synoikismus, der Zusammensiedlung umliegender Kulturen als Basis für ein komplexes Gemeinwesen und der Bildung einer Polis und Autochthonie, ein Zusammenschluss von Menschen, die ihren Ursprung in diesem Gebiet haben und nicht aus Einwanderern zusammensetzen, was bei den Athenern ein aristokratisches Selbstverständnis begründete. Ein zentrales staatliches Element gab es anfangs nicht, im 7. Jahrhundert vor Chr. entstehen lokale Basileis, die Gemeinschaftsaufgaben wahrnehmen. Rechtsstreitigkeiten und Konflikte machen die Einrichtung eines staatlichen Regulativs notwendig, das in Athen Archon genannt wurde. Das Bevölkerungswachstum hat sicher dazu beigetragen, dass neue Ordnungsstrukturen entstehen mussten, das Königtum der archaischen Periode entmachtet wurde und die Adelsherrschaft an die 6WHOOH GHU 0DFKWSRVLWLRQ WUDW Ä8QVHU KHXWLJHU $GHOVEHJULII NDQQ QXU DOV&KLIIUHGHUIKUHQGHQ6FKLFKWLPDUFKDLVFKHQ*ULHFKHQODQGGLHQHQ³ Die Aristoi, die Mitglieder der Oberschicht betonen ihre vornehme Herkunft und ihren exklusiven Lebensstil. An der Spitze dieses Staatsgebildes standen 3 Archonten, die anfangs für 10 Jahre, später für Jahr im Amt waren. Neben diesem Kollegium kontrollierte der Aeropag die Einhaltung der Gesetze. Zeitgleich in diese Archaische Periode Griechenlands fällt die Teilnahme der Griechen an panhellenischen Spielen, sie entwickelten im Jahr 776 v. Chr. die Tradition der Olympischen Spiele und die Entwicklung des Orakelheiligtum Apollons in Delphi als religiöses Zentrum. Als Basis bildete sich die Polis heraus, als Synonym für einen Stadtstaat mit Umland, das im gesellschaftlichen Kontext als mehr als ein politisch-territoriales Konstrukt zu betrachten ist. Die Polis war geprägt durch innen- und außenpolitische Unabhängigkeit, Autarkie und religiöse Kulte. Im Mittelpunkt befindet sich der zentrale Versammlungsplatz Agora, wo sich das Volk zur Diskussion über politische und gesellschaftliche Fragen zusammenfand. Zusammenfassend zeichnet sich die griechische Polis durch innere und äußerliche Unabhängigkeit, Einhaltung von Festen und Kulten, der Bildung politischer Institutionen, einer eigenen Wirtschaftsform und eines Kalenders, sowie eines eigenen Heeres und teilweise einer eigenen Flotte aus. Eine weitere bedeutende Neuerung betraf die Kriegsführung, die Entwicklung der Kampftechnik der Hopliten, geschlossene Kampfformationen, die in Phalanxtechnik vorrückten. Diese am ersten Blick militärische Entwicklung hatte zur Folge, dass der Adel aufgrund der aufwendigen Finanzierung der Hopliten in der Kriegsführung an Dominanz verlor. Die Gründe, warum sich im Archaischen Athen die Tyrannis gegenüber der Polis GXUFKVHW]WHZDUHQXQWHUVFKLHGOLFKÄ'DV5HJLPHQWHUZLHVVLFKDOVDEVFKHXOLFKZHVZHJHQGLH 5FNNHKU]XUDOWHQ5HJLHUXQJVIRUP GHP.|QLJWXPVLQQYROOXQGZQVFKHQVZHUWHUVFKLHQ³ (2). Viktor Parker argumentiert in seinem Artikel, dass die Polis eine Zwischenform war, die darauffolgende Tyrannis eigentlich eine Rückkehr zum Königtum. (1) Karl Wilhelm Welwei, Die griechische Polis, S 46. (2) Viktor Parker, Vom Königtum zum Tyrannen, Tyche Bd. 11, S 185 Er verweist auf zahlreiche Parallelen der beiden Machtsysteme. Die Führung einer Tyrannis war erblich, außer der Gründer usurpierte den Thron.Dass Kylon durch seine Berühmtheit als Olympiasieger und als Schwiegersohn eines Tyrannen Entwicklungen anderer Herrschaftssysteme gekannt hat, ist möglich.Vielleicht hat er als Adeliger miterlebt, dass aufgrund der Überbevölkerung, Armut und Kämpfe unter den Adeligen der Ruf nach einem adeligen Herrscher und die Rückkehr zum Königtum laut wurde. Erfolgreiche Usupatoren machten sich die wirtschaftlich schlechte Lage sowie die Adelsstreitigkeiten zu nutze. Die Sonderstellung Athens hat möglicherweise das Vorhaben des Kylon scheitern lassen. Der Kylonische Frevel Kylon war von adeliger Herkunft aus dem Geschlecht der Eupatriden und trug als Teilnehmer an den Olympischen Spielen den Sieg im doppelten Stadionlauf (Diaulos) davon, angeblich war er der schönste Mann seiner Zeit. (3)Möglicherweise war die Teilnahme und der Sieg bei den Olympischen Spielen die Voraussetzung für die Bekanntschaft Kylons mit den mächtigen Tyrannen Griechenlands, was den Olympioniken wiederum zu seinem Vorhaben in Athen gewaltsam eine Tyrannis zu installieren inspirierte. Um das Jahr 632 v. Chr. , die genaue Datierung ist umstritten, versuchte er im Archontat des Alkmeoniden Megakles , seine Popularität dazu auszunutzen um in einem Staatsstreich in Athen die Macht zu ergreifen. Megakles entstammte dem Geschlecht der Alkmeoniden, einem angesehenem Adelsgeschlecht, welches seinen Ursprung von Alkmeon, einem Urenkel des Nestor ableitet und sich durch hohe politische Einflussnahme, Reichtum und Gegnerschaft zur Tyrannis definiert. Gemeinsam mit der Hetärie, ein Freundschaftsverband von Adeligen, dessen Mitglieder sich durch EiGH YHUSIOLFKWHWHQ IKUWH HU VHLQHQ 3ODQ PLW GLHVHU NOHLQHQ Ä3ULYDWDUPHH³ DXV :lKUHQG 7KXN\GLGHV YRQ Ä)UHXQGHQ³ VSULFKW RULHQWLHUW VLFK +HURGRW DQ GHU 7HUPLQRORJLH seiner Zeit und nennt die Adelsvereinigung als politisches Instrument. Dabei stützte er sich außerdem auf die Verbindung zum Tyrannen Theagenes von Megara, mit dessen Tochter er verheiratet war. Weiters soll ihm das Orakel zu Delphi geraten haben, die Macht in Athen während der Feiern des Zeus an sich zu reißen. Ob mit dem Spruch der Pythia, der Priesterin im Orakel die Olympischen Spiele gemeint waren, bzw. von Kylon gedeutet wurden, ist ebenfalls unklar. Es gelang dem Olympioniken aber nicht die Unterstützung des Volkes zu erlangen, er stieß bei seiner Aktion in Athen auf heftigen Widerstand, sodass er sich mit seinen Leuten in den Athene Tempel auf der Akropolis flüchten musste. Die Ursache , dass der Alkmeonide Megakles im Demos eine breite Unterstützung gegen Kylon fand, lag möglicherweise in der ungewünschten Verbindung Kylons mit Megara, da in dieser Zeit heftige Auseinandersetzungen zwischen Athen und Megara um die umkämpfte Insel Salamis stattfanden. Auch scheiterte der Staatsstreich daran, dass die Bauern von Attika treu dem Ruf des Adels folgten, der Wunsch nach einer Tyrannis wurde nicht laut, weil die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen dafür in Athen noch nicht gegeben waren. Die Initiative zur Bekämpfung des Aufstandes ging von den Behörden der Polis unter der Führung des Megakles aus und nicht von bäuerlichen Gefolgschaften der adeligen Gegnern des Kylon. Mobilisiert wurde ein attischer Heeresverband, der sich aus Hopliten der ländlichen Gebiete zusammensetzte.Die Kylonische Verschwörung scheiterte möglicherweise GDUDQGDVVVLHQXUHLQHVFKOHFKWYRUEHUHLWHWHÄ$NWLRQHLQHVPDFKWJLHULJHQ$GHOV³), der sich gemeinsam an die Macht bringen wollte, war, die Folgen aber beeinflussten die griechische Gesellschaft nachhaltig.Plutarch und Thykidides berichten, dass Kylon nach dem misslungenem Putsch von den Archonten des Megakles angeboten worden sei, dass man ihm das Leben lassen würde, wenn er den Tempel verlassen und sich einem Prozess stellen würde. (3)Hdt. V, 47 (4) Loretana de Libero, Die archaische Tyrannis, S 48 Der genaue Ablauf der folgenden Ereignisse wird von den Geschichtsschreibern unterschiedlich dargestellt. Kylons Anhänger, die am Altar der Athene Zuflucht gesucht hatten, wurden unter Missachtung des Asylrechtes Asylie (unverletzlich, unverletzt), ein Privileg, das ein Heiligtum erwerben konnte und den Schutz vor gewaltsamen Überfällen garantieren sollte, von den Vorstehern (Prytanen) der Naukraren , die damals die Verwaltung in Athen wahrnahmen (Hdt. V, 71), festgenommen und später von den Alkmeoniden getötet. Die Gründe für dieses brutale Vorgehen der Adeligen liegen möglicherweise in einem tief verwurzelten, langen Hass und vorangehender Fehden der beiden Parteien, der adeligen Anhänger Kylons und jenen, denen die Ermordung des Gefolges des Kylon zu Last gelegt wurde. Für die Missachtung des Asyrechtes und somit den Mord an Kylons Anhängern waren Archonten der Familie der Alkmeoniden verantwortlich. Diese wurden daraufhin wegen Bruchs des Asylrechts die Stadt Athen nach der Verurteilung durch einen außerordentlichen Gerichtshof verbannt, die Tat ging als "Kylonischer Frevel" in die Geschichte der Stadt ein. Die Verbannung wurde ungefähr eine Generation nach der Tat umgesetzt, Hintergrund könnte der Widerstand einiger Adeliger Fraktionen gegen die Alkmeoniden gewesen sein. Eine sich ankündigende wirtschaftliche Krise veranlasste einige Gruppen von Adeligen einen Vorwand für die Schwächung der mächtigen Alkmeoniden zu finden. Die Folgen dieses Makels sollten die Mitglieder der mächtigen Familie nach Jahrhunderte zu spüren bekommen, obwohl mit Solons Amnestiegesetz der Bann aufgehoben wurde Mitglieder des Adelsgeschlecht, darunter Kleisthenes oder Perikles sahen sich immer wieder von politischen Gegnern mit der Verantwortung am Kylonischen Frevel konfrontiert. So benutzten auch die Spartaner den Makel des Perikles als politisches Kampfpotential aus, als sie im Vorfeld des Peloponnesischen Krieges die Bündnistreue ihrer Partner versichern wollten. Egon Flaig zieht in seinem Artikel (6)einen Bogen vom KylonPutsch zum 120 Jahre späteren Übernahmeversuch des Archon Isagoras 507 v. Chr.gegen den Reformer Kleisthenes. Das Athenische Volk wehrte den Staatsstreich ab, die Putschisten wurden mit einer Massenhinrichtung bestraft, laut Flaig eine späte symbolische Abgeltung des Kylonfrevels. Die Folgen Der Kylonische Frevel fiel in eine Zeit religiöser Aufgewühltheit des Volkes. In dieser Phase niedergehender Adelsmacht und steigender sozialer Spannungen etablierte sich in einigen griechischen Polis eine Tyrannis. In Athen übernahm nach dem gescheiterten Versuch Kylons, eine Tyrannis zu errichten, Drakon 624 die Aufgabe, das geltende Recht aufzuzeichnen, wobei er auch die Blutrache abschaffte. Er konnte die wachsende Unzufriedenheit aber nicht bekämpfen.Peisistratos (ca. 600 bis 527 v. Chr. ) versuchte um 560 die Macht in Athen durch Gewalt an sich zu reißen, fünf Jahre später wurde er wieder vertrieben (5) um 552 kam der Tyrann wieder nach Athen zurück um sich mit Megakles zu versöhnen. Möglicherweise wurde die überraschende Übereinstimmung zwischen Megakles und Pesistratos aus folgenden Gründen vollzogen: um einerseits die Rückkehr der Verbannten nach Athen zu ermöglichen, als auch dazu beizutragen, die Gemüter zu beruhigen, die gegen den für den Kylonischen Frevel verantwortlichen Alkmeoniden Megakles aufgebracht waren (7) Peisistratos bekräftigte seine Allianz mit Megakles durch seine Heirat mit dessen Tochter, denn er benötigte die Unterstützung der Alkmeoniden bei seiner Rückkehr nach Athen. Das Adelsgeschlecht der Alkmeoniden erhoffte sich hingegen durch die Verbindung die eine Aufhebung der antialkmeondischen Stimmung, die seit der Kylonaffäre herrschte. Ä'HU YHUORUHQH *UQGXQJVP\WKRV GHU DWKHQLVFKHQ 'HPRNUDWLH³ +LVWRULVFKH =HLWVFKULIW 2OGHQEXUJ Wissenschaftsverlag 279, 1 2004 (6) Hdt. I 64 3HGUR%DUFHOy³%DVLOHLD0RQDUFKLD7\UDQQLV´6