Zeiträume Times and Spaces Geschichte und Architektur des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie History and Architecture of the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy Impressum Imprint Herausgeber Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Öffentlichkeitsarbeit 11019 Berlin www.bmwi.de Published by The Federal Ministry for Economic Affairs and Energy (BMWi) Public Relations 11019 Berlin www.bmwi.de Stand November 2014 Current as of November 2014 Druck schöne drucksachen GmbH, Berlin Printed by schöne drucksachen GmbH, Berlin Überarbeitung und Produktion PRpetuum GmbH, München Revision and production PRpetuum GmbH, Munich Erstkonzeption und Gestaltung DesignLevel 2, Neuss First conception and Design DesignLevel 2, Neuss Text und Redaktion Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Öffentlichkeitsarbeit Text and Editing The Federal Ministry for Economic Affairs and Energy (BMWi) Public Relations Marion Thielebein; Gerd Wünsche; Jürgen Karwelat; DesignLevel 2 Marion Thielebein; Gerd Wünsche; Jürgen Karwelat; DesignLevel 2 Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ist mit dem audit berufundfamilie® für seine familienfreundliche Personalpolitik ausgezeichnet worden. Das Zertifikat wird von der berufundfamilie gGmbH, einer Initiative der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, verliehen. Federal Ministry for Economic Affairs and Energy (BMWi) has been awarded the berufundfamilie® audit certificate for its family-friendly HR policy. The certificate is granted by berufundfamilie gGmbH, an initiative of the Hertie Foundation. Diese Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Bundes­ministeriums für Wirtschaft und Energie. Sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Nicht zulässig ist die Verteilung auf Wahlveranstaltungen und an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Auf­drucken oder Aufkleben von Informationen oder Werbemitteln. This brochure is published as part of the public relations work of the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy (BMWi). It is distributed free of charge and is not intended for sale. The distribution of this brochure at campaign events or at information stands run by poli­tical parties is prohibited, and political party-related information or advertising shall not be inserted in, printed on, or affixed to this publication. Diese und weitere Broschüren erhalten Sie bei: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Referat Öffentlichkeitsarbeit [email protected] www.bmwi.de This publication as well as further publications can be obtained from: Federal Ministry for Economic Affairs and Energy (BMWi) Public Relations E-Mail: [email protected] www.bmwi.de Zentraler Bestellservice: Telefon: 030 182722721 Bestellfax: 030 1810272272 Central procurement service: Tel.: +49 30 182722721 Fax: +49 30 18102722721 Vorwort Foreword Eine wechselvolle Geschichte steckt in den Mauern des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Ihr heutiges Gesicht erhielten die Gebäude in den frühen 1990er Jahren. Auf den Beschluss, Berlin zum Regierungssitz des vereinigten Deutschlands zu machen, folgten umfangreiche Sanierungs- und Neubauarbeiten am Dienstsitz des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Die architektonisch und historisch bemerkenswerten Gebäu­de in der Mitte Berlins zeigten fortan ein neues Gesicht. The walls of the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy embrace an eventful history. The Ministry’s current appearance dates back to the early 1990s. When the decision was taken to make Berlin the seat of government in the newly unified Germany, extensive renovation work and new construction measures were then undertaken in order to house what is now the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy. Buildings that are remarkable in both architectural and historical terms now show themselves in a new light. Die wechselnde Geschichte dieses Gebäude­komplexes spiegelt sich nicht nur in den über 250 Jahre alten Invaliden­ häusern wider, sondern auch in der ehemaligen kaiserlichen Aka­de­mie. Diese war zu Zeiten der Weimarer Republik der Sitz des Reichsarbeitsministeriums und später Regierungsund Diplomatenkrankenhaus der DDR. 1949 wurden die Gebäude an der Invalidenstraße zwischenzeitlich auch Sitz des Obers­ten Gerichts und der Generalstaatsanwaltschaft der DDR. Vielen in schmerzlicher Erinnerung geblieben sind die politischen Schauprozesse, die zunächst unter dem Vorsitz (1949–1953) von Hilde Benjamin, einer gefürchteten Rich­terin und späteren Justizministerin der DDR, am heutigen Sitz des Ministeriums stattfanden. Heute dienen diese Gebäude der Demokratie. In ihnen wird eine moderne Wirtschafts­politik für die Menschen in diesem Land gestaltet. The changing history of this building complex is not only reflected in the 250-year-old “Invalidenhäuser” (which housed a retirement home for war veterans), but also in the former Imperial Aca­demy. The latter was the headquarters of the Imperial Ministry of Labour during the Weimar Republic, and later housed the Government and Diplomats’ Hospital of the GDR. In 1949, the buildings on Invaliden Street also temporarily housed the Supreme Court and the Public Prosecution Office of the GDR. Many will have painful memories of the political show trials which took place at the present site of the ministry and which first began under the presidency (1949–1953) of Hilde Benjamin, one of the most feared judges in the GDR, who later became Minister of Justice. Today, these buildings serve the purposes of democracy and are where a modern economic policy is developed for the people of this country. Die vorliegende Broschüre führt Sie auf anschaulichen Wegen durch die bemerkenswerte Historie des Hauses. Es erwarten Sie viele interessante Begegnungen. This brochure will take you on a journey that will bring to life the remarkable history of this building. Enjoy the tour! Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie 2 Inhalt Geschichte................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................4 Eine Idee nimmt Form an: das Invalidenhaus.....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................5 Das Leben im Invalidenhaus........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................6 Die militärärztliche Akademie entsteht...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................8 Wechselvolle Jahre..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................10 Nach dem Zweiten Weltkrieg...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................12 Eine neue Epoche beginnt.............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................17 Mehr Platz als Park: der Invalidenpark.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................18 Ein ruhiger Nachbar: der Invalidenfriedhof........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................20 Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie – gestern und heute ...................................................................................................................................................................................................................................22 Die Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................25 Architektur......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................26 Eine komplexe Aufgabe...........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................27 Zur Übersicht............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................30 Planen, konstruieren, restaurieren......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................32 Das Gebäude A......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................36 Das Gebäude B......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................38 Das Gebäude C......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................41 Das Gebäude D.....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................43 Die Gebäude E und F........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................44 Das Gebäude G.....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................47 Liebe zum Detail............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................49 Schöne Einsichten....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................50 Denkmalschutz und modernste Technik unter einem Dach vereint..................................................................................................................................................................................................................................................................54 Kunst....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................58 Das Handwerk der Kunst...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................59 Daten und Fakten.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................78 Quellen.........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................78 Bildnachweis..............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................79 3 Content History 4 .............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. An idea takes shape: the Invalidenhaus......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................5 Life in the Invalidenhaus...........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................7 The military medical academy built.....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................9 Years of transformation..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................11 After World War II...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................13 The start of a new era....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................17 More a square than a park: the “Invalidenpark”........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................19 A quiet neighbour: the “Invalidenfriedhof”.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................20 The Federal Ministry for Economic Affairs and Energy – yesterday and today .......................................................................................................................................................................23 The Federal Ministers of Economics of the Federal Republic of Germany...................................................................................................................................................................................................25 Architecture......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................26 A complex task....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................27 Overview...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................31 Planning, building, restoring..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................32 Building A..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................36 Building B..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................38 Building C..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................41 Building D........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................43 Building E and F............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................44 Building G.........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................47 Attention to detail....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................49 Beautiful insights........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................50 Historical preservation and state-of-the-art technology brought together under one roof.................................................................................................................55 Art 58 ........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ The genesis of art.........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................59 Dates and facts...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................78 Sources........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................78 Photographs...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................79 4 Geschichte History G E S C H I C H T E / H I S TO RY 5 Eine Idee nimmt Form an: das Invalidenhaus An idea takes shape: the Invalidenhaus Ansicht von Osten, 1750 (Johann David Schleuen) View from the East, 1750 (Johann David Schleuen) Es gehört zu den ältesten Gebäu­den, die im Rahmen des Umzugs der Bundesregierung in Berlin bezogen wurden: das Invalidenhaus. Als Teil eines historischen Gebäude­kom­plexes, der ohnehin sanierungsbedürftig war, wurde es für seine neue Nutzung durch das BMWi von Grund auf re­stauriert – behutsam und mit Respekt vor der mehr als 250-jährigen Geschichte des Hauses. Genau genommen begann alles 1705 mit einer Idee: König Friedrich Wil­helm I. von Preußen wollte eine Unterkunft für kriegsinvalide Soldaten bauen. Um­gesetzt wurde dieser Plan aber erst 1747 durch Friedrich II. von Preußen, der außerhalb der Stadt­ mauer den Grundstein für das Invalidenhaus legen ließ. Dort, „wo der Blick auf die Landschaft Geist und Seele regenerierte“ und eine unmittelbare Nähe zum Krankenhaus Charité bestand. U-förmig angelegt, umfasste das Ge­bäude einen vermutlich erst 1822 gärtnerisch gestalteten Innenhof, dessen Ent­wurf dem Garten­archi­tek­ten Peter Josef Lenné zugeschrieben wird. Nachdem 1844 im Hof eine Kanone aufgestellt worden war, hieß die Parkanlage „Kano­nenhof“, später auch „Ehren­hof“. Neben einigen Wirtschafts­gebäu­den wurden nach Plänen von Isaak Jacob von Petri eine evangelische und eine katholische Kirche errichtet. Bei der Ein­weih­ung des Invaliden­hauses 1748 erhielten 522 Kriegsversehrte ein neues Dach über dem Kopf. The Invalidenhaus is one of the oldest buildings taken over to form the new home of the federal government in Berlin. As a part of a historical complex of buildings which was already in need of renovation, it was restored from the ground up for its new use by the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy; with care and respect for the building’s more than 250-year history. To be exact, everything started in 1705 with an idea: King Frederick William I of Prussia wanted to create accommodation for soldiers disabled in war. However, this plan was not brought to fruition until 1747, when Frederick II of Prussia had the cornerstone laid for the Invalid­en­haus outside the city walls. The location was adjacent to the Charité Hospital, where “the view of the country-side regenerated spirit and soul”. Designed in a U-shape, the build­ing included an inner courtyard, which was presum­ably landscaped in 1822, the plans of which are attributed to the renowned landscape garde­ner Peter Josef Lenné. After a cannon had been installed in the courtyard in 1844, the park was named “Kano­ nen­hof” (cannon court­yard), and later “Ehren­hof” (court of honour). In addition to several utility buildings, Pro­tes­tant and Catholic churches were built according to plans by Isaak Jacob von Petri. When the Invaliden­­haus was consecrated in 1748, 522 disabled war veterans were given a new roof over their heads. 6 G E S C H I C H T E / H I S TO RY Das Leben im Invalidenhaus Invalidenhaus, um 1900 The Invalidenhaus around 1900 Das Invalidenhaus, so die Absicht Friedrichs II., sollte als Genesungs- und Wohnstätte für dienstunfähige Soldaten und ihre Familien dienen. Kostenlos erhielten sie Wohn­ raum, Verpflegung, Kleidung und ärztliche Versorgung. Deshalb wurde die Ein­richtung vom König mit 523 Morgen Landbesitz und größerem Bar­ver­mö­gen ausgestattet. Frei­ lich nicht ganz uneigennützig: Das Haus sollte wirtschaftlich unabhängig sein und die Staatskasse nicht belasten. Hand­wer­ker und Händler, die für die Bewoh­ner arbeiteten, waren sogar von Steuern und Abgaben befreit, damit sie ihre Waren besonders „wohlfeil“ anbieten konnten. Von Anfang an bestimmte eine strenge militärische Ord­ nung das Leben im Invalidenhaus. Ein Kom­man­dant stand allem vor und die Bewohner waren in drei Kompanien zu je 190 Mann eingeteilt, geführt von 10 Offizieren, 3 Fähn­ richen und 30 Unter­­offizie­ren. Sie trugen auch außerhalb des Dienstes Uniform und Leutnants hatten Wachdienste zu verrichten. Das In­va­lidenhaus bildete eine selbstständige Gemeinde mit eigener Zivil- und Strafgerichts­bar­keit und verfügte über Geistliche beider Konfessionen. Auf Wunsch des Königs sollten sich die Bewohner schließlich nicht nur diszipliniert verhalten, sondern sich auch durch Sitte und Gottes­furcht auszeichnen. Auch in anderen Ländern wurden Invalidenhäuser errichtet. Bereits 1670 wurden 5.000 französische In­va­liden am Stadt­rand von Paris angesiedelt. 1681 entstand das Royal Hospital in Chelsea für 300 englische Kriegs­versehrte. Such institutions were also built in other countries. As early as 1670, 5,000 French ‘invalides’ were settled at the edge of Paris. In 1681, the Royal Hospital was built in Chelsea for 300 disabled British war veter­ans. G E S C H I C H T E / H I S TO RY Life in the Invalidenhaus The Invalidenhaus, as intended by Frederick II, was to serve as a place for healing and to provide accommodation for soldiers who were no longer able to serve, along with their families. Ac­com­modation, food, clothing and medical care were provided free of charge. The King therefore donated 523 acres of land, and made a con­sid­er­able financial contribution to the facility as well. Admittedly, this was not entirely from altruistic motives: The building was to be economically independent, not a burden on the state coffers. Workers and traders who worked for the inhabitants were even released from taxes and charges in order to allow them to offer their goods at a particularly low price. Strict military order ruled life in the Invalidenhaus right from the start. A commanding officer was in charge of everyone, and the inhabitants were divided into three companies of 190 men each, led by ten officers, three ensigns and 30 noncommissioned officers. They wore uniform even when not on duty and lieutenants had to carry out guard duty. The Invaliden­haus was an independent community with its own civil and criminal jurisdiction, and maintained clergy of both confessions. It was furthermore the King‘s wish that the inhabitants not only behave in a disciplined manner, but that they also set an example by their good morals and fear of God. Der südliche Seitenflügel am Kanonenhof, 1897 The southern wing of the “Kanonenhof”, 1897 1755: Der blaue Soldatenrock prägt nach wie vor das Stadtbild Berlins. Etwa ein Vier­­tel der Ein­woh­ner sind Militär­per­so­ nen. Dazu zählen neben den Sol­da­ten ihre Frauen und Kinder. Erste und letzte Seite der Instruktion für den Kommandanten von Friedrich II. von Preußen vom 31. August 1748 First and last page of the instructions for the commanding officer of Frederick II of Prussia of 31 August 1748 1916 zahlte das Reich im zivilen Bereich insgesamt 182,3 Mio. Mark an Invali­den­­ rente. Die durch­­schnittliche Höhe lag pro Person bei 198,78 Mark pro Jahr. 1 755: The blue soldier’s coat continues to characterise street scenes in Berlin. Roughly one-quarter of the city’s inhabit­ants are military personnel. This figure includes the soldiers, their wives and children. I n 1916, the Reich paid a total of 182.3 million Mark in pensions to disabled war veterans in the civilian field. The average amount was 198.78 Marks per person per year 7 8 G E S C H I C H T E / H I S TO RY Die militärärztliche Akademie entsteht Die Grundsteinlegung der Akademie am 10.06.1905 Laying of the cornerstone for the Academy, 10 June 1905 Hauptportal an der Scharnhorststraße, 1910 Main gate on Scharnhorststraße, 1910 Im Mannschaftspark des Invali­denhauses ließ Kaiser Wilhelm II. am 10. Juni 1905 den Grundstein der kaiser­­­ lichen „Akademie für das mili­tär­ärztliche Bil­dungs­­wesen“ legen. Be­auf­tragt mit dem Bau waren die Ber­liner Architekten Cremer & Wolf­fenstein. Sie mussten sich jedoch be­züglich des Baustils den Vor­stellungen des Kaisers fügen. So entstand 1910 ein Prachtbau mit Mansardendach und Sandstein­fass­ad ­ e im „friderizianischen Neobarock“ – typisch für die Staats­bauten der damaligen Zeit. Das Gebäude, übrigens später schlicht in „Kaiser-Wil­helmsAka­de­mie“ umbenannt, bot 350 Studieren­­­­den Platz und ließ keine Wünsche offen. Es verfügte über einen kom­ fortablen Wohnbereich und außer­dem über Hörsäle, Lesezimmer, La­borato­rien, Gerätesammlungen und eine Biblio­thek mit 200.000 me­dizinischen Fachbüchern. Urkunde zur Grundsteinlegung der Kaiser-Wilhelms-Akademie vom 10. Juni 1905 Certificate for the laying of the cornerstone for the Kaiser Wilhelm Academy of 10 June 1905 Den angehenden Militärärzten wurde nicht nur ein umfassendes me­dizinisches Wissen vermittelt. In den Festsälen und Gesellschaftsräumen erhielten sie zu­­sätz­lich ge­sell­ schaft­lichen Schliff. Sie lernten tanzen, Billard und Bridge spielen und nicht zuletzt tadellose Tischmanieren. G E S C H I C H T E / H I S TO RY The military medical academy built Die Kaiser-Wilhelms-Akademie, um 1912 The Kaiser Wilhelm Academy around 1912 On 10 June 1905 in the “Mann­schaftspark” (units park) of the Invali­denhaus, Kaiser Wilhelm II laid the cornerstone for the “Imperial Academy for Military Medical Training”. The Berlin architects Cremer & Wolffenstein were commissioned to undertake the construction. They however had to bend to the Kaiser’s will as to the building style. Thus, in 1910, a magnificent building with a mansard roof and sandstone façade was con­structed in the style typical of the state buildings of the time, known as “Frederick the Great” neo-baroque. The building, which incidentally was later renamed simply “Kaiser Wilhelm Academy”, provided places for 350 students and left no desire unfulfilled. It had a comfort­çççable living area, as well as lecture theatres, reading rooms, laboratories, collections of equipment and a medical library containing 200,000 volumes. 1905: In Berlin überschreitet die Ein­ wohnerzahl die Zweimillionen­grenze. In der immer hektischer werdenden Reichshauptstadt leben aber nur 822.000 gebürtige Berliner. The soldiers studying to be military doctors were not only provided with comprehensive medical knowledge, they also acquired social polish in the banquet halls and reception rooms. They learned to dance, play bil­liards and bridge, and not least, they learned impeccable table manners. 1905: Berlin’s population grows past the two million mark. However, only 822,000 of the inhabitants of the Reich capital, which is becoming ever more hectic, were born there. 9 10 G E S C H I C H T E / H I S TO RY Wechselvolle Jahre Die veränderte politische Lage zum Ende des Ersten Weltkrieges ging auch an dem Gebäudeareal Invali­den­­ haus/Kaiser-Wilhelms-Akademie nicht spur­los vo­r­über. 1918 wurde das Inva­li­den­haus entmilitarisiert. Es gab keine Kompanien mehr, der Kom­man­dant wurde durch einen Leiter ersetzt, die Invaliden zogen die Uniformen aus und hießen fort­an „Pfleg­linge“, später „Insassen“. Im Zuge der Verkleine­rung der Reichs­wehr – dies war eine Bedin­gung des Ver­sailler Vertrages ­– wur­de die Aka­demie 1919 geschlossen. Hier zog kurze Zeit später das Reichs­arbeits­ minis­te­rium ein, in dem z. B. im Juli 1927 die Arbeitslosen­ ver­siche­rung (AVAVG) beschlossen wurde. 1934 wurde das Gebäude wieder militär­ärztliche Aka­demie, die sich 1939 wegen Platzmangels auf das In­va­lidenhaus ausdehnte und zur Um­­siedlung der Insas­sen führte. Schweren Herzens trennten sich 170 Familien von dem Haus im Stadtkern und bezogen die außerhalb gelegene Siedlung Frohnau. Im Zwei­ten Welt­krieg wurde das Invalidenhaus stark in Mit­leiden­schaft ge­zogen. Von der vormals dreiflügeligen Anlage blieben nur die Seiten­flügel erhalten. Der ausgebrannte Hauptbau wurde später abgerissen. Bewohner des Invalidenhauses vor dem Mittelrisalit, 30er Jahre Inhabitants of the Invalidenhaus before the central ressaulted façade, 1930s G E S C H I C H T E / H I S TO RY 11 Reichsarbeitsministerium, um 1928 Reich Ministry of Labour around 1928 Years of transformation 09.11.1918: Gezwun­gen durch die revo­ lutionäre Situation in der Hauptstadt gibt der damalige Reichs­­kanzler Prinz Max von Baden die Ab­dan­kung Kaiser Wilhelms II. und den Thron­ver­zicht des Kronprinzen Friedrich Wilhelm bekannt. 9 November 1918: Forced by the revolutionary situation in the capital, Reich Chancellor Prince Max von Baden announces the abdication of Kaiser Wilhelm II and Crown Prince Frederick Wilhelm’s waiver of his rights to the throne. The changed political situation toward the end of World War I left its mark on the complex of buildings form­ing the Invalidenhaus/Kaiser Wilhelm Academy, as it did elsewhere. The Inva­lidenhaus was demilitarised in 1918. There were no longer any companies, the commanding officer was replaced by a manager, the disabled war veterans removed their uniforms and were known from then on as “charges”, and later as “inmates”. In the course of re­ducing the size of the Reichswehr to meet the terms of the Treaty of Ver­sail­les, the academy was closed in 1919. Not long after, the Reich Ministry of Labour moved into the building. One of the measures it adopted was unemployment insurance, which was enacted in July 1927. In 1934, the building became a mili­tary medical academy once more, which for lack of space expanded into the Invalidenhaus in 1939, thereby causing the residents to be resettled. This in turn required the resettlement of the disabled war veterans. With heavy hearts, 170 families left the building in the inner city and moved to Frohnau, a settlement outside town. The Invaliden­haus suffered badly in World War II. Of the entire complex, which had previously comprised three wings, only the side wings remained. The burnt-out main build­ing was later demolished. 12 G E S C H I C H T E / H I S TO RY Nach dem Zweiten Weltkrieg Während der sowjetischen Besatzungszeit nach 1945 wurde das Gebäude beschlagnahmt und zum Militär­lazarett umfunktioniert. Der Turm in der Mitte des Haupthauses eignete sich besonders gut als Beo­bach­tungsposten. Auf Anordnung der damaligen SED-Führung unter Walter Ulbricht begannen 1947/48 im Nordflügel (heutiges Gebäu­ de D) die Bauarbeiten für ein Krankenhaus. Gedacht war es für ehemalige Häft­linge aus den Konzentrationslagern des Nazi-Regi­mes und die Führungskader der Parteien. In späteren Jahren stand das Krankenhaus auch Wirtschaftsfunk­ tionären sowie Wissenschaftlern und Kulturschaffen­den der DDR zur Verfügung. Als sich die Rote Armee 1949 aus dem Gebäude zu­­rück­zog, wurde es auf vielfältige Weise genutzt. Im Inva­li­denhaus richtete man ein Schwesternwohnheim ein. Der nördliche Gebäudeflügel der ehemaligen militärärzt­ lichen Akademie diente als Regierungskranken­haus der DDR und ab 1976 auch als Diplomatenkran­kenhaus. Während dieser Jahre erfolgten aufwendige Umbauarbeiten. Regierungskrankenhaus der DDR, 1973. Im Vordergrund: Sperrmauer am damaligen Grenz­übergang Invalidenstraße GDR Government Hospital, 1973. In the foreground: The Berlin Wall at the Invalidenstrasse border crossing G E S C H I C H T E / H I S TO RY After World War II During the Soviet occupation after 1945, the building was confiscated and converted into a military hospital. The tower in the middle of the main building was part­icularly well-suited for use as an observation post. On orders from the SED leadership under Walter Ulbricht, construction work began in 1947/48 for a hospital in the north wing (now building D). The idea was to use it for former concentration camp inmates of the Nazi Regime and leading Party cadres. In later years, the hospital was also available to functionaries with key positions in the economy, as well as figures playing a role in the GDR’s scientific and cultural communities. When the Red Army left the building in 1949, it was used for a wide variety of purposes. A nurses’ residence was set up in the Invalidenhaus. The north wing of the former military medical academy was used as the Government Hospital of the GDR, and also as a hospital for diplomats from 1976 onwards. Extensive conversion work was carried out in this period. 13. August 1961: Polizei und Armee der DDR beginnen in den frühen Morgen­ stunden mit der Abriegelung der Sekto­ ren­grenze zwischen Ost- und West-Berlin. Von den 81 Übergangs­stellen werden 69 geschlossen. 13 August 1961: GDR police and army start closing the border between the East and West sectors of Berlin in the early hours of the morning. Of 81 crossing points, 69 are closed. Berlin, Invalidenstraße (Tiergarten), Übergangsstelle für sowjetische Delegationen, die am Jahrestag der sowjetischen Oktoberrevolution am „Sowjetischen Ehrenmal“ in Berlin-West Kränze niederlegten Berlin, Invalidenstraße (Tiergarten), crossing point for Soviet delegations, who laid wreaths at the Soviet Memorial in West Berlin for the anniversary of the Soviet October Revolution 13 14 G E S C H I C H T E / H I S TO RY Prozess gegen Spione vor dem Obersten Gericht, Hilde Benjamin, Erste von rechts Proceedings against spies before the Supreme Court, Hilde Benjamin, 1st from the right Hilde Benjamin, auch „Rote Hilde“ genannt, verlangte eine parteiliche Anwendung der Gesetze. Einem besonders skurrilen Urteil hat der Politik­ wissen­­schaftler Otto Kirch­heimer in seinem Buch „Political Justice“ unter dem Titel „Die Ballade vom ermordeten Hund“ weltweite Publizität verschafft. Hilde Benjamin, also known as “Red Hilde”, demanded that the laws be applied according to the party line. A particularly absurd jugdment was given worldwide pub­licity by the political scientist Otto Kirchheimer in his book “Political Justice” under the title “The ballad of the murdered dog”. Berlin, Oberstes Gericht der DDR Supreme Court of the GRD G E S C H I C H T E / H I S TO RY 15 Das Gebäude des Obersten Gerichts der DDR, im Vordergrund der Grenzübergang Invalidenstraße The building of the Supreme Court of the GDR, in the foreground the Invalidenstraße border crossing Im Hauptgebäude an der Invalidenstraße waren das Ministe­ rium für Gesundheitswesen, die General­staats­anwaltschaft und das Oberste Gericht der DDR untergebracht. Hier fanden Gerichtsprozesse statt, die vielen Menschen in schlimmster Erinnerung geblieben sind. Unter dem Vorsitz (1949–1953) von Hilde Benjamin – spätere Justizministerin und eine der bekanntes­ten und berüchtigtsten Figuren der DDR-Geschich­ te – wurden 13 Urteile in den so genannten „Konzern­pro­ zessen“ gesprochen. Diese richteten sich vor allem gegen Eigentümer von Unter­ nehmen, die sich gegen die Enteignung wehr­ten. Viele Ver­ fah­ren drehten sich um Kriegs- und so genannte „Boykott­ hetze“. Das betraf vor allem die Zeugen Jehovas, Mitglieder des Bundes deutscher Ju­­­gend sowie die „Kampfgruppe gegen die Un­mensch­­­­lichkeit“. Ihnen wurden das Verteilen von Flug­blät­tern und das Planen von Anschlägen zur Last gelegt. Die Verhandlungen waren ebenso hart wie die Urteile: hohe Zuchthausstrafen und sogar zwei Todesstrafen, die vollstreckt wurden. Sämtliche Verhandlungen waren Schauprozesse, im Politbüro vorbereitet und mit abgesprochenem Strafmaß. The main building on Invalidenstrasse housed the Ministry of Health, the Office of the Chief Public Pro­secutor and the Supreme Court of the GDR. Trials took place here which have left many people with painful memories. Presided over (1949–1953) by Hilde Benjamin, who later became Minister of Justice and one of the best known and most infamous figures in the history of the GDR, the court handed down 13 judgements in the so-called “company trials”. These were primarily aimed at the owners of companies that opposed expropriation. Many trials were concerned with warmongering and so-called “boycott mongering”. This primarily affected the Jehovah’s Witnesses, members of the Federation of German Youth and the “Task Force against Inhumanity”. They were accused of distributing leaflets and planning attacks. The hearings were just as merciless as the judgments: Long prison sentences, and even two death sentences were enforced. Without exception, the hearings were “show trials” prepared in the Politburo; sentences were set in advance. 16 G E S C H I C H T E / H I S TO RY Westberliner Polizeibeamter (links) und DDR-Volkspolizist am neuen Grenzübergang Potsdamer Platz. Am 9. November 1989 öffnet die DDR ihre Grenze nach Westberlin und zur Bundesrepublik; nach 28 Jahren fällt die Mauer Police officer from West Berlin (left) and an officer of the GDR People’s Police at the new border crossing at Potsdamer Platz. The GDR opens its border to West Berlin and the Federal Republic of Germany on 9 November 1989; after 28 years, the Wall falls G E S C H I C H T E / H I S TO RY 17 Eine neue Epoche beginnt The start of a new area Mit dem Fall der Mauer kam auch die Stunde der Neuge­ stal­­­tung dieses historischen Bauwerks. With the fall of the Wall, the time had come for this historical building to be redesigned. An den Gebäuden des Regierungs- und Diplomatenkran­ken­ hauses der DDR waren in den Jahren 1973–1990 grundlegende bauliche Veränderungen vorgenommen worden. Insgesamt wurde das historische Ensemble bewahrt, der Innenausbau erfolgte jedoch sehr funktional und mit wenig Rücksicht auf die historischen Gegebenheiten. In 1973–1990, fundamental structural changes had been carried out on the buildings of the GDR Government and Diplomats’ Hospital. The overall historical ensemble had been retained, but the interior conversion was highly functional, taking little account of the historical context. Nach dem Umzugsbeschluss des Bundestages vom 20. Juni 1991 waren als Dienstsitz für das Bundeswir­tschaftsminis­ terium mehrere Standorte im Gespräch. Ursprünglich sollte es das ehemalige Reichsluft­fahrt­ministerium sein, das zu DDR-Zeiten als Haus der Minis­terien gedient hatte. Später kam das Gebäude der Reichsbank in Betracht. Doch 1991 fiel die Ent­schei­dung zugunsten der Invaliden-/Scharn­ horst­straße. Ziel der Restaurierung war, möglichst viel vom ursprüng­ lichen Zustand des historisch bedeutsamen Gebäudes wiederherzustellen. Das Augenmerk galt ganz besonders dem Denkmalschutz. After the resolution to move the government to Berlin was taken by the Bundestag on 20 June 1991, several possibilities were discussed for relocating the Federal Ministry of Econo­ mics. Originally, it was to be the former Reich Aviation Ministry, which had been the “Haus der Ministerien” (Minis­ tries’ Building) under the GDR. Later, the Reichsbank building was considered. However, the decision was taken in 1991 in favour of the Invali­den­­strasse/Scharnhorststrasse location. The aim of the restoration was to recreate as well as possible the original condition of the historically signi­ficant building. Particular attention was paid to monum­ent conservation. 09.11.1989: Die DDR öffnet nach 28 Jahren die Grenzen zur Bundes­repub­lik und zu West-Berlin. 01.07.1990: Einführung der D-Mark als Zahlungsmittel in der DDR. 03.10.1990: Die Wiedervereinigung be­ endet die 40-jährige Teilung Deutschlands. 9.11.1989: The GDR opens its borders to the Federal Republic of Germany and West Berlin after 28 years. 1.7.1990: The Deutsche Mark is introduced as currency in the GDR. 3.10.1990: Reunification ends the 40-year division of Germany. 18 G E S C H I C H T E / H I S TO RY Mehr Platz als Park: der Invalidenpark Der Invalidenpark heute The “Invalidenpark” today Zur Historie des heutigen BMWi-Gebäudes gehört auch der Invalidenpark. Als das Invalidenhaus entstand, befanden sich auf dieser Fläche Gemüsegärten für die Insassen. 1834 wurden die Gärten – vermutlich nach Plänen von Lenné – zu einem Park umgestaltet, der damals doppelt so groß wie heute war. Doch Stück für Stück verkleinerte sich die Fläche im Laufe der Jahre. Es begann 1854 mit der Errichtung der Inva­li­den­säule. Dann verschlang 1869 der Bau des AugustaHospitals einen großen Teil des Parks. Die Gnaden­kirche, 1891–1895 erbaut, kam dazu. Sowohl die Säule als auch die Kirche wurden im Zweiten Weltkrieg zer­­stört und später niedergerissen bzw. gesprengt. Ein Teil des Platzes verkam zur Lagerstätte für Bau­stel­len­einrichtungen nahe der Grenze. Um dieser Trost­losig­keit ein Ende zu bereiten, beauftragte die Stadt Berlin nach einem Wettbewerb 1990 den Architekten Christophe Girot, den Park neu zu gestalten. Seit der Fertigstellung 1997 ist etwa die Hälfte des Platzes mit Steinplatten bedeckt. Das große Wasserbecken mit Wasserspielen symbolisiert die „untergehende Berliner Mauer“. Gepflegte Grün­an­la­gen und der Kinderspielplatz laden zum Verweilen ein. Und so bleibt es letztlich dem Wohlwollen und der Phantasie des Besuchers überlassen, diesen Park als Ort der Ruhe und Besinnung zu betrachten. G E S C H I C H T E / H I S TO RY 19 More a square than a park: the “Invalidenpark” Die Invalidensäule, 1902 The “Invalidensäule” 1902 Die Gnadenkirche, 1896 The “Gnadenkirche” 1896 In der gusseisernen, 38 m hohen Invalidensäule führten innen 189 Stufen zu einem Adler mit einer Spannweite von 8 Metern. In the cast-iron, 38 m high “Invalidensäule” 189 steps led inside to an eagle with a wingspan of 8 metres. The “Invalidenpark” is also a part of the history of today’s Federal Ministry for Economic Affairs and Energy building. When the Invalidenhaus was built, vegetables were cultivated in this area for the inmates. In 1834, the vegetable plots were relandscaped into a park – presum­ably in line with Lenné’s plans. At that time the park was twice its present size. But the area was reduced, piece by piece, as the years passed. This process started in 1854, when the “Invalidensäule” (column) was erected. Then, in 1869, the construction of the Augusta Hospital took up a large part of the park. The “Gnaden­kirche” (church of mercy), built from 1891 to 1895, was added. Both the column and the church were destroyed in World War II, and later demolished. Some of the square was reduced to storage for building-site equipment near the border. To put an end to this dreariness, a competition was held in 1990 and the architect Christophe Girot named to redesign the park. After its completion in 1997, roughly half of the square was covered in flagstones. The large basin with waterworks symbolises the “downfall of the Berlin Wall”. Well cared for green spaces and the child­ren’s playground invite the visitor to stay awhile. And thus, it is largely left to the benevolence and imagination of the visitor to see this park as a place of peace, quiet and reflection. 20 G E S C H I C H T E / H I S TO RY Ein ruhiger Nachbar: der Invalidenfriedhof A quiet neighbour: the “Invalidenfriedhof” Das Grabmal des Generals Gerhard von Scharnhorst (mit liegendem Löwen) The gravestone of General Gerhard von Scharnhorst (with reclining lion) Auch der Friedhof ist Zeuge bewegter Epochen. Zeit­gleich mit dem Invalidenhaus errichtet, sollten hier einfache Soldaten, aber auch Generäle ihre letzte Ruhe­stätte finden. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahr­hun­derts galt es als eine Ehre, auf dem Invalidenfriedhof beigesetzt zu werden. Im späten 19. Jahrhundert wurden hier bedeutende Zivil­perso­ nen beerdigt. Neben dem preußischen General Gerhard von Scharn­horst (1755–1813), der 1813 in den Befreiungskriegen gefallen war und nach dem die höchste militärische Auszeichnung der DDR benannt war, liegen hier auch der Mitbegründer der deutschen Turnbewegung Karl-Friedrich Friesen, der Maschinenfabrikant Friedrich Wöhlert (1798–1877), der Philosoph Ernst Troeltsch (1865–1923), der Hofmaurer Carl Rabitz (1823–1891) und der Kampf­flie­ger Manfred von Richthofen (1892–1918), der 1975 aber nach Wiesbaden überführt wurde. Letztendlich nutzten auch die Nationalsozialisten den Friedhof zur Heldenverehrung. Erst der Alliierte Kon­trollrat setzte dem 1945 ein Ende. Er verfügte die Ent­fernung aller militaristischen und nationalsozialistischen Denkmäler. 1951 schloss die Berliner Verwal­tung die Anlage als Fried­­ hof. Nun wurde es still um den Invalidenfriedhof. Direkt an der Grenze gelegen, verblieb ein Großteil als Grenzstreifen oder Wiese, auf den eingeebneten Gräbern nahe dem Kanal entstanden eine Sperrmauer und ein Asphaltweg. Nach dem Mauerfall 1989 waren von ehemals 3.000 Gräbern nur noch 260 erhalten. 1992 begann man mit der Restau­rierung des Friedhofes. Eine schwierige Aufgabe, denn es galt zu entscheiden, welche Gräber rekonstruiert werden sollten und warum. Trotz der Verwüstungen ist der Invaliden­ friedhof immer noch ein einzigartiger Ort der Berliner Begräbniskultur der letzten 250 Jahre. Neben frühen klassizistischen Zeugnissen gibt es auch Beispiele des Barocks, des Jugendstils und der neuen Sachlichkeit. Deshalb steht der Friedhof seit 1990 unter Denkmalschutz. G E S C H I C H T E / H I S TO RY 21 Das bedeutendste Grabmal auf dem Invalidenfriedhof ist das für Gerhard von Scharnhorst. Es wurde von Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) und den Bildhauern Christian Daniel Rauch (1777–1857) und Friedrich Tieck (1776–1851) geschaffen und gilt als Meilenstein in der Entwicklung des klassizistischen Grabdenkmals. Auf dem Sarkophag thront ein schlafender Löwe aus Bronze. The most important gravestone on the “Invaliden­fried­hof” (disabled war veterans’ cemetery) is that of Gerhard von Scharn­horst. It was created by Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) and the sculptors Christian Daniel Rauch (1777–1857) and Friedrich Tieck (1776–1851), and is con­­sidered to be a milestone in the development of Classi­­­cal gravestones. A sleeping bronze lion is enthroned on the sarcophagus. Die Königs-Linde auf dem Invalidenfriedhof, 1897 The King’s linden tree at the “Invaliden­fried­hof”, 1897 The cemetery also bears witness to a tumultuous past. Built at the same time as the Invalidenhaus, it was to provide a final resting place for simple soldiers, as well as Generals. Since the second half of the 19th Century, it has been considered an honour to be buried in the Invalidenfriedhof. Important civilians were buried here in the late 19th Century. In addition to the Prussian General Gerhard von Scharnhorst (1755–1813), who fell in 1813 in the Wars of Liberation, and after whom the highest military decoration of the GDR was named, the cemetery also houses the co-founder of the German gymnastics movement, Karl-Friedrich Friesen, the machinery manufacturer Friedrich Wöhlert (1798–1877), the philosopher Ernst Troeltsch (1865–1923), the court mason Carl Rabitz (1823–1891) and the air fighter Manfred von Richthofen (1892–1918), who was however transferred to Wiesbaden in 1975. The National Socialists, finally, also used the cemetery to honour heroes. It was the Allied Control Council which put a stop to that in 1945, ordering the removal of all militaristic and National Socialist monuments. The Berlin administration closed the complex as a cemetery in 1951. Nothing more was now heard about the Invaliden­fried­hof. Situated directly on the border, a large section was used as a border strip or meadow, while a wall and a tarred path were constructed on the flattened gravestones near the canal. After the fall of the Wall in 1989, only 260 graves remained out of the former number of 3,000. Restoration of the cemetery began in 1992. It was a difficult task since it had to be decided which graves were to be reconstructed and why. Despite the devastation, the Invalidenfriedhof still holds a unique place in the Berlin burial culture of the last 250 years. In addition to bearing witness to the early Classical style, there are also examples of Baroque, Jugendstil and the New Objectivity. The cemetery has been listed since 1990 for these reasons. 22 G E S C H I C H T E / H I S TO RY Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ­– gestern und heute Mit seinem „allerhöchsten Erlass“ rief Kaiser Wilhelm II. 1917 das Reichswirtschaftsamt ins Leben: „Zum Schutze, zur Förderung und zur Steuerung der Wirtschaft.“ Dieses Amt, später umbenannt in Reichswirt­schafts­ministe­­rium, gilt als Vorläufer des heutigen Bundeswirt­schaftsministeriums. Nach der Machtübergabe an Hitler verlor es an Einfluss. Das Reichswirtschafts­­­minis­­te­­rium war im Wesentlichen für die Versorgung der Zivilbevölkerung und die Organisation der wirtschaftlichen Selbstverwaltung zuständig, bevor es am Kriegsende zerfiel. Eduard-Hamm-Bibliothek Eduard Hamm Library Am 23. September 1944 verlor der ehemalige Reichswirtschaftsminister Eduard Hamm in Gestapo-Haft sein Leben. Der überzeugte Demokrat erkannte früh die Gefahr des Nationalsozialismus und warnte schon zu Beginn der 1920er Jahre vor Hitler. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat zur Erinnerung an diesen aufrechten Demokraten und wichtigen Wirtschaftspolitiker der Weimarer Republik die Bibliothek des Ministeriums in Berlin nach Eduard Hamm benannt. Auf Initiative und unter der Kontrolle der Besatzungsmächte entstand im September 1946 das Verwaltungs­amt für Wirt­ schaft. Es wurde im westfälischen Minden errichtet, wo sich das Zentralamt für Wirtschaft der britischen Besatzungs­zone befand. Doch erst mit der Er­richtung der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinig­ten Wirtschaftsgebietes (VfW) in Frankfurt am Main wurde 1947 ein überzonales Gesetz­ge­ bungs­­organ ge­­schaffen. Deren erster Direktor war Johannes Semler. Er war der Sache nach Minister, durfte sich aber noch nicht so nennen. Sein im März 1948 gewählter Nach­folger Ludwig Erhard gewann als Direktor der VfW größte Bedeu­ tung bei der Erarbeitung der Prinzipien der Sozialen Markt­ wirtschaft. Nach der Gründung der Bundes­republik Deutsch­ land wurde sie in das Bundes­ministerium für Wirtschaft eingegliedert. Im Zeichen der Sozialen Markt­­wirt­schaft begann der schnelle und erfolgreiche Wiederauf­bau der deutschen Wirtschaft. Mit der Schaffung der Hand­werks­ordnung 1953, dem Gesetz gegen Wettbewerbs­be­schrän­kungen 1957, der Unterzeichnung der Römi­schen Verträge über die Europä­ ische Wirtschafts­ge­meinschaft und die Euro­päische Atom­ gemein­schaft 1958 und dem Stabilitäts- und Wachstums­ge­ setz von 1967 ergaben sich wichtige Aufgabenschwerpunkte für das Wirtschafts­minis­te­rium. Später nahmen struktur­ politische Frage­stel­lun­gen an Bedeutung zu. In den vergangenen Jahr­zeh­n­ten wurden die Kom­pe­tenzen des Minis­ teriums teilweise neu geordnet. G E S C H I C H T E / H I S TO RY The Federal Ministry for Economic Affairs and Energy – yesterday and today In 1917, Kaiser Wilhelm II issued a “supreme decree” calling the Imperial Department of Economics into being. Its purpose was “to protect, to promote and to guide the economy”. This department, which was later renamed the Imperial Ministry of Economics, is considered to be the forerunner of today’s Federal Economics Ministry. The imperial ministry’s influence declined after Hitler took power. Before collapsing at the end of World War II, the Imperial Economics Ministry’s main responsibilities were to provide for the civilian population and to organise the self-regulation of the economy. Under the initiative and control of the occupying powers, the German Economics Administration (Verwaltungsamt für Wirtschaft) was created in September 1946. It was set up in the North Rhine-Westphalian city of Minden, where the Central Economics Administration of the British occupation zone was located. However, it was not until the Bizonal Economics Administration (Ver­wal­tung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsge­bie­tes, VfW) was established in Frankfurt am Main in 1947 that a multizonal legislative organ was brought into being. The VfW’s first director was Johannes Semler. He functioned essentially as a minister, but could not be named as such. Ludwig Erhard, who was chosen as Semler’s successor in March 1948, gained immense significance for developing the principles of the socialmarket economy while serving as VfWdirector. After the Federal Republic of Germany was founded in 1949, the Bizonal Economics Administration was integrated into the Federal Ministry of Economics. Guided by the princi­ples of the socialmarket economy, Germany launched its rapid and successful economic recovery. Key pieces of German and European legislation formed the basis for some of the Economics Ministry’s most important res­pon­sibilities during the early years of the Federal Republic. This legislation included the Crafts Code (1953), the Act against Restraints on Competition (1957), the Rome Treaties establishing the European Economic Community and the European Atomic Energy Community (signed in 1958) and the Stability and Growth Act (1967). In later years, the Ministry also dealt increasingly with issues of structural policy. The Ministry’s responsibilities have undergone partial reorga­ nisation in recent decades. Namensgebung der Eduard-Hamm-Bibliothek durch Bundesminister Sigmar Gabriel am 23. September 2014 Naming of Eduard Hamm Library by the Federal minister Sigmar Gabriel, 23rd September 2014 On 23 September 1944, the former Minister of Economics Eduard Hamm lost his life in a Gestapo prison. The committed democrat had been quick to perceive the dangers of National Socialism and warned his countrymen against Hitler back in the early 1920s. In memory of this upstanding democrat and leading economic policy maker of the Weimar Republic, the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy has named its library after Eduard Hamm. 23 24 G E S C H I C H T E / H I S TO RY Der heutige Dienstsitz des Ministeriums liegt in der „Mitte“ Berlins. Fast nebenan befinden sich die Gebäude der Charité oder auch der Hamburger Bahnhof, heute Museum für Gegenwart. Der Berliner Hauptbahnhof ist ebenfalls ganz in der Nähe, und auch das Bundeskanzleramt, das Reichstagsgebäude und die anderen Parlamentsgebäude sind nicht weit. Heute arbeiten im Berliner Dienstsitz des BMWi etwa 1.200 Menschen, rund 350 Mitarbeiter sind in Bonn tätig. Ihre Aufgaben sind ein Spiegelbild des Wirtschaftsgeschehens. Today the Ministry is located in the centre of Berlin. Directly nearby are the buildings of the Charité hospital and the Hamburger Bahnhof, today a museum of contemporary art. Berlin’s main station is close by as well and the Federal Chancellery, the Bundestag and other parliamentary buildings are only a short distance away. Approximately 1,200 people work at the Berlin location of the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy, about 350 staff are employed in Bonn. Their works mirrors the economic activity that takes place in Germany. Aufgabe des BMWi ist die Gestaltung einer The task of the Federal Ministry for Eco­ modernen Wirtschaftspolitik mit dem nomic Affairs and Energy is to fashion a Ziel, nachhaltigen Fortschritt zu sichern modern economic policy aimed at securing sustainable economic progress and und Wohlstand und sozialen Zusammen­ strengthening prosperity and social cohehalt in Deutschland zu stärken. Dabei setzt sion in Germany. In the process it focuses on es auf Zukunftsinvestitionen, auf Inno­ future investments, on innovations, on effivationen, auf leistungsfähige Infra­struk­ Ludwig-Erhard-Büste in Gebäude A Ludwig Erhard Bust in Building A cient infrastructure, on the integration of turen, auf die Integration von Arbeits­ work forces and the internationalization of kräften und auf die Internationa­lisierung the German economy. It is essential to conder deutschen Wirtschaft. Im intensiven sistently revitalize the principles of the social market economy Dialog und in einer vertrauensvollen Kooperation mit through intensive dialogue and trustful cooperation with citiBürgerinnen und Bürgern, mit Wirtschaft und Gewerk­ zens, economy and unions. schaften gilt es immer wieder aufs Neue, die Soziale Marktwirtschaft mit Leben zu füllen. „Wir müssen uns entweder bescheiden oder mehr arbeiten. Die Arbeit ist und bleibt die Grundlage des Wohlstandes.“ Ludwig Erhard, 1963. Als der Begründer der Sozialen Marktwirtschaft ist das Wirken Ludwig Erhards bis heute von zentraler Bedeutung für die Arbeit im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Erhard prägte als Wirt­schafts­ minister (1949 –1963) und späterer Bundes­ kanzler (1963 –1966) den Aufstieg der Bundesrepublik zu einer führenden Industrienation. “We either have to be satisfied with less, or we have to work more. Work is and will remain the foundation for prosperity.” Ludwig Erhard, 1963. Ludwig Erhard stands as the founder of the social market economy, and to this very day his efforts continue to be of vital importance for the work of the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy. First as Economics Minister (1949–1963) and then as Federal Chancellor (1963–1966), Erhard played a fundamental role in shaping Germany’s rise to the ranks of leading industrial nations. G E S C H I C H T E / H I S TO RY 25 Die Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland The federal ministers of Economics of the Federal Republic of Germany 17 Minister folgten inzwischen dem ersten Bundes­minister für Wirtschaft, Ludwig Erhard, in diesem Amt. 17 ministers followed until today the first German Federal Minister of Economics, Ludwig Erhard, in this position. Ludwig Erhard (CDU), 1949–1963 Kurt Schmücker (CDU), 1963–1966 Karl Schiller (SPD), 1966–1972 Helmut Schmidt (SPD), 1972 Hans Friderichs (FDP), 1972–1977 Otto Graf Lambsdorff (FDP), 1977–1982 und 1982–1984 Manfred Lahnstein (SPD), 1982 Martin Bangemann (FDP/DVP), 1984–1988 Helmut Haussmann (FDP/DVP), 1988–1991 Jürgen Möllemann (FDP), 1991–1993 Günter Rexrodt (FDP), 1993–1998 Werner Müller (parteilos), 1998–2002 Wolfgang Clement (SPD), 2002–2005 Michael Glos (CSU), 2005–2009 Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), 2009 Rainer Brüderle (FDP), 2009 –2011 Philipp Rösler (FDP), 2011–2013 Sigmar Gabriel (SPD), seit 2013 26 Architektur Architecture Im Sommer 1995 verpackte der Aktions­ künstler Christo den Reichstag. Ein gigantisches Kunststück, das über 5 Millionen Besucher anlockte. Nach Ab­schluss der Um­­bau­­arbeiten (Anfang des Jahres 2000) fielen auch beim BMWi die „Hüllen“. In the summer of 1995 the environmental artist Christo wrapped the Reichstag. This was a gigantic work of art which attracted more than 5 million visitors. Once the conversion work was complete (start of 2000) the veil was also lifted on the BMWi. ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE 27 Eine komplexe Aufgabe A complex task 1991 begann der Ausbau des Gebäudekomplexes zum heutigen Bundeswirtschaftsministerium. Das Ziel aller Baumaßnahmen war die historische und städtebauliche Wiederherstellung dieses geschichts­trächtigen Gebäude­ komplexes. Auf der anderen Seite soll­ten im Ministerium moderne Arbeitsplätze mit der entsprechenden Büround Telekommu­nikations­aus­stattung entstehen. Beide An­sprü­che harmonisch zu­sammen­zufügen, das war eine echte Heraus­for­de­rung für alle Beteiligten. Zudem waren sowohl bei der Sanierung der Altbauten als auch bei der Errichtung der neuen Gebäudeteile Prinzipien des wirtschaftlichen und umweltfreund­li­chen Bauens zu ­beachten. Blick vom Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal View from the Berlin-Spandau navigation canal In 1991 the reconstruction of the ensemble to host the Federal Ministry began. The aim of the construction activity was to restore this historical complex of buildings from the perspective of historical preservation and urban development. On the other hand, modern workplaces were to be created in the Ministry with all the necessary office and telecommunication equipment. It was a true challenge for all concerned to combine these demands harmoniously. Additionally, the principles underlying economic and environmentally-friendly building methods were to be borne in mind, both in restoring the old buildings and in constructing the new sections. 28 ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Um das Invalidenhaus wieder als Einheit zu gestalten, wurde ein Erweiterungsbau (Gebäude G) in Form des ursprünglichen Haupttraktes errichtet. Er verbindet die denkmalgeschützten Reste, also die ehemaligen Seitenflügel des Hauses (Gebäude E und F). Dem Haupt­haus ist ein Sockel vorgelagert, der durch Lichthöfe und Pavillons gegliedert ist. Repräsentative Zugänge wie der an der Invali­den­stra­ße wurden detailgetreu restauriert. Auch die Einfahrt durch die Rotunde in den Goerckehof ist nach ihrer Sanierung wieder voll befahrbar. Außer­dem gibt es Zufahrten vor und hinter dem Invaliden­haus. In order to design the Invalidenhaus as a single unit once more, an annex (Building G) was built in the shape of the original main section. It links the remains of the original structure, which have historical monument status and comprise the former side wings of the build­ing (Buildings E and F). There is a base in front of the main building which is structured with light-wells and pavilions. Representative access points, such as that on Invali­den­strasse, were restored in line with the original details. Following its restoration, the vehicular entrance through the rotunda into the “Goerckehof” can be driven through once more. There is also vehicular access both in front of and behind the Invalidenhaus. ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Gebäude G vom Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal aus gesehen Building G from the Berlin-Spandau navigation canal Goerckehof mit Brunnenanlage von Annette Sauermann Goercke Courtyard with fountain by Annette Sauermann 29 30 ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Zur Übersicht C A D B Die ehemalige Kaiser-Wilhelms-Akademie wurde von 1905 bis 1910 nach Plänen der Architekten Cremer & Wolffen­ stein im Neobarock – typisch für Staatsbauten der damaligen Zeit – erbaut. Sie umfasst die Gebäude A, B, C und D. Das so genannte Invalidenhaus wurde 1746 bis 1748 nach Plänen von Isaak Jakob von Petri erbaut. Der Mitteltrakt des U-förmigen Komplexes ist im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Übrig blieben nur die beiden Seitenflügel, die Gebäude E und F. Jetzt stellt das neu erbaute Gebäude G als Querachse die optische Harmonie wieder her. ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Overview Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal G E F The former Kaiser Wilhelm Academy was built between 1905 and 1910 in the neo-Baroque style – typical of state buildings at that time – according to plans by the architects Cremer & Wolffenstein. It comprises Buildings A, B, C and D. The socalled Invalidenhaus was built between 1746 and 1748 according to plans by Isaak Jakob von Petri. The middle section of the U-shaped complex was destroyed in World War II. Only the two side wings were left, Buildings E and F. Now, the newly-built Building G, creating a transverse axis, has restored the visual harmony. 31 32 ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Planen, konstruieren, restaurieren Planning, building, restoring Seitenflügel des Invalidenhauses, 1920 Side wing of the Invalidenhaus, 1920 Der Gebäudekomplex trägt die Handschrift von Archi­tek­ ten aus verschiedenen Epochen. Der Ab­schluss der architektonischen Umgestaltung des Invalidenhauses bzw. der ehemaligen Kaiser-Wilhelms-Akademie zum Dienstsitz des BMWi erfolgte durch das Berliner Büro der Architek­ ten­ge­meinschaft Baumann & Schnittger. Notwendig dafür war ein gründliches Studium der historischen Quellen, um den geschichtlichen Charak­ter des Hauses zu verstehen. Denn die zu restaurieren­den Altbauteile und die notwendig gewordenen Neubauten sollten städtebaulich ein einheit­ liches Ensemble bilden. The complex bears the imprints of architects of various eras. The final architectural conversion of the Invali­den­­haus and of the former Kaiser Wilhelm Academy to become the seat of the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy was carried out by the Berlin office of the Baumann & Schnittger architects’ partnership. To do this, it was necessary to undertake a detailed study of the historical sources in order to understand the his­torical nature of the building. The old building sections which were to be restored and the necessary new build­ings had to create a uniform whole within an urban planning context. Südlicher Teil, Gebäude G Southern section, Building G ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE 33 Die Architekten: Isaak Jakob von Petri, 1746–1748 Cremer & Wolffenstein, 1905–1910 Baumann & Schnittger, 1991–1999 The architects: Isaak Jakob von Petri, 1746–1748 Cremer & Wolffenstein, 1905–1910 Baumann & Schnittger, 1991–1999 Blick auf das Gebäude vom Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal View towards the building from the Berlin-Spandau navigation canal 34 ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Ehemalige Aula, ca. 1925/1932 The former Great Hall around 1925/1932 Die renovierte Aula The renovated Great Hall Sanierung und Umbau der ehemaligen Aula Renovation and conversion of the former Great Hall ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE 35 Der Gebäudeteil D, in dem sich ursprünglich die Zimmer der angehenden Militärärzte befanden, wurde 1991 im ersten Bauabschnitt geplant und hergerichtet. Seine Zimmer­ struktur eignete sich sowohl für ein Krankenhaus als auch für ein Bürogebäude. Seit 1994 war Haus D Außenstelle des BMWi. Building section D, in which the rooms of soldiers study­ing to be military doctors were originally located, was planned and implemented in 1991 in the first phase of building. Its floor plan made it suitable both as a hospital and as an office building. From 1994 onwards, Buil­ding D housed a branch of the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy. Anschließend begann der aufwendige zweite Bau­abschnitt. Auch hier lautete eine Vorgabe: viele Büro­räume, keine Repräsentationsräume, da diese bereits im Altbau vorhanden waren. Etwa 35 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des beauftragten Architekturbüros widmeten sich über einen Zeitraum von fast 10 Jahren dieser Aufgabe. Und Thomas Baumann blickt zufrieden auf das Ergebnis seines Schaffens als Archi­tekt, das er als die bislang größte Herausfor­de­ rung seiner Archi­tek­tenlaufbahn bezeichnet. Subsequently, the extensive second phase of construc­tion work commenced. Here too, the goal was to create a large number of offices, but no representative rooms since these were already available in the old building. Roughly 35 employees at the architects’ office which received the commission dealt with this task over a period spanning almost ten years. And Thomas Baumann looks back with satisfaction on the result of his work, which he calls the high point in his career as an architect. Dachgeschoss im Gebäude G Top floor of Building G 36 ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Das Gebäude A Building A Hinter dieser schlichten Bezeich­nung verbirgt sich das Hauptgebäude der ehemaligen Kaiser-Wilhelms-Akademie. Der repräsentative Altbau an der Invaliden­str­a­ße wird von einem mächtigen Mansardendach be­deckt. Zu­sammen mit den Gebäuden B, C und D belegt er als so genanntes „Haupthaus“ eine Fläche von 13.800 m2. Die Fassade im frideri­zia­nischen Barock besteht aus einem edlen Material: Wünschel­burger Sandstein. Alle übrigen Fassaden be­kamen nur einen wetterfes­­t­en Putz. Das dreigeschossige Gebäude erhielt neben zwei seitlichen Vorsprüngen einen auffälligen Mittel­bau mit einem repräsentativen Trep­pen­haus. This simple designation covers the main building of the former Kaiser Wilhelm Academy. The representative old building on Invalidenstrasse bears a mighty mansard roof. Together with Buildings B, C and D, it takes up a surface area of 13,800 m2 as the “primary structure”. The façade in “Frederick the Great” baroque style is made of costly material: Wünschelburg sandstone. All the other façades were given only weather-proof render­ing. The building contains three floors; its prominent central unit houses a grand staircase and is flanked at the building’s corners by protruding vertical panels. Gebäude A, von der Invalidenstraße aus gesehen Building A, seen from Invalidenstraße Nicht zuletzt die Wünsche Kaiser Wilhelms II. brachten die Baukosten für die Kaiser-Wilhelms-Akademie auf die für damalige Verhältnisse astronomische Summe von 6,5 Mio. Mark. Owing not least to the demands of Kaiser Wilhelm II, construction costs for the Kaiser Wilhelm Academy reached the sum of 6.5 million Marks, an astronomic figure at that time. ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Ehemaliger Eichensaal, ca. 1925/1932 The former Oak Hall around 1925/1932 Der renovierte Eichensaal Renovated Oak Hall Die repräsentative Eingangshalle des Vestibüls The representative foyer of the vestibule Die Galerie des Vestibüls The vestibule gallery Ehemaliger Konferenzraum, ca. 1925/1932 The former Conference Room around 1925/1932 Konferenzraum heute Conference Room today 37 38 ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Das Gebäude B Building B Die Bibliothek mit Lese­saal und Bücher­ ma­gazinen nimmt fast den gesamten Ostflügel des Haupt­ge­bäu­des an der Scharn­horststraße ein. Durch figürliche Reliefs ist diese Nutzung auch an der Außenfassade ablesbar. The Library with the reading room and stacks takes up almost the entire East wing of the main building on Scharnhorst­strasse. Figures in relief on the exterior façade indicate the purpose of the rooms within. An die Seitenfront des Hauptgebäudes schließt sich ein zweigeschossiges Bauwerk an: das Gebäude B. Früher waren in diesem niedrigen Verbindungsbau an der Scharn­horst­ straße die Hörsäle der angehenden Militärärzte. Architekto­ nischer Glanzpunkt des Hauses ist der halbrunde Mittel­ pavillon. Als zentraler Zugang zum ganzen Komplex dient eine Hofeinfahrt, die den fast 5.000 m2 großen so genannten Goercke­hof mit der Scharnhorststraße verbindet. In diesem Hof ist auch die offizielle Vorfahrt: Minister, Staats­ sekretäre und deren Gäste fahren direkt über die historische Zu­­fahrt bis vor den Hofeingang des Lei­tungs­be­rei­ches. A two-storey building is attached to the side front of the main building: Building B. Originally, the lecture halls of the soldiers studying to be military doctors were locat­ed in this low connecting building on Scharnhorst­strasse. The architectural highlight of the building is the semi-circular central pavilion. A courtyard entrance serves as a central access to the entire complex, which links the almost 5,000 m2 “Goerckehof” with Scharn­horststrasse. This courtyard is also the official vehicular access: Ministers, Secretaries of State and their guests drive directly via the historical access road up to the court­yard entrance of the working area. ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Hofansicht des Gebäudes B View of the courtyard in Building B 39 40 ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Blick vom Goerckehof aus auf Gebäude C View from the “Goerckehof” to Building C Blick vom Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal View from the Berlin-Spandau navigation canal ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE 41 Das Gebäude C Building C Zum Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal hin verlängert das Gebäude C die Seitenansicht des Haupt­hau­ses. In dem dreigeschossigen Verbindungsbau befanden sich früher die Laborräume der militärärztlichen Akade­mie. Zusammen mit Gebäude B durchlief dieser Trakt in seiner Nutzung eine ausgesprochen wechselvolle Geschichte. Er beherbergte u. a. das Oberste Gericht, die Generalstaatsanwaltschaft und das Ministerium für Gesundheitswesen der DDR. Bordered by the Berlin-Spandau navigation canal, Building C lengthens the side view of the main building. The three-floor connecting building is where the labo­ratory facilities of the military medical academy were once to be found. Together with Building B, this section has experienced a wide range of uses. It has housed, amongst other things, the Supreme Court, the Office of the Chief Public Prosecutor and the GDR Ministry of Health. 42 ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Gebäude D vom Goerckehof aus gesehen Building D seen from “Goerckehof” Die Belüftung der Kaiser-WilhelmsAkademie, die durch Überdruck- und Unterdruck­lüftungsanlagen funktionierte, war eine architektonische Be­sonderheit für die damalige Zeit. The ventilation of the Kaiser Wilhelm Academy, which worked via overpressure and underpressure systems, was new to the architecture of the age. ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE 43 Das Gebäude D Building D Nach Norden hin begrenzt ein monumentaler Flügel den Akademiekomplex: das Gebäude D. Auf einer Grundfläche von 6.565 m2 gruppiert es sich um acht Innen- und Licht­ höfe, einer von ihnen ist der so ge­­nannte Cotheniushof. In diesem Gebäude befanden sich ursprünglich Internats­ räume für bis zu 300 Studenten. Von 1951 bis 1973 diente der Wohn­trakt passend zur medizinischen Bestimmung der ehemaligen militärärztlichen Akademie als Re­gierungs­ kranken­haus. Durch die räumliche Aufteilung eignet sich dieser Bau besonders als Bürogebäude. Im ersten Bau­ abschnitt wurde er bereits 1994 fertig gestellt und ist seitdem Dienststelle des BMWi. To the North, a monumental wing borders the academy complex: Building D. On a building area of 6,565 m2, it is grouped around eight interior courtyards and light-wells, one of which is the so-called “Cotheniushof”. In this building in the Kaiser’s time, there were domitories for up to 300 students. From 1951 to 1973, the accommodation wing was used as a Government Hospital, which was appropriate to the original medical intention of a former military medical academy. The spatial division of this building makes it particularly suitable for offices. It was completed in the first phase of construc­tion, back in 1994, and has housed a part of the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy since that time. Dr. Johann Goercke (1750–1822), Leibarzt Friedrichs des Großen, Arzt im Generals­ rang, war Gründer der Sanitäts­truppe im preußischen Heer. Dr. Johann Goercke (1750–1822), personal physician of Frederic the Great, physician with the rank of General, was the founder of the ambulance group in the Prussian Army. 44 ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Die Gebäude E und F Building E and F Wie verwaist standen sie da, die Gebäude E und F, als restliche Seitenflügel des ehemals zusammenhängen­den Invalidenhauses. 1746–1748 nach Plänen des Ar­­chitekten­ kapitäns Isaak Jakob von Petri erbaut, um­schloss der U-förmige Komplex den so genannten Kanonen­hof. Der Mitteltrakt fiel dem Bombardement des Zweiten Welt­kriegs zum Opfer, so dass nur die Seiten­flügel er­­halten blieben. Wie zwei unabhängige Ge­bäu­de zeig­ten sie keine Beziehung mehr zueinander. Der optische Zu­sammenhang des Ensembles war nicht mehr nach­voll­ziehbar. Im Gebäude E war die Bausubstanz aus dem 18. Jahrhundert noch einigermaßen gut erhalten. Das Gebäude F wurde nach dem Krieg von der Natio­na­­len Volksarmee der DDR genutzt und umgebaut. Nach der Wiedervereinigung wurden beide Seiten­ flügel des In­validenhauses aufwendig und liebevoll für ihre neue Nutzung restauriert. Buildings E and F, the remaining side wings of the Inva­ lidenhaus, which had previously been interconnected, stood alone as if orphaned. Constructed in 1746–1748 according to plans by architect Isaak Jakob von Petri, a U-shaped complex surrounded the so-called “Kanonen­hof”. The middle section fell victim to bombs in World War II, so that only the side wings remained. Now seem­ing to be two independent buildings, they appeared not to have any connection to each other. It was no longer possible to see the visual continuity within the complex. The structural substance of Building E from the 18th Century was still quite well preserved. Building F was used and converted by the GDR’s National People’s Army after the War. After German reunification, both wings of the Invaliden­haus were restored for their new use with much effort and love. ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Seitenansicht des Gebäudes F, früheres Invalidenhaus Side view of Building F, former Invalidenhaus Historische Treppe im Invalidenhaus wurde erhalten The historic staircase in the Invalidenhaus was preserved Fassadendetail des Gebäudes E Façade detail of Building E 45 46 ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Übergang von Gebäude G zum alten Invalidenhaus (Gebäude E) Glass seam joining Building G and the Invalidenhaus (Building E) ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE 47 Das Gebäude G Building G Um das historische Ensemble des Invalidenhauses städtebaulich wieder komplett und verständlich zu machen, entwarfen die Architekten Baumann und Schnittger einen hochmoder­ nen Ergänzungsbau: das Gebäude G. In order to make the historical complex of the Invaliden­haus complete and comprehensible again in the context of urban development, the architects Baumann and Schnittger planned a very modern extension: Building G. Dieses neue Bauwerk nimmt die historischen Formen und Proportionen auf, wie z. B. Höhen, Längen, Dach­gestaltung und Fassade. Aber es interpretiert sie gleich­zeitig auf moderne Weise mit zeitgemäßen Mitteln. Deutlich wird dies an dem Satteldach, das nur auf der Innenhofseite mit Ziegeln bedeckt ist. Dort bildet es mit den historischen Seiten­flü­geln der Häuser E und F ein optisches Ensemble. Die Vorderfront am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal wird dagegen von High­tech bestimmt: durch eine 180 m lange Photo­vol­taik­ anlage. Gleichsam als Zeichen von Respekt sitzt zwischen den alten und neuen Gebäuden eine gläserne Fuge, die den Übergang markiert und die gedankliche Distanz herstellt. Durch Ausnutzung des abfallenden Geländes ergibt sich auf der Kanalseite ein Sockel, sozusagen ein viertes Geschoss. Als großzügige grüne Terrasse erstreckt es sich fast bis zum Kanalufer. This new building retains the historical shapes and proportions, for example the heights, lengths, design of the roof and the façade. However, it also interprets them in a modern manner, using contemporary materials. This is made clear by the gable roof, which is only tiled on the interior court­yard side. The front giving onto the Berlin-Spandau navigation canal, in contrast, is defined by high-tech: a 180 m-long photovoltaic system. In addition, a glass seam is located between the old and new buildings, as a sign of respect marking the transition and creating conceptual distance. By using the sloping land, a base is created on the canal side, virtually like a fourth floor. It reaches almost to the bank of the canal in a generous green terrace. Südansicht des Gebäudes G South view of Building G 48 ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Renovierter Eichensaal Renovated Oak Hall ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Fassadendetail des Gebäudes A, Innenhof Façade detail of Building A, interior courtyard Liebe zum Detail Attention to detail Wenn man Barock, Historismus und Moderne in einem Komplex verschmelzen will, muss man den De­tails besondere Aufmerksamkeit widmen. Dabei standen die Säle aus denkmalpflegerischer Sicht im Vorder­grund. So wurden z. B. im historischen Eichensaal (Gebäude A) die alten Wandpaneele aufgearbeitet. Auch das Eichenparkett im Fischgrätmuster bekam eine Schön­heits­kur. Bei den Hausfassaden verfuhr man dagegen nach einem anderen Konzept: Bewusst verzichtete man auf eine historisierende Darstellung fehlender Orna­men­te und Figuren und ersetzte sie stattdessen durch moder­ne Ergänzungen – immer in enger Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz. Particular attention to detail is required if one seeks to merge baroque, historicism and modernism in a single complex. Here, the representative halls were the particular focus from the point of view of historical preserva­tion. Thus, for instance, the old wall panels were refurbished in the historical “Eichensaal” (Building A). The original oak herringbone-patterned parquet flooring was also restored to its former glory. The building façades, on the other hand, were treated differently: A decision was taken not to attempt to replicate missing ornaments and figures and, instead, these were replaced by modern complements – always in close cooperation with the officials responsible for historical preservation. 49 50 ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Schöne Einsichten Beautiful insights Höfe spielen in diesem Bauensemble eine tragende Rolle. Ausschlaggebend für den 1905 erteilten Zu­schlag an das Architektenbüro Cremer & Wolffenstein war der Gestal­ tungsvorschlag für den Goerckehof. Heute ist er der Empfangshof des BMWi. Eine moderne Be­­reicherung dieses repräsentativen Ambientes ist die neue Brunnenanlage der Künstlerin Annette Sauer­mann: Zwei ineinander liegende Spira­len machen einen endlosen Wasserkreislauf sichtbar. Gleichzeitig verfügt das Hauptgebäude (A) über eine Reihe von Innenhöfen, die nicht etwa als Licht­schäch­te gedacht sind, sondern als grüne Zimmer zur Erwei­te­rung der Innenräume. Gestalterisch folgen sie dem Grundkonzept der „parallelen Linien“, das die gesam­ten Innenräume der Kaiser-Wilhelms-Akademie charakterisiert. Eine Ausnahme bildet der von Angela Hampel gestaltete Innenhof mit einer Plastik aus acht Figuren. Sie balancieren mit einer Leichtig­ keit, die nur durch Kraft und Konzentration entsteht. Courtyards play a major role in this group of buildings. The contract granted in 1905 to Cremer & Wolffenstein architects’ office was decided by the design proposal for the “Goerckehof”. Today, it forms the reception court­yard of the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy. The new fountain by the artist Annette Sauermann is a modern enrichment of this representative ambience, two intertwined spirals creating an infinite water circuit. Brunnenanlage von Annette Sauermann im Goerckehof Fountain by Annette Sauermann in the Goercke Courtyard At the same time, the main building (A) has a number of interior courtyards which are not conceived as light-shafts, but as green rooms to expand the interior space. In design terms, they follow the basic concept of “parallel lines”, which characterises the overall interior space of the Kaiser Wilhelm Academy. An exception is the interior courtyard designed by Angela Hampel with a sculpture composed of eight figures. They balance with an ease achievable only as a result of strength and concentration. ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Innenhöfe Interior courtyards 51 52 ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Innenhof, Gebäude G Interior courtyard, Building G ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE 53 Auch das Gebäude D bekommt seine Großzügigkeit durch zahlreiche Innenhöfe. Besonders der so ge­­nannte Cothenius­ hof sorgt bei dem tiefen Ge­bäude­grundriss für ausreichendes Tageslicht. Auch im neu erbauten Gebäude G wurde die besondere Wirkung von Innenhöfen in Szene gesetzt. Sechs Lichthöfe mit einfacher, funktionaler und dennoch repräsentativer Gestaltung lockern die Räum­lich­kei­ten auf. Eine Dachland­ schaft mit Lavendel und Buxus bringt einen Hauch südlichen Flairs an den Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal. Der bedeutendste deutsche Gartenarchitekt seiner Zeit, Peter Joseph Lenné, gestaltete den quadratischen so genannten Kanonenhof, eine barocke Parkanlage, um die sich der U-förmige Komplex des Invaliden­hauses schließt. Die Pläne für die Neugestaltung des Kanonenhofs und der Innenhöfe im A-Gebäude wurden von den Gartenarchitekten Knipp­ schild & Simons, Berlin, entwickelt (in Anlehnung an Lenné). Building D also imparts a feeling of ample space as the result of its many interior courtyards. The so-called “Cotheniushof”, in particular, ensures that sufficient daylight reaches the deep ground plan of the building. The newly-built Building G also shows the special effects of interior courtyards. Six light-wells of simple, func­tional, but nevertheless representative design lighten the rooms. A roof garden with lavender and box trees brings a hint of Southern flair to the Berlin-Spandau navigation canal. Christian Andreas Cothenius (1708–1789) war Leibarzt Friedrichs II. und Begründer des preußischen Militärarzt­wesens. Christian Andreas Cothenius (1708–1789) was the personal physician of Frederick II and the founder of the Prussian Military Medical system. The most important German landscape gardener of his time, Peter Joseph Lenné, designed the square “Kanonen­­hof”, a baroque park surrounded by the U-shaped complex of the Invaliden­­­haus. The plans for redesigning the so-called “Kanonen­hof” and the interior courtyards in Building A were developed by the landscape gardeners Knippschild & Simons, Berlin (following Lenné’s ideas). 54 ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Denkmalschutz und modernste Technik unter einem Dach vereint Nach einem Beschluss der Bundesregierung sollte der Energie­verbrauch der Regierungsgebäude bei den Neu- und Umbaumaßnahmen des Bundes in Berlin so weit wie möglich reduziert werden und möglichst als Vorbild dienen. Durch den Einsatz erneuerbarer Energien zählt das Bundes­ ministerium für Wirtschaft und Energie zu den innovativsten Gebäuden der Bundesregierung. Fachleute von der TU Berlin und des Fraunhofer Instituts für Bauphysik haben für die einzelnen Gebäudeabschnitte Energieausweise er­­­ stellt. Aus ihnen geht hervor, dass der Energiebedarf seit der Sanierung sogar unterhalb der geforderten Grenzwerte für Neubauten liegt. Grundlage dafür ist die Energieeinspar­­ver­ ordnung, kurz EnEV. Auf dem Frontdach des Ergänzungsbaus G wurde eine von der Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger geplante, 180 m lange Photovoltaikanlage installiert. Diese Anlage, deren Module aus polykris­tallinen Siliziumzellen bestehen, umfasst eine Ge­­samtfläche von 920 m2. Sie ist auf eine Spitzenleistung von 100 kWpeak ausgelegt. Erzeugt werden etwa 76.000 kWh pro Jahr. Eine Menge, die 50 energiebewusste Haushalte pro Jahr benötigen. Die Photovoltaikanlage auf Gebäude G The photovoltaic system on Building G Bei der Gebäudesanierung wurde aus energetischen Grün­ den auf Energiesparlampen mit elektronischen Vorschalt­ geräten gesetzt. Zudem treibt die Liegenschaftsverwaltung mit moderner Gebäudeleittechnik den kontinuierlichen Verbesserungsprozess konsequent voran. Der wichtigste Teil am Gesamtkonzept ist jedoch die fortschrittliche Heizungstechnik. Das Ministerium bezieht die Heizenergie aus dem Fernwärmenetz. Somit wird die Wärme der umliegenden Berliner Kraftwerke genutzt. Der hydraulische Abgleich der Heizungspumpen und Heizflächen sorgt dafür, dass die Wärmezufuhr genau an den Wärmebedarf der Räume angepasst wird. Zudem wurde die Temperatur von Verkehrsflächen, wie Gängen und Treppenhäusern, auf maximal 16 °C abgesenkt. Dies spart Energie und Geld. Die Photovoltaikanlage auf Gebäude G The photovoltaic system on Building G ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE 55 Historical preservation and state-of-the-art technology brought to­gether under one roof In accordance with a decision by the Federal Government, the Federal Government’s building construction and conversion activities in Berlin must strive to reduce energy consumption in government buildings to the greatest possible extent, in order to serve as model for citizens. With its use of renewable energy sources, the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy is one of the most innovative federal buildings in Berlin. Experts from the Technische Universität Berlin and the Fraunhofer Institute for Building Physics have issued energy performance certificates for individual sections of the Ministry’s buildings. These certificates show that, after the Ministry’s buildings were renovated in the 1990s, their energy consumption actually lies below the levels prescribed for new buildings. These levels are set by the German Energy Savings Ordinance. One example of the Ministry’s forward-looking approach to energy consumption is the 180-metre-long photo­voltaic system, designed by the architects Baumann & Schnittger, which was installed on the front roof of Annex G. This system, the modules of which are comprised of polycrystalline silicon cells, takes up a total area of 920 m2 and is designed for a peak performance of 100 kilowatts. This corresponds to an output of approximately 76,000 kilowatt hours per year – the annual energy requirement of 50 energy-conscious households. To reduce energy consumption, the decision was made during the building renovation process to use energy-saving light bulbs with electronic ballasts. Moreover, the Ministry’s facility managers use modern building control systems to continually improve the buildings’ energy performance. The most important part of the Ministry’s overall energy concept, however, is its forward-looking heating technology. The Ministry gets its heat from the district heating system, which means that it uses heat from nearby power plants in Berlin. The hydraulic balance between heating pumps and heating surfaces ensures that the heat supply is adapted precisely to the amount of heating needed. Further­more, the temperature in foot traffic areas (e. g. corridors and stairways) has been reduced to a maximum of 16° C. This saves energy and money. 56 ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE Hörsaal in Gebäude B, in den 80er Jahren als Apotheke genutzt Lecture hall in Building B, used as a pharmacy in the eighties ARCHITEKTUR/ARCHITECTURE 57 Auch die Denkmalpflege war für den Bund ein wichtiges Thema bei der Vergabe der Umbauarbeiten an den Dienst­ sitzen. Entsprechend streng sind die Vor­ga­ben, die es bei der Restaurierung zu beachten galt. Einige Beispiele in den Häusern A und B zeigen, wie im Sinne der Erhaltung umsichtig saniert wurde. Historical preservation was also a major topic for the federal government in awarding contracts for conver­sion work at the seats of the various government agencies. The requirements to be adhered to in the restoration work were consequently strict. Some examples in Buil­dings A and B show how the renovation was carried out prudently and in a spirit of preservation. Im Eingangsbereich des Gebäudes A wurden sämtli­che Einbauten aus den 70er Jahren entfernt, um den ur­­sprün­g­ lichen Raumeindruck wiederzugewinnen, wobei gewisse Veränderungen aus den 50er Jahren beibehalten wurden. Ähnliches geschah in der Aula und dem Vorraum. Die räumliche Zerstückelung aus den 70er Jahren wurde rückgängig gemacht. In the entrance area of Building A, all installations from the seventies were removed in order to restore the original impression of space, although retaining certain changes from the fifties. The story was similar in the Great Hall and in the lobby. The spatial fragmentation of the seventies was thus reversed. Der ehemalige große Speisesaal, auch Eichensaal ge­­nannt, ist ein nahezu vollständig erhaltenes Beispiel der Gestaltung von 1910. Er wurde mit seinen ur­­sprün­­g­lichen Ausstat­tungs­ teilen wie den Holz­pa­nee­len an Wand und Decke restau­riert. Die einstige Bi­blio­thek wird auch jetzt wieder im BMWi als Bi­blio­thek ge­­nutzt. Die frühere Umnutzung dieses Gebäude­ teils als Krankenhaus hatte eine räumliche Unterteilung zur Folge, von der nun so gut wie nichts übrig geblieben ist. Im Hörsaal, dem Hauptraum des Gebäudes B an der Scharn­ horststraße, war nur eine Wiederher­stellung der Umbau­ phase aus den 50er Jahren möglich. Diese ist jedoch durchgängig gelungen. The former Grand Dining Room, also known as the “Eichen­ saal” (Oak Hall), is the last, almost perfectly preserved example of the 1910 design. It has been restored with its original fittings, including the wooden panels on the walls and ceiling. The former library is now being used as the library in the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy. The previous conversion of this part of the building for use as a hospital led to a spatial subdivision of which virtually nothing now remains. In the lecture hall, the main room of Building B on Scharn­ horst­­strasse, it was only possible to restore the conversion phase from the fifties. This has however been thor­ou­g­h­ly achieved. 58 Kunst Art K U N S T/ A RT 59 Das Handwerk der Kunst The genesis of art Bodo Korsig, „Suchen und Zerstören“, 1996, Holzschnitt in Öl auf Leinwand Bodo Korsig “Suchen und Zerstören”, 1996, woodcut in oil on canvas „Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann“, hatte Francis Picabia einmal ironisch bemerkt und damit eine Aufgabe der Kunst beschrieben: nämlich die, immer wieder neue Möglichkeiten zu schaffen, das eigene Denken und das anderer zu verändern. Ein Ministerium, das sich entschließt, in seinen Räu­men Kunst zu zeigen, tut dies aus dem Wunsch, sich mit und über Kunst nach außen gut zu präsentieren, mit geschmückten Wänden eine angenehme Arbeits­atmosphäre für Kollegen und Mitarbeiter zu schaffen, aber auch Bereiche des Hauses mit Namen und Ar­bei­ten, deren Wert der Kunstmarkt bereits definiert hat, zu akzentuieren. Doch in einer komplexen Welt ist auch die Kunst komplex und vielschichtig. Nicht immer kann davon ausgegangen werden, dass Mit­ar­beiter diese Werke auf ihre Arbeits- und Lebens­si­tua­tion beziehen oder sich durch sie angeregt fühlen. Viel häufiger wird ein Werk zunächst als Fremd­kör­per empfunden, und es bedarf aktiver Kommuni­ka­tion, Kunst und Arbeitsalltag zusammenzubringen. Eine wichtige Rolle hierbei spielt die Transparenz der Auswahlkriterien. Da Ministerien Institutionen der öffentlichen Hand sind, sind sie mehr noch als privatwirtschaftliche Unternehmen gefordert, Kunstankäufe argumentativ zu verantworten. “The head is round so that thinking can change direction”, Francis Picabia once said ironically, and thus described one of the tasks of art, that of repeatedly creating new ways to change one‘s own thinking and that of others. A Ministry which decides to exhibit art on its premises does so with the aim not only of making a positive impression on the outside world with and through art, using decorated walls to create a pleasant atmosphere for colleagues and staff to work in, but also to accentuate areas of the building with names and works the value of which the art market has already defined. However, in a complex world, art too is complex and multilayered. It is not always possible to presume that the staff relate these works to their own work and to their situations, or that they feel encouraged by them. It is more common for a work to be considered initially as an alien body, and there is a need for active communication to bring art and day-to-day work together. The transparency of the selection criteria plays a significant role in this. Since Ministries are public institutions, they are required even more than enterprises in private indus­try to be able to present arguments justifying their art acquisitions. 60 K U N S T/ A RT Der für die heutige Kunst passendere, aber bislang noch weniger durchgesetzte Begriff lautet „Kunst im öffentlichen Raum“, womit gemeint ist, dass jeder Ort ein Ort der Kunst werden kann. Nicht die Installation von Objekten ist das Ziel der Künstler, sondern prozessorientierte Tätigkeiten im öffentlichen Raum. The term which is more fitting for today’s art is: “Art in the public domain”. This phrase has however been less common in usage so far, and means that any place can become a place in which art is to be found. The artist aims not to create installations of objects, but process-orientated activities in the public domain. Im Fall des BMWi ist, wie in manchen anderen Ber­li­ner Ministerien auch, von Vorteil, dass das Ministerium in ein geschichtsträchtiges Gebäude eingezogen ist. Ein Kriterium für die Auswahl der Aufträge bei den bisher realisierten vier „Kunst am Bau“-Projekten ergab sich deshalb daraus, dass sich die Werke auf das Gebäude und seine wechselvolle Geschichte beziehen sollten. Auch Lage und Ort des Gebäudes legten Kriterien nahe, die sich in der Auswahl der angekauften Ar­bei­ten po­si­tiv niederschlugen: Zum einen lag das Haus bis zum Fall der Mauer unmittelbar an der Grenze zwischen Ost und West, was eine etwa gleich starke Aus­wahl von Künstlerinnen und Künstlern mit östlicher und westlicher Sozialisierung besonders nahe legte; zum anderen erwies sich die unmittelbare Nach­bar­schaft zum Hamburger Bahnhof, dem Mu­seum für Gegen­wart, als inspirierend. Gespräche mit Mit­ar­bei­tern des Hamburger Bahnhofs halfen bei der Auswahl und Präsentation der Werke und darüber hinaus gibt es immer wieder Möglichkeiten, Arbeiten von Künstlern, die im BMWi hängen, im größeren Zu­sam­ menhang einer Museums­prä­sen­ta­tion wahrzunehmen und so mit den Werken, Themen und Ar­beits­weisen eines Künstlers vertrauter zu werden. In the case of the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy, as for some other Berlin Ministries, it is advantageous that the Ministry has moved into a his­torical building. One criterion for the selection of commissions in the four “Art in Building” projects realised to date emerged because the works have to relate to the building and its turbulent history. The location and place of the building also imposed criteria which were important for the selection of the acquired works: Firstly, until the fall of the Wall the building was situated directly on the border between the East and the West, which made it particularly important to select a roughly equal number of artists with an Eastern and a Western socialisation; secondly, there was inspiration in the immediate vicinity of the Hamburg Station, which houses the Museum of Contem­ porary Art. Discussions with staff of the Hamburg Station helped in the selection and presentation of the works, and moreover there are repeated possibilities to perceive works by artists whose work is displayed in the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy in the broader context of a museum presentation, and hence to become more familiar with the works, topics and working methods of an artist. K U N S T/ A RT 61 Maren Krusche, „Kängur“, 1994, Öl/Holz Maren Krusche, “Kängur” (kangoo), 1994, oil/wood Maren Krusche, „Seesterne“, 1996, Öl/Holz Maren Krusche, “Seesterne” (stars at sea), 1996, oil/wood 62 K U N S T/ A RT Annette Sauermann, „Doppel-Spirale“, 2000, Wasserskulptur im Goerckehof Annette Sauermann, “Doppel-Spirale” (double spiral), 2000, water sculpture in the Goercke Courtyard Seit den sechziger Jahren arbeiten Künst­ler mit Leucht­stoff­röhren. Eine Licht­skul­ptur entsteht, wenn Licht und Architektur sich zu ei­n­em neuen Raum­erlebnis ergänzen. Artists have been working with neon lights since the sixties. A light sculpture is created when light and architecture complement one another to form a new spatial experience. K U N S T/ A RT 63 Doch bevor der Besucher des BMWi auf die großformatige Arbeit Paco Knöllers stößt, passiert er im Goercke­hof zunächst einen Brunnen, den die 1957 geborene Essener Künstlerin Annette Sauermann als Licht­skulp­tur realisiert hat. Während in seinem Becken tags­über das Wasser gegenläufig in zwei Richtungen das Zen­trum umfließt, nimmt man am Abend in der Dunkel­heit anstelle des Wassers blaues Leucht­stoff­röhrenlicht wahr. Sauermann thematisiert in zahlrei­chen ihrer Arbeiten das Verhältnis von Licht und Raum. Häufig bildet eine vorgefundene Lichtsituation den Ausgangs­punkt der entstehenden Rauminstallation. However, before visitors to the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy come upon the large-format work of Paco Knöller, they first pass by a fountain in the Goercke Courtyard which was realised as a light sculpture by the artist Annette Sauermann from Essen, who was born in 1957. Whilst by day the currents of water pass in its basin in two directions around the centre, in the evening one perceives blue neon light in the dark instead of the water. Annette Sauermann highlights the relationship between light and space in many of her works. Frequently, an existing light situation forms the starting point of the spatial installation that has been created. Auch der Brunnen im BMWi orientiert sich am Vor­ge­ fundenen: Die leicht ellipsenförmige Weg­füh­rung des Goerckehofes bestimmt seine Form, deren Rundungen immer wieder von eingefügten Geraden unterbrochen werden, so dass sich eine ornamental wirkende, mäandernde Form um ein kleines rundes Zentrum ergibt. Den in zwei Kanälen geführten gegenläufigen Wasser­fluss mag man in Bezug zur wechselvollen Geschichte des Hauses setzen. Während am Tag das im Hohlraum der Rinnen fließende Wasser zu sehen ist, bildet das raumschaffende blaue Licht in der Dunkelheit, wo sich die Körperkonturen auflösen, ein skulpturales Licht­objekt, das den Brunnen­cha­rak­ter in den Hintergrund treten lässt. Negativ- und Positivform ergänzen sich und bilden ein aus Gegensätzen zusammengesetztes Ganzes. The fountain at the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy is also designed to harmonise with its surroundings: The slightly elliptical pathway in the Goercke Courtyard determines its shape, the turns of which are repeatedly interrupted by straight lines that have been inserted, so that an ornamental, meandering form emerges around a small circular centre. The contraflow of the water, in two channels, may be related to the building’s turbulent history. Whilst during the day flow­ing water can be seen in the hollow space of the grooves, in the dark the fountain element recedes to make way for the blue light as it creates a space where the body contours dissolve to allow a sculptural light object to form. Negative and positive forms complement one another and produce a whole made out of opposites. Unter „Kunst am Bau“ versteht man Auftrags­kunst, bei der sich Künstler meist mittels eines Wettbewerbs für ein Pro­jekt im öffentlichen Raum bewerben. Der Begriff stammt aus den fünfziger Jahren und meint Skulpturen oder andere Objekte, die am oder um den Baukörper angebracht werden. “Art in Building” is understood to mean commissioned works of art where the artists apply in most cases via a competition for a project in the public domain. The term was coined in the fifties, and symbolises sculptures or other objects affixed to or around buildings. 64 K U N S T/ A RT Paco Knöller und Friederike van Duiven sind zwei Künst­ ler, die sich gleichfalls, wenn auch in einem ganz an­­deren Medium, mit der Thematik von Hohlraum und Körper, Negativ und Positiv, auseinandersetzen. Beide Künstler haben ihre künstlerischen Wurzeln in der Technik des Drucks, dem traditionsreichen künstlerischen Verfahren, das die Möglichkeit zur Verviel­fältigung der Bilder geschaffen hat. Traditionell wird hierbei ein Druckstock oder eine Druckplatte vorberei­tet, auf der das Bild ausgeschnitten, eingeritzt, ge­ätzt oder aufgetragen wird; anschließend werden Stock oder Platte eingefärbt und auf saugfähiges Pa­pier gedruckt. Sowohl Paco Knöller als auch Friederike van Duiven überwinden aber die Gattungsgrenzen des Drucks, indem sie mit unterschiedlichen Mitteln versuchen, die Grenze zwischen Druck und Malerei aufzulösen. Dies geschieht nicht nur durch die großen Formate und eine eher malerische Handhabung des Farbauftrags, sondern vor allem durch das Schaffen von Unikaten, die so das Besondere des Druckes, nämlich seine auf Reproduktion angelegte Verfahrens­weise, unterlaufen. Die Wirkung der Arbeiten entspricht im Charakter eher der Malerei, ihre Her­stel­lungs­weise aber nimmt grundlegende Elemente des Druckes auf. Traditionell sind Druck­ver­fahren auf Vervielfältigung angelegt. Heute arbeiten Künstler mit Druck­tech­ni­ken, mit denen sie Unikate erzeugen; künstlerisch lösen sie so die Grenze zwischen Druckgrafik und Malerei auf. Traditionally, printing processes are orientated towards reproduction. Today, artists use printing techniques to produce unique works. In artistic terms, this permits them to break down the barrier between graphic art and painting. Paco Knöller and Friederike van Duiven are two artists also dealing with the topic of hollow spaces and bodies, negative and positive, if using a quite different medium. Both artists have their artistic roots in printing, a traditional artistic procedure which has made it possible to reproduce pictures. Traditionally, a printing block or a printing plate is prepared, on which the picture is cut out, engraved, etched or applied; then the block or plate are coloured and printed onto absorbent paper. However, both Paco Knöller and Friederike van Duiven overcome the boundaries of the genre of printing by using different means to push back the boundary between printing and painting. This occurs not only through the large formats and a rather painterly handling of the application of paint, but above all by creating unique pieces which hence are subjected to the speciality of printing, namely its reproduction-orientated procedure. The works look like paintings, but their production incorporates fundamental elements of printing. K U N S T/ A RT 65 Paco Knöller, „K-Raum I“, 1993, Holzdruck Paco Knöller “K-Raum I”, 1993, woodprint Für Paco Knöller, der 1950 in Obermarchtal geboren ist und Schüler von Joseph Beuys war, spielt die Linie, also das grafische Element, eine wichtige Rolle. Zahlreiche seiner Holzdrucke bestehen aus verschiedenfarbigen, übereinander gedruckten Flächen, die durchzogen sind von unterschiedlich dichten Liniensystemen. Linie und Fläche bauen unabhängig voneinander und im eigenen Rhythmus die meist großformatige Arbeit auf. In seinem Werk „K-Raum I“ erinnern Farbe und Flächen­ form an das Schwarz-Rot-Gold der Na­tio­nalflagge. Aller­ dings muss sich jeder Betrachter selbst und stets von neuem durch das Geflecht der Linien verschiedene Räume und Sichten bauen und hierbei den Linien gleichsam wie Spuren folgen. For Paco Knöller, who was born in Obermarchtal in 1950 and was a student of Joseph Beuys, the line, as a graphic element, is of prime importance. A large number of his wood engravings consist of various colourful, superimposed printed areas crisscrossed by line systems differing in intensity. The lines and the space arise independently of one another and in their own rhythm to create the works, most of which are in large format. In his work entitled “K room I”, the colour and the shape remind one of the “black/red/gold” of the national flag. However, every observer must build afresh for him/herself various spaces and views from the web of lines, and in doing so follow the lines as one might a trail. 66 K U N S T/ A RT Friederike van Duiven, „Ohne Titel“ (Triptychon), 1997, Linoldruck Friederike van Duiven, “Untitled” (triptych), 1997, linocut Im Gegensatz zu Paco Knöller konzentriert sich die 1962 in Köln geborene Friederike van Duiven ganz auf die Farbe. Sie untersucht ihre Konsistenz, Oberflächenbeschaffenheit und die Interaktion verschiedener Farben, wenn sie einzelne Drucke zu Serien zusammenstellt. Ein so komponiertes großformatiges Triptychon hängt der Arbeit Knöllers gegenüber. Auf den ersten Blick erinnern die drei aus den Primärfarben Rot, Blau und Gelb bestehenden Blätter durch die lose, rahmenlose Hängung an kostbare Vorhänge; der Eindruck wird durch den Goldglanz, der durch die Farbe hindurchschimmert, noch verstärkt, und man denkt unwillkürlich an mittelalterliche Sa­­kral­kunst oder Emaillearbeiten. In contrast to Paco Knöller, Friederike van Duiven (born in Cologne in 1962) concentrates entirely on colour. She investigates its consisten­cy, its surface characteristics and the interaction between various colours when she combines individual prints to make a series. A large-format triptych compiled in such a manner hangs opposite Knöller’s work. At first glance, the loose, frameless hanging of the three leaves in the primary colours red, blue and yellow may remind you of priceless curtains; the impression is further enhanced by the gold sheen shimmering through the paint, and one thinks spontaneously of sacred art from the Middle Ages or enamel work. K U N S T/ A RT Friederike van Duiven benutzt den jedem aus Schul­zeiten bekannten Linolschnitt als Druckstock, doch verändert sie die bekannten Assoziationen, die mit dem Linolschnitt üblicherweise verbunden werden. Das sehr große, hochrechteckige Linolstück bleibt un­­behandelt, wird also nicht „eingeschnitten“, und kann nun mehrfach benutzt werden, bis meist vier, bisweilen auch sechs oder sieben Farb­schich­ten übereinanderliegen. Durch die glatte Linoloberfläche wird die ölhaltige Offsetfarbe in der Oberfläche geöffnet: Es entstehen Inseln und Hohlräume, durch die je­weils tiefer liegen­ de Farbschichten durchschimmern. So entsteht ein malerisches Farberlebnis, das die Fläche immer wieder öffnet und sie dennoch homogen wirken lässt. Andreas Dress, „Gelichter“, 1999, Mischtechnik auf Leinwand Andreas Dress, “Gelichter”, 1999, mixed technique on canvas 67 Friederike van Duiven uses as a printing block the linocut procedure familiar to everyone from their schooldays, but she changes the well-known associa­tions normally made with linoleum cuts. The very large upright rectangle linoleum remains untreated, in other words is not “engraved”, and can now be used several times until in most cases four, and sometimes six or seven paint layers lie on top of one another. Through the smooth surface of the linoleum, the oilbased offset paint on the surface is opened again and again: Islands and hollow spaces are created through which each of the lower paint layers shimmers. Thus, a chromatic experience is created which makes the surface open repeatedly and nevertheless produces a homogeneous impression. 68 K U N S T/ A RT Die Arbeiten von Christine Kirschbaum, Andreas Dress, Jürgen Köhler und – in ganz anderer Weise – auch die der jüngeren, in Rostock geborenen Katrin von Maltzahn sind zeichenhaft. The works of Christine Kirschbaum, Andreas Dress, Jürgen Köhler and – in an entirely different way – those of the younger artist Katrin von Maltzahn born in Rostock are based on drawing. Während die drei Erstgenannten die Zeichen eher symbolhaft verwenden, beschäftigt sich Katrin von Maltzahn mit Alltagszeichen. Aus dem Zusammen­hang des Spracher­ lernens stammt die Siebdruckserie „How do you do 3“. Whilst the first three use the signs rather symbolically, Katrin von Maltzahn deals with everyday signs. The series of silkscreen prints “How do you do 3” comes from the context of learning a language. Vier einzelne Siebdrucke zeigen Alltagsszenen und erklären den Zusammenhang zwischen dem Bild und dem englischen Wort dafür. Die Idee, englische Sprach­­karten in Siebdrucke umzusetzen, spielt zwar noch mit dem Verhältnis von Bild und Sprache, rückt aber den eigentlichen Zweck „Spracher­ werb“ in eine seltsa­me Distanz; die dargestellten Situationen beginnen allein durch die künstlerische Auratisierung eine eigenständige, von der ursprünglichen Bestimmung losge­ löste, visuelle Dynamik zu entwickeln. Four individual silkscreen prints show everyday scenes, and explain the connection between the picture and the English word for it. The idea of implementing English language cards in silkscreen prints plays with the rela­tionship between pictures and language, but places the actual purpose of “language acquisition” at a strange distance; the portrayed situations start through the artistic auratisation to develop a separate visual dynamic isolated from the original intention. K U N S T/ A RT 69 Katrin von Maltzahn, „How do you do 3“, 1995, Siebdruckserie Katrin von Maltzahn, “How do you do 3”, 1995, series of silk screen works Kommunikation im Alltag ist seit den achtziger Jahren ein Thema für zahlreiche Künstler. Aus dem Alltag bekannte Situationen werden dem ursprüng­­­lichen Kontext enthoben und so zur Kunst. Everyday communication has been a topic for a large number of artists since the eighties. Situa­tions known from everyday life are removed from their original context, and thereby become art. 70 K U N S T/ A RT Hubert Kiecol, „Weißaufschwarzdruck“, 1997, Holzschnitte Hubert Kiecol, “Weißaufschwarzdruck” (white-on-black print), 1997, woodcut Aus ganz verschiedenen Traditionen kommend, thema­­­ tisieren der Kölner Bildhauer Hubert Kiecol und der in Schlesien geborene, in Berlin lebende Horst Bartnig Vorstellungen vom Raum im Bild. Beide ar­bei­ten hier mit dem Holzschnitt. Hubert Kiecol, 1950 in Bremen geboren, geht es mit der zweiteiligen, ungerahmten Arbeit „Weißauf­schwarzdruck“ um einen Raumbegriff, der sich nicht mit unserer euklidischen Vorstellung vom Raum deckt, sondern auf frühere Formen zurückzugreifen scheint. Der französische Kinder­ psychologe Jean Piaget hat herausgearbeitet, dass kleine Kinder noch keinen eukli­dischen Raum mit gleichmäßiger Ver­teilung von Höhe, Länge und Breite kennen und nicht wie Erwach­sene über den Raum verfügen können. Kinder­ zeichnungen sind deshalb meist so aufgebaut, dass eine farbliche oder grafische „Ver­dich­tung“ an eine Stelle gesetzt wird und der Rest des Blattes frei bleibt. Piaget nannte dies ein „topologisches Raum­erfassen“; das Kind definiert malend „Orte“ auf dem Papier, wo „etwas los ist“. Kiecol nutzt diese beim Er­wachsenen durch komplexere Denk­gewohn­ heiten verlernte, einfache Raum­wahrneh­mung, indem er schwarze, gezackte Kreise in unterschiedlicher Größe aus den beiden weißen Flä­chen hervortreten lässt. Da die präg­ nanten schwarzen Formen zum Teil vom Rand überschnit­ten werden, ergibt sich ein auch haptisch erfahrbarer, erweiterter Umraum, der die weiße Wand­­fläche zu integrieren scheint. K U N S T/ A RT Coming from entirely different traditions, the Cologne sculptor Hubert Kiecol and Silesian-born Horst Bartnig who lives in Berlin, are both inspired by ideas of space in pictures. Both are using woodcuts in their work here. Hubert Kiecol, born in 1950 in Bremen, examines in the twopiece unframed work “Weißaufschwarzdruck” (white-onblack print) a definition of space which is not the same as our Euclidean idea of space, but which appears to fall back on earlier forms. The French child psychologist Jean Piaget worked out that small children do not yet perceive Euclidean space with equal distribution of height, length and breadth, and are not able to use space as adults do. Most children’s drawings are therefore structured in such a way that colour 71 and pictures are compressed into one place and the rest of the sheet remains empty. Piaget called this a „topological perception of space”; when painting, the child defines “places” on the paper “where something is happening”. Kiecol uses this simple spatial perception, which adults have forgotten, accustomed as they have become to more complex thought patterns, by allowing black, serrated circles to emerge in different sizes from the two white surfaces. Since the marked black forms are partly overlapped by the edge, what emerges is also an expanded space that can be perceived tactilely, which appears to integrate the white wall. 72 K U N S T/ A RT „Artisten“, Skulptur von Angela Hampel “Artisten”, sculpture by Angela Hampel K U N S T/ A RT Bei dem 1936 geborenen Horst Bartnig wirken die ak­­ kuraten, zu Quadraten zusammengestellten, offenen Streifen zunächst wie mit dem Computer erstellt. Eine Tradition, die ihre Wurzeln in der Op-Art hat, lässt sich erahnen. Doch je näher ein Betrachter kommt, umso weiter lösen sich die Bildgefüge auf. Der Bildraum scheint plötzlich zu schweben. Dies liegt an den Un­ter­brechungen, die die Striche voneinander trennen und von denen ausgehend System und Ausdehnung der bunten Streifen aufgebaut wurden. Wiederholungen und die Frage nach dem Orna­men­talen in der Kunst sind Stichworte, mit denen sich Maren Krusche und Juliane Laitzsch intensiv ausein­andergesetzt haben, die aber auch charakterisierend sind für die Arbeit „Artisten“ von Angela Hampel. Während sich in Maren Krusches Tableaus einfache gegenständliche Formen wiederholen und eine dynamische Ruhe bewirken, nimmt die Arbeit aus der Serie „Verstrickungen“ von Juliane Laitzsch vielleicht die extremste Position ein: Mit maschenartig ineinander verketteten Ornamenten ist das große Holztableau gefüllt. Zunächst verstrickt sich auch der Betrachter in dieses Muster; doch bei ausführlicher Beschäftigung lässt sich ein anregendes Vexierspiel zwischen räumli­chen und flächigen Strukturen ausmachen: Wie im Märchen der Prinz ins Dornröschenschloss eindringt, so ermöglicht diese Arbeit, sich zumindest visuell im Sehakt aus Verstrickungen zu lösen. 73 With Horst Bartnig (born 1936) the open strips juxtaposed accurately to form squares initially look as if they were created with the aid of a computer. An Op-Art in­s­p­i­­­ration can be inferred. However, the closer an observer comes, the more the pictorial structures dissolve. The pictorial space appears suddenly to float. This is caused by the interruptions separating the stripes from one another and on the basis of which the system and expansion of the colourful stripes were built up. Repetitions and the question of the ornamental in art are key words with which Maren Krusche and Juliane Laitzsch have dealt intensively, and which are also characteristic of the work entitled “Artisten” by Angela Hampel. Whilst in Maren Krusche’s tableaux simple graphic forms repeat and have the effect of creating a dynamic calm, the work from the series named “Ver­strickungen” (entanglements) by Juliane Laitzsch perhaps takes up the most extreme position: The large wooden tableau is filled with interchained meshed ornaments. Firstly, the observer also becomes entangled in this pattern; however with more detailed involvement, it is possible to make out an exciting, teasing game played between spatial and surface structures: As with the fairytale of the prince penetrating Sleeping Beauty’s castle, this work makes it possible to escape from the entanglement, at least in visual terms. 74 K U N S T/ A RT Nicht voneinander lösen können sich dagegen die Artisten in der Skulptur der 1956 geborenen Dresdner Künstlerin Angela Hampel. Den engen, nicht sehr hel­len Innenhof des BMWi hat sie mit zarten, aus Alu­mi­nium gefertigten und aufeinander stehenden Artis­ten­figuren mit Leichtigkeit und Lebendigkeit akzentuiert. By contrast, the artists in the sculpture by the Dresden artist Angela Hampel (born 1956) cannot be separated from one another. She has accentuated the narrow and dim interior Courtyard of the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy with lightness and liveliness using aluminium artist figures standing one upon another. Spielerisch leicht wirkt zunächst auch die in der Cafe­teria realisierte Wandarbeit aus ausgeschnittenen, bunten Figu­ren des aus einer Künstlerfamilie aus Halle stammenden, 1964 geborenen Moritz Götze. Ein Kenn­zeichen seiner Arbeiten sind poppige Farben, wiederkehrende Module, die zu comic­ haften Bild­struk­turen zusammengesetzt werden. Die so gewonnene Leichtigkeit bietet den Freiraum, sich mit komplexen gesellschaftlichen Themen auseinander­zusetzen. In dieser Arbeit, in der ein badender Mensch Som­mer­freuden zu genießen scheint, geht es um das Zusammenwachsen Deutschlands und die Rolle, die Geschichte und Kunst hierbei spielen. In the cafeteria, playfully-light effects are also initially in evidence in the mural realised from colourful cut-out figures by Moritz Götze, born in 1964 to a family of artists originating from Halle. Trendy colours and re­­peating modules combined to form comic-type pictorial structures are characteristic of his work. The lightness thus gained offers the scope to tackle complex social topics. This work, in which a bather appears to be delighting in the joys of summer, is about the growing together of Germany and the role played by history and art in that process. Moritz Götze, „Ohne Titel“, Kunst in der Cafeteria Moritz Götze, “Untitled”, art in the Cafeteria K U N S T/ A RT Horst Bartnig, „72 Unter­brech­un­gen, 72 Striche in vier Farben“, 1995, Holzschnitte Horst Bartnig, “72 interruptions, 72 lines in four colours”, 1995, woodcuts 75 76 K U N S T/ A RT Marcel Odenbach, „Als sähe ich im Himmel die Erde“, 2000, Deckenfries in der ehemaligen Aula Marcel Odenbach, “Als sähe ich im Himmel die Erde” (as if I saw the earth in the sky), 2000, ceiling frieze in former Great Hall K U N S T/ A RT Das vierte „Kunst am Bau“-Projekt befindet sich im Kon­ ferenzsaal, der ehemaligen Aula, und zeigt ein Deutschland­ bild, in dem Geschichte, Gestalten und Ereignisse zu einem riesigen collagierten ellipsenförmigen Deckenfries zusammengestellt sind. Wer hier tagt, tagt unter dem Bilderhimmel der Ge­­schichte. Der Kölner Videokünstler Marcel Odenbach, Jahrgang 1953, hat den Fries aus hunderten blau ge­tönter Fotos zusam­ men­gesetzt; Reminiszenz an das Massenmedium Fern­sehen, das aus Schnitten und Fragmenten Geschichten entstehen lässt. Die Bilder sind eingebettet in Rahmenfelder aus weiß auf schwarz gedruckten Texten, die allerdings aus dieser Distanz nicht zu lesen sind – der Text bildet so ein eigen­ständiges Element neben den Bildern und be­grenzt zugleich auch deren Macht. Das Massen­me­dium Fernsehen ist für Odenbach ein ebenso wichtiges The­ma wie die Aus­ein­andersetzung mit drei auf Deutsch­land bezogenen Themen­kreisen – der Zeit des Natio­nalsozialismus, der Nachkriegsgesellschaft und ihren Folgeerscheinungen sowie der Teilung und Wie­­ dervereinigung Deutschlands. Entscheidend für ihn ist dabei der persönliche Bezug, der gerade bei den „großen“ Themen gesucht und herausgearbeitet werden muss. 77 The fourth “Art in Building” project can be found in the conference hall, the former Great Hall, and shows a picture of Germany in which history, figures and events are combined to form a massive collaged, elliptical ceiling frieze. Anyone meeting here meets under the pictorial sky of history. The Cologne video artist Marcel Odenbach, born in 1953, assembled the frieze from hundreds of blue-toned photographs; reminiscent of the mass me­dium of television which makes stories out of edits and fragments. The pictures are embedded in frames made of texts printed white on black, which however cannot be read from this distance – the text thus forms a separate element in addition to the pictures, and at the same time limits their power. The mass medium of television is for Oden­bach a topic equally as important as the three topics related to Germany – the time of National Socia­l­ism, the post-war society and its consequences, and division and reunification. The personal relationship which must be sought and worked out especially with the “big” topics is decisive to him in this work. 78 Daten und Fakten Dates and facts Quellen Sources Bauherr/Client: Bundesrepublik Deutschland Federal Republic of Germany „Bundeshauptstadt Berlin“ Ulf Meyer, Jovis Verlagsbüro, Berlin, 1999 Architekt/Architect: Baumann & Schnittger Architektengemeinschaft, Brahmsstraße 9, 14193 Berlin Projektcontroller/Project controller: DU Diederichs Projektmanagement GbR mbH, Ackerstr. 3, 10115 Berlin Planung und Bauzeit/ Planning and building schedule: 1991–19941. Bauabschnitt: Haus D 1st phase of construction: Building D 1996–20002. Bauabschnitt: Haus A–C und Haus E–G 2nd phase of construction: Buildings A–C and Buildings E–G Kennwerte/Benchmarks: 33.000 m2Grundstücksfläche plot area 98.000 m2 Bruttogeschossfläche (BGF) gross floor-space 2 47.100 m Nutzfläche (NF) useable space Kosten/Costs: •• ca. 253 Mio. € inklusive der Honorare •• € 253 million including fees Beschäftigte/Employees: •• Rund 1.200 (in Berlin) •• About 1,200 (in Berlin) Technische Daten Photovoltaikanlage/ Technical data of the photovoltaic system: •• 920 m2 Photovoltaikfläche mit einer ausgelegten Leistung von 100 kWp •• 920 m2 photovoltaic area with a designed performance of 100 kWp „Berlin: Offene Stadt – Die Stadt als Ausstellung“ Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin, 1999 Herausgeber: Berliner Festspiele und Architektur­kammer Berlin „100 deutsche Jahre“ Chronik Verlag, München, 1998 Herausgeber: Thomas Fischer und Rainer Wirtz „250 Jahre Invalidenhaus Berlin“ Herausgeber: Stiftung Invalidenhaus Berlin, Berlin, 1998 „Zwei Ministerien in historischer Umgebung“ Jürgen Karwelat, Berliner Geschichtswerkstatt e. V., Berlin, 1999 „Projekt Invalidenhaus, Scharnhorststraße 34–35“ Alexandra Restaurierungen, Büro für Bauforschung, Restaurierung und Architektur, Sept./Okt. 1995 Auftraggeber: Bundesbaudirektion, Berlin „Die Herrichtung des Dienstgebäudes BMWi in Berlin, Scharnhorststraße 34–37/Invalidenstraße“ Bundesministerium für Raumordnung und Städtebau, Berlin, Januar 1996 „Zwischen Mars und Minerva –Wegweiser über den Invalidenfriedhof“ Prof. Laurenz Demps, Verlag für Bauwesen, Berlin, 1998 Abschnitt Denkmalpflege: Alexandra Restaurierungen, Büro für Bauforschung, Restaurierung und Architektur Abschnitt Kunst: Marion Thielebein, Berlin 79 Bildnachweis Photographs Titel BMWi/Stefan Müller Seite 1 Bundesregierung/Bergmann Seite 4 Ollech V. Seite 5 bpk / Kunstbibliothek, SMB Seite 21 Landesarchiv Berlin, Waldemar Titzenthaler, F_Rep_290_II3914 Seite 6 BArch, Bild 183-C08191/Dorneth Berlin Seite 22 Seite 6/7 Stiftung Invalidenhaus (Hintergrund) Seite 23 BMWi/Susanne Eriksson; Landesarchiv Berlin, F_Rep_270_6596 (Hintergrund) Seite 7 Stiftung Invalidenhaus, Waldemar Titzenthaler (oben); Stiftung Invalidenhaus, Berlin (unten) Seite 20 BMWi/Anja Blumentritt; Landesarchiv Berlin, F_Rep_270_8162_5 (Hintergrund) BMWi/Susanne Eriksson Seite 8 Landesarchiv Berlin, A_Pr_Br_Rep_042_(Fotos)_2181 (oben li.); BArch, Bild 116-306-06/Max Krajewski (oben re.); Landesarchiv Berlin, A_Pr_Br_Rep_042_(Fotos)_2184 (unten li.) Seite 24 BMWi/Anja Blumentritt Seite 8/9 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger (Hintergrund) Seite 27 Seite 9 Landesarchiv Berlin, F_Rep_290_II1300 Seite 25 Seite 26/27 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger (Plan) BMWi/Anastasia Herman Seite 28 BMWi; Landesarchiv Berlin, F_Rep_270_A_6596 (Hintergrund) Seite 10 Stiftung Invalidenhaus; Landesarchiv Berlin, F_Rep_270_A_2000_Bl_4237_1936 (Hintergrund) Seite 29 Seite 11 Seite 32 BArch, 116-306-06/Max Krajewski alle BMWi BMWi/Stefan Müller (alle) Seite 30/31 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger BMWi/Stefan Müller (oben li.) Seite 12 Landesarchiv Berlin, Ludwig Ehlers, F_Rep_290_0307984 Seite 32/33 BMWi/Klemens Ortmeyer Seite 12/13 Landesarchiv Berlin, F_Rep_270_4237 (Hintergrund) Seite 34 BArch, Bild 116-306-09/Max Krajewski (oben li.); BMWi/Klemens Ortmeyer (oben re.); BMWi/Stefan Müller (unten) Seite 13 Landesarchiv Berlin, Johann Willa, F_Rep_290_0078732 Seite 14 BArch, Bild 183-15600-0005/ Fotograf: Gustav Köhler Berlin (oben); BArch, Bild 183-S94973/Eva Kemmlein (unten); Landesarchiv Berlin, F_Rep_270_4237 (Hintergrund) Seite 15 Landesarchiv Berlin, Ludwig Ehlers, F_Rep_290_0307982 Seite 16 Bundesregierung, Klaus Lehnartz Seite 16/17 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger (Hintergrund) Seite 18/19 BMWi/Stefan Müller; Landesarchiv Berlin, A_Rep_042-717 (Hintergrund) Seite 19 Landesarchiv Berlin, Waldemar Titzenthaler, F_Rep_290_II12363 (oben Mitte); Landesarchiv Berlin, Pulkrabeck, F_Rep_290_0070475 (oben re.) BArch = Bundesarchiv Seite 33 BMWi/Stefan Müller (oben) Seite 34/35 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger (Hintergrund) Seite 35 BMWi/Klemens Ortmeyer Seite 36 BMWi/Stefan Müller Seite 37 BArch, Bild 116-306-10/Max Krajewski (oben li.); BMWi/Stefan Müller (oben re.); BMWi/Stefan Müller (Mitte li.); BMWi/Stefan Müller (Mitte re.); BArch, Bild 116-306-11/Max Krajewski (unten li.); BMWi/Stefan Müller (unten re.) Seite 38 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger (oben); BMWi/Anja Blumentritt (unten) Seite 39 BMWi/Stefan Müller Seite 40 BMWi/Stefan Müller (oben); BMWi/Anja Blumentritt (unten) 80 B I L D N A C H W E I S / P H OTO G R A P H S Seite 41 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger (oben); Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger (Hintergrund) Seite 65 BMWi/Anja Blumentritt Seite 66 BMWi/Stefan Müller Seite 42 Seite 68 BMWi/Stefan Müller Seite 67 BMWi BMWi/Anja Blumentritt Seite 42/43 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger (Hintergrund) Seite 69 BMWi/Anja Blumentritt Seite 43 Seite 71 BMWi/Anja Blumentritt BMWi Seite 44 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger Seite 44/45 Landesarchiv Berlin, A_Pr_Br_Rep_042(Karten)_Nr_720 (Hintergrund) Seite 45 BMWi/Stefan Müller (oben); Landesarchiv Berlin, Stefane Jacob, F_Rep_290_0400428 (unten li.); BMWi/Anja Blumentritt (unten re.) Seite 46 BMWi/Klemens Ortmeyer Seite 46/47 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger (Hintegrund) Seite 70 BMWi/Anja Blumentritt Seite 72 BMWi/Stefan Müller Seite 73 Landesarchiv Berlin, A_Pr_Br_Rep_042(Karten)_Nr_720 (Hintergrund) Seite 74 BMWi/Anja Blumentritt; Landesarchiv Berlin, A_Pr_Br_Rep_042(Karten)_Nr_720 (Hintergrund) Seite 75 BMWi/Anja Blumentritt (alle) Seite 76 BMWi/Stefan Müller Seite 77 BMWi/Stefan Müller Seite 47 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger (oben); BMWi/Klemens Ortmeyer (unten re.) Transparentseiten Seite 48 BMWi/Stefan Müller; Landesarchiv Berlin, LAB_F_Rep_270_6596 (Hintergrund) Seite 4 Ollech V. Seite 8 Landesarchiv Berlin Seite 49 BMWi/Anja Blumentritt (oben, Mitte li. und Mitte re.); BMWi/Anastasia Herman (unten) Seite 50 BMWi/Stefan Müller Seite 50/51 Landesarchiv Berlin, A_Pr_Br_Rep_042(Karten)_Nr_720 (Hintergrund) Seite 51 BMWi/Stefan Müller (alle) Seite 52/53 BMWi/Stefan Müller; Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger (Hintergrund) Seite 54/55 BMWi/Stefan Müller (alle) Seite 56 BMWi/Anja Blumentritt Seite 56/57 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger (Hintergrund) Seite 58 BMWi/Stefan Müller Seite 59 BMWi/Anja Blumentritt Seite 61 BMWi/Stefan Müller Seite 62 BMWi/Stefan Müller nach Seite 28 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger Seite 34 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger Seite 36 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger Seite 38 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger Seite 40 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger Seite 42 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger Seite 44 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger Seite 46 Architektengemeinschaft Baumann & Schnittger www.bmwi.de