Esskultur in Hildesheim - Der-Ratgeber.de-Shop

Werbung
Esskultur in
Hildesheim
Esskultur in Hildesheim
Helmut Brandorff
100 000 Jahre Esskultur in Hildesheim
Wie speisten die Domherren?
Marktkalender für alle Monate des Jahres
Wolf-Georg von Eickstedt
Die jüdische Küche
Wie man isst im Potte
Ansgar Lehne
Schießen oder schonen?
Gute Gründe für heimisches Wildfleisch
Hildesheim schwelgt und genießt ...
Simone Brandenberg
Der Wunschpavillon am
Stadttheater Hildesheim
„Essen am Ersten“
Siggi Stern
Zuhause an fremden Tischen
TonTopf – Tonkuhles tönende Kochshow
Die „Hildesheimer Tafel“
Rezepte aus der JVA für Frauen, Hildesheim
Hilde konsumiert anders
Kunstverein via 113
Zwei Rezepte
274
278
288
296
304
338
344
346
348
350
354
356
360
367
374
376
273
Esskultur in
Hildesheim
Von der Mammutrippe zum Hamburger
100 000 Jahre Esskultur in Hildesheim
wie Nüsse, Grassamen, Beeren usw., Wurzeln
und Knollen zu bieten hatte, bereicherte den
Speiseplan und sorgte für eine ausgewogene
Ernährung.
Helmut Brandorff
Die ersten Menschen im Raum Hildesheim
sind schon vor über 100 000 Jahren in der
Altsteinzeit nachweisbar. Sie gehörten zu
der vorgeschichtlichen Menschengruppe des
Neandertalers. Von ihrer Existenz wissen wir
eigentlich nur etwas durch ihre Steinwerkzeuge, die beim Baggern von Kies im Leinetal,
zum Beispiel bei Jeinsen, gefunden worden
sind. Einen ersten Siedlungsplatz des Neandertalers mit einem Alter von 50 000 bis
60 000 Jahren hat man Anfang der fünfziger
Jahre in Salzgitter-Lebenstedt entdeckt. Da
hier nicht nur Steinwerkzeuge, sondern auch
Knochen und Pflanzenreste gefunden wurden,
können wir relativ genau sagen, wie der Tisch
des Neandertalers in unserer Gegend gedeckt
war. Der hauptsächliche Fleischlieferant war
das Rentier, von dem drei Viertel aller Knochenreste auf diesem wohl viele Jahre lang
benutzten Lagerplatz stammen. Weitere Knochen stammen vom Mammut, vom Wildpferd,
vom Steppenbison und vom Wollnashorn.
Die Knochen zeigen deutliche Spuren vom
Zerlegen der Tiere mit Steinklingen. Sicherlich
ergänzten kleinere Tiere wie Fische, Vögel
und Kleinsäuger bis hin zu Mäusen den
Speiseplan unserer Vorfahren. Pflanzliche
Nahrung spielte jahreszeitenbedingt ebenfalls
eine große Rolle. Alles, was die Natur an essbaren Wildkräutern wie Löwenzahn, Brennnesselblätter usw., Knospen, Pilzen, Früchten
274
Feuersteinklinge vom Jägerrastplatz der Altsteinzeit in
Salzgitter-Lebenstedt (Länge: 9 cm). Die Klinge konnte
sowohl als Messer zum Schneiden wie auch als Schaber gebraucht werden.
Der Neandertaler war kein keuleschwingender
brüllender Wilder, notdürftig in blutige Felle
gehüllt, sondern ein Mensch, der bereits seit
langem das Feuer kannte und in zeltartigen
Behausungen wohnte. Seine Fell- bzw. Lederkleidung muss man sich wahrscheinlich so
vorstellen wie die der Indianer und Inuit in den
arktischen Regionen Amerikas vor der Ankunft
der Europäer. Das Fleisch wurde am Feuer
gebraten oder, etwa in Blätter eingehüllt,
geschmort. Über die Zubereitung pflanzlicher
Nahrung wissen wir nichts. Vieles wurde sicher
roh verzehrt als Obst und Salat, außerdem
konnte man es rösten (zum Beispiel bestimmte
Samenkörner) oder zusammen mit dem Fleisch
garen. An „Besteck“ genügten dem Menschen
bis heutzutage (etwa am Gartengrill) die Finger. Nur für das Schneiden war eine Klinge aus
Feuerstein nötig, und wenn etwas zu heiß zum
Anfassen war, konnte man einen angespitzten
Stock zu Hilfe nehmen.
Mit einigen Variationen blieben die Ernährungsgewohnheiten unserer Vorfahren über
Jahrtausende hinweg gleich. Dann, in der
Esskultur in
Hildesheim
Jungsteinzeit, ca. 5500 Jahre v. Chr., änderte
sich die Lebensweise grundlegend. Inzwischen
hatte sich die heutige Form des Menschen, der
homo sapiens sapiens, durchgesetzt, und er
wurde sesshaft. In der Gegend von Hildesheim
haben Archäologen Siedlungen aus dieser
Zeit unter anderem in Rössing und in Itzum
ausgegraben. Nach der Art der Verzierung auf
den Keramikgefäßen, die diese Bevölkerung
hinterlassen hat, nennt man sie die Kultur der
„Linienbandkeramik“. Die Menschen lebten
in recht ansehnlichen Häusern, die eine Länge von ca. 20 bis 30 Metern bei einer Breite
von ca. acht Metern aufwiesen. Sie betrieben
Landwirtschaft, was eine völlige Umstellung
der Ernährungsweise mit sich gebracht hatte.
Grundnahrungsmittel war nun nicht mehr
Fleisch, sondern Getreide. Es waren schon die
Vorläufer unserer heutigen Getreidesorten:
Emmer und Einkorn (der spätere Weizen) und
Gerste. Mit dem planmäßig angebauten und
geernteten Getreide konnte nun erstmalig in
der Menschheitsgeschichte langfristige Vorratswirtschaft betrieben werden.
Die Verarbeitung des Getreides war sehr
aufwendig. Nach dem Ausdreschen des Korns
aus den Ähren mussten die Spelzen von den
einzelnen Körnern entfernt werden. Dies
bedeutete eine mühselige Pulerei, die man
sich aber dadurch vereinfachen konnte, dass
man das Getreide erst darrte, also am Feuer
trocknete, und es dann in einem Holzmörser
stampfte. Dabei lösen sich die umhüllenden
Spelzen vom Korn und können dann durch
„Worfeln“ von diesem getrennt werden. Dazu
wirft man das Gemisch in die Luft und die
schwereren Körner fallen gleich wieder herunter, während die leichteren Spelzen von der
Luftbewegung ein Stück weggeweht werden.
Der nächste Arbeitsgang war die Mehl- bzw.
Schrotbereitung. Dies geschah auf einer
Steinplatte, auf der die Körner mit Hilfe eines
kleineren Reibsteins zerquetscht und zermahlen wurden. Zwischendurch war es immer
wieder notwendig, übriggebliebene Spelzen
und andere Fremdkörper auszusortieren. Man
kann sich gut vorstellen, dass allein die Vorarbeiten vor der eigentlichen Zubereitung einer
Mahlzeit ein mühsames und zeitaufwändiges
Unterfangen waren.
Reibstein („Getreidemühle“) aus einer Siedlung der
Linienbandkeramik bei Itzum, Stadt Hildesheim.
Gefäß (Kochtopf) der jungsteinzeitlichen Kultur der
„Linienbandkeramik“ aus einer Siedlung dieser Zeit
bei Rössing.
275
Esskultur in
Hildesheim
Beim Mahlvorgang auf dem Reibstein gelangte
durch den Abrieb auch Gesteinsmehl in das eigentliche Mehl. Das wirkte beim Kauen wie feiner Schmirgel, so dass die Zähne der Menschen
oft bis an die Zahnwurzeln abgeschliffen waren.
Die Personen, deren Gräber im Jahr 2006 in der
bandkeramischen Siedlung bei Itzum entdeckt
wurden, wiesen auch dieses Merkmal an ihren
Zähnen auf. Dafür war aber keinerlei Befall von
Karies festzustellen. Eines der Skelette soll in der
Vorgeschichtsabteilung des Roemer-PalizaeusMuseums ausgestellt werden. Wenn es fertig
präpariert ist, wird sich jeder Hildesheimer
selbst von der Zahngesundheit eines seiner Vorfahren überzeugen können.
Der Getreideschrot konnte als Ausgangsmaterial für Brot, vor allem aber für eine große
Vielfalt von Eintopf- und Breigerichten verwendet werden. Aus archäologischen Funden
von verkohlten Essensresten wissen wir, dass
Gemüse, Fleisch und als pflanzliches Fett
auch Leinsamen Bestandteile eines solchen
Breies sein konnten. Gut möglich ist aber
auch eine getrennte Zubereitung, wobei der
Getreidebrei die Beilage bildete, vergleichbar
mit der heutigen italienischen Polenta oder
dem arabischen Couscous. Als Kochtöpfe
dienten die schon erwähnten Keramikgefäße
mit ihren charakteristischen Ritzverzierungen
aus mäanderförmigen Bändern. Sie standen
in einer ebenerdigen offenen Feuerstelle im
Haus. Die Verarbeitung des Getreides zu Brot
erfolgte eher als Zusatzkost und als kurzfristige Bevorratung, da es erheblichen Aufwand
an Arbeit und Brennmaterial bedeutete, den
im bandkeramischen Haus ebenfalls vorhandenen Backofen anzuheizen. Fladenbrot
konnte zwar schnell auf einer Steinplatte gebacken werden, war aber nach Versuchen der
Experimentellen Archäologie trotz der Verwendung von Sauerteig so hart, dass es nur
als Suppeneinlage oder Ähnliches gegessen
werden konnte.
276
Als weitere Kulturpflanzen sind für die ersten
Bauern noch Erbsen, Linsen und Lein nachgewiesen. Außerdem war das umfangreiche
jahreszeitlich unterschiedliche Angebot an
Wildpflanzen vorhanden. Die Viehhaltung
konzentrierte sich auf Rind, Schwein, Schaf
und Ziege und – ungewiss, ob als Nahrungsquelle oder als Freund und Helfer – den
Hund. Das Rind war mit einem Anteil von ca.
50 Prozent die am häufigsten als Nahrung
verwendete Tierart. Für spätere Epochen
der Jungsteinzeit gibt es auch Hinweise auf
Milchwirtschaft. Wildtiere standen nach den
wenigen Funden entsprechender Knochen nur
selten auf dem Speiseplan.
In Norddeutschland blieb diese Art der Ernährung in den nächsten Jahrtausenden Standard, für die ärmere Bevölkerung zum Teil sogar bis ins 20. Jahrhundert hinein. Nach und
nach fanden weitere Nahrungsmittel Eingang
in unsere Gegend. Gegen Ende der Bronzezeit
(ca. 1000 v. Chr.) kam die Haltung von Federvieh auf, mit domestizierten Wildgänsen und
dem aus Vorderasien stammenden Haushuhn.
Mit dem Beginn der Vorrömischen Eisenzeit
(ca. 700 v. Chr.) wurde die „Ackerbohne“ in
unsere Region eingeführt (unsere heutigen
Bohnensorten stammen fast alle aus Amerika). Die Jagd auf Wildtiere spielte je nach
Epoche und geografischen Gegebenheiten
eine unterschiedliche Rolle. Bis ins Mittelalter kamen weitere ehemals mediterrane
Kulturpflanzen nach Mittel- und Nordeuropa,
so brachten die Römer zum Beispiel den
Weinanbau, verschiedene Kohlsorten und
die Zwiebel. Außerdem fand über alle Zeiten
hinweg eine ständige Verbesserung und ertragsorientierte Weiterzüchtung der vorhandenen Nutzpflanzen und Haustiere statt. Die
Mönche in den Klöstern betrieben Fischzucht
in ausgedehnten Teichwirtschaften. Seit dem
Mittelalter gibt es einen stetigen Anstieg des
Bevölkerungswachstums, was beim Fleisch-
Esskultur in
Hildesheim
verzehr zu einer überwiegenden Nutzung von
Schweinen gegenüber zuvor Rindern führte.
In Verbindung mit den gesellschaftlichen
Veränderungen (Adel und Abhängige, Feudalismus) klaffte das Nahrungsangebot für arm
und reich immer weiter auseinander, so dass
nur der Privilegierte sich Fleisch leisten und
satt essen konnte, während für den Angehörigen der Unterschicht der Getreidebrei – mit
der Fleischbeilage als seltene Ausnahme
– zur Regel wurde.
Im Zuge dieser Spezialisierung, mit einem
Leben im Überfluss auf der einen Seite und
Mangelernährung auf der anderen, wuchs
auch, zumindest auf Seiten des Überflusses,
die Komplexität der Nahrungszubereitung.
Das Kochfeuer am Boden wanderte auf einen
erhöhten Platz, den Herd. Der Allzwecktopf
aus Keramik gliederte sich auf in Topfgarnituren für unterschiedlichste Zwecke mit
Ausmaßen von Faustgröße bis zu einem Fassungsvermögen von 150 Litern und mehr. Die
Töpfe bestanden aus Keramik oder aus Metall
(meist Bronze) und dazu gab es Pfannen unterschiedlicher Form und Größe, ebenfalls aus
Keramik und aus Metall (meist Eisen).
Der reiche oder gar der herrschaftliche Haus-
halt musste mitunter 100 und mehr Mitglieder
beköstigen. Das war sehr personalintensiv,
so dass vor allem bei festlichen Anlässen
Dutzende von Köchen und Scharen von Hilfskräften notwendig waren, um die Mahlzeiten
zu bereiten. Eine herrschaftliche Küche besaß
die Ausmaße eines mittleren Kinosaales mit
mehreren, teils mehrere Quadratmeter großen Herden, auf denen in unzähligen Töpfen
und Pfannen auf zahlreichen Feuern die
Speisen brutzelten und köchelten. Ein eindrucksvolles Bild in dieser Hinsicht vermittelt
der Besuch der Küche auf Schloss Marienburg
bei Nordstemmen, welche relativ unverändert
die Zeit seit der Mitte des 19. Jahrhunderts
überdauert hat.
Ein wirkliches Leben in der „Guten alten Zeit“
kann sich heute, nachdem die technische Revolution mit Mikrowelle und computergesteuertem Kühlschrank auch die hintersten Winkel
jeder Küche erobert hat, niemand mehr vorstellen. Damals galt Wohlbeleibtheit als Zeichen von Reichtum und Gesundheit und nur
der Arme war kränklich und ausgemergelt.
Der Fortschritt der Technik mit dem Fehlen
der Notwendigkeit, sich mehr als nötig zu
bewegen, hat diese Kennzeichen umgekehrt.
Der Begüterte kann sich sportliche Aktivität
und eine gesunde und individuell zubereitete
Ernährung leisten. Der in mehreren Minijobs gleichzeitig sein Auskommen suchende
arbeitende Mensch hat dazu keine Zeit. Er
muss daher öfter, als er das vielleicht mag, zu
Pommes, Hamburger und süßer Brause greifen, der Garantie für schnelle Sättigung und
garantierte Gewichtszunahme.
Dieses Rezeptbuch enthält hoffentlich viele
Anregungen, dem beliebten und „modernen“
convenience food zu entgehen. Cool, ey!
Kugeltopf des 6./7. Jahrhunderts mit Stempeldekor aus
Upjever, Landkreis Friesland.
277
Esskultur in
Hildesheim
Wie speisten die Domherren?
Ein Blick in Speisekammer und Küche des
Domkapitulars Heinrich
Brümmer
Helmut Brandorff
Im Archiv der Dombibliothek in Hildesheim
befinden sich das Testament und die Nachlassaufstellung des Domkapitulars Heinrich
Brümmer. Am 6. Mai 1650 hatte er sein Testament unterzeichnet und ein knappes Jahr
später, im Februar 1651, verstarb er. Ein Notar
und zwei Domkapitulare sichteten seinen
Nachlass und fertigten eine genaue Aufstellung
darüber an. Unter den aufgelisteten Objekten
befanden sich neben Möbeln, Kleidung, Büchern und Gerätschaften auch Lebensmittel
und Haushaltsgegenstände. Somit ergibt sich
für den heutigen Leser ein eindrucksvolles Bild
eines Hausinventars des 17. Jahrhunderts. Man
muss allerdings berücksichtigen, dass sicherlich nicht jede Kleinigkeit Eingang in die Liste
gefunden hat, sondern nur Sachen, die einen
gewissen Wert darstellten oder zumindest für
erwähnenswert gehalten wurden.
Blatt 14 und 15 aus der Nachlassaufstellung des Domherrn Heinrich Brümmer. Auf Blatt 14 befindet sich in
Zeile 20 die Eintragung: „18 gr Ein breuhan tonne“
[1 Tonne Bier].
278
Helmut Brandorff bei Ausgrabungsarbeiten mit Schülern des Johanneum auf dem Domplatz
Gegenstände ohne Wert und speziell Sachen,
die weggeworfen worden waren, kommen
bei archäologischen Ausgrabungen wieder
zum Vorschein. Daher ergänzen die Funde,
die 1986/87 bei der Sanierung der Bernwardsmauer gemacht wurden, in idealer Weise die
schriftliche Überlieferung. Ein Fundkomplex
aus den archäologischen Untersuchungen dort
ist im Zuge eines „großen Aufräumens“ nach
Ende des Dreißigjährigen Krieges entstanden.
Nach der mehrfach wechselnden Nutzung der
Domburg durch die katholischen und die protestantischen Kriegsherren war ein ehemaliger
Kloakenschacht nach der Entrümpelung der Gebäude mit dem angefallenen Müll verfüllt worden. Er enthielt unter anderem die Reste von
mehreren hundert Keramikgefäßen, die sich
zum Teil sogar wieder zusammensetzen ließen.
Esskultur in
Hildesheim
Das komplette Geschirrspektrum eines wohlhabenden Haushalts des 17. Jahrhunderts war
vertreten: Kochtöpfe mit rundem Boden und als
Dreibeintopf (sogenannte Grapen), Schüsseln,
Teller, Krüge, Vorratstöpfe, Kannen, Trinkgläser,
Flaschen und auch einige Essensreste. Im Jahre
1990 fand eine Ausstellung über die Grabungsergebnisse im Dom-Museum statt.
4 Grapen (Kochtöpfe auf 3 Beinen) unterschiedlicher
Größe.
2 Grapenpfannen (auf Beinen, damit man sie ins offene Herdfeuer stellen kann); 1 Bratensaftpfanne (wird
unter den Bratspieß gestellt, um den Fleischsaft aufzufangen. Alle Abb. auf dieser und der folgenden Seite
sind Funde des 16./17. Jahrhunderts aus der Ausgrabung an der Bernwardsmauer in Hildesheim 1986/87).
3 Kannen aus Steinzeug zum Ausschenken von Getränken (2 aus Siegburg/Rheinland, 1 aus Duingen/Weserbergland)
Ensemble bestehend aus einer Duinger Steinzeugkanne, einem Glasgefäß, 2 Grapen der sog. ‚Weserware’
und einem Teller mit Austernschalen.
1 Krug mit plastischer ‚Bartmannmaske’ (Duinger
Steinzeug), 1 ‚Enghalskrug’ (Siegburger Steinzeug), 1
Krug mit aufgemalter ‚Bartmannmaske’ (Weserware),
1 Trichterhalsbecher (Westerwälder Steinzeug).
279
Esskultur in
Hildesheim
zum Beispiel bei der Hausschlachtung, die auf
einigen Biohöfen wieder praktiziert wird.
Wenn genügend Platz vorhanden war, wurde
am Hause Vieh gehalten, wie die Nachlassaufstellung des Domherrn Heinrich Brümmer
ausweist. Neben drei Pferden waren nach
seinem Ableben an Vieh vorhanden:
1 Sau mit zehn Ferkeln
4 Mastschweine
3 Jungschweine
2 Kühe
4 Gänse
1 Ziege
Außerdem wurden normalerweise Hühner
gehalten, worauf ein als Hühnerfutter bezeichneter Rest Hafer hindeutet. In bildlichen
Darstellungen der Renaissance ist gelegentlich zu sehen, dass sich die Hühnerställe in
Verschlägen direkt in der Küche befanden.
Weiter gehörte zum Haushalt ein Hausgarten
mit Obst und Gemüse.
Bevorratung
1 Stangenglas
Ein Haushalt auf dem Domhof
Ein Haushalt war wesentlich umfangreicher
als heute. Außer der eigentlichen Familie
– auf dem Domhof waren das der Geistliche
und gegebenenfalls einige nahe Verwandte
– gehörten dazu Knechte, Mägde und sonstige
Bedienstete, die bestimmte Aufgabenbereiche
im Haushalt, in der Küche, im Stall usw. zu
versehen hatten.
Im Gegensatz zu heute gab es fast keine Nahrungsmittel fertig zubereitet zu kaufen. Nach
dem Schlachten der Tiere musste das Fleisch
erst einmal in einen Zustand gebracht werden,
aus dem es sich weiterverarbeiten ließ. Heutzutage gibt es das nur noch äußerst selten,
280
Eigene Gartenwirtschaft und Viehhaltung gaben einem Haushalt eine gewisse Unabhängigkeit vom schwankenden Marktangebot. Die
Abhängigkeit von jahreszeitlichen Einflüssen
blieb allerdings bestehen, und damit die Notwendigkeit, Vorräte anzulegen.
Trockene Lebensmittel wie Getreide, Hülsenfrüchte und Nüsse waren in dieser Hinsicht
unproblematisch, man musste sie nur gegen
Schädlinge und vor Feuchtigkeit schützen.
Kräuter, Obst und Gemüse, sogar Fisch und
Fleisch, konnte man ebenfalls trocknen, wenn
auch unter erheblicher Qualitätseinbuße. Bei
Fleisch war die Methode des Einsalzens und
anschließenden Räucherns gebräuchlicher,
eine weitere war die des Einlegens in Salzlake, also die Zubereitung als Pökelfleisch, wie
es ein Rezept aus der Mitte des 16. Jahrhunderts anschaulich beschreibt:
Esskultur in
Hildesheim
Schweinen flaisch frisch und new
zu behalten
So man Säw schlacht / soll man
den Pachen (Eber) / so er nun beschnitten ist / in ein küls ort auch
den tisch / auff schnee legen / und
see schnee darauff / ein spann hoch /
laß jhn also ligen / biß er härt und
kirnig (körnig) wirdt / etwan uber
nacht / darnach du darvon geschnitten hast / und des dicksten zu schönen / viereckten schretteln (Stücken)
anderhalben spann lang geschnitten
/ und in ein lärchen kübel gelegt /
und wol gesaltzen / demnach geschwert mit einem schönen bletlin
(Brett) mit stain ligen lassen /
biß in die erst wochen / darnach ein
brunnwasser in einer Molten (Gefäß) saltz darein / und mit einem
schönen newen Besem durch einander geschlage / biß gantz zäch wirdt
/ die Suppen daran gegossen / das
zwen finger darüber geht / Darnach
allweg wider abgeschwert / als offt
man mit einem messer ein zenterling (Stück) heraus nimpt / das
überlüd (Deckel) soll ein handhab
(Griff) haben / wirt sonst milbig.
Deutlich wird in dieser Arbeitsanweisung
durch die Verwendung von Schnee als Kühlmittel, dass die Schlachtung vorzugsweise in
der kalten Jahreszeit stattfand. Das Fleisch
wurde im Stück oder als Wurst verarbeitet. In
den Wurstdarm fanden allerdings auch andere Bestandteile als Fleisch, etwa Fisch, Quark,
Rosinen und diverse Gewürze, ihren Weg.
Die Bereitung von Sülze ist ebenfalls seit dem
Mittelalter bekannt.
Gemüse konnte durch Milchsäuregärung, zum
Beispiel als Sauerkraut oder als eingelegte
Bohnen, haltbar gemacht werden. Milch war
in Form von Sauermilchprodukten wie Quark
oder Käse begrenzt haltbar, Eier legte man in
Kalkmilch ein.
Bei dem Domherrn Heinrich Brümmer sind
Ende Februar 1651 insbesondere die Fleischvorräte ziemlich reichhaltig. Er war offenbar
vermögend genug, sich reich bemessene
Vorräte bis zum nächsten Winter anlegen zu
können. In seinem Nachlass fanden sich an
Fleischvorräten (alle geräuchert, bis auf das
Pökelfleisch):
1 Speckseite
8 Speckseiten mit Schinken
11 Gänsehälften
13 Stück Rindfleisch
8 Stück Schaffleisch (Rippe)
4 Schweinekopfhälften
30–40 Würste (Mett- und Garwürste)
12 Stück Schweinefleisch
1 Fass Pökelfleisch
An sonstigen Lebensmittelvorräten waren
vorhanden:
1 Fass Sauerkohl
Getreide:
12 Scheffel Weizen
40 Scheffel Roggen
69 Scheffel Gerste
26 Scheffel Hafer (für Pferde und Hühner)
4 Scheffel Bohnen
7 Scheffel weiße Erbsen
1 Kiste mit etwas Mehl
1 Tonne halbvoll Salz
Speisen und ihre Zubereitung
Die grundsätzliche Unterscheidung der Nahrung in Fastenspeisen und Speisen für normale Tage ist wichtig für das Verständnis der
Nahrungszubereitung.
In der Fastenzeit und an den übrigen Fastentagen, die sich regional auf bis zu 200 Tage im
Jahr summieren konnten, durften ursprünglich weder Fleisch von warmblütigen Tieren
noch deren Produkte wie Eier, Milch, Käse
281
Esskultur in
Hildesheim
oder Butter gegessen werden. Als Eiweißlieferant für die menschliche Ernährung traten Fisch
und anderes Wassergetier an deren Stelle, auch
Biber und Otter zählten als Wasserbewohner
dazu.
Im Mittelmeerraum war die Fastenregel leicht
einzuhalten, da anstatt der tierischen Fette
pflanzliche Öle, zum Beispiel Olivenöl, zur
Verfügung standen. In unseren Breiten konnte
die strikte Einhaltung dieser Regel zu einer
Mangelernährung führen, da nur wenige sich
importiertes Olivenöl oder teures Nussöl leisten
konnten. Lein- und Rübsamenöl heimischer
Produktion waren schlecht bekömmlich und
wenig wohlschmeckend. Erst Papst Julius III
(reg. 1550–1555) lockerte das strenge Fastengebot bezüglich Produkten tierischer Herkunft.
An normalen Tagen waren alle Speisen erlaubt. Das Fleisch jeglicher Tiere, die man
jagen, fangen oder züchten konnte, wurde
verarbeitet, beispielsweise auch Singvögel,
Eichhörnchen oder Frösche. In Kochbüchern des
16./17. Jahrhunderts werden ungefähr 150 Tierarten erwähnt, die in der Küche Verwendung
fanden. Zur Illustration sei hier das Rezept für
verschiedene Arten der Zubereitung von Lerchen
angeführt:
Die geschlachteten Tiere wurden nahezu restlos
verwertet, Nahrung war so kostbar, dass möglichst nichts weggeworfen oder verschwendet
wurde. Selbst Föten von Hasen, Schafen oder
Rindern wurden gegessen, ebenso wie Hühnerfüße, Augen, Hoden oder Eingeweide.
Allerdings aß man Gemüse und Fleisch nicht
immer in seiner natürlichen Form. Die Zutaten
wurden vielmehr zu Mus zerkleinert, gekocht
oder roh mit Mehl, Eiern und Gewürzen wieder
zusammengefügt und zu Pasteten und kunstvollen Gebilden gestaltet. Vielfach briet man
die Teigmasse am Spieß oder auf dem Rost,
vergleichbar unseren heutigen Frikadellen
oder dem türkischen Dönerspieß.
Das vorherige Zerkleinern der Zutaten hatte
den großen Vorteil, dass man beim Essen ohne
Messer auskam und Leute mit schlechten oder
gar keinen Zähnen (dazu siehe unten) ebenfalls problemlos ihre Nahrung zu sich nehmen
konnten. Ein weiterer Vorteil bestand darin,
an Fastentagen Fleischspeisen nachahmen zu
können, indem man sich bemühte, Geschmack
und Form des ursprünglichen Fleischgerichtes
mit Hilfe „erlaubter“ Zutaten zu imitieren. Ein
gutes Beispiel dafür ist der „Falsche Rehbraten“ nach einem Rezept des 15. Jahrhunderts:
Lerchenbraten
Daß mans brät fein im Safft /
oder daß mans zum eynmachen
nimpt (sauer in Essig) / es sey gelb
(mit Safran) / weiß (mit Mandeln) / schwartz (mit Blut und
Pfeffer) / oder mit einer Hennenbrüh / fein lauter mit Pettersilgen
Wurtzel / oder ein Gestossens darauß
gemacht (Pastete) / denn die Lerchen haben eine besondere eygenschaft
/ daß sie Krancken nicht
schäuwlich (schädlich) seind / und
koch sie wie du wilt / so ist es ein
gesundes Essen.
Holbraten ... oder genannt ein rechbraten in der Fasten:
– Feigen und Weinbeeren werden in
Wein gekocht und klein gehackt,
dann mit Salz und Mehl vermengt. – Netz die hende in einem
teigwasser, schlag die feigen vmb den
spiess als ein holbraten mit nassen
henden vnd truck in wol an. lege
yen zu dem feuer. So er nun gebraten ist. so schneid in nach der leng
auff an beiden Seiten am spiess.
mache hübsche stuck darauss vnd
bestecke sie mit mandelkern. vergult
oder verferbt vnd gib es dar.
282
Esskultur in
Hildesheim
In unserem heutigen „Falschen Hasen“ kann
man noch Parallelen dieser Zubereitungsart
erkennen, auch wenn dieser zumindest in Teilen aus Hackfleisch bestehen sollte.
In diesem Rezept werden weitere Besonderheiten der Küche jener Zeit deutlich. Auch zu
herzhaften Gerichten wurden viele Zutaten
verwendet, die wir heute eher in Süßspeisen
verarbeiten, wie Rosinen, Nüsse, Mandeln,
Rosenöl oder Feigen. Feigen wurden aus
Südeuropa eingeführt und waren auch bei
uns in Hildesheim am Domhof offenbar recht
gebräuchlich, wie die Funde von Feigenkernen aus Bodenproben der Ausgrabung an der
Bernwardsmauer zeigen.
Die Gerichte wurden teilweise äußerst farbenfroh eingefärbt oder sogar vergoldet (im Rezept: „... vergult oder verferbt ...“), wie wir es
heute eigentlich nur bei Süßspeisen kennen
(Zuckerguss, Wackelpudding usw.).
In ähnlicher Weise ging man mit Gewürzen
um. Es war üblich, bei Festmählern möglichst
viele und möglichst seltene, also teure, Gewürze zu verbrauchen. Das begann bei den
einheimischen Kräutern und Gewürzen wie
Dill oder Petersilie, die im Garten gezogen
und in Wald und Feld gesammelt wurden,
über Salz bis hin zu dem teuer importierten
Pfeffer, zu Ingwer, Moschus, Safran, Lorbeer,
Senf, Kardamom, Muskatnuss usw.
Kardamom wurde ebenfalls in den Bodenproben aus der Grabung entdeckt. Einen einzigen
weiteren in die Zeit vor 1650 datierten Fund
aus Niedersachsen hat es in Braunschweig
gegeben.
Für das starke Würzen gibt es mehrere Erklärungen. Ein Gastgeber konnte auf diese Weise
dokumentieren, dass er seinen Gästen nur
das Beste (= Teuerste) vorsetzen ließ und sich
das auch leisten konnte. Daneben wurde auf
diese Weise ein eventuell vorhandener unangenehmer Geschmack oder Geruch durch
qualitativ nicht so hochwertige Zutaten überdeckt. Vielleicht hatten die exotischen Gewürze auf ihrem langen Weg nach Europa auch
einiges an ihrer ursprünglichen Intensität
eingebüßt und besaßen nicht mehr ihr volles Würzaroma. Unbestritten ist, dass durch
scharfe Gewürze die oft sehr fetten Speisen
besser verdaulich wurden.
Die Bandbreite an Gewürzen in einem einzigen
Gericht mag folgendes Rezept verdeutlichen:
Einen Hecht sewerlich zu sieden
Wiltu einen Hecht hübsch sewerlich
machen oder haben / so schüpe den
Hecht rein / wie oben geschrieben
stehet / und nim darauff Essig
und geringe Bier / oder einen guten Wein / wie du jhn am besten
haben wilt / und Pfefferkuche /
mache drauff ein hübsch braun soth
/ von Kirschen oder Welschen Nüssen
/ und würtze das mit Nelcken /
Pfeffer / Ingber / Muscatenblüten
/ Cinamey / und mache ihm einen
hübschen lieblichem schmack / süsse
oder sawer / wie es dir am besten
gefelt / koste es zu rechter massen /
richts an / und gibs hin. Wiltu /
so magstu kleine Rosincken darein
schütten. ...
Als Beilagen wurden Gemüse, zum Beispiel
Möhren, Kohl (frisch oder als Sauerkraut),
Erbsen und Linsen usw. gereicht. Der Sättigung dienten eine große Variationsbreite
von Teigwaren und Nudelzubereitungen und
natürlich Brot und Getreidebrei. Kartoffeln
waren zwar schon bekannt, wurden für den
menschlichen Genuss aber erst im 18./19.
Jahrhundert allgemein akzeptiert.
Für den Nachtisch bot die Küche eine Vielzahl
von Süßspeisen, Backwerk und Zuckerzeug.
Ähnlich wie die Pasteten gestaltete man diese
283
Esskultur in
Hildesheim
gelegentlich optisch sehr aufwendig in Form
und Farbe. So reichlich wie sonst Gewürze
verwendet wurden, ging man hier mit Zucker
und Honig um.
Zuckerzeug bestand, wie der Name schon
sagt, fast ausschließlich aus Zucker. Den Vorläufer unseres heutigen „Lolly“ verfertigte
man, indem man Zucker an Holzstäbchen
oder vorgefertigten Motivrahmen auskristallisieren ließ. Auf diese Weise verfertigten die
Konditoren glitzernde Ringe, Herzen oder jede
erdenkliche andere Form aus Zucker. Dazu
gab es Zuckerguss in allen Variationen und
Farben. Anderes Konfekt bestand aus Honig
mit Mandeln und Nüssen oder aus mit Honig
getränktem Backwerk. Eine weitere, umfangreiche Palette boten süße Breie und Muse,
die in allen denkbaren Varietäten meist unter
üppiger Verwendung von Mandeln hergestellt
wurden. Mandeln verwendete man auch weiterverarbeitet zu Marzipan, wie das folgende
Rezept einer Marzipantorte zeigt:
Ayn echt römisch Speis vonn Ayern
Nimm hierzu Gelb von Ayern,
etwas blüthen wasser von Pommeranzen, nebst ein wenig Salz,
thu ein wenig raffinirte Butter
auf den Boden ayner Tortenpfann,
schütt die hälften Ayer dareine, lässet sie sieden, indem nur ein gelindes
feuer darunter machest. Wenn nun
gesiedet sind, so thu wie auf einem
Pastetenboden Martzepan und trocken eingemachet Citronschal, hack
sie wohl zusamm, schütt die andern
hölften von den ayern darüber, deck
die tortenpfann mit dazugehörigen Deckel zu, thu Feuer darunter,
und auch darüber, aber mehr oben
als drunten – damit die Ayer recht
sieden.
284
Wenn sie beinahe gahr geworden sind,
so heb den Deckel der tortenpfann
auf, thu noch etwas, wie vorher geschach, Martzepan darauff. Nun
giebt mann denselben wie zuvor
Feuer, und wenn sie gahr sind, so
richtet mann auff einer Schüssel
ann, und wie eine torte, bestreuet
selbige mit Zimmet und feinen
Zucker, und giebet sie gantz warm
zu tische.
An süßem Backwerk gab es Keks-Ähnliches
und Kringel, außerdem viel Schmalzgebackenes wie Krapfen und die „Nonnenfürzchen“,
in Schmalz ausgebackene Brandteigstückchen.
Aus einem dünnflüssigen, hauptsächlich aus
Eiern bestehenden Teig wurde Gebäck nach Art
von Pfannkuchen und Baumkuchen hergestellt.
Außerdem wurde als Nachspeise Obst, darunter auch Südfrüchte, gereicht. Das Vorhandensein von Apfel-, Birnen- und Kirschkernen
in den Bodenproben von der Bernwardsmauer zeigt, dass auf jeden Fall heimisches Obst
verzehrt wurde. Eine große Rolle spielten
nach wie vor Wildfrüchte wie Nüsse, Himbeeren, Erdbeeren usw.
Diese Art der Ernährung hatte natürlich Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen,
vor allem auf die Zähne. So findet sich an
den Zähnen von Personen, die im 17. und
18. Jahrhundert in der St. Michaeliskirche
bestattet worden sind, ein massiver Befall
von Karies. An einigen Skeletten, die bei den
archäologischen Untersuchungen im Frühjahr
2006 entdeckt wurden, waren die Zähne bis
in die Wurzeln hinein zerfressen und selbst
der Kieferknochen war mitunter angegriffen.
Diese Menschen müssen unter unsäglichen
Zahnschmerzen gelitten haben und könnten
möglicherweise sogar an einer Blutvergiftung
als Folgeerkrankung gestorben sein.
Esskultur in
Hildesheim
Bei den überlieferten Rezepten handelt es
sich nur ganz selten um Alltagskost. Fleisch
war, wie bereits erwähnt, ein sehr teures
Lebensmittel und kam nur bei vermögenden
Leuten mehr als einmal in der Woche auf
den Tisch. Normalerweise blieb Fleisch bis
vor 50 Jahren eine Festtagsspeise, die sich
die ärmere Bevölkerung gar nicht oder nur
selten leisten konnte. Brot und Getreidebrei
aus Roggen, Gerste und Hafer war deren
Hauptnahrungsmittel, höchstens angereichert mit etwas Kohl, Zwiebeln, Rüben oder
sonstigem heimischen Gemüse und vielleicht
etwas Schmalz oder einem Stück Speck. Die
Zusammensetzung dieser einfachen Gerichte
ist nicht in Rezeptsammlungen überliefert,
da sie nicht für erwähnenswert gehalten
wurden. Die Zubereitung war unkompliziert
und sicherlich allgemein bekannt. Die alten
Kochbücher sind überwiegend in Klöstern und
herrschaftlichen Häusern entstanden, wo die
Küchenmeister des Lesens und Schreibens
kundig waren und zur eigenen Gedächtnisstütze und für ihre Gehilfen außergewöhnliche Speisen und Rezepte aufschrieben und
sammelten.
Der Garvorgang der Gerichte erfolgte grundsätzlich am offenen Herd, der mehr einem
Kamin entspricht als einem Herd nach heutigem Verständnis. Von einem Kamin zum
Heizen unterschied sich dieser durch die ca.
50 cm hohe Plattform, auf der das offene
Herdfeuer brannte. Die Speisen wurden auf
dem Bratrost und am Bratspieß gebraten und
in Metall- oder Keramikgefäßen gekocht. Die
hohe Kunst des Kochens bestand darin, für
die einzelnen Gerichte den richtigen Topf zu
wählen und dessen Position zum Herdfeuer
optimal zu bestimmen. In Metallgefäßen
wurde das Kochgut sehr schnell heiß, aber
die Gefahr des Anbrennens war groß. Sie eig-
neten sich deshalb eher für dünnflüssige Suppen und sehr fette Speisen. Keramiktöpfe boten sich dagegen für eingedickte Flüssigkeiten
und Breispeisen an, die an einer nicht zu
heißen Stelle am Feuer unter gelegentlichem
Umrühren langsam gar köcheln konnten. Für
die Bereitung saurer Speisen verwendete man
ebenfalls bevorzugt Keramikgefäße, da beim
Kochen in Metallgefäßen die durch die Säuren
gelösten Metallsalze eine geschmackliche und
unter Umständen auch gesundheitliche Beeinträchtigung auslösen konnten.
Kleingebäck, Pasteten und Weißbrot buk
man in Keramiktöpfen mit Deckel, die man
in die Glut stellte und mit Glut abdeckte, um
eine Oberhitze zu erzeugen (siehe das Rezept: „Ayn echt römisch Speis von Ayern“).
Der „Gugelhupf“ und das süddeutsche „Kachelbrot“ sind Nachkommen dieser Art des
Backens.
Ölbild „Ein ungleiches Paar“ mit dem Interieur einer
Schenke (18. Jh., Maler unbekannt).
285
Esskultur in
Hildesheim
Getränke
Wasser ist zwar das älteste aller Getränke,
es wurde aber nur getrunken, wenn wirklich
nichts anderes zur Verfügung stand. Der Grund
hierfür ist die oft sehr schlechte Wasserqualität, die die Brunnen, insbesondere in den
Städten, lieferten. Brunnen müssen oft und
aufwendig gereinigt werden, um gutes Wasser
zu liefern. Die Latrine stand auch meist nicht
weit entfernt davon, so dass das Wasser, wenn
nicht ungesund, so doch zumindest muffig war
und schlecht schmeckte. Das gleiche gilt für die
sowohl als Wasserquelle wie auch als Kloaken
genutzten Flüsse und Bäche. Man versuchte
daher durch die Zugabe von Gewürzen, Fruchtsaft, Branntwein, Zucker oder Honig und durch
Koch- oder Gärvorgänge diese Beeinträchtigung auszugleichen.
Ölbild mit dem Portrait des Gastwirts Reuter, Inhaber
der Domschenke zu Hildesheim (Mitte 18. Jh.).
Ein beliebtes Getränk war Dünnbier, welches
auf dem Lande noch bis ins 20. Jahrhundert
hinein auf manchen Höfen bereitet wurde.
Dazu brockte man Schwarzbrot in warmes
Wasser und ließ es ein paar Tage gären, das
Ergebnis war ein säuerlich schmeckendes,
durstlöschendes Getränk. Durch den Gärvorgang wurden gesundheitsschädliche Erreger
abgetötet. Vorläufer unserer heutigen Biere
gab es bereits, sie wurden in einer Vielzahl
286
von Brauereien hergestellt. Das bekannte
Einbecker Bockbier und Broyanbier aus Hannover gibt es auch schon im 16. Jahrhundert.
So finden sich im Bierkeller von Heinrich
Brümmer neben drei Fässern Lagerbier (helles, obergäriges Bier) eine „tonne breuhan“
(dunkles, untergäriges Bier).
Wein war ein ausgesprochenes Luxusgetränk. Die Weinrebe liefert unserer Gegend
nur wenig und sehr sauren Wein, der erst
durch Süßen und Beimengung von Gewürzen
genießbar wurde. Importierten Wein, unter
anderem gehaltvollen Südwein aus dem
Mittelmeerraum, konnten sich deshalb nur
vermögende Leute leisten.
Mineralwasser wurde
ebenfalls schon im
17. Jahrhundert getrunken. Es sprudelte
allerdings nicht, sondern wurde als stilles
Wasser in Flaschen
aus Steinzeug aus
dem Ort Selters im
Westerwald überall
hin exportiert. Unter
den Funden von der
Grabung an der Bernwardsmauer fand sich
eine Vielzahl dieser
Flaschen, deren Inhalt aber nicht wie
heute als Durstlöscher
getrunken wurde,
sondern als Heilmittel
diente.
Mineralwasserflasche aus Selters mit Aufschrift „Herzogtum Nassau“ (Westerwälder Steinzeug).
(Fund des 18. Jahrhunderts aus der Ausgrabung an der
Bernwardsmauer in Hildesheim 1986/87)
Esskultur in
Hildesheim
Im Sommer 2007 bei Erdarbeiten entdeckter Keller in St. Godehard
287
288
Fotoprojekt
Hildesheim
kulinarisch
Marktkalender für alle Monate des Jahres
Januar
Februar
Wild:
Wild:
Hase, Rehbock, Hirsch, Damhirsch, Renntier,
Gemse, Wildschwein.
Geflügel:
Altes Huhn, Kapaun, Poularde, Puter,
junge Taube, Gans, Ente, Fasan, Rebhuhn,
Haselhuhn, Schneehuhn, Auer- und Birkwild.
Rehbock, Hirsch, Damhirsch, Renntier.
Geflügel:
Altes Huhn, Kapaun, Poularde, Puter, junge
Taube, Rebhuhn, Haselhuhn, Schneehuhn,
Auer- und Birkwild, Fasan, Schnepfe, Wildente, Kramtsvogel.
Fische und Schaltiere:
Fische und Schaltiere:
Gemüse:
Gemüse:
Obst:
Obst:
Aal, Karpfen, Blei, Lachs oder Salm, Hecht,
Zander, Schlei, Barbe, Karausche, Dorsch,
Schellfisch, Seezunge, Steinbutt, Scholle,
Stockfisch, Austern, Kaviar, marinierte und
geräucherte Fische.
Artischocken und Kardy [Urpflanze der
Artischocke], Blumenkohl, Rotkohl, Grünkohl,
Weiß- und Wirsingkohl, Sauerkraut, Mohrrüben, Steck- oder Kohlrüben, Teltower
Rübchen, Schwarzwurzeln, Pastinaken und
Sellerie, Hülsenfrüchte.
Äpfel und Birnen, Apfelsinen, Ananas,
getrocknete Datteln und Feigen, Walnüsse,
Haselnüsse, Mandeln, Paranüsse.
Aal, Karpfen, Karausche, Blei, Lachs oder
Salm. Schlei, Zander, Barbe, Dorsch, Schellfisch, Seezunge, Steinbutt, Scholle, Kabeljau,
Stockfisch, Austern, Kaviar, marinierte und
geräucherte Fische.
Artischocken und Kardy, Blumenkohl und
Spinat, Brunnenkresse, Rot- und Grünkohl,
Weiß- und Wirsingkohl, Sauerkraut, Karotten,
Steck- oder Kohlrüben, Teltower Rübchen,
Pastinaken und Sellerie, Schwarzwurzeln,
Hülsenfrüchte.
Äpfel und Birnen, Ananas, Apfelsinen,
Datteln und Feigen, Walnüsse, Haselnüsse,
Paranüsse, Mandeln.
289
Fotoprojekt
Hildesheim
kulinarisch
Marktkalender für alle Monate des Jahres
März
April
Wild:
Wild: –
Geflügel:
Renntier.
Geflügel:
Huhn, Poularde, Kapaun, Puter, junge Taube, Wildente, Schnepfe, Auer- und Birkwild,
Kiebitzeier.
Fische und Schaltiere:
Barsch, Karpfen, Karausche, Lachs, Schlei,
Dorsch, Kabeljau, Schellfisch, Seezunge,
Butte, Scholle, grüne Heringe.
Gemüse:
Artischocken und Kardy, Blumenkohl, Sauerkraut, Karotten, Pastinaken, Meerrettich,
rote Rüben, Schwarzwurzeln, Steckrüben,
Teltower Rübchen, Spinat, Rapünzchen,
Sprossenkohl, Morcheln, Radieschen, Sauerampfer, Hülsenfrüchte.
Obst:
Ananas, Äpfel und Birnen, Apfelsinen,
Datteln und Feigen, Walnüsse, Haselnüsse,
Paranüsse, Mandeln.
290
Auer- und Birkwild, Schnepfe, Huhn,
Poularde, Puter, Taube, Kiebitzeier,
Möweneier.
Fische und Schaltiere:
Aal, Lachs, Forelle, Schlei, Dorsch, Schellfisch,
Kabeljau, Seezunge, Butte, Scholle, Austern,
Kaviar, Schnecken, Garnelen, Hummer,
Languste.
Gemüse:
Blumenkohl, Hopfenkeimchen, Brunnenkresse, frische Petersilie, Gewürzkräuter,
Rapünzchen, Rhabarber, Spinat, Sauerampfer, Spargel, Sprossenkohl, Morcheln,
Radieschen, Salat.
Obst:
Apfelsinen.
Fotoprojekt
Hildesheim
kulinarisch
Marktkalender für alle Monate des Jahres
Mai
Juni
Wild:
Wild:
Geflügel:
Geflügel:
Fische und Schaltiere:
Fische und Schaltiere:
Frischling, Rehbock.
Auer- und Birkwild, Huhn, Poularde, Taube,
Kiebitzeier, Möweneier.
Aal, Forelle, Neunauge, Dorsch, Schellfisch,
Kabeljau, Seezunge, Butte, Scholle, Matjeshering, geräucherter Lachs, Schnecken,
Garnelen, Hummer, Languste.
Gemüse:
Blumenkohl, Spinat, Kohlrabi, Hopfenkeimchen, Brunnenkresse, frische Petersilie,
Gewürzkräuter, Sauerampfer, Spargel,
Sprossenkohl, Morcheln, Radieschen, Salat,
Rhabarber.
Obst:
Frischling, Rehbock.
Huhn, Poularde, junge Ente, junge Gans,
Taube, Kücken.
Aal, Aalraupe, Forelle, Seezunge, Butte,
Scholle, Matjeshering, Hummer, Languste,
Krebse, Garnelen, Schnecken.
Gemüse:
Blumenkohl, Kohlrabi, Sprossenkohl,
Spinat, Spargel, junge Erbsen, junge Bohnen,
Kopfsalat, frische Petersilie, Schnittlauch,
Sauerampfer, Radieschen, Rhabarber.
Obst:
Erdbeeren, Kirschen, unreife Stachelbeeren,
Aprikosen.
Apfelsinen, Kirschen, unreife Stachelbeeren.
291
Fotoprojekt
Hildesheim
kulinarisch
Marktkalender für alle Monate des Jahres
Juli
August
Wild:
Wild:
Rehbock, Hirsch, Wildschwein.
Geflügel:
Huhn, Poularde, Kapaun, junger Puter,
junge Ente, junge Gans, Taube, Kücken,
Fasan, Wildente.
Hirsch, Rehbock, Wildschwein, Damhirsch,
Hase, Kaninchen.
Geflügel:
Huhn, Poularde, Kapaun, Taube, junger
Puter, junge Ente, junge Gans, Wildente.
Fische und Schaltiere:
Fische und Schaltiere:
Gemüse:
Gemüse:
Obst:
Obst:
Aal, Aalraupe, Forelle, Barbe, Barsch, Karpfen, Zander, Lachs, Seezunge, Butte, Scholle,
Matjeshering, Hummer, Languste, Krebse,
Garnelen.
Artischocken, Blumenkohl, Kohlrabi, grüne
Erbsen, grüne Bohnen, Puffbohnen, Karotten,
neue Kartoffeln, Gurken, Melonen,
Pilze, Kopfsalat, Endivien, Radieschen,
Rettiche.
Erdbeeren, Himbeeren, Heidelbeeren,
Kirschen, Stachelbeeren, Johannisbeeren,
Aprikosen, Pfirsiche, Tomaten.
292
Aal, Aalraupe, Forelle, Barsch, Karausche,
Zander, Lachs, Hecht, Matjeshering, Seezunge, Butte, Scholle, Hummer, Languste,
Krebse, Garnelen.
Artischocken, Blumenkohl, Kohlrabi, grüne
Erbsen, grüne Bohnen, Karotten, Wirsingkohl,
neue Kartoffeln, Gurken, Melonen, Pilze,
Maiskolben, Kopfsalat, Endivien,
Radieschen, Rettiche, rote Rüben.
Himbeeren, Heidelbeeren, Preißelbeeren,
Johannisbeeren, Stachelbeeren, Kirschen,
Birnen, Pflaumen, Tomaten, Aprikosen,
Pfirsiche.
Fotoprojekt
Hildesheim
kulinarisch
Marktkalender für alle Monate des Jahres
September
Oktober
Wild:
Wild:
Geflügel:
Geflügel:
Hirsch, Rehbock, Wildschwein, Damhirsch,
Hase, Kaninchen.
Huhn, Poularde, Kapaun, Taube, junger
Puter, junge Ente, junge Gans, Fasan,
Wildente, Auer- und Birkwild, Rebhuhn,
Schnepfe.
Fische und Schaltiere:
Aal, Forelle, Barsch, Karpfen, Zander, Lachs,
Hecht, Schlei, Seezunge, Butte, Scholle,
Hummer, Languste, Krebse, Garnelen.
Gemüse:
Artischocken, Blumenkohl, Kohlrabi, grüne
Bohnen, Karotten, Wirsingkohl, Weißkohl,
Rotkohl, Gurken, Melonen, Kürbis, Pilze,
Maiskolben, Kopfsalat, Endivien, Radieschen,
Rettiche, rote Rüben.
Obst:
Heidelbeeren, Preißelbeeren, Aprikosen,
Pfirsiche, Tomaten, Birnen, Pflaumen,
Frühäpfel, Weintrauben.
Hirsch, Rehbock, Wildschwein, Damhirsch,
Hase, Kaninchen.
Junges Hähnchen, Kapaun, Taube, Puter,
Ente, Gans, Fasan, Wildente, Auer- und
Birkwild, Rebhuhn, Schnepfe, Kramtsvogel.
Fische und Schaltiere:
Karausche, Karpfen, Lachs, Hecht, Zander,
Schlei, Schellfisch, Seezunge, Butte, Scholle,
Hummer, Languste, Austern, Kaviar.
Gemüse:
Artischocken, Blumenkohl, Wirsingkohl,
Weißkohl, Rotkohl, Karotten, Schwarzwurzeln, Teltower Rübchen, rote Rüben, Steckrüben, Spinat, Melonen, Kürbis, Sellerie,
Endivien, Rapünzchen, Trüffeln, Hülsenfrüchte.
Obst:
Pflaumen, Birnen, Äpfel, Quitten, Preißelbeeren, Weintrauben, Ananas, Tomaten,
Feigen, Datteln, Maronen, Haselnüsse,
293
Fotoprojekt
Hildesheim
kulinarisch
Marktkalender für alle Monate des Jahres
November
Dezember
Wild:
Wild:
Geflügel:
Geflügel:
Fische und Schaltiere:
Fische und Schaltiere:
Gemüse:
Gemüse:
Hase, Rehbock, Hirsch, Damhirsch, Wildschwein, Kaninchen.
Huhn, Kapaun, Taube, Puter, Ente, Gans,
Fasan, Auer- und Birkwild, Rebhuhn,
Schnepfe, Kramtsvogel, Wildente.
Barbe, Barsch, Karausche, Karpfen, Schlei,
Zander, Schellfisch, Dorsch, Kabeljau,
Seezunge, Butte, Scholle, grüner Hering,
Austern, Kaviar.
Artischocken, Blumenkohl, Wirsingkohl,
Weißkohl, Rotkohl, Grünkohl, Karotten,
Schwarzwurzeln, Teltower Rübchen, rote
Rüben, Steckrüben, Melonen, Kürbis,
Sellerie, Endivien, Rapünzchen, Trüffeln,
Hülsenfrüchte.
Obst:
Birnen, Äpfel, Quitten, Preißelbeeren, Weintrauben, Ananas, Feigen, Datteln, Maronen,
Haselnüsse, Walnüsse.
294
Hase, Rehbock, Hirsch, Damhirsch, Wildschwein, Kaninchen.
Huhn, Kapaun, Taube, Puter, Ente, Gans,
Fasan, Auer- und Birkwild, Rebhuhn,
Wildente.
Barbe, Barsch, Karausche, Karpfen, Schlei,
Zander, Schellfisch, Dorsch, Kabeljau,
Seezunge, Butte, Scholle, grüner Hering,
Austern, Kaviar.
Artischocken, Blumenkohl, Wirsingkohl,
Weißkohl, Rotkohl, Grünkohl, Karotten,
Schwarzwurzeln, Teltower Rübchen, rote
Rüben, Steckrüben, Sellerie, Endivien, Hülsenfrüchte.
Obst:
Birnen, Äpfel, Weintrauben, Ananas, Feigen,
Datteln, Maronen, Haselnüsse, Walnüsse,
Paranüsse.
Aus: Mathilde Erhardt, Großes illustriertes Kochbuch für den
einfachen bürgerlichen und den feineren Tisch. Berlin 1904
Fotoprojekt
Hildesheim
kulinarisch
295
Esskultur in
Hildesheim
Die jüdische Küche
Wolf-Georg von Eickstedt
Vorsitzender der Jüdischen
Gemeinde Hildesheim
Die Jüdische Gemeinde Hildesheim wurde
am 25. Januar 1997 gegründet. Sie gehört
nicht dem orthodoxen Judentum an. Eine
wichtige Konsequenz daraus ist, dass Frauen
und Männer gleichberechtigt sind, auch in
der gottesdienstlichen Praxis. Damit knüpfen
wir an die uralten jüdischen Traditionen an,
die keinen Unterschied zwischen den Menschen machen.
Obwohl die Gemeinde klein ist, gibt es ein
reges Gemeindeleben mit Gottesdiensten,
Feiern, Unterricht und vielem mehr. Auch
am öffentlichen religiösen und kulturellen
Leben Hildesheims nimmt die jüdische Gemeinde aktiv teil.
Die Menora erinnert an den großen goldenen Leuchter in Jerusalem. Der siebenarmige Leuchter ist eines
der wichtigsten religiösen Symbole des Judentums
überhaupt. Dies zeigt sich darin, dass sie bei der
Staatsgründung Israels 1948 als offizielles Emblem in
das Staatswappen aufgenommen wurde. Die Menora
hat ihre Ursprünge vermutlich in Babylonien und soll
die Erleuchtung symbolisieren.
Jahrzehntelang war die Existenz einer solchen Gemeinde undenkbar, nachdem während des Dritten Reiches die Juden vertrieben und ermordet worden waren. 1930 gab
296
es etwa 500 Juden in Hildesheim, 1990 fünf.
Die Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion änderte die Situation,
so dass es auch in Hildesheim heute wieder
eine kleine jüdische Gemeinschaft gibt. Sie
versteht sich jedoch durchaus als Erbe der
Tradition, die bis 1938 in Hildesheim bestand, auch wenn heute die Muttersprache
der überwiegenden Mehrheit Russisch ist.
Thorarolle: Die Thora bezeichnet die dem Mose auf
dem Berg Sinai übergebene Offenbarung Gottes und
die fünf Bücher Mose (Pentateuch). Die ganzjährige,
abschnittsweise Thoralesung bildet das Zentrum des
religiösen Lebens im Judentum. Die Thora wird traditionell auf eine geschmückte Pergamentrolle (hier ist
es Ziegenleder) von Hand geschrieben und in einem
Schrein aufbewahrt.
Thorazeiger: Der Thorazeiger (Jad) dient dem Vorleser zum Hinweisen auf die zu lesenden Texte, da das
Heilige nicht mit der Hand berührt werden darf. Er
gleicht in seiner Form einem Zepter, das als Verlängerung oder Verdoppelung eines königlichen Arms
gesehen wird. Der meist silberne Zeiger endet oft in
einer vornehmen Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger, an dem ein Ring oder Edelstein stecken kann.
Der Thorazeiger, dessen Griff oft reich verziert ist,
wird mit einer Kette an die Stäbe der Thorarolle oder
an das Thoraschild gehängt.
Aber was ist das eigentlich, Judentum? Dazu
sagt der amerikanische Rabbiner David Max
Eichhorn: „Judentum ist eine sehr alte, aber
nicht statische Religion. Juden werden nicht
durch feste Dogmen oder ein festgelegtes
Esskultur in
Hildesheim
Credo geleitet. Die biblischen Zehn Gebote
werden von allen Juden als inspirierte Erklärung grundlegenden jüdischen Denkens
angesehen. Viele Juden nehmen ebenfalls
die dreizehn Prinzipien des Maimonides als
Anleitung des Glaubens.
Juden glauben: Gott ist einzig und ewig. Gott
allein ist anzubeten. Gott lenkt durch Weisheit, Gerechtigkeit und Liebe.
Gottes Willen enthüllt sich durch die Thora,
die Natur und die menschliche Erfahrung.
Israels Propheten und Weise haben der
Menschheit als Deuter des Willens Gottes
gedient. Der Mensch ist als Bild Gottes geschaffen. Das vorrangige Ziel des Menschen
ist, Gottes Willen zu befolgen. Der Mensch
ist im Leben und im Tod unter Gottes Obhut.
Alle Menschen überall sind Geschwister. Das
Wohlergehen jedes Einzelnen ist verknüpft
mit dem Wohl aller. Jeder muss seinem
Mitmenschen Unterstützung, Verständnis
und Achtung entgegenbringen. Jeder muss
den Aufbau einer menschlichen Gesellschaft
unterstützen, die auf Wahrheit, Freiheit und
Frieden gegründet ist.
Diese Sätze sind kein Glaubensbekenntnis
in irgendeinem Sinn. Es ist lediglich ein
Versuch, einfach und präzise bestimmte religiöse Überzeugungen, die alle Juden teilen,
zu benennen. Judentum ist im Wesentlichen
eine Religion der Tat. Juden würden sagen:
Taten sprechen lauter als Theorien. Die einzige Erklärung, die allgemein von allen religiösen Juden vorgetragen wird und die zum
Slogan des Judentums überhaupt geworden
ist, ist der biblische Vers: Höre, Israel, der
Ewige unser Gott ist einzig!“
Der Thoramantel (Me’il) bedeckt mantelartig die
Rolle. Außer dem eigentlichen Mantel besteht er für
gewöhnlich aus einem Kopfstück mit zwei Löchern
zum Durchstecken der Rollstäbe.
Der große deutsche Rabbiner der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts, Leo Baeck, hat
gesagt: „Das Judentum ist eine Religion, die
ihre Bewährung im Leben sucht und in der
Verbindung des Lebens mit Gott ihre Antworten findet.“
In den Aussagen beider Weisen sind die wesentlichen Punkte genannt. Das Leben kommt
zuerst. Es ist das eigentlich Heilige der
Schöpfung. Leben zu erhalten und zu fördern
ist die Kernaufgabe der Menschen. Die göttlichen Weisungen führen uns zu dieser Kernaufgabe und helfen uns, die Verbindung zum
Bezug zu Gott finden. Ein wichtiger Bestandteil dieser beiden Punkte ist, im Leben rein
oder unrein zu unterscheiden. Das betrifft unter anderem die Hygiene, die Kleidung und,
297
Esskultur in
Hildesheim
für Nichtjuden am auffälligsten, die Speisen.
Die Kaschrut, die Speisegesetze, bestimmen
hier, was rein (koscher) oder unrein (trefe)
ist. Das beginnt damit, dass Fleisch nur
dann koscher ist, wenn es von paarzehigen
Wiederkäuern oder bestimmten Vögeln
stammt und die Tiere auf eine bestimmte,
besonders schonende Weise geschlachtet
wurden. Fleisch- und Milchprodukte dürfen
nicht im gleichen Essen zusammenkommen.
Pflanzliche Nahrungsmittel und Fisch mit
Schuppen und Flossen gelten als neutral,
können also mit Fleisch oder Milch zusammen gegessen werden.
Die Haggada ist ein meist reich bebildertes Buch,
das am Abend von Pessach, dem Fest der ungesäuerten Brote, beim Festmahl mit der Familie
gemeinsam gelesen und gesungen wird. Das Buch
beschreibt die Vorgänge, die man im Buch Exodus
nachlesen kann, das Exil der Israeliten in Ägypten
und den Auszug in die Freiheit. Die Erzählung des
Pessachfestes erfuhr im Lauf der Zeit zahlreiche Zusätze und Ausschmückungen. Die häufig reich illuminierten und illustrierten Manuskripte der Haggada
fanden weite Verbreitung als Handschriften und Drucke und sind für die Geschichte der jüdischen Kunst
von größter Wichtigkeit. Eine berühmte Ausgabe ist
die „Sarajevo-Haggada“ aus dem 14. Jahrhundert.
Zu Pessach, dem Passahfest, das an den in
der Bibel beschriebenen Auszug aus Ägypten erinnert, gibt es noch weitere Regeln,
die diese Erinnerung vertiefen. Unter dem
Oberbegriff, Gesäuertes nicht zu essen, wird
in dieser Zeit nichts gegessen, das vor der Zubereitung erst noch lange aufgehen, quellen
298
oder gären muss (eben mit Sauerteig oder
Hefe). Also zum Beispiel normales Brot oder
Bier. Statt Brot wird Mazzah, Mehrzahl Mazzot (oder Mazze) gegessen, aus ganz jungem,
feinem Weizenmehl ganz kurz gebackenes
hauchdünnes Brot.
Übrigens: Alkohol ist im Judentum ausdrücklich erlaubt, auch an Pessach. Man sollte
allerdings das rechte Maß halten.
Die jüdische Küche ist also einerseits bestimmt durch die Kaschrut. Dazu gehört auch,
dass man den Schabbat nicht durch Kochen
bricht. Gerade im osteuropäischen Winter ist
es wichtig, warm zu essen, besonders am
Feiertag. So haben sich Suppen- und Eintopfgerichte entwickelt, die man sehr lange
heiß halten kann, ohne dass Qualität und
Geschmack leiden.
Kerzenständer zu Sabbat, Challamesser und Kidduschbecher. Der Sabbat ist der siebte Tag der
Woche und der Schöpfung, gleichzeitig auch ein
Ruhetag zur Erinnerung an das Ruhen Gottes nach
der Erschaffung der Welt und an den Auszug des
Volkes Israel aus Ägypten. Er beginnt Freitagabend
traditionell zu Hause mit dem Anzünden der Kerzen.
Nach dem Besuch des Gottesdienstes in der Synagoge findet er zu Hause seine Fortsetzung. Dort ist der
Tisch gedeckt, zwei Laibe Brot (Challa) liegen bereit.
Das Familienoberhaupt liest den Bibeltext mit einer
Lobpreisung der Hausfrau und spricht den Segen
über die Kinder, es folgen der Kiddusch, d. h. der
Segen über den Wein, und nach dem Händewaschen
der Segen über das Brot.
Esskultur in
Hildesheim
Zwei typische Gerichte hierfür präsentieren
wir: Mazzeklößesuppe und Tscholent.
Andererseits gibt es eine riesige Vielfalt, da Juden in vielen verschiedenen Ländern der Erde
seit Jahrhunderten zu Hause sind. So ist gerade die israelische Küche eine der vielfältigsten
der Welt, weil sich die ganze Kultur Israels aus
den Kulturen der Ursprungsländer entwickelt
hat, aus denen die jüdischen Einwanderer seit
dem 19. Jahrhundert gekommen sind. Aber
auch die Produkte des Landes haben diese
Entwicklung beeinflusst. Die Avocado, die
ursprünglich aus Südamerika stammt, wird in
Israel in hoher Qualität angebaut und hat sich
zu einem wichtigen Bestandteil der Küche entwickelt. Man verwendet sie zum Beispiel als
pikante Crème, Salat oder Suppe. Unsere Rezepte, die wir hier vorstellen, repräsentieren
die Kultur der europäisch-jüdischen Küche, die
ihre Wurzeln hauptsächlich in Osteuropa hat.
Nun einige Rezepte:
Meerrettich oder Chen (mit hartem ch wie
im deutschen Wort „ach“) ist eine beliebte
Zutat zu Fleisch oder Fisch. Einen besonders
guten Meerrettich bereitet Larissa Farber zu,
die Zweite Vorsitzende der Gemeinde.
Meerrettich oder Chen
Achtung: Scharf! Frischer Meerrettich brennt
wie Chili. Bei der Zubereitung Gummihandschuhe tragen!
Man benötigt:
400 g Meerrettichknollen, 2 mittelgroße
Rote Bete, 100 ml Essig, 1 Teelöffel Salz, 4
Esslöffel Zucker, etwas Wasser.
Die geschälten Meerrettiche und Roten
Bete raspeln, in eine Schüssel mit Deckel
füllen, mit Essig, Salz, Zucker und Wasser
anmachen, gründlich vermischen, zudecken
und etwas ziehen lassen. In ein Glas mit
Schraubverschluss füllen. Mit dem Schraubverschluss verschließen und im Kühlschrank
aufbewahren.
Eines der berühmtesten jüdischen Gerichte
ist Gefillte Fisch. Unser Vorstandsmitglied
Sascha Itskov, selbst Koch von Beruf, bereitet
ihn nach dem Rezept seiner Großmutter zu.
Saschas Gefillte Fisch ist unvergleichlich!
Gefillte Fisch
Oma verwendete zu einem 1 kg schweren
Karpfen 2 Eier, 120 ml kaltes Wasser, 2–3
Esslöffel Mazzemehl, 1–3 Esslöffel Zucker,
2–3 Zwiebeln, 3 Möhren, Salz, Pfeffer und
Fischbrühe.
Ein Karpfen wird geputzt, ausgenommen
und der Kopf ganz oder teilweise abgetrennt
(bis zu den Wirbeln). Dann müssen die
großen Gräten vom Bauch her nahe an den
Wirbeln vorsichtig durchgeschnitten werden,
ohne dass die Haut verletzt wird. Nun wird
das Fleisch aus der Haut gelöst und sorgfältig von allen Gräten befreit.
Anschließend wird es durch den Fleischwolf
gedreht und mit Zwiebeln, Mazzemehl,
Eiern und Gewürzen vermengt. Mit dieser
Masse wird die Fischhaut wieder gefüllt und
dann verschlossen. Nun wird der Gefillte
Fisch mit in Scheiben geschnittenen Möhren
in einem vorbereiteten Fond aus Wasser und
Wurzelwerk pochiert. Der fertige Fisch wird
mit dem reduzierten und gesiebten Fond
übergossen, der schnell geliert.
(Von links) Larissa Farber, Wolf-Georg von Eickstedt,
Channah von Eickstedt
299
Esskultur in
Hildesheim
Eine Spezialität von mir, der ich selbst ein
leidenschaftlicher Hobbykoch bin, ist Suppe
mit Mazzeklößen.
Suppe mit Mazzeklößen
Meine Mazzeklößesuppe kann man je nach
Anlass als Vorspeise oder auch als Hauptgericht servieren. Wenn sie als Hauptgericht
konzipiert wird, sollte man auf jeden Fall
ausreichend Suppengemüse hinzufügen.
Das geht natürlich auch bei der Planung als
Vorspeise.
Die Suppenbasis ist eine Brühe. Ich bevorzuge eine Gemüsebrühe, andere ziehen eine
Hühner- oder eine Rinderbrühe vor.
Für die Klöße benötigt man:
3 Eier, 1 Esslöffel Olivenöl (wer das nicht
mag, nimmt anderes Fett nach Geschmack),
150 ml kohlensäurehaltiges(!) Wasser (macht
die Klöße lockerer), 125 g Mazzemehl, 1 feingehackte Zwiebel, 1/2 Teelöffel Salz, etwas
frisch gemahlener Pfeffer und etwas frisch
geriebene Muskatnuss.
Die Eier aufschlagen und trennen. Das
Eiweiß steif schlagen. Eigelb, Wasser, Mazzemehl verrühren, bis man eine gefügige
Masse hat. Salz und Gewürze hinzufügen.
Das Eiweiß unterheben und die Masse zu einem Teig kneten. Den Teig zudecken und für
30 Minuten kühl stellen. Anschließend aus
dem Teig kleine Klöße formen, in die man
einen Kern aus gehackter Zwiebel gibt. Dann
die Klöße in die köchelnde Brühe geben und
mindestens 20 Minuten köcheln lassen. Man
kann die Mazzeklößesuppe bei Bedarf aber
auch über längere Zeit heiß halten.
Unser Gemeindemitglied Polina Farber liebt
eine Spezialität des osteuropäischen Judentums, den Tscholent, für den sie ein vorzügliches Rezept von ihrer Mutter hat.
300
Tscholent
Tscholent ist Eintopf. Er wird am Freitag vor
Beginn des Schabbat zubereitet. Man lässt
ihn dann bis zum Mittagessen am Schabbat
vor sich hinschmoren. Das jiddisch-slawische Wort Tscholent stammt übrigens
ursprünglich aus dem Französischen: chaud
und lentement bedeutet heiß und langsam.
Man kann Tscholent also sehr lange vor sich
hingaren lassen, ohne sich darum kümmern
zu müssen.
Man benötigt:
2 Esslöffel Sonnenblumenöl, ca. 1,4 kg Rindfleisch (Schlegel, Brust oder Schulter) ohne
Knochen, 4 Zwiebeln, 500 g getrocknete
Pflaumen, 1,5 kg Kartoffeln, Salz, Pfeffer, 2–3
Lorbeerblätter.
Das Fleisch wird in große Würfel geschnitten, die Zwiebeln in dünne Scheiben. Die
Kartoffeln schälen und vierteln.
Das Öl wird in einer großen Kasserolle erhitzt und das Fleisch 8–10 Minuten von allen
Seiten gut angebraten. Zwiebeln, Pflaumen
und Kartoffeln hinzugeben und gut verteilen. Mit Salz und Pfeffer nach Geschmack
und den Lorbeerblättern würzen. Wasser
zugießen, bis Fleisch und Kartoffeln gerade
bedeckt sind, und bei starker Hitze zum
Kochen bringen. Schaum abschöpfen, Hitze
reduzieren und köcheln lassen.
Eine besondere Herausforderung sind
an Pessach Kuchen. Einerseits sind herkömmliches Mehl und Hefe nicht gestattet,
andererseits ist Pessach ein fröhliches und
genussreiches Fest, an dem gerne besonders gut gekocht und gegessen wird. Mit
Fasten hat Pessach gar nichts zu tun! Es geht
logischerweise also nicht ohne Kuchen. Damit die aber „koscher le pessach“ sind, ist
besondere Kreativität gefragt! Unser Mitglied
Channah von Eickstedt backt für ihr Leben
gern, auch wenn ihr Beruf ihr oft zu wenig
Esskultur in
Hildesheim
Zeit dazu lässt. Aber zu Pessach muss natürlich gebacken werden, zumal ihr Geburtstag
oder der ihres Mannes oft in die Pessachwoche fallen. Und so hat sie eine Reihe von
Kuchenspezialitäten, die sie Pessach backt.
Neben Kuchen aus Mazzemehl oder Baisers
kann man Kalten Hund mit Mazzot anstelle
von Keksen machen. Oder man ersetzt das
Mehl durch Mazzemehl, gemahlene Nüsse,
Mandeln usw. Channah berichtet, dass viele
ihrer Backrezepte von ihrer Großmutter
stammen. Offensichtlich sind die Großmütter entscheidend bei der Weitergabe familiärer Traditionen, zu denen natürlich auch
Rezepte gehören.
Nusskuchen
„Nusskuchen für Pessach (aber auch zu anderen Zeiten lecker) ist meine Empfehlung.
Man benötigt dafür 8 Eier, 250 g Zucker,
etwas Zitronensaft und geriebene Zitronenschale, 25 ml Wasser, 60 g Butter, Kardamom nach Geschmack, 200 g gemahlene
Nüsse (ich verwende Wal- und Haselnüsse
gemischt), 75 g Kartoffelmehl, 75 g Mazzemehl.
Die Eier werden getrennt und die Eigelbe
vorsichtig mit 125 g Zucker, Zitronensaft und
schale, Wasser, Butter und Kardamom zu
einer gleichmäßigen Masse vermengt. Eiweiß schlagen und den restlichen Zucker in
den Schnee mischen. Dann etwas Eischnee
und das Kartoffelmehl, das Mazzemehl und
die Nüsse im Wechsel in die Eigelbmasse
einrühren, bis alles ganz aufgenommen
ist. Diese Masse wird unter den restlichen
Eischnee gehoben und zu einem Teig vermengt. Sehr hübsch ist für diesen Kuchen
eine Gugelhupfform, in der ich ihn eine
Stunde bei 180° backe. Wenn beim Einstechen kein Teig mehr an der Nadel klebt, ist
der Kuchen fertig.
Wenn er ausgekühlt ist, kann man ihn mit
einer Glasur überziehen. Für die Glasur
verrühre ich 30 g flüssiges Palmin mit einer
Gabel in einem Schälchen mit 200 g Puderzucker und 30 g Kakao. Nach Bedarf wird
tropfenweise heißes Wasser hinzugefügt.
Die flüssige Masse wird über den Kuchen
gegeben. Erkalten lassen. Essen!“
Der Sabbat klingt am Samstagabend bei Dunkelheit mit der Hawdala (Trennung) aus. Man denkt
dabei an den heiligen Charakter des gerade zu
Ende gehenden Sabbats und an den beginnenden
Werktag. Meist wird – zum Zeichen des Segens und
des Überflusses – Wein zum Überfließen gebracht.
Es folgt der Gewürzsegen unter Verwendung der
Bessomimbüchse. Zum Abschluss wird ein Preisund Dankgebet über der Flamme einer geflochtenen
Kerze gesprochen, zur Erinnerung an die Erschaffung
der Welt, die am ersten Tag der Woche mit dem Licht
begann.
Außer Kuchen sind als Dessert traditionell
Obst bzw. Obstsalate beliebt, deren Zusammensetzung nach Jahreszeit und Möglichkeiten des Landes variieren.
Nun wünschen wir Ihnen viel Spaß beim
Ausprobieren unserer Rezepte!
B’teavon – Guten Appetit!
301
Esskultur in
Hildesheim
303
Esskultur in
Hildesheim
Schießen oder schonen?
Ansgar Lehne
Warum ist das so wichtig; warum ist es nicht
gleichgültig, welches Stück Wild vom Jäger
erlegt wird?
In unserer Kulturlandschaft sind viele Faktoren der natürlichen Auslese abgeschwächt
oder ausgefallen, besonders das Großraubwild als unmittelbare „natürliche Feinde“.
Es ist jedoch ein Gebot der Vernunft, mit
unserer „Hege mit der Büchse“ diese naturgegebene Dynamik so gut wie möglich
nachzuahmen.
Die Bestände aller Schalenwildarten (größere wildlebende Pflanzenfresser) müssen
338
zahlenmäßig begrenzt werden. Sie müssen
aus biologischen Gründen der Kapazität
des gegebenen Lebensraumes sowie aus
wirtschaftlichen Gründen den Belangen der
Landeskultur (Forst- und Landwirtschaft)
angepasst werden. Dafür zu sorgen ist eine
wesentliche Aufgabe des Jägers. Mit dem
Jagdrecht ist die Hegepflicht ausdrücklich
verbunden (Bundesjagdgesetz). Das heißt,
die Jagd ist so durchzuführen, dass sie dem
Ziel und Auftrag, das Wild unter naturgemäßen Lebensbedingungen gesund und
lebenskräftig zu erhalten, gerecht wird. Das
bedeutet nicht, die nötige Anzahl Wild (gemessen am jährlichen Zuwachs an Jungwild)
wahllos zu erlegen. Es ist zwar die wichtigste Grundvoraussetzung, dass die erforderliche Gesamtzahl erlegt wird, doch kommt
Esskultur in
Hildesheim
es auch darauf an, wie sich die Gesamtzahl
auf die Geschlechter und auf die einzelnen
Altersklassen verteilt, damit auch die innere
Gliederung des Wildbestanden möglichst
naturgemäß erhalten bleibt.
Helmut und Ansgar Lehne mit Jagdfreund.
Ein edler Nebeneffekt also, sauber erlegtes
Wildbret zum Verzehr anzubieten. Denn zu
den besonderen kulinarischen Erlebnissen
der deutschen Küche zählen Wildgerichte.
Die Eröffnung der Jagdsaison gibt jedes Jahr
im September den Auftakt zu einer in kulinarischer Hinsicht überaus reichen Zeit. Großes und kleines Haarwild, Federwild und
Wasservögel liefern der Tafel eine Vielzahl
ausgesuchter Gerichte. Ihre Zubereitung
kann ganz einfach oder auch raffiniert sein.
Sie reicht vom traditionellen Wildragout
über einen feinen Braten bis hin zu Steaks
oder Wildpasteten. Hirsch, Damhirsch und
Reh werden auf die selbe Art zubereitet.
Dabei besitzt das Reh das zarteste, wohlschmeckendste Fleisch. Die begehrtesten
Stücke dieser Tiere sind der Rücken, die
Keulen und die Koteletts.
Ein Hase sollte höchstens 7 bis 8 Monate alt
sein und 3 kg wiegen. Hasen, die 4 kg und
mehr wiegen, haben ein zähes, faseriges
Fleisch und werden vorwiegend zu Pasteten
und Terrinen verarbeitet. Wildkaninchen ist
nicht so fein wie Hase, doch schmeckt ein
junges Tier ausgezeichnet als Ragout. Die
älteren Tiere werden ebenfalls in Terrinen
verwendet.
Auch das Federwild muss jung sein, um die
besten Eigenschaften zu besitzen: Der Fasan
bezeugt sein junges Alter mit einer biegsamen Brustbeinspitze und einem noch nicht
oder nur schwach ausgebildeten Sporn. Das
Rebhuhn erreicht seinen geschmacklichen
Höhepunkt Ende September / Anfang Oktober. Die jungen Tiere erkennt man an den
grauen Füßen, an den spitzen Enden der
großen Flügelfedern und der Weichheit der
unteren Schnabelhälfte. Die Wachtel muss
frisch und fett sein für ein herrschaftliches
Gericht. Die Schnepfe – Sumpfschnepfe und
Waldschnepfe gehören zu der selben Familie – ist ein ganz erstklassiges Wild. Sie wird
nicht ausgenommen, man entfernt lediglich
den Kaumagen. Sie wird vor allem als Ragout besonders geschätzt.
Bleibt noch die einfache Wild- oder Stockente,
aus der unsere Hausenten gezüchtet werden,
die Löffelente, deren Fleisch außerordentlich
zart ist, die Krickente und die Knäkente.
339
Esskultur in
Hildesheim
Wussten Sie schon ...
... wo und wie Rehwild lebt?
Das Rehwild ist unsere weitaus häufigste
und allgemein verbreitete Schalenwildart.
Es gibt von der Meeresküste bis ins Hochgebirge kaum ein Revier ohne Rehwild. Am
wohlsten fühlt es sich in reich gegliederten,
abwechslungsreichen Wald-Feld-Revieren
mit unterholzreichen Misch- und Laubwäldern, doch passt es sich auch gut an ungünstigere Lebensräume an, wie geschlossene Nadelwälder einerseits und die offene
Feldflur andererseits. Rehe leben die meiste
Zeit einzeln; soziale Bindungen beschränken
sich auf die Beziehungen zwischen Ricke
(Muttertier) und Kitzen während der Aufzuchtszeit, auf die kurzen Kontakte zwischen
den Geschlechtspartnern zur Brunftzeit und
auf lockere „Notgemeinschaften“ während
des Winters.
... wie die Rehe in der Jägersprache genannt werden?
Die männlichen Tiere heißen Böcke, die
weiblichen Ricken. Die jungen bis einjährigen Rehe nennt man Bockkitz oder Rickenkitz. Das einjährige weibliche Reh, das
noch kein Kitz geboren hat, wird Schmalreh
genannt. Das einjährige männliche Reh ist
ein sogenannter Jährling oder Jährlingsbock.
Ein junger Rehbock, dessen Gehörn eine
gute Entwicklung zeigt, wird respektvoll Zukunftsbock genannt.
... wie alt und wie groß Rehe werden?
Rehe können etwa 12 bis 14 Jahre alt werden. Sie erreichen eine Kopfrumpf-Länge
von 100 bis 140 cm und eine Schulterhöhe
von 60 bis 90 cm. Männliche Tiere haben
ein Durchschnittsgewicht von 15 bis 20 kg,
weibliche wiegen 10 bis 15 Prozent weniger.
Das Sommerfell ist leuchtend rotgelb, das
Winterfell graubraun. Hören und riechen
können sie sehr gut. Das Sehvermögen
allerdings ist stark eingeschränkt. Rehe nehmen in erster Linie nur starke Hell-DunkelKontraste und Bewegungen wahr.
Rehe ernähren sich hauptsächlich von Gräsern, Kräutern, Feldfrüchten, Eicheln, Bucheckern, Pilzen und Beeren.
340
Esskultur in
Hildesheim
Aus dem Kochbuch von Henriette Davidis; Fortsetzung Seite 354.
341
Esskultur in
Hildesheim
Zerwirken – Vom Reh zum Filet
Fotoarbeit
von Katharina Guntermann
und Daniela Guhl
342
Esskultur in
Hildesheim
343
Esskultur in
Hildesheim
Gute Gründe für heimisches
Wildfleisch (Wildbret)
Ansgar Lehne
Wildbret wird natürlich erzeugt:
Wildtiere ernähren sich ausschließlich vom
Nahrungsangebot der Natur.
Wildbret ist unbelastet:
Im intakten Naturkreislauf gelangen keine
schädlichen Fremdstoffe in das Fleisch. Es
ist daher frei von Hormonen und Medikamenten.
Wildbret ist bekömmlich:
Wildtiere haben überwiegend Muskelfleisch.
Wildbret ist daher von Natur aus mager und
deshalb eiweißreich, leicht verdaulich, cholesterin- und kalorienarm.
Wildbret ist frisch:
Der Weg von den Revieren über das Kühlhaus zu Ihrer Küche ist kurz, das Fleisch
bleibt frisch.
Wildfleisch ist fettarm, vitaminreich,
schmackhaft, fein und hochwertig verarbeitet sowie küchen- und bratfertig geschnitten. Aufgrund seiner speziellen Eiweißzusammensetzung ist es leicht verdaulich und
liegt damit voll im Trend der modernen und
bewussten Ernährung.
Eigenschaften verschiedener Fleischsorten
Tierart
Eiweiß %
Fett %
Kohlenhydrate % kJ/100 g
Schwein
10–14
35–55
0,3–0,5
1675–2510
Rind
16–19
10–14
0,3–0,5
840–1425
Ente
16–21
6–29
0,2–0,4
630–1360
Gans
14–16
26–32
< 0,1
1300–1530
Huhn
17–21
5–25
< 0,1
610–1215
Hase
20–23
0,9–5
0,1–0,5
480–545
Hirsch
18–22
1–5
0,2–0,5
440–525
Reh
21–23
0,7–6
0,2–0,5
440–560
Wildente
19–23
2–3
0,3–0,5
460–500
344
Esskultur in
Hildesheim
Klassischer Rehrücken
Für 4 Personen
Vorbereitungszeit ca. 25 Minuten
plus ca. 80 Minuten Garzeit
Zutaten
1 mittelgroßer Rehrücken
Butter
Salz
Pfeffer aus der Mühle
8 zerstoßene Wacholderbeeren
1 gepresste Knoblauchzehe
350 ml Fleischbrühe
1 Karotte
1 Zwiebel
1 Scheibe Sellerie
1/2 Stange Lauch
Fortsetzung von Seite 341
Zubereitung
Die innere Haut des Rehrückens entfernen,
die Filets unter dem Rückgrat auslösen und
aufheben für eine Pastete.
Die untere Seite salzen, den Rücken in einen
Bräter legen und mit zerlassener Butter
übergießen. Mit Salz, Pfeffer, Wacholderbeeren und Knoblauch würzen und die Brühe
dazu gießen.
Das Gemüse klein schneiden und ebenfalls
dazugeben.
Den Rücken im Ofen etwa 80 Minuten garen, dabei mehrmals mit dem Bratensud
übergießen.
Die Rückenfilets abtrennen und in Scheiben
schneiden. Mit Sommergemüse, gebratenen
Kartoffeln und der Natursoße servieren.
Dazu passt ein leichter Spätburgunder.
345
Esskultur in
Hildesheim
Hildesheim schwelgt und genießt ...
... während der Hildesheimer Gourmettage
... auf dem Weinfest
Seit drei Jahren stellen im frühen Sommer
Hildesheimer Gastronomen und Hildesheimer
Köche im Herzen Hildesheims ihre Kochkünste
vor. In Buden und Zeltrestaurants kann man
sich auf dem Platz an der Lilie hinter dem Rathaus drei Tage lang den Gaumen verwöhnen
lassen und in den herrlichen Köstlichkeiten
schwelgen. Der Schwerpunkt liegt auf den
Schätzen, die die regionale Küche zu bieten
hat, aber wer will, kann auch – wie hier auf
dem Bild – schwäbische Schupfnudeln (auch
„Bubaspitzle“ genannt) mit Sauerkraut oder
Maultaschen probieren.
Im Mai findet das traditionsreiche Hildesheimer Weinfest auf den Plätzen rund ums Rathaus statt. Fünf Tage lang herrscht kultivierte
Fröhlichkeit und Leichtigkeit des Weines. Winzer, Weinhändler und Genossenschaften reisen mit ihren köstlichsten Tropfen an: aus den
besten Lagen der Rheinterrassen, von der Mosel und aus Baden-Württemberg. Komplettiert
wird die Vielfalt der Rebsorten und Anbaugebiete durch die Hildesheimer Weinhändler
und Gastronomen. Auch eine besondere, vor
allem rare Spezialität kann man hier probieren: Wein aus Hildesheim, aus dem kleinen
Weinberg im Magdalenengarten. Offiziell wird
das Fest durch den Oberbürgermeister und
die Weinkönigin eröffnet. Weintypische Speisen und ein tägliches Musikprogramm runden
das Weinfest ab.
346
Esskultur in
Hildesheim
... auf dem Weihnachtsmarkt
... und im Biergarten
Vom 26. November bis 27. Dezember verwandeln sich Marktplatz und Lilie schon
seit Jahrhunderten rund um das Rathaus in
eine romantische Budenstadt. Gerüche von
gebrannten Mandeln, Schmalzgebäck und
Glühwein mischen sich mit dem Duft der
Tannen rund um die Buden zu einem herrlichen Vorweihnachtsaroma. Lichtinstallationen
und Projektionen verleihen dem historischen
Marktplatz eine zauberhafte Atmosphäre, die
auf den Heiligen Abend und das Weihnachtsfest einstimmt.
Wer aber den ganzen Sommer über mit
Freunden im Freien unter einem schönen
Laubdach schwelgen und es sich gut sein
lassen will, der kann dies im wohl schönsten
Biergarten Hildesheims tun: im Biergarten
Klee hinter dem Kehrwiederwall. Mit Kiesboden und altem Baumbestand und original
bayerischen Spezialitäten entfaltet sich hier
im Sommer eine ganz besondere Atmosphäre.
Die Gourmettage, das Weinfest und der Weihnachtsmarkt werden von der Dehoga Hildesheim veranstaltet.
347
Esskultur in
Hildesheim
Der Wunschpavillon am Stadttheater Hildesheim
Ein Vermittlungs-Projekt zwischen Stadt und Theater
Von
Simone Brandenberg
Inspiriert vom Spielzeitthema „Wunschwelt“
eroberte der Wunschpavillon den Theatervorplatz von September 2006 bis Juli 2007 als
Ort der Wünsche für das Theater und seine
Stadt. Jenseits von Theaterkonventionen und
dem Spielplan des Großen Hauses suchte das
Stadttheater Hildesheim den direkten Kontakt
mit seinem Publikum und der Bevölkerung
der Stadt.
348
Der Wunschpavillon –
ein Relais zwischen Theater und Stadt
Ziel des Theaters war es, die Bürgerinnen
und Bürger zu einer Auseinandersetzung mit
der urbanen und sozialen Wirklichkeit der
Stadt anzuregen und den Wünschen nach
Veränderung und Partizipation einen Platz
einzuräumen. Als ein räumlicher und inhaltlicher Knotenpunkt der Kulturszene mitten in
Hildesheim setzte der Wunschpavillon zahlreiche Impulse für neue Kooperationsformen
und Projektideen, die das Potential von Laien,
Institutionen und Initiativen der Stadt bündelten und für die Zukunft aktivierten.
Esskultur in
Hildesheim
Der Wunschpavillon –
eine Wunschweltenfabrik
Mit der Sammlung von konkreten Wünschen
und vagen Ideen wurden neue Bevölkerungsschichten angesprochen und aktiv in die
Gestaltung von Theater und kulturellem Leben
der Stadt eingebunden. Dabei entstanden
beispielsweise ein Tanzcafé für Seniorinnen
im Mehrgenerationen Haus, ein Kommunikationsparcours für Schulen in Zusammenarbeit
mit dem Theaterpädagogischen Zentrum und
ein Schulungsprogramm für Schülerfirmen
der Stadt mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft HI-REG.
Der Wunschpavillon –
ein Bühnen- und Ausstellungsraum
Abgeleitet von den Inszenierungen im Großen
Haus des Stadttheaters wählte das Team des
Wunschpavillons je einen „Wunsch des Monats“
wie Freiheit oder Kommunikation und entwickelte
dazu in Zusammenarbeit mit Künstlern und Institutionen interaktive Ausstellungen und Veranstaltungen wie die monatliche Kochreihe „Essen am
Ersten“. Mit Gesprächsangeboten an das Theaterpublikum wie dem „Kamingespräch“ mit dem Ensemble im Anschluss an die Theatervorstellungen
etablierte sich der Wunschpavillon als Ort der individuellen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen fernab der großen Podien.
Der Wunschpavillon –
ein multifunktionaler Raum
Der Wunschpavillon –
ein außerschulischer Lernort
In Zusammenarbeit mit über 100 Kulturwissenschaftlern, freien Künstlern und Mitarbeitern des Stadttheaters entwickelte das theaterpädagogische Team des Wunschpavillons
zahlreiche „Klassenzimmer“ für Schulen und
Kindergärten. Damit erlebten über tausend
Kinder und Jugendliche einen spielerischen
Zugang zum Theater. Durch die Vermittlung
von aktuellen Themen wie Nachhaltigkeit
oder Arbeit wurde auch der kulturpolitische
Auftrag der ästhetischen Bildung eines bisherigen Nicht-Publikums durch das Stadttheater
umgesetzt.
Eine Spielzeit lang präsentierte sich der
Wunschpavillon als Klassenzimmer, Wunschlabor, Ideenschmiede, Diskussionsort, Bühne
und Treffpunkt mitten in der Stadt. Als Theatercafé gewährte er einen regelmäßigen Zugang,
um Menschen mit ähnlichen Interessen und
Ideen zu treffen, Gespräche zu führen, Kontakte
zu knüpfen oder gar eigene Projekte zu entwickeln. In Kooperation mit über 30 Institutionen,
Vereinen, Firmen oder Initiativen fanden über
200 Veranstaltungen im Pavillon statt, die in den
42 Wochen zwischen September 2006 und Juli
2007 von über 5000 Menschen besucht wurden.
Der Wunschpavillon wurde gefördert und unterstützt im
Fonds Heimspiel der Kulturstiftung des Bundes und von:
Bürgerstiftung Hildesheim, Freunde des Stadttheaters,
Friedrich-Weinhagenstiftung, Audio Werft, Elektro Lindemann und dem Sponsorenclub des Stadttheaters.
349
Esskultur in
Hildesheim
Essen am Ersten –
„Wir haben schon mal was vorbereitet“
Die Hildesheimer Kochreihe
im Wunschpavillon
mit
Moritz Tittel,
Dr. Simon Frisch und
Lisa May
Die Geschichte der Kochreihe
Die Reihe Monat für Monat
Im Sommer 2006 setzten sich Moritz Tittel
und Simon Frisch an einem Biertisch zusammen mit dem Wunsch, gemeinsam eine
Kochreihe zu machen, live im Kontakt mit dem
Publikum, zum Gucken, Riechen und Schmecken. Schnell war Lisa May als ihre reizende
Assistentin gefunden und so war das Trio perfekt. Der Wunschpavillon vor dem Theater war
der prädestinierte Ort. Und so kam es, dass
bei der Eröffnungsveranstaltung des Pavillons
im Oktober wegen einer gekochten Kartoffel
das Licht ausging – „Essen am Ersten war
geboren“.
Ohne weitere Zwischenfälle kochten die drei
an jedem Ersten eines Monats – gleich welcher Wochentag – ab 18 Uhr raffinierte oder
einfache Rezepte vor schau- und vor allem
probierlustigem Publikum. Zu jedem Abend
hatten sie „schon mal was vorbereitet“ und
jedes Mal wurde ein „Gerät des Monats“ gekürt. Um auch von der letzten Reihe aus jeden
Handgriff verfolgen zu können, übertrug eine
Videokamera mit angeschlossenem Beamer
Details von Schneidebrett, Topf und Pfanne an
die Wand. Die fertigen Gerichte machten auf
Tellern die Runde im Publikum. Jeder konnte
probieren und am Ende waren immer alle
Töpfe leer.
Zum Auftakt im November 2006 wetteiferten
Moritz Tittel und Simon Frisch um die beste
Zubereitungsart von Saltimbocca: „Gerollt
oder flachgelegt?“ titelte die Hildesheimer
Allgemeine Zeitung.
350
Esskultur in
Hildesheim
Im Februar stellte die Hildesheimer Küchengerätefirma Lurch den drei Köchen Geräte
zum Testen zur Verfügung, mit denen diverse
Hart- und Weichgemüse in die phantasievollsten Formen überführt wurden, um dann
in einem Wok zu einer schmackhaften asiatischen Pfanne veredelt zu werden.
Im Dezember kurbelte das Küchenteam dann
mit Hilfe des Publikums endlose Bahnen Nudelteig durch eine Nudelmaschine, um nach
vier Stunden die köstlichsten Ravioli der Welt
zu servieren – ausgestochen, ganz weihnachtlich, in Plätzchenformen.
Der März stand unter dem Wunschpavillonthema „Kommunikation“. Zu diesem Zweck
verkleideten sich die drei Köche als die drei
weisen chinesischen Affen, von denen sich einer die Augen, einer die Ohren und einer den
Mund zuhält. So mussten sich ein Blinder, ein
Stummer und ein Tauber über die Zubereitung der Rezepte verständigen ...
An Neujahr blieb die Küche geschlossen.
351
Esskultur in
Hildesheim
Essen am Ersten –
„Wir haben schon mal was vorbereitet“
Im April ließ das „Essen am Ersten“-Team
eine alte Tradition wieder aufleben und der
Wunschpavillon wurde zum Backhaus. Wie
früher, wenn am Backtag der Ofen im Dorf
angeheizt wurde und alle ihren Brot- und
Kuchenteig brachten und man schwatzte und
sich austauschte, während das Brot buk, so
stand auch am 1. April im Wunschpavillon ein
heißer Ofen bereit, und viele Hildesheimerinnen und Hildesheimer brachten ihren Brotund Kuchenteig oder rührten vor Ort Teige zusammen. Bald war der Wunschpavillon eine
lustige Backstube, in der man buk, schwatzte
und sich austauschte. Eine besondere Entdeckung waren die Nachbildungen der „Welfenformen“ der Firma Lurch.
352
Spanien ist im Mai am schönsten, und so baten Simon Frisch, der Schauspieler Moritz Tittel und ihre reizende Assistentin Lisa May für
den 1. Mai Vicente Hernandez vom Moritzberg
darum, etwas spanische Atmosphäre auf den
Theatervorplatz zu zaubern und seine inzwischen schon zu einer Hildesheimer Spezialität
gewordene Paella zu kochen. Vicente kam und
alles war original spanisch! Gekocht wurde
im großen Stil, mit allem Caramba, was dazu
gehört: Scampi, Hühnerbeine, Muscheln, Tintenfisch ... in einer riesigen Pfanne im Freien.
Dazu wurde herrlicher „tinto de verano“ und
leckeres spanisches Bier gereicht.
Esskultur in
Hildesheim
„Essen am Ersten“ verabschiedete sich am 30.
Juni mit dem Programm „Essen am Letzten“
mit dem Abschlussfest des Wunschpavillons
und gab noch einmal seinen (selbstgemachten) Senf, sein (selbstgemachtes) Ketchup und
seine (selbstgemachte) Mayonnaise zu den
Biofleischspezialitäten von Petra Kalkstein und
Kalle Buchheister und den Grillspezialitäten
der Don-Bosco-Catering-Schülerfirma.
Am 1. Juni luden die drei Köche den Hildesheimer Liedermacher Siggi Stern in ihre Küche ein zu einem „Küchenkonzert“. Auf dem
Speiseplan standen Grünkernsuppe, frisches
Saisongemüse und Obst. Am mitgebrachten
Küchentisch wurde viel gesungen, gegessen
und erzählt – ein Abend nach dem Motto:
„Plenus venter cantat libenter“ (ein voller
Bauch singt gern) – und Siggi zeigte Dias von
seinen Reisen durch Küchen in ganz Europa.
353
Esskultur in
Hildesheim
Essen am Ersten –
Zuhause an fremden Tischen
„Wir haben schon mal was vorbereitet“
Die Gerichte und die Geräte des Monats:
November:
Feigensalat mit Mozzarella und Parmaschinken, Saltimbocca, Himbeerquarkspeise
Gerät des Monats: Zestenreißer
Dezember:
Gefüllte Ravioli selbst gemacht, ausgestochen
mit Plätzchenformen
Gerät des Monats: Nudelmaschine
Februar:
Asiatische Currypaste, dazu allerlei mit unterschiedlichen Geräten kleingemachtes Gemüse
aus dem Wok und Reis
Gerät des Monats: Alle Lurchgeräte
März:
Hühnerbein, Zucchini in Schinken, Mang
Gerät des Monats: Pfeffermühle mit Peugeotmahlwerk von Moritz
April:
Backhaus Kuchen, Quiches, Brote, Muffins ...
Gerät des Monats: Welfenformen
Mai:
Spanische Paella mit Vicente Hernandez
Gerät des Monats: Paellapfanne
Juni:
Küchenkonzert: Siggi Stern
Fränkische Grünkernsuppe, frisches Obst, frisches Gemüse
Gerät des Monats: Schöpflöffel
Essen am Letzten Juni:
Senf, Tomatenketchup und Mayonnaise
Gerät des Monats: Kaffeemühle zum Senfkörnermahlen
354
Der Hildesheimer Liedermacher Siggi Stern (geb.
1976) bezeichnet sich selbst
gerne als „Küchensänger
und Wanderarbeiter“. Seit
2003 war er in etwa 100
Küchen zwischen Kiel und
Luzern mit seinem Programm „Zuhause in
fremden Küchen“ zu Gast. Dabei spielt er seine
eigenen Küchenlieder, liest Küchengeschichten
und zeigt die bisherigen GastgeberInnen und
ihre Küchen auf Dias. Meistens wird vorher
zusammen gekocht und gegessen, und manchmal auch hinterher zusammen gesungen. Eine
ausführliche Dokumentation findet sich auf
www.herzbesetzer.de.
Esskultur in
Hildesheim
Und von zuhause Grünkernschrot
Als Suppe auf dem Tisch
Passt nun wirklich nur bedingt
Zum Blechkuchen mit Fisch
Doch hinterher ein Wodka drauf
Dann stimmt’s mit einem Mal
Egal wie weit der Baikalsee
Vergessen ist der Ural
aus: Blechkuchen mit Fisch
Küchenkonzert mit Grünkernsuppe bei Familie Frank,
Tjumen / Sibirien 2006
„In der Welt zusammenleben heißt wesentlich, dass eine Welt von Dingen zwischen
denen liegt, deren gemeinsamer Wohnort sie
ist, und zwar in dem gleichen Sinne, in dem
etwa ein Tisch zwischen denen steht, die um
ihn herum sitzen; wie jedes Zwischen verbindet und trennt die Welt diejenigen, denen sie
jeweils gemeinsam ist.” Hannah Arendt
Manchmal wollen die Gastgeber noch den
Tisch raus tragen, damit mehr Platz in der
Küche ist. Und ich sage dann, auf gar keinen
Fall, und dass sie noch sehen werden warum.
Denn der Tisch verbindet und trennt gleichzeitig. Gerade, wenn man sich noch nicht
gut kennt, hat man genügend Abstand und
kann dem anderen trotzdem schon mal ein
Bier rüber schieben. Am Ende von fast jedem
Küchenkonzert bitte ich die Gäste dann, sich
vorzustellen, dass der Tisch zwischen uns
plötzlich verschwindet. Schwupps, ist man ein
Stuhlkreis, und man muss in die Mitte und
Ententanz vormachen. Für die meisten ist das
ziemlich peinlich. Deshalb ist es gut, dass es
Tische gibt, an denen man sich näher kommen kann.
Meine Lieder sind übrigens voll von Tischen.
Oft ist es mein roter Küchentisch, mit dem ich
sogar schon mal auf Tournee war...
Einen Spalt fünffingerbreit
Unter der Tür
Für all das Ungeziefer dieser Stadt
Für alle heimatlosen Katzen
Für jeden Streuner, der heut Nacht
Noch kein Bett gefunden hat
Und vom Boden kann man essen
Man soll immer dort was finden
Was den gröbsten Hunger stillt
Und am Ecktisch Kreise sitzen
Über Naturgesetze streiten
Bis kein einziges mehr gilt
aus: Unser Haus
Die Nacht hat sie an Land gespült
Oder hast Du sie selbst da raus gezogen
Zum Schwimmen viel zu müde
Sitzt sie jetzt in Deiner Küche und trinkt
Vor den Fenstern steigt die Flut an
Und Dein Tisch ist eine Insel
An den Füßen Deine Strümpfe
Löscht sie die Ladung und erzählt
Vom Meer
aus: Hafen sein
Küchentisch von
Familie Frank,
Tjumen/ Sibirien
2006
355
Esskultur in
Hildesheim
TonTopf –
Tonkuhles tönende Kochshow
Kontakt
Eine Kochshow im Radio – geht das überhaupt? Na klar!
Seit Januar 2005 kochen wir (Julia E.-M. Behrens und Rainer Sander) in unserer Sendung
TonTopf – Tonkuhles tönende Kochshow mit
wechselnden Gästen. Das Rezept der jeweiligen Sendung wird vom Gast bestimmt, der
auch für die Musikauswahl zuständig ist. Und
bisher waren die Gerichte immer lecker.
Was liegt da näher, als die Gelegenheit zu
nutzen und die Rezepte in diesem Kochbuch
zu veröffentlichen.
So kochen wir in Hildesheim und das sogar
im Radio!
In unserer Sendung schaffen wir durch das
gemeinsame Kochen eine angenehme, private
Atmosphäre, in der es Spaß macht, mit unseren Gästen über ihre Person, ihre Arbeit, ihre
Hobbies und vieles mehr zu plaudern.
Wir haben unseren TonTopf bewusst lokal ausgerichtet und versuchen zeitnah auf aktuelle
Lokaltermine einzugehen. Es werden Gäste eingeladen, die in Hildesheim leben, dort arbeiten
bzw. eine Verbindung zu Hildesheim haben.
Ein toller Nebeneffekt zu den ganzen wissenswerten Dingen, die man an so einem Kochtermin erfährt: einmal im Monat richtig satt
werden – und das auch noch richtig lecker!
Es lohnt sich also, die Gerichte aus TonTopf
– Tonkuhles tönende Kochshow einmal nachzukochen. Und wir sind sicher, dass es nicht
bei einem Ma(h)l bleiben wird.
TonTopf – Tonkuhles tönende Kochshow gibt
es jeden vierten Samstag im Monat auf Radio
Tonkuhle (105,3 MHz) oder im Internet unter
www.tontopf-hildesheim.de
356
www.tontopf-hildesheim.de
Julia E.-M. Behrens
Zierenbergstraße 123
31137 Hildesheim
Tel.: 0 51 21 / 8 64 67
mobil: 01 79 / 2 28 19 11
[email protected]
Rainer Sander
Godehardistraße 15
31137 Hildesheim
Tel.: 0 51 21 / 2 24 44
mobil: 01 79 / 2 28 19 10
[email protected]
Im Tonstudio
Alle
nachfolgend
aufgeführten
TonTopf-Gäste
sind mit ihrem
Rezept im
Rezeptteil des
KochKulturBuches vertreten:
Klaus Beste, Hildesheimer Konditormeister
Esskultur in
Hildesheim
Brigitte und Thomas Beyerling,
Hobby-Köche mit digitalem Kochbuch
Achim Falkenhausen, Kapellmeister, stellvertretender Generalmusikdirektor
Vicente Hernandez, Inhaber von El
Mercado (Spanische Lebensmittel)
Henning Blum, Bosch-Betriebsratsvorsitzender
Dr. Simon Frisch, Medienwissenschaftler der Universität Hildesheim
Prof. Dr. Martha Jansen, Präsidentin des Niedersächsischen Landesrechnungshofs
Gerd Diedrich, Kapitän auf großer
Fahrt, Marinekameradschaft Hildesheim
Dirk Fröhlich, Rock Delta D-Capt’n
und Radiomoderator
Wolfgang Kähler, Zugeordneter
Meister vom Stuhl der FreimaurerLoge Hildesheim
Hubsi Eggeling, Gitarrist und
Gründungsmitglied der Blues Guys
Agnes Hiller, bis 2007 Geschäftsführerin von Radio Tonkuhle
Kara M., Sängerin
357
Esskultur in
Hildesheim
Gerald Knetsch, Vertriebsleiter und
Prokurist der Lurch AG
Waldemar Lorenz, Programmgestaltung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Cyclus 66
Gerda Schultze-Tostmann, Gästeund Kostümführerin in Hildesheim
Dr. Hans-Günther Krane, Kämmerer der Stadt Hildesheim (bis
12/2006)
Hartmut Möllring, Niedersächsischer Finanzminister
Dr. Ulrich Steinmetz, Fundraiser
der Stiftungsuniversität Hildesheim
bis 3/2007
Dr. Ulrich Kumme, Oberbürgermeister der Stadt Hildesheim
(2002–2006)
Henner Molthan, Techniker bei
Radio Tonkuhle
Moritz Tittel, Schauspieler am Hildesheimer Stadttheater von 2003
bis 2007
Dr. Katja Lembke, Direktorin des
Römer- und Pelizäus-Museums
Clemens Rumpf, Präventionsbeauftragter der Polizeiinspektion
Hildesheim
Vera und Walter Wallott, bis Juni
2005 Pressesprecher der Polizei
Hildesheim
358
Esskultur in
Hildesheim
Das Tontopf Team Julia Behrens und Rainer Sander
359
Esskultur in
Hildesheim
Die „Hildesheimer Tafel“
Annelore Ressel
In Deutschland
muss niemand verhungern ...
Dieser oft gehörte Satz ist nur die halbe
Wahrheit.
Die andere Hälfte der Wahrheit lautet:
Ernährung ist mit bis zu 25 Prozent der größte
Einzelposten im Haushaltsbudget ärmerer
Menschen. Dieser Posten ist variabel und
gehört nicht zu den festen Ausgaben wie
zum Beispiel Miete etc. Deshalb werden aus
diesem Budget nicht aufschiebbare oder
unvorhersehbare Kosten (neue Schuhe für
die Kinder usw.) finanziert. Die Folge ist
Mangel- und Fehlernährung gerade bei Kindern. Betroffen von finanzieller Armut sind in
Deutschland zwei Millionen Kinder.
Diese wirtschaftliche Armut wirkt sich aber
nicht nur negativ bei der Versorgung mit
wichtigen Nährstoffen aus, sondern verhindert oftmals die Einbindung in soziale, kulturelle und medizinische Zusammenhänge. Dies
bewirkt eine gesellschaftliche Isolation – eine
Tatsache, die fatale Folgen für die gesamte
Gesellschaft haben kann, wenn nicht gegengesteuert wird. „Und genau das erfolgt durch
das soziale Angebot der Hildesheimer Tafel“,
sagt deren Vorsitzende, Annelore Ressel. „Die
von uns eingesammelten und abgegebenen
Lebensmittel helfen Mangel- und Fehlernährung zu verhindern. Darüber hinaus werden
die Familien auch finanziell entlastet. Eltern
Hildesheimer Tafel
360
Esskultur in
Hildesheim
verwenden die Einsparungen, um ihren Kindern zum Beispiel den Eintritt in einen Verein,
die Teilnahme an einer Klassenfahrt, einer
Geburtstagsfeier oder einen Kinobesuch und
Ähnliches zu ermöglichen.“
Am 12. Oktober 2007 hat die Hildesheimer Tafel ein Kinder- und Jugendrestaurant „K.bert“
eröffnet. Ein Projekt, das gesundes und
preiswertes Essen nicht nur für Kinder und Jugendliche aus finanziell schwachen Familien
anbietet, sondern für alle Kinder und Jugendlichen von sechs bis 16 Jahren, unabhängig
von Herkunft und Status. Dabei geht es auch
darum, bei denen, die es durch ihre soziale
Herkunft leichter haben, ins Leben zu starten, menschliche und soziale Verantwortung
gegenüber denen, die es schwerer haben,
zu wecken und zu fördern. Darüber hinaus
bietet das Kinder- und Jugendrestaurant auch
die Möglichkeit, sich kennen zu lernen, eine
Chance, die sich durch die faktische Trennung
von Stadtgebieten nach sozialer Herkunft und
der damit einhergehenden sozialen Abgrenzung von Kindergarten und Schule nur in
Ausnahmefällen ergibt.
Geht das Konzept auf, nehmen hier nicht nur
von 12 bis 15 Uhr Schüler bis zu 16 Jahren ihr
Essen sein – 50 Cent fürs Frühstück, 1,50 Euro
fürs Mittagessen sind zu bezahlen –, sondern
lernen auch noch gute Manieren. Auch einfaches Essen selbst zuzubereiten wird angeboten. Eine Erzieherin, eine Aufsicht, zwei Küchenmitarbeiter, eine Hauswirtschafterin und
ein Fahrer, die von der Arbeitsagentur bezahlt
werden, kümmern sich dabei um die Schüler.
Leitsätze des Vereins
„Hildesheimer Tafel e. V.“
– Da Menschen mit geringen finanziellen
Mitteln u. a. sich und ihre Familie oft nur
„mangelhaft“ ernähren können, hat sich die
„Hildesheimer Tafel“ zur Aufgabe gemacht,
zum menschlichen Verzehr noch bestens geeignete Lebensmittel einzusammeln und an
bedürftige Menschen und soziale Einrichtungen weiterzugeben. Damit geben wir diesen
Menschen die Möglichkeit, sich und vor allen
Dingen ihre Kinder gesund und vollwertig ernähren zu können.
– Wir bewahren mit unserer Arbeit zudem
hochwertige Lebensmittel vor der Vernichtung.
– Wir führen Menschen an Lebensmittel heran, die sie sich aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation nicht leisten können und somit
auch noch nie probiert haben.
– Wir erklären ihnen den Gesundheitswert
dieser Lebensmittel und wie sie diese Lebensmittel verwenden und zubereiten können.
– Durch Rat und Tat helfen wir Menschen, bei
denen es möglich ist, von Transferleistungen
und somit auch von unserem Angebot weitestgehend unabhängig zu werden.
Geschäftsstelle:
Richthofenstr. 2a, 31137 Hildesheim
Tel.: 05121–298 48 21, Fax: 05121–298 48 23
Mo., Di., Mi. und Fr. von 8 bis 17 Uhr
Do. von 8 bis 13.30 Uhr
Internet: www.hildesheimer-tafel.de
Lebensmittelausgabe:
Steuerwalder Str. 100, 31137 Hildesheim
Mo., Di., Mi. und Fr. von 8 bis 16.30 Uhr
Do. von 8 bis 13.30 Uhr
Kinder- und Jugendrestaurant
„K.bert“
Kardinal-Bertram-Straße 9,
31137 Hildesheim
Tel. 05121–999 01 49
Öffnungszeiten
Während der Schulzeiten: 7.15 Uhr bis 16 Uhr
Während der Ferien: 9 Uhr bis 16 Uhr
361
Esskultur in
Hildesheim
Fotoarbeit:
Einladen – Ausladen – Schnippeln
Von Astrid Oltmann
Meine Arbeiten zeigen den Arbeitsalltag bei
der „Hildesheimer Tafel“. Dabei habe ich den
Fahrer des Lieferwagens begleitet, um mitzuerleben, wie und wo die Ware verladen wird.
Eine weitere Arbeit ist das Ausladen der Lebensmittel und der sich daran anschließende
Arbeitsablauf, das Sortieren der Lebensmittel.
Aus Rücksicht auf die Lebensmittelempfänger
habe ich keine Fotografien von den Bedürftigen erstellt. Auch auf die erkennbare Darstellung der dort arbeitenden Angestellten, die
meistens ehrenamtlich, auf ABM-Basis und
nach 1,50-€-Regel beschäftigt sind, wurde
weitestgehend verzichtet.
362
Esskultur in
Hildesheim
363
Esskultur in
Hildesheim
Fotoarbeit:
Handarbeit
Von Nadine Heitkamp
In dieser Arbeit stehen nicht die Empfangsbedürftigen, deren Situation oder die helfenden
Personen im Vordergrund. Es geht allein um
den Vorgang, die Handtätigkeiten, die Tag für
Tag in den Räumen der Hildesheimer Tafel
ablaufen: Die ankommenden Lebensmittel
werden geprüft, gegebenenfalls gesäubert
und ordentlich verpackt, so dass einige Stunden später die Lebensmittelempfänger sie
sich abholen und daraus zu Hause ihren kulinarischen Vorlieben nachkommen können.
364
Esskultur in
Hildesheim
365
Esskultur in
Hildesheim
366
Esskultur in
Hildesheim
Rezepte aus der Justizvollzugsanstalt für Frauen
Abteilung Hildesheim
Andrea Marsal
Vollzugsabteilungsleiterin
/Sozialer Dienst
Hildesheim ist eine Abteilung des zentralen
Frauenvollzugs in Niedersachsen mit 64
Haftplätzen der geschlossenen Strafhaft, untergebracht in einem ehemaligen Benediktinerkloster. Die erwachsenen Frauen kommen
hauptsächlich aus dem Großraum Hannover
und dem südöstlichen Niedersachsen.
Eines der zahlreichen Projekte ist der kulturelle Nachmittag in unserer Wohngruppe.
Hier leben acht inhaftierte Frauen in einer
Wohngemeinschaft zusammen und strukturieren selbstständig ihren Tagesablauf. Einmal
im Monat sonntags gestaltet eine von ihnen
einen kulturellen Nachmittag. Das Thema
für die drei Stunden ist dann der Heimatort
oder das Heimatland der inhaftierten Frau.
So kocht sie leckere Gerichte für ca. zehn
Personen und bringt uns das Land in Form
von Videofilmen, Kartenmaterialien und
Fotobänden näher. Auf diesem spannenden
und interessanten Weg haben wir schon eine
Menge Städte in Deutschland, aber auch weiter entfernt liegende Länder wie Ghana und
Norwegen „besucht“.
Gemeinsame Tafel beim kulturellen Nachmittag
367
Esskultur in
Hildesheim
Bevor die Frauen in die Wohngruppe verlegt
werden, müssen sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Gemeinschaftsfähigkeit, Drogenfreiheit und hausordnungsgemäßes Verhalten
gehören u. a. dazu. Kommt eine Frau jedoch
aus einem Land mit viel versprechenden Rezepten und interessanten Kulturen, wünschen
sich die Frauen aus der Wohngruppe schon
einmal eine vorzeitige Verlegung der Mitinhaftierten in ihre Wohngruppe, nur um in den
Genuss eines weiteren spannenden kulturellen Nachmittags zu kommen!
Wir wünschen den Lesern der nachfolgenden
Rezepte und Geschichten viel Spaß beim
Nachkochen und ebenso vergnügliche Stunden beim Verzehr, wie wir es zusammen mit
den inhaftierten Frauen hatten.
Impressionen aus der Haftanstalt
368
Esskultur in
Hildesheim
Rezepte aus Ghana
Suppe mit Erdnussbutter und Rindfleisch
2 Zwiebeln
Öl
Rindfleisch (Suppenfleisch o. ä.)
1 1/2 kleine Dosen Tomatenmark
passierte Tomaten (Tetrapack)
Maggiwürfel (fette Brühe o. ä.)
3 EL Erdnussbutter
Salz
Die Zwiebeln in Würfel schneiden und in Öl
anbraten. Das Rindfleisch in gulaschartige
Stückchen schneiden und hinzufügen. Das
Fleisch nur ganz kurz anbraten (sonst wird es
zäh), dann mit Wasser ablöschen, so dass das
Fleisch im Wasser kochen kann. Tomatenmark
hinzugeben und verrühren, wieder mit etwas
Wasser ablöschen. Passierte Tomaten hinzufügen und umrühren. 1 – 1 1/2 Maggiwürfel
hinzugeben. Die Erdnussbutter mit Wasser
vermengen und auch dazugeben. Alles ca.
45–60 Minuten köcheln lassen. Mit Salz abschmecken.
Soße mit Makrele
für Nudeln, Reis, Fufu oder Jam
1/2 Tasse Öl
1 1/2 Zwiebeln
1 1/2 kleine Dosen Tomatenmark
Maggiwürfel
Passierte Tomaten
2 Dosen Makrelenfilet
3–4 Eier
Das Öl erhitzen, die Zwiebeln darin anbraten.
Erst Tomatenmark, dann Maggiwürfel und die
passierten Tomaten dazugeben. Die Makrelenfilets ohne Öl (vorher gut abgießen) hinzugeben und zum Schluss die Eier unterrühren.
Fertig!
Fufu: breiähnliche, klebrige Masse (wie Kartoffelbrei), im Afroshop erhältlich.
Jam: Kartoffelähnliche Wurzel (im Afroshop
erhältlich). Muss geschält und gewürfelt werden. Anschließend in Salzwasser kochen.
Plantain (Kochbananen)
Beliebig viele Kochbananen in Scheiben
schneiden, kurz im Salzbad baden und in Öl
in der Pfanne goldbraun anbraten.
Mhhhh lecker!
Mein Land
Ghana wird als „Land der starken Frauen“
bezeichnet.
„Das Huhn weiß, dass der Tag anbricht, lässt
jedoch den Hahn krähen.“
Es gibt freie Partnerwahl, Scheidungen und
alleinerziehende Mütter, die nicht von der Gesellschaft verstoßen werden.
Die Amtssprache ist Englisch, die häufigste
Sprache nennt sich jedoch Akan. Ghana ist
auch als „Land der 1000 Feste“ bekannt, Ghanaer lieben das Feiern.
369
Esskultur in
Hildesheim
Rezepte aus Lüneburg
Rezept aus dem Iran
Lüneburger Spargel-Essen
Fesenjan (Für 4 Personen)
4 kg frischer Heide-Spargel
3 kg frische Heide-Früh-Kartoffeln
1 l Sauce Hollandaise (keine selbst gemachte)
500 g Butter
Den Spargel schälen, dann 10–15 Minuten
garen lassen.
Die Kartoffeln ca. 20 Minuten kochen.
Die Sauce Hollandaise aufwärmen.
Die Butter zum Schmelzen bringen und extra
servieren.
Erdbeer-Traum
ca. 1 kg Erdbeeren
1/2 1 Himbeersirup
8 Blatt rote Gelatine
2 Päckchen Vanillinzucker
1/2 l kaltes Wasser
Die Erdbeeren waschen und in eine kalt ausgespülte Form geben.
Den Himbeersirup erhitzen, die Gelatine nach
Vorschrift einweichen, ausdrücken und in dem
heißen Sirup auflösen. Den Vanillinzucker mit
auflösen. Damit die Masse schneller fest wird,
erst jetzt das kalte Wasser dazugeben. Die
Flüssigkeit über die Erdbeeren gießen und die
Schälchen in den Kühlschrank stellen.
Dazu kann man Sahne, Vanillesoße oder Eis
servieren.
Meine Stadt
Lüneburg ist mit ca. 72 000 Einwohnern die
drittgrößte Mittelstadt im Land Niedersachsen. Eine Besonderheit ist das so genannte
Senkungsgebiet, das durch den vermehrten
Salzabtrag über Jahre hinweg entstand; dadurch begann sich die Oberfläche um mehrere Meter abzusenken. Sehenswert ist auch
die weitläufige Lüneburger Heide mit ihren
„vielen Gesichtern“ ...
370
2 Zwiebeln
4–5 EL Öl (Pflanzen-/Sonnenblumenöl)
1 Teelöffelspitze Salz
1 Teelöffelspitze Kurkuma
500 g Rindfleisch
1 l Wasser
500 g Walnüsse (gerieben)
1 l Granatapfelsaft
1 Tasse Zucker
250 g Basmati-Reis
Salz, Öl
Safran, Würfelzucker
Die Zwiebeln in Würfel schneiden und mit Öl,
Salz und Kurkuma in einem Topf anbraten, bis
sie goldbraun werden.
Das Rindfleisch in kleine Würfel schneiden, zu
den Zwiebeln dazugeben und zusammen ca.
10 Minuten braten, bis das Fleisch die Farbe
verändert, aber noch nicht gar ist. Wasser dazugießen und warten, bis das Wasser kocht,
danach kommen die Walnüsse, der Saft und
der Zucker hinein.
Auf kleiner Flamme ca. 2 1/2 Stunden weiter
köcheln (Stufe 1 Elektroherd), bis die Masse
dickflüssig wird, zwischendurch umrühren.
Wenn es nicht süß genug ist, Zucker noch
dazugeben.
Mein Land
Das Rezept wurde meistens im Winter gekocht und zu Festlichkeiten, damit wurde den
Gästen Respekt, Ehre, Liebe und Zuneigung
vermittelt.
Oft wurden die Speisen auf dem Boden serviert,
weil der Prophet Mohammed früher mit seinen
Leuten auch auf dem Boden gespeist hat.
Früher hat man auch einen großen Topf mit
Kohle genommen, da man ja noch keine Heizung hatte, und hat dann den Topf mit der glühenden Kohle unter den Tisch gestellt und eine
dicke Decke über den Tisch gelegt, damit dann
alle am Tisch sitzen und es warm haben.
Esskultur in
Hildesheim
Rezepte aus Norwegen
Norwegische Knödel-Raspeboller
Kartoffeln
Mehl
Salz
Margarine
Die Kartoffeln reiben und mit etwas Mehl
andicken. Schwach salzen (Norweger salzen
ihre Speisen nur sehr, sehr wenig). Aus der
Kartoffelmasse Knödel formen, in kochendes
Salzwasser legen und ca. 20 Minuten kochen
lassen. Danach in heißer Margarine anbraten.
Schmeckt sehr stark nach mehliger Kartoffel!
Kjöttpolser – norwegische Fleischwurst
Fleischwurst
Margarine (aus Norwegen, am besten SoftFlora, sie schmeckt etwas salziger)
Die Fleischwurst in Scheiben schneiden und
in heißer Margarine anbraten.
Dazu eine Bratensoße reichen.
Kälrod – Norwegischer Kohl
Kohl
Salzwasser
norwegischer Pfeffer
Der Kohl wird geschält und in Würfel geschnitten, dann in etwas Salzwasser ca. 50
Minuten sprudelnd gekocht, danach wird die
Flüssigkeit abgegossen.
Der Kohl wird nun zu einem Püree gestampft
und mit etwas norwegischem Pfeffer abgeschmeckt.
Zu jedem Essen in Norwegen wird Flat Brod
gereicht, ein sehr dünnes Knäckebrot.
Zu diesen Pfannkuchen wird gewürfelter, geräucherter und ausgelassener Speck gereicht,
der auch in norwegischer Margarine gebraten
wird.
Dazu als Beilage eine norwegische Marmelade.
Mein Land
Die Norweger essen immer und überall Trockenfisch, ein geräucherter, getrockneter Fisch
jeder Art.
In Norwegen wird das „Mittagessen“ nicht,
wie bei uns üblich, zur Mittagszeit eingenommen, sondern abends zwischen 21 und 22 Uhr.
Je süßer die Speise zubereitet wurde, desto
besser schmeckt es den Norwegern.
Die Lieblingsspeise eines Norwegers ist immer noch frischer Lachs, ob als Mittagessen,
zum Flat Brod oder einfach zwischendurch.
Frischer Lachs aus Norwegen ist hauchdünn
und zergeht auf der Zunge und ist mit Lachs
in Deutschland in keinster Weise zu vergleichen.
Der Tisch in Norwegen wird ständig üppig
gedeckt, ob mit warmem Essen, Herzhaftem
oder Süßem. Essen ist eine Leidenschaft des
Norwegers.
Norwegischer Pfannkuchen
ca. 300 g Mehl
2 Eier
etwas Wasser und viel Zucker
Daraus einen Teig rühren und Pfannkuchen
ausbacken.
371
Esskultur in
Hildesheim
Fotoarbeit:
Die Küche im Hildesheimer Frauengefängnis
von Tinatin Su-Tsereteli
Wie geht es in Küchen zu, die sich in geschlossenen, für die Öffentlichkeit nicht
zugänglichen Institutionen befinden? Diese
Frage hat mich für meine fotografische Arbeit
beschäftigt, und so fiel meine Wahl auf das
Frauengefängnis in Hildesheim.
Wie und was kochen die Insassen, wie ist der
Ablauf strukturiert, was ist das Besondere
an der Kochsituation an einem solchen Ort?
Während sechs Visiten im Frauengefängnis
hatte ich Gelegenheit, die Großküche sowie
die Kochabläufe vor Ort zu fotografieren. Dabei war es mir wichtig, die besondere Atmosphäre dieses Ortes einzufangen.
Vorbereitung für den Tag
Blick auf den Arbeitsprozess
Büro der Küchenaufsicht
372
Esskultur in
Hildesheim
Einblick – in eine offene Schublade
Ausblick – über den dampfenden Ofen
Zwei Insassinnen in der Gefängnisküche
373
Fotoprojekt
Hildesheim
kulinarisch
Hilde konsumiert anders
Die andere Stadtführung
Wer profitiert beim Kaffeeanbau vom fairen
Handel? Wie schmeckt Schokolade ohne Sojalecithin? Was futtert der Fisch, mit dem mein
Fisch gefüttert wird?
„Hilde konsumiert anders“ ist eine Gruppe
junger Stadtführerinnen und Stadtführer, die
konsum- und globalisierungskritische Rundgänge durch die Hildesheimer Innenstadt
für Schulklassen und andere Interessierte
anbietet.
374
Statt bekannte Sehenswürdigkeiten zu besichtigen, richten wir unseren Blick auf die
Schaufenster einiger Konzernfilialen und gehen bestimmten Produktionsweisen auf den
Grund. Wir sprechen über die Wirkung, die
unsere Konsumprodukte in anderen Teilen der
Welt haben.
An mehreren Stationen wird erklärt, wer
für ökologische und soziale Missstände in
anderen Ländern verantwortlich ist und wie
wir durch unser Konsumverhalten Einfluss
nehmen.
Wir wollen deshalb nicht anprangern, sondern vor allem auf Alternativen zum gewohnten Konsumverhalten aufmerksam machen
und die Möglichkeiten jedes und jeder Einzelnen vorstellen, Einfluss zu nehmen und
Veränderungen zu bewirken.
Das Projekt stammt aus Hannover, wo es
„KonsuMensch“ heißt. Mehr dazu im Internet
unter www.konsumensch.net.
In Hildesheim sind wir am besten über
[email protected] zu erreichen.
Fotoprojekt
Hildesheim
kulinarisch
Kleine Siegelkunde
Das Bio-Siegel
Das FAIRTRADE-Siegel
Die meisten Bioprodukte findet man im Bioladen um die Ecke. Aber immer mehr Supermärkte haben Biobananen und Co. in ihrem
Sortiment. Das Bio-Siegel ist wie das FairtradeSiegel ein Garant für Transparenz, wenn gerade nicht die Möglichkeit besteht, beim Bauern
des Vertrauens nachzufragen.
Die Nutzung des Bio-Siegels richtet sich nach
den Kriterien der EG-Öko-Verordnung. In
ihr ist unter anderem festgeschrieben, dass
gentechnisch veränderte Organismen und die
Bestrahlung von Öko-Lebensmitteln verboten
sind. Außerdem wird auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und leicht lösliche
mineralische Dünger verzichtet.
Die Verwendung des Bio-Siegels fordert bei
der Tierzucht flächengebundene, artgerechte
Tierhaltung und die Fütterung mit ökologisch
produzierten Futtermitteln ohne Zusatz von
Antibiotika und Leistungsförderern.
www.bio-siegel.de
Das FAIRTRADE-Siegel wird in Deutschland
vom Verein TransFair vergeben. TransFair
handelt nicht mit eigenen Waren, sondern
vergibt das Siegel für fair gehandelte Produkte, um benachteiligte Produzentenfamilien in
Afrika, Asien und Lateinamerika zu fördern
und durch Fairen Handel ihre Lebens- und
Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Das Siegel garantiert außerdem den beschränkten Einsatz von Pestiziden, das Verbot
von gentechnischer Veränderung und Transparenz für die Verbraucher.
In rund 27 000 Supermärkten in Deutschland,
im Lebensmittelgeschäft um die Ecke sowie
im engagierten Versandhandel werden Produkte mit dem TransFair-Siegel für kontrolliert
Fairen Handel angeboten – und natürlich
auch in den 800 Weltläden. www.transfair.org
Im Hildesheimer Weltladen von El Puente gibt
es auch Produkte mit dem Siegel. Aber auch
alle anderen Produkte sind fair gehandelt, da
El Puente für partnerschaftlichen Handel steht
und überhaupt maßgeblich an der Etablierung des Fairen Handels beteiligt war und ist.
www.el-puente.de
375
376
377
378
Herunterladen