Druckversion - Neue Zahlen zu Drogendelikten: Wird auf dem ... http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/drogenkonsum-an-... 23. Januar 2017, 19:28 Uhr Neue Zahlen zu Drogendelikten Wird auf dem Schulhof wirklich mehr gekifft? Ein Interview von Silke Fokken Die Drogenkriminalität ist auf deutschen Schulhöfen teils dras>sch ges>egen, zeigen offizielle Zahlen. Der SuchBorscher Theo Baumgärtner warnt vor voreiligen Schlüssen. In Baden-­‐WürDemberg und Sachsen-­‐Anhalt hat sich die Zahl der Drogendelikte an Schulen verdreifacht, in Nordrhein-­‐WesOalen und Sachsen verdoppelt -­‐ das berichtete die Deutsche Presse-­‐Agentur am Montag unter Berufung auf die Innenministerien und Landeskriminalämter. Auch in anderen Bundesländern ist die Drogenkriminalität auf Schulhöfen demnach gesVegen, meistens gehe es um den Besitz oder Verkauf von Cannabis. Hier erklärt der SuchOorscher Theo Baumgärtner, wie diese Zahlen zu bewerten sind. SPIEGEL ONLINE: Herr Baumgärtner, diese Zahlen vermiDeln den Eindruck, dass immer mehr Schüler Cannabis verkaufen und konsumieren. SVmmt das? Baumgärtner: Die Zahlen klingen dramaVsch, und natürlich muss man jeden Fall sehr ernst nehmen. Keine Frage. Aber man darf die Zahlen auch nicht überbewerten. Ich kenne diverse Studien zu dem Thema und kann sicher sagen: Die deutschen Schulen versinken nicht im Drogensumpf. Das ist kein Massenphänomen. Aber tatsächlich gibt es von Region zu Region, teilweise von Schule zu Schule, durchaus Unterschiede. SPIEGEL ONLINE: Immerhin hat sich die Zahl der Drogendelikte in einigen Bundesländern verdreifacht oder verdoppelt. Zeigt das keinen Trend? Baumgärtner: Der AnsVeg ist mathemaVsch richVg. Aber hochgerechnet auf die Gesamtschülerzahl bewegen wir uns bei den Drogendelikten an Schulen in einem Promillebereich. Außerdem kann der AnsVeg diverse Ursachen haben. SPIEGEL ONLINE: Zum Beispiel? Baumgärtner: Es muss nicht automaVsch daran liegen, dass Schüler mehr kiffen oder dealen. Es kann auch damit zu tun haben, dass viele Schulen das Thema nicht mehr totschweigen. Viele Lehrer sehen genauer hin, handeln kompetenter. Dadurch kommen mehr Fälle ans Licht. Das mag nicht für jede Schule gelten, aber da ändert sich aus meiner Sicht etwas zum PosiVven. SPIEGEL ONLINE: Das klingt nach Entwarnung. Baumgärtner: Nein, so weit würde ich auch nicht gehen. Cannabis ist immer noch die in Deutschland am weitesten verbreitete illegale Droge, und ihre Wirkung wird von vielen 24/01/17 10.12 Druckversion - Neue Zahlen zu Drogendelikten: Wird auf dem ... http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/drogenkonsum-an-... Schülern -­‐ und teilweise auch Erwachsenen -­‐ massiv unterschätzt. Nach dem MoDo: "Haben wir früher ja auch geraucht." Dabei könnte inzwischen jeder wissen, dass der regelmäßige Cannabiskonsum psychische Schäden anrichten kann, insbesondere bei Jugendlichen. Deshalb hat diese Droge in den Händen von Jugendlichen nichts verloren, schon gar nicht in der Schule. Aber es ist nicht so, dass immer mehr Jugendliche im Schulkontext kiffen. SPIEGEL ONLINE: Wie entwickeln sich denn die Zahlen? Baumgärtner: In Großstädten wird in der Regel mehr Cannabis konsumiert als in ländlichen Regionen, wo Schüler wiederum mehr Alkohol trinken. In Hamburg zum Beispiel hat jeder vierte Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren irgendwann schon mal Cannabis geraucht. Zwölf Prozent konsumieren es regelmäßig. Im Jahr 2012 waren es noch 17 Prozent. Die Zahlen sind derzeit also rückläufig. Dieser Trend zum regelmäßigen Konsum gilt für diese Altersgruppe auch bundesweit, in der Gruppe der 18-­‐ bis 25-­‐Jährigen wird allerdings mehr konsumiert. SPIEGEL ONLINE: Kiffen ist unter Schülern also nicht mehr so angesagt? Baumgärtner: Das kann von Schule zu Schule anders sein, aber insgesamt kiffen weniger Schüler. Das könnte damit zu tun haben, dass auch weniger Schüler Tabak konsumieren. Man kann Cannabis zwar auch in Spinat auflösen oder in Kekse einbacken, aber die meisten rauchen es. Und wenn man Rauchen nicht gewöhnt ist, kratzt das erst mal im Hals und ist unangenehm. Der Konsum von SuchtmiDeln ist aber insgesamt oj Modetrends unterworfen. SPIEGEL ONLINE: Was ist jetzt gerade in Mode? Baumgärtner: Wir haben in unser jüngsten SCHULBUS-­‐Studie herausgefunden, dass es in Hamburg zum Beispiel einen AnsVeg beim Konsum der sogenannten neuen PsychoakVven Substanzen gibt. Das sind oj SuchtmiDel, die man im Internet bestellen kann, sodass Jugendliche da ziemlich leicht rankommen. Jungen nehmen tendenziell öjer diese AufputschmiDel, Mädchen öjer SchmerzmiDel. SPIEGEL ONLINE: Wie erklären Sie sich diesen AnsVeg? Baumgärtner: Letztlich ahmen Jugendliche immer uns Erwachsene nach und decken gnadenlos unser widersprüchliches Verhalten auf. Wir raten ihnen zwar von Drogen ab, machen ihnen als Gesellschaj aber vor, dass man "etwas" nimmt, wenn man unruhig ist, sich schlapp oder müde fühlt, staD die Ursachen zu beheben. Viele Jugendliche machen das nach, auch weil sie das Gefühl haben, funkVonieren zu müssen. Ich finde das sehr bedenklich. Der Gesetzgeber hat die Tabak-­‐ und Alkoholwerbung eingeschränkt, vielleicht sollte man das auch mit ArzneimiDelwerbung machen. Mit Material von dpa URL: 24/01/17 10.12 Druckversion - Neue Zahlen zu Drogendelikten: Wird auf dem ... http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/drogenkonsum-an-... hDp://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/drogenkonsum-­‐an-­‐schulen-­‐ wird-­‐wirklich-­‐mehr-­‐gekifft-­‐a-­‐1131342.html Verwandte Ar>kel: "Tatort"-­‐Faktencheck: Nimmt jeder zweite Student Drogen zur Leistungssteigerung? 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