Islam heißt Frieden ... ordneten ... Saksuk: ... und mit gleichen Pflichten. Im Islam sind vor Gott und dem Gesetz alle Men50 schen gleich. Der Koran will, dass die Gesellschaft nach zwei Prinzipien gestaltet wird: Gerechtigkeit und Mitbestimmung. Der Prophet 5 SPIEGEL: Herr Minister, Ussama Ibn Ladin hat sich, wenn er in einer Angelegenheit keine ruft zum Terror gegen den Westen auf, die göttliche Offenbarung empfing, mit seinen GeTaliban in Afghanistan bedrohen Muslime, die 55 fährten besprochen. "Berate dich mit ihnen", Christen werden wollen, mit dem Tod und lautet Gottes Befehl an den Propheten im zerstörten im März die weltberühmten budKoran. Mohammed ist - auch mal gegen seine 10 dhistischen Statuen von Bamian. Die Fanatiker Überzeugung - der Mehrheitsmeinung gefolgt. berufen sich auf Allah ... Spiegelinterview (02.06.2001): Ägyptens Religionsminister Hamdi Saksuk über Scharia und die Schreckensherrschaft der Taliban Saksuk: ... und begehen damit Frevel. Ich verstehe die Taliban nicht, und ich verurteile sie. Islam, das heißt doch vor allem Toleranz. 15 Unsere Religion setzt sich ein für Frieden, Freiheit und Menschenwürde. Gott hat den Propheten Mohammed gesandt, "um den Menschen in aller Welt Barmherzigkeit zu erweisen". So sagt es der Koran, der dem 20 Menschen ausdrücklich auch die Freiheit der Wahl in religiösen Fragen gewährt: "Wer nun will, möge glauben, wer nicht will, soll es lassen." SPIEGEL: Von Toleranz und Barmherzigkeit 25 merken wir wenig, wenn wir die Verhältnisse in so genannten islamischen Republiken wie Iran oder Pakistan betrachten. SPIEGEL: Wenn das so ist, warum gibt es 60 dann, jedenfalls nach westlichen Maßstäben, keinen einzigen wirklich demokratischen Staat in der islamischen Welt? Saksuk: Ach, die Maßstäbe des Westens. Der Islam hat schon in der Vergangenheit bewie65 sen, dass er im Stande ist, in einem toleranten Staatswesen blühende Kulturen zu vereinen. Er kann weltoffener, lernfähiger und flexibler sein als das Christentum. Denken Sie nur an das Kalifat von Córdoba im 10. Jahrhundert. 70 Und nicht wir hatten die Inquisition. SPIEGEL: Sie hatten aber auch nicht die Aufklärung. Und keinen Martin Luther ... Saksuk: ... der, wie es heißt, vom Koran beeinflusst gewesen sein soll. Saksuk: Jedes Land soll sich so gestalten, wie das Volk das haben will. Wir wollen demokra30 tisch sein, aber ich sehe keinen Grund, anderen 75 SPIEGEL: Wir dachten, Luther hätte nur den Papst noch mehr gehasst als den Propheten unsere Auffassungen aufzuzwingen. Mohammed. SPIEGEL: Verträgt sich eine Demokratie nach Saksuk: Der Koran sieht für Muslime nicht westlichem Muster - Parlamentsherrschaft, zwingend bestimmte Formen der Demokratie eine unabhängige Justiz - wirklich mit den 80 vor. Deshalb gibt für uns den Ausschlag auch 35 Vorschriften des Islam? Verhindert nicht die nicht der Westen, der ja seine DemokratieScharia, die auf Allah und seinen Propheten konzepte möglicherweise auch der veränderten gründende Rechtsordnung, mit ihren strikten Wirklichkeit anpasst. Nein, entscheidend ist Vorschriften für alle Lebensbereiche wirkliche für uns: Gerechtigkeit, Mitbestimmung, Pluralität? 85 Meinungsfreiheit. 40 Saksuk: Mohammed gab Medina eine VerfasSPIEGEL: Gerade die Meinungsfreiheit ist sung. Darin hat er die Menschenrechte verdoch überall in den islamisch geprägten ankert sowie die Pluralität der religiösen GrupStaaten eingeschränkt - selbst im weltoffenen pen und kulturellen Interessen - die Juden Ägypten. Erst vor sechs Jahren wurde der waren ein Bestandteil dieser Gesellschaft, mit 90 Literaturkritiker Abu Seid von einem ägypti45 gleichen Rechten ... schen Gericht zum Ketzer erklärt und sollte von seiner muslimischen Frau zwangsgeschieSPIEGEL: ... aber nur, solange sie sich unter- den werden. Er sah keinen anderen Ausweg, als nach Europa zu fliehen. SPIEGEL: Toleranz gegenüber Intoleranz? 140 Saksuk: Man sollte sie gewähren lassen 95 Saksuk: Ich würde ihm nie das Recht auf seine außer wenn sie zu Mord oder Umsturz aufreligiösen Auffassungen absprechen. Inzwirufen. Sollte einer der Prediger beim Freitagsschen wurde der Fall juristisch neu aufgerollt. gebet die Volksmassen aufhetzen, erfahre ich Schriftgelehrte haben niemals die Befugnis, davon und handele sofort. Alle 40 000 Moanderen das Lebensrecht abzusprechen, des145 scheen des Landes unterstehen mir, und ich 100 halb ist auch eine "Todes-Fatwa" in Wahrheit kann die Lizenz zum Predigen entziehen. unislamisch ... SPIEGEL: Einige Schriftgelehrte in Kairo SPIEGEL: ... wie sie etwa Ajatollah Chomeini postulieren, Frauen müssten sich aus der gegen den Autor Salman Rushdie gerichtet hat. Politik heraushalten. Die Taliban in Kabul 150 verbieten Mädchen sogar die Schulbildung. Saksuk: "Wenn einer jemanden tötet ... soll es Steht das im Koran? 105 so sein, als ob er alle Menschen getötet hat", heißt es im Koran. Es gibt in Ägypten jetzt Saksuk: Die entsprechende Textstelle soll mir auch keine Zwangsscheidung mehr, Abu Seid mal einer zeigen. Die Frau ist dem Mann im hätte heute nichts mehr zu befürchten. Ich Islam gleichgeordnet, hat ein uneingeschränkdenke, er wird eines Tages wieder in seine 155 tes Recht auf Arbeit und Bildung. Es gibt auch 110 Heimat zurückkehren. keinen Schleierzwang, nur die Aufforderung, sich unanstößig zu kleiden. Frauen können SPIEGEL: Auch der ägyptische Literaturselbstverständlich auch hohe Staatsämter überNobelpreisträger Nagib Mahfus wurde und nehmen. wird von fanatischen Muslimen bedroht. Er kam bei einem Attentat nur knapp mit dem 160 SPIEGEL: Wohin bewegt sich die islamische 115 Leben davon. Welt? Wird die afghanisch-intolerante Variante an Boden gewinnen oder eher die ägyptischSaksuk: Diese Verbrecher pervertieren unsere moderate? Religion. Sie sind Außenseiter der Gesellschaft, solche gibt es in allen Gesellschaften. Saksuk: Gott hat die Menschen unterschiedlich Aber immer spricht man nur vom "islamischen 165 geschaffen. Aber ich hoffe, es gibt immer wie120 Terror", das ist unfair. Die Radikalen bei uns der eine positive Erneuerung und Modernisiehaben so wenig mit dem wahren Glauben zu rung. tun wie die irregeleiteten Christen in Amerika, die im Namen ihrer Religion Ärzte in AbtreiSPIEGEL: Die Grenzen der islamischen Welt bungskliniken erschießen. seien blutig, es werde zwangsläufig zu einem 170 "Krieg der Kulturen" kommen, predigt der US125 SPIEGEL: Solcher Fundamentalismus scheint Professor Samuel Huntington. in islamischen Ländern aber tiefer verankert und weiter verbreitet zu sein. Radikale ProfesSaksuk: Das glaube ich nicht. Das sind Feindsoren gibt es selbst an der richtungweisenden bilder von gestern. Wir müssen friedlich koAzhar-Universität. Manche Beobachter glauexistieren und den Dialog suchen 130 ben, sie gewännen immer mehr an Einfluss. 175 gleichgültig, welcher Religion und Kultur wir angehören. Saksuk: In Ägypten sind die Radikalen eine winzige, allerdings sehr lautstarke Minderheit. Ich kenne einige dieser Schreihälse, sie sind im Gegensatz zu meinem Kollegen, dem 135 Azhar-Großscheich Tantawi, kleine Geister. Sie klammern sich bei ihrer Koran-Auslegung an einzelne Buchstaben und sehen den größeren Zusammenhang nicht.