1 Parasitismus als Lebensform – eine Einführung Theodor Hiepe 1.1 Einleitung Die Parasitologie ist ein Wissenschaftszweig, der die Parasiten, den Parasitismus und die Parasitosen zum Gegenstand hat. Was verbirgt sich hinter diesen Begriffen? Der biologisch-medizinische Terminus Parasit leitet sich über lateinisch parasitus vom griechischen Wort παρασιτος (παρα = bei, neben; σιτος = vom Verb „essen“) ab; etymologisch bedeutet dies „Beiesser“. Die älteste Verwendung dieses Abb. 1-1 Parasitos Miniatur einer Theatermaske der Neuen Griechischen Komödie. Terrakotta, um 100 v. Chr. Aus Myrina (Kleinasien) (Quelle: SMPK. Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin). Begriffes ist aus verschiedenen Kulten bekannt, in denen der Parasitos – vornehmlich Priester und Opferbeamter – bei rituellen Gastmählern für Gottheiten teilnahm und auf Kosten der Gesellschaft verpflegt worden ist (Abb. 1-1). Eine andere Auffassung deutet den Parasitos als Helfer beim Opfermahl, dem es oblag, vom geopferten Tier eine Probe zu essen, bevor dieses den Teilnehmern der staatlichen Ehrentafel als Nahrung gereicht wurde. Für diese wahrscheinlich zur Vermeidung von Fleischvergiftungen eingesetzten Vorspeiser wählte man auf kostenlose Ernährung angewiesene Menschen aus. Die Abhängigkeit von ihren Gastgebern ließ sie im Laufe der Zeit zu Schmeichlern und Schmarotzern werden. Durch die Mittlere und Neue Griechische Komödie erhielt der Parasit einen Platz als Typus in der Weltliteratur. Im Volksmund gilt auch heute noch der Parasit als Schmarotzer, ein verachtenswertes Individuum, das auf Kosten anderer lebt. Diese Lebensform ist als sozialer Parasitismus ausgewiesen. Die etymologische und kulturhistorische Deutung des Begriffes Parasit weist grundsätzliche Unterschiede zur naturwissenschaftlichen Definition auf. Den Terminus „Parasit“ im naturwissenschaftlichen Sinne hat P. E. Latreille geprägt und in die Literatur eingeführt (1796); seit 1828 werden die Bezeichnungen Parasites, Parasita in den Lexika geführt. Rudolf Leuckart (1822– 1898) darf als ein Begründer der biowissenschaftlich-medizinischen Disziplin Parasitologie angesehen werden. Definition: Der Parasit ist ein Lebewesen, das zum Zwecke der Nahrungsgewinnung und Fortpflanzung dauernd oder vorübergehend in oder auf einem andersartigen Lebewesen, dem Wirtsorganismus, wohnt und diesen schädigt. Die Schädigung oder Alteration als Folge der parasitären Lebensweise ist ein Wesensmerkmal des Parasitismus. 1 aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS 6 Grundzüge der Biologie von Parasiten Aspidogastrea ■ Die Aspidogastrea, die als ältere der beiden Trematodengruppen gilt, sind Endoparasiten von Mollusken. Bei einigen Gattungen können die Parasiten auch in molluskenfressenden Wirbeltieren weiterleben. In der Tat sind die meisten Vertreter aus dem Verdauungstrakt mariner Fische beschrieben worden. Die Wirtsspezifität ist bei den Aspidogastrea meist gering. Generationswechsel bzw. ungeschlechtliche Vermehrung finden nicht statt, aus jedem Ei entsteht ein adultes Individuum. Die erwachsenen Würmer sind mit einer ventralen körperlangen und sekundär unterteilten Hafteinrichtung ausgerüstet. Die in gedeckelten Eiern heranwachsende, bewimperte oder unbewimperte Larve wird als Cotylocidium bezeichnet. 6.2.1.3 Cercomeromorpha Diese große Gruppe der parasitischen Platyhelmintha enthält die nahe miteinander verwandten Cestodea und Monogenea (Abb. 6-12). Der Name Cercomeromorpha bezeichnet Würmer, an deren Körperende sich, zumindest im larvalen Zustand, ein mit typischen Haken versehener Anhang, das Cercomer, befindet. Es sind im adulten Zustand darmlose Parasiten des Verdauungstraktes von Wirbeltieren. Ein Generationswechsel findet in der Regel nicht statt: im Ei entwickelt sich eine Larve, die sich im Endwirt zum Adultus umwandelt. Ein Zwischenwirt fehlt bei den Monogenea. Im Folgenden sollen hauptsächlich die Eucestodia abgehandelt werden. Eucestodia ■ Bei den Eucestoden handelt es sich um die Bandwürmer im weiteren Sinne. Morphologie der Eucestodia: Parasitologen des 19. Jahrhunderts haben die äußere und innere Morphologie dieser Würmer sowie insbesondere den biologischen Zusammenhang mit den blasenförmigen „Hydatiden“, „Cysticercen“ und „Coenuren“ erstmalig beschrieben und diese auch richtigerweise als larvale Stadien bezeichnet. Die wirtschaftliche Bedeutung adulter Eucestoden ist nicht sehr groß. Umso wichtiger sind ökonomische und pathologische Folgen, die bei Mensch und Tier durch den Befall mit Larvenstadien entstehen können. Bandwürmer vermehren sich mit Hilfe der meistens in riesigen Mengen gebildeten Eier. Ungeschlechtliche Vermehrung tritt nur bei einigen höheren Ordnungen auf. Der Lebenszyklus beruht auf trophischen Beziehungen, d. h. alle Stadien müssen oral aufgenommen werden. Bei den Eucestoden gibt es im Wesentlichen drei Entwicklungsstadien: ■ den adulten Bandwurm, der fast immer im Darmtrakt seines Endwirtes lebt und über eine geschlechtliche Reproduktion Bandwurmeier produziert, ■ das Eistadium, das als Verbindungsglied zwischen dem End- und dem Zwischenwirt funktioniert. Im Ei befindet sich eine hexacanthe Larve, die Onkosphäre, ■ das larvale Stadium (Metazestode) in einem Zwischenwirt (selten zwei auf einander folgende Stadien in zwei Zwischenwirten). Die sehr unterschiedlich gebauten Metazestoden werden vom Endwirt oral aufgenommen. Adulte Bandwürmer sind langgestreckt und flach (Abb. 6-16). Sie erreichen je nach Gattung eine Länge zwischen wenigen Millimetern (z. B. Echinococcus) und mehreren Metern (z. B. Taenia). Die Bandwürmer besitzen am sehr dünnen Vorderende einen Skolex (Mehrzahl: Skolizes) mit einem oder mehreren Haftorganen, die zur Verankerung in der Darmmukosa dienen. Die Form der Haftorgane ist je nach systematischer Gruppe unterschiedlich, beinhaltet jedoch meistens eine Saugvorrichtung (Sauggrube oder Saugnäpfe) sowie gelegentlich zusätzliche Häkchen, die sich an einem ausstülpbaren Konus, dem Rostellum, befinden und oft in Form einer oder mehrerer Kränze angeordnet sind (Abb. 6-17). Auf den Skolex folgt ein Halsteil mit einer Sprossungszone (= Proliferationszone) mit zahlreichen undifferenzierten Stammzellen. Es schließt sich eine Strobila an, die nach hinten hin breiter wird und aus wenigen bis sehr vielen (Tausenden) Proglottiden („Bandwurmgliedern“) besteht. Jede Proglottis enthält einen einzelnen (selten einen doppelten) zwittrigen Geschlechtsapparat. Da Zestoden keinen Verdauungstrakt besitzen, geschieht die Nahrungsaufnahme über die Oberfläche, welche in ihrem Grundplan dem Tegument der Trematoden gleicht. Ausnahme bildet die Ausstülpung zahlrei- 120 aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS Helminthen Abb. 6-16 Strobila (nativ) eines Bandwurmes der Gattung Hymenolepis. Abb. 6-17 Skolex des Fuchsbandwurmes Echinococcus multilocularis, mit 4 Saugnäpfen sowie einem doppelten Hakenkranz (rasterelektronenmikroskopische Aufnahme). (Bildquelle: A. Hemphill) cher mikrovillärer Mikrotrichen, die durch Oberflächenvergrößerung zu einer Optimierung der metabolischen Wechselwirkungen führen. Einen äußersten Schutzschild gegen exogene Einflüsse bildet die aus Kohlenhydraten bestehende Glykokalyx. Bandwürmer erscheinen wegen zahlreicher ins Parenchym eingebetteter Kalkkörperchen weiß. Mit einem Durchmesser von ca. 12–32 µm bestehen diese aus anorganischen Substraten wie Calcium- und Magnesiumcarbonat bzw. –phosphat, welche in einer organischen Matrix aus Lipiden, Glykogen und Mucopolysacchariden eingebettet sind. Kontraktile Myofibrillen sowie nicht kontraktiles Myozyton bilden zusammen Muskelzellen und befähigen die Bandwürmer zu typischen peristaltischen Bewegungen. Das Nervensystem ist wie bei den Trematoden im lebenden Zustand und im Totalpräparat nicht zu sehen. Es besteht aus einem dichten Komplex von Ganglien und Kommissuren im Skolex und aus zwei die Strobila durchziehenden Strängen, die in jeder Proglottis durch eine Kommissur verbunden sind. Zum internen Transport von Molekülen dienen Protonephridien. Ein dorsaler und ein ventraler Exkretionskanal durchziehen lateral die gesamte Strobila. Die Osmoregulation erfolgt über das Tegument. Die Geschlechtsorgane sind meistens protandrisch, d. h. dass zunächst die männlichen Organe im vorderen Teil der Strobila heranreifen, während die weiblichen Organe vorwiegend im hinteren Teil reif werden. Morphologisch gleicht der Geschlechtsapparat prinzipiell demjenigen der Trematoden mit (männlich) Hoden in Form vieler kleiner Bläschen, Vasa efferentia, Vas deferens und Cirrusbeutel mit Cirrus sowie (weiblich) Ovar, Vitellar, Ootyp, Mehlis’scher Drüsen und Uterus. An die geschlechtsreifen Proglottiden schließen die graviden („trächtigen“) Glieder an, wobei die Cyclophyllida keine Uterusöffnung besitzen. Beim Freisetzen der graviden, distalen Proglottiden schnürt sich das Tegument irisblendenartig ein oder es erfolgt ein Abriss. Entwicklung der Eucestodia: Die Entwicklung der niederen Zestoden ist größtenteils unbekannt. 121 aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS 6 Grundzüge der Biologie von Parasiten in bestehende, bei Tieren vorkommende Viruskrankheiten eindringen kann. Weiteres Beispiel: Das West-Nile-Virus (WNV), ein Virus das zunächst in Vogelpopulationen der Alten Welt mit ihren Vektoren aus dem Culex pipiens–Komplex vorkam, ist vermutlich mittels eines Irrgastes von Zugvögeln zur Ostküste der USA gelangt, wo Cx. pipiens als Vektor in großer Zahl vorkommen kann und sich deshalb in der lokalen Vogelwelt, besonders den Rabenvögeln rasch neue Virusinfektionen aufbauten. Da nun Cx. pipiens zwecks Blutaufnahme auch den Menschen anfliegt, besteht ein Risiko, dass WNV sich auch in menschlichen Populationen etabliert; inzwischen sind klinische Fälle mit letalem Ausgang registriert worden. Die HIV-Übertragung durch hämatophage Insekten, insbesondere Culicidae, ist bisher nicht nachgewiesen. bleibt. Erst im Frühjahr, wenn das Lipid des Fettkörpers weitgehend aufgezehrt ist, suchen sie einen Wirt auf, gewinnen Protein und treten in ihren ersten gonotrophen Zyklus. Allerdings sind die nomenklatorischen Begriffe nicht generell akzeptiert. Die hormonalen Aspekte der Diapauseregulation der Stechmücken sind noch weitgehend unbekannt. Bedeutung der Culicidae: Die Malaria, durch 4 Arten der Gattung Plasmodium verursacht, wird von etwa 100 Anopheles-Arten übertragen. Zu erwähnen sind auch Hunderte anderer Plasmodienarten, welche von einer Vielzahl anderer Anopheles-Arten auf Wirbeltieren verbreitet werden. Neben Plasmodien werden auch Filarien von Stechmücken übertragen: bei 43 Spezies aus 16 Filariengattungen treten rund 60 Stechmückenarten als Vektoren auf (Tab. 6-9). Wuchereria bancrofti und Brugia malayi sind die bekanntesten und häufigsten humanpathogenen Filarien, für welche 33 Anopheles-, 17 Aedes-, 6 Culex-, und 7 Mansonia-Arten als Vektoren vorkommen. Außerdem wird eine Vielzahl anderer Filarienarten als Parasiten von Haustieren sowie Amphibien, Reptilien, Rodentiern, Primaten durch Culiciden übertragen. Die Arboviren haben sich ebenfalls an eine Vielzahl von Vektoren der Familie Culicidae adaptiert: Ae. aegypti, die Gelbfiebermücke, ist ein ausgesprochen anthropophiler Vektor. Verwandte Arten, zur Untergattung Stegomyia gehörend, sind ebenfalls Vektoren von YFV, haben aber teils andere, nie ganz strenge Wirtspräferenzen. Dazu kommt eine große Gruppe weiterer Flaviviridae sowie verschiedene Enzephalitis-Viren (Togaviridae). Ae. albopictus, eine asiatische Stegomyia–Art, wurde seit 1989/90 durch Verschiffung alter Autoreifen nach USA und Europa verschleppt. Sobald Regen auf diese Reifen fällt, bilden sie günstige Brutplätze für diverse Stegomyia–Arten. Nun besteht die Möglichkeit, dass diese anthropophile und stechlustige Spezies als zusätzlicher, neuartiger Vektor Die Brachycera besitzen kurze Antennen mit einer Borste (Arista) am 3. Antennenglied oder höchstens 8 nicht deutlich trennbare Geißelglieder (Abb. 6-36). Die Nahrungsaufnahme erfolgt über stechend-saugende oder leckend-saugende Mundwerkzeuge, bei einigen Myiasiserregern mit endoparasitisch lebenden Larven sind sie reduziert. Die Kopfkapsel der Larven ist teilweise oder ganz reduziert. Cephalopharyngealsklerit, Beborstung und Bau der Stigmenplatten sind oft gattungsoder artspezifisch und werden häufig zur Artidentifizierung der Larven herangezogen (Abb. 637). Nach dem Schlupfverhalten der Puppen sind 2 Gruppen unterscheidbar: Orthorrhapha (Spaltschlüpfer; Puppen mit T-förmiger Bruchlinie; z. B. Tabanidae) und Cyclorrhapha (Deckelschlüpfer; Tönnchenpuppen mit ringförmiger Bruchlinie). Human- und veterinärmedizinische Bedeutung besitzen Brachycera als hämatophage Parasiten (Tabanidae, Muscidae: Stomoxinae, Glossinidae, Hippoboscidae), fakultative oder obligate Myiasis- Abb. 6-36 Brachycera I. 1–5: Tabanidae: 1: Imago von Chrysops, 2: Kopf von Chrysops, 3: Eigelege einer Tabanide, 4: TabanidenLarve, 5: Tabaniden-Puppe. 6: Braula coeca. 7: Flügel einer höheren Fliege mit Calyptra (Pfeil). 8: Fühler einer höheren Fliege mit Fühlerborste (Arista). 9–13: Glossina: 9: Imago, 10: Mundwerkzeuge auseinander gespreizt (von oben nach unten: Maxillarpalpus, Labrum, Hypopharynx, Labium). 11: Flügeläderung (getüpfelt: Discoidalzelle), 12: Fühler mit Arista, 13: Puparium. 14 und 15: Melophagus ovinus (Hippoboscidae), Imago und Puparium. 16: Imago von Lystropodia (Nycteribiidae); (aus Lucius und Frank 1997). 6.4.3.4 Brachycera (Fliegen i. w. S.) 174 aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS Arthropoda 2 4 1 5 3 6 7 8 10 11 12 13 9 14 15 16 175 aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS 8 Immunbiologie von Parasiteninfektionen zu einer Verlangsamung des Parasitenwachstums und zur Abtötung. Da fast alle Körperzellen IFN-γRezeporen besitzen, sind die meisten Zellen zur Abwehr von Toxoplasmen befähigt, wobei die Mechanismen je nach Zelltyp unterschiedlich sind. So steht bei Makrophagen die Produktion reaktiver Sauerstoffprodukte, z. B. H2O2, im Vordergrund. In humanen Fibroblasten werden die Parasiten hingegen durch eine Stoffwechseländerung limitiert, die in anderen Zellen nicht beobachtet wird: Hier induziert IFN-γ die Produktion eines Enzyms, das Tryptophan abbaut, eine Aminosäure, die für das Wachstum der Toxoplasmen essenziell ist. Von murinen Makrophagen wurde die Herabregulation des Transferrin-Rezeptors beschrieben, was zu eingeschränktem Parasitenwachstum aufgrund von Eisenmangel führt. Auch TNF-α und NO beeinträchtigen das Parasitenwachstum. Als Gegenreaktion gegen die zwar hoch wirksamen, aber auch gewebeschädigenden proinflammatorischen Antworten setzt nach kurzer Zeit die Produktion antiinflammatorischer Zytokine ein, u. a. von IL-10, das im Wesentlichen von Makrophagen produziert wird. IL-10 wirkt hauptsächlich durch Inhibition der IL-12-Sekretion von Makrophagen, was zu einer Verringerung der Produktion von IFN-γ durch NK-Zellen und Lymphozyten führt. Ohne Produktion von IL-10, z. B. in IL10-defizienten Mäusen, sterben die Tiere sogar an einer Infektion mit sonst avirulenten Toxoplasmen aufgrund überschießender Th1-Reaktionen an einem klinischen Bild, das einem septischen Schock ähnelt. In der chronischen Phase der Infektion verharren die Toxoplasmen unter dem Druck von Th1Immunantworten im Bradyzoitenstadium. Die Gehirnzysten liegen dabei ohne entzündliche zelluläre Infiltrate im Gewebe. Für die Aufrechterhaltung der Latenz ist von CD4+- und CD8+-Zellen gebildetes IFN-γ notwenig, die durch Parasitenantigene restimuliert werden, welche aus den Zysten frei werden. Die IFN-γ-Sekretion wird auch unterstützt durch IL-12, das von dendritischen Zellen produziert wird. Durch IFN-γ- und TNF-αaktivierte Astrozyten, Mikrogliazellen und Makrophagen produzieren NO, das zumindest in der Maus wesentlich an der Kontrolle des Zystenstadiums beteiligt ist. Fällt dieser Druck weg, z. B. durch Behandlung von Mäusen mit Anti-IFN-γAntikörpern oder durch Immunsuppression von Patienten, kommt es zu einer Reaktivierung der Zystenstadien, d. h. die Bradyzoiten dedifferenzieren sich, teilen sich schneller und befallen umliegende Zellen oder verursachen eine systemische Infektion. Im Gehirn von etwa 40 % von AIDS-Patienten kommt es nach Abfall der CD4+-Zellen unter eine Schwelle von 100/µl durch Reaktivierung von Zysten zu einer fokalen nekrotisierenden Enzephalitis, oft mit tödlichem Ausgang, und einer Disseminierung der Erreger (s. Kap. 8.2). Bei den betroffenen Patienten tritt das Allel HLA-DQ3 häufiger als im Bevölkerungsdurchschnitt auf. Vergleichbar ist bei Mäusen das verstärkte Auftreten von Toxoplasma-Enzephalitis mit dem Ld-Gen in der D-Region des H-2-Komplexes gekoppelt, so dass eine immunologisch bedingte genetische Prädisposition für die Reaktivierung von Zysten besteht. Immunevasion ■ Der Modus des Eindringens in die Wirtszelle und der Aufbau der parasitophoren Vakuole bei T. gondii-infizierten Zellen sind ein entscheidender Faktor für das Überleben des Parasiten. Eine hervorstechende Eigenschaft der parasitophoren Vakuole ist ihre „Fusionsinkompetenz“, d. h. dieses Kompartiment verschmilzt nicht mit Lysosomen. Damit ist T. gondii bei einer Infektion von Phagozyten nicht deren Verdauungsenzymen ausgesetzt. Der Infektionsmodus der apikomplexen Parasiten bewirkt auch, dass Phagozyten nicht aktiviert werden, so dass keine Produktion reaktiver Sauerstoffprodukte erfolgt. Werden hingegen durch Antikörper opsonierte Tachyzoiten von Makrophagen aufgenommen, erfolgt eine Aktivierung der Phagozyten und die intrazellulären Parasiten werden durch reaktive Sauerstoffprodukte und Verdauungsenzyme eliminiert. Als intrazellulärer Parasit kernhaltiger Zellen ist T. gondii im Prinzip durch zytotoxische T-Zellen gefährdet, die Peptide im Kontext mit MHC-I-Molekülen erkennen. Obwohl die Membran der parasitophoren Vakuole als molekulares Sieb mit einem Ausschlussvolumen von ca. 1400 kD fungiert und dadurch Peptide des Parasiten keinen Eingang in den MHC-I-Präsentationsweg finden dürften, wurde in bestimmten Situationen eine Abtötung durch zytotoxische T-Zellen gezeigt. Als Schutz gegen solche Mechanismen wird die Besiedlung von Neuronen aufgefasst, die wenig oder 240 aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS Effektormechanismen und Immunevasion, Regulation von Immunantworten und Immunpathologie Abb. 8-10 Immunregulation in der frühen Phase der Infektion der Maus mit Toxoplasma gondii-Bradyzoiten. Toxoplasmen durchdringen das Darmepithel und stimulieren Makrophagen zur Produktion von IL-12, das bei NK-Zellen und (indirekt) bei CD8+-Zellen die Produktion von IFN-γ induziert. Dieses aktiviert verschiedene Zell- typen zur Abtötung intrazellulärer Parasiten, stimuliert aber auch Makrophagen zur Produktion von TNF-α und NO, was zu Nekrosen führt. Einzelheiten im Text (verändert nach Liesenfeld 1999: Immunobiology 201: 229– 239). kein MHC-I exprimieren. Wie auch andere intrazelluläre Pathogene erschwert T. gondii die Präsentation von Antigenen im MHC-II-Kontext. Der Wirkmechanismus beruht auf einer Hemmung des Signaltransduktionsweges, der nach IFN-γ-Aktivierung normalerweise zur Hochregulation der MHC-II-Expression führt. gen, so dass große nekrotische Herde entstehen können. Bei konnatal Infizierten, gelegentlich auch bei normalen Patienten kann es zu Augenläsionen kommen, die durch Parasitenvermehrung und daraus resultierende Immunpathologie bedingt sind. Konnatal Infizierte haben häufig sehr geringe T-Zell-Antworten gegen T. gondii-Antigene, was auf eine Toleranz im Mutterleib zurückgeführt wird. Möglicherweise können sie deshalb die Erreger nicht effizient kontrollieren, so dass diese sich im immunprivilegierten Gewebe des Augenhintergrundes vermehren und dabei Entzündungen hervorrufen, die zur Erblindung durch Chorioretinitis führen können. Immunpathologie ■ Die Immunpathologie bei T. gondii-Infektionen ist bedingt durch überschießende proinflammatorische Reaktionen, die zu Gewebeschädigung führen. Diese Immunpathologie kann sich im Darm, der Eintrittspforte der Erreger, manifestieren, wo es durch Überproduktion von IFN-γ, TNF-α und NO zu Nekrosen kommen kann, wie im Mausmodell gezeigt wurde (Abb. 810). Auch bei der Reaktivierung von Zysten im Gehirn aufgrund des fehlenden Druckes von NO stimulieren Komponenten der Tachyzoiten proinflammatorische Antworten, die zu lokalen Nekrosen führen. Durch Verletzung von Gefäßen und Blutungen resultieren weiter reichende Wirkun- 8.1.2.6 Plasmodium falciparum Plasmodium falciparum, der Erreger der Malaria tropica des Menschen, ist aufgrund seiner immensen Bedeutung einer der am besten erforschten Parasiten (http://www.who.int/tdr/diseases/ malaria/default.htm). Das vollständige Genom 241 aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS 11 Grundzüge der Diagnostik ■ ■ ■ ■ Cyclospora cayetanensis (rund, 8–10 µm Ø) rot an. Gesucht wird bei 400facher Vergrößerung. Nachweis von Mikrosporidien mittels Trichrom-Färbung: Die Trichrom-Färbung (Chromotrop- oder Weber-Färbung) wird zum lichtmikroskopischen Nachweis von Mikrosporidien-Sporen (Enterocytozoon bieneusi) eingesetzt. Die rotgefärbten Sporen von Enterocytozoon bieneusi lassen sich an der typischen Form und Größe (1–1,5 µm) von den Sporen der Encephalitozoon-Arten (2–3 µm) differenzieren. Die Durchführung der Trichrom-Färbung nach Weber dauert etwas mehr als zwei Stunden. Gesucht wird bei 1000-facher Vergrößerung mit der Ölimmersionsoptik. Mikrosporidien können heute auch durch molekularbiologische Untersuchungen nachgewiesen werden. Nachweis von „leichten“ Wurmeiern (z. B. Hakenwürmer, Ascaris, Trichuris) mit Flotationsverfahren: Die Stuhlprobe wird in gesättigter Salz- (Kochsalz oder Zinksulfat) oder Zuckerlösung gut suspendiert, gesiebt (z. B. Wundgaze) und einige Minuten stehen gelassen. Anschließend wird von der Oberfläche der Suspension mit einer Metallöse Material entnommen, auf einen Objektträger gebracht und mikroskopiert. Nachweis von „leichten und schweren“ Wurmeiern mittels Telemann-Verfahren: Die Stuhlprobe wird mit etwa 7 ml verdünnter Salzsäure (1 HCl konz. + 2–3 Teile Wasser) gut suspendiert, gesiebt (z. B. Wundgaze) und nach Zugabe von etwa 7 ml Äther (und einem Schüttelvorgang) zentrifugiert (5 Minuten bei ca. 2000 Umdrehungen in einer üblichen Laborzentrifuge). Nach Abgießen von 3 Schichten des Pfropfs werden aus dem Bodensatz Proben mittels Pipette oder Öse auf einen Objektträger gebracht und mikroskopiert. Diese Methode ist für die Anreicherung aller Wurmeier und -larven, nicht aber für den Nachweis von Protozoen geeignet. Nachweis von Protozoen und Wurmeiern mit dem Merthiolat-Jod-Formaldehyd-Konzentrationsverfahren (MIFC) oder dem „Sodium acetate-Acetic acid-Formaldehyde“-Konzentrationsverfahren (SAF): Die Stuhlprobe wird mit etwa 10 ml frischer MIF-Lösung (1 Teil Lugol’sche Lösung + 15 Teile Merthiolat-Tinktur + Formaldehyd + Glyzerin + Aqua dest) suspendiert, gesiebt und nach Zugabe von etwa 10 ml Ether und einem Schüttelvorgang zentrifugiert (5 Minuten bei ca. 2000 Umdrehungen in einer üblichen Laborzentrifuge). Nach Abgießen von 3 Schichten des Pfropfs werden aus dem Bodensatz Proben mittels Pipette oder Öse auf einen Objektträger gebracht und mikroskopiert. Diese Methode ist für die Anreicherung von Wurmeiern, -larven und von Protozoenzysten geeignet. Nachteil dieser Methode: Merthiolat ist eine hoch toxische organische Quecksilberverbindung. Alternativ – und mit identischer diagnostischer Leistung – kann die SAF-Methode verwendet werden. Dabei wird die Stuhlprobe in SAFStammlösung (Natriumacetat, Eisessig, Formaldehyd, Aqua dest.) suspendiert. Das weitere Procedere ist identisch mit jenem des MIFCVerfahrens. Diese Methode ist für die Anreicherung von Wurmeiern, -larven und von Protozoenzysten geeignet; darüber hinaus gelten die verwendeten Reagenzien als wesentlich umweltfreundlicher als jene, die im MIFC-Verfahren verwendet werden. Vaginalabstrich, Präputialabstrich und Urethralsekret: Zum mikroskopischen Nachweis von Trichomonas vaginalis (Trichomonadose) wird Vaginal- bzw. Präputialschleim auf einem Glasobjektträger ausgestrichen und nativ im Dunkelfeld mikroskopiert. Alternativ kann das Untersuchungsmaterial auf dem Glasobjektträger luftgetrocknet, in Methanol fixiert und nach Giemsa (oder anderen Farblösungen) gefärbt werden. Die Auswertung erfolgt mikroskopisch. Zystenflüssigkeit: Native Zystenpunktatflüssigkeit sollte niedrigtourig zentrifugiert und der Bodensatz auf Protoscolices oder Häkchen von Echinococcus spp. untersucht werden. Für die Stammdifferenzierung sind molekularbiologische Untersuchungen einzusetzen. Eine Auswahl humanmedizinisch relevanter diagnostischer Stadien von Protozoen und Helminthen zeigen die Abbildungen Abb. 11-1 bis 11-12. Molekularbiologische Untersuchungen ■ Obwohl mikroskopische und serologische Nachweismethoden nach wie vor die Grundsäulen der parasitologischen Laboratoriumsdiagnostik darstellen, halten molekulare Methoden, insbesondere die Polymerasekettenreaktion (PCR) zunehmend Ein- 348 aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS Humanparasitologische Diagnostik Abb. 11-1 Plasmodium falciparum, intraerythrozytäre Trophozoiten (Ringformen), Originalgröße 3–5 µm Giemsa-Färbung, Vergrößerung 1000fach Abb. 11-4 Leishmania donovani, amastigote intrazelluläre Parasiten (teils extrazellulär liegend), Originalgröße 2–3 µm Giemsa-Färbung, Vergrößerung 1000fach Abb. 11-2 Plasmodium vivax, intraerythrozytärer Trophozoit, Originalgröße 5–6 µm Giemsa-Färbung, Vergrößerung 1000fach Abb. 11-5 Entamoeba histolytica, zweikernige Zyste, Originalgröße 13–15 µm Heidenhain-Färbung, Vergrößerung 1000fach Abb. 11-3 Trypanosoma brucei gambiense, trypomastigoter extrazellulärer Parasit, Originalgröße 22–25 µm Giemsa-Färbung, Vergrößerung 1000fach Abb. 11-6 Giardia lamblia, vierkernige Zyste, Originalgröße 10–13 µm Heidenhain-Färbung, Vergrößerung 1000fach 349 aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS