1 Parasitismus als Lebensform – eine Einführung

Werbung
1
Parasitismus als Lebensform –
eine Einführung
Theodor Hiepe
1.1
Einleitung
Die Parasitologie ist ein Wissenschaftszweig, der
die Parasiten, den Parasitismus und die Parasitosen zum Gegenstand hat. Was verbirgt sich hinter
diesen Begriffen?
Der biologisch-medizinische Terminus Parasit
leitet sich über lateinisch parasitus vom griechischen Wort παρασιτος (παρα = bei, neben; σιτος
= vom Verb „essen“) ab; etymologisch bedeutet
dies „Beiesser“. Die älteste Verwendung dieses
Abb. 1-1 Parasitos
Miniatur einer Theatermaske der Neuen Griechischen
Komödie. Terrakotta, um 100 v. Chr. Aus Myrina (Kleinasien) (Quelle: SMPK. Antikensammlung, Staatliche
Museen zu Berlin).
Begriffes ist aus verschiedenen Kulten bekannt, in
denen der Parasitos – vornehmlich Priester und
Opferbeamter – bei rituellen Gastmählern für
Gottheiten teilnahm und auf Kosten der Gesellschaft verpflegt worden ist (Abb. 1-1).
Eine andere Auffassung deutet den Parasitos als
Helfer beim Opfermahl, dem es oblag, vom geopferten Tier eine Probe zu essen, bevor dieses den
Teilnehmern der staatlichen Ehrentafel als Nahrung gereicht wurde. Für diese wahrscheinlich
zur Vermeidung von Fleischvergiftungen eingesetzten Vorspeiser wählte man auf kostenlose Ernährung angewiesene Menschen aus. Die Abhängigkeit von ihren Gastgebern ließ sie im Laufe der
Zeit zu Schmeichlern und Schmarotzern werden.
Durch die Mittlere und Neue Griechische Komödie erhielt der Parasit einen Platz als Typus in der
Weltliteratur. Im Volksmund gilt auch heute noch
der Parasit als Schmarotzer, ein verachtenswertes
Individuum, das auf Kosten anderer lebt. Diese Lebensform ist als sozialer Parasitismus ausgewiesen. Die etymologische und kulturhistorische Deutung des Begriffes Parasit weist grundsätzliche
Unterschiede zur naturwissenschaftlichen Definition auf. Den Terminus „Parasit“ im naturwissenschaftlichen Sinne hat P. E. Latreille geprägt und
in die Literatur eingeführt (1796); seit 1828 werden die Bezeichnungen Parasites, Parasita in den
Lexika geführt. Rudolf Leuckart (1822– 1898) darf
als ein Begründer der biowissenschaftlich-medizinischen Disziplin Parasitologie angesehen werden.
Definition: Der Parasit ist ein Lebewesen, das
zum Zwecke der Nahrungsgewinnung und Fortpflanzung dauernd oder vorübergehend in oder
auf einem andersartigen Lebewesen, dem Wirtsorganismus, wohnt und diesen schädigt. Die
Schädigung oder Alteration als Folge der parasitären Lebensweise ist ein Wesensmerkmal des Parasitismus.
1
aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS
6 Grundzüge der Biologie von Parasiten
Aspidogastrea ■ Die Aspidogastrea, die als ältere
der beiden Trematodengruppen gilt, sind Endoparasiten von Mollusken. Bei einigen Gattungen
können die Parasiten auch in molluskenfressenden Wirbeltieren weiterleben. In der Tat sind die
meisten Vertreter aus dem Verdauungstrakt mariner Fische beschrieben worden. Die Wirtsspezifität ist bei den Aspidogastrea meist gering. Generationswechsel bzw. ungeschlechtliche Vermehrung finden nicht statt, aus jedem Ei entsteht ein
adultes Individuum. Die erwachsenen Würmer
sind mit einer ventralen körperlangen und sekundär unterteilten Hafteinrichtung ausgerüstet. Die
in gedeckelten Eiern heranwachsende, bewimperte oder unbewimperte Larve wird als Cotylocidium
bezeichnet.
6.2.1.3
Cercomeromorpha
Diese große Gruppe der parasitischen Platyhelmintha enthält die nahe miteinander verwandten
Cestodea und Monogenea (Abb. 6-12). Der Name
Cercomeromorpha bezeichnet Würmer, an deren
Körperende sich, zumindest im larvalen Zustand,
ein mit typischen Haken versehener Anhang, das
Cercomer, befindet. Es sind im adulten Zustand
darmlose Parasiten des Verdauungstraktes von
Wirbeltieren. Ein Generationswechsel findet in der
Regel nicht statt: im Ei entwickelt sich eine Larve,
die sich im Endwirt zum Adultus umwandelt. Ein
Zwischenwirt fehlt bei den Monogenea. Im Folgenden sollen hauptsächlich die Eucestodia abgehandelt werden.
Eucestodia ■ Bei den Eucestoden handelt es sich
um die Bandwürmer im weiteren Sinne.
Morphologie der Eucestodia: Parasitologen des
19. Jahrhunderts haben die äußere und innere
Morphologie dieser Würmer sowie insbesondere
den biologischen Zusammenhang mit den blasenförmigen „Hydatiden“, „Cysticercen“ und „Coenuren“ erstmalig beschrieben und diese auch richtigerweise als larvale Stadien bezeichnet. Die
wirtschaftliche Bedeutung adulter Eucestoden ist
nicht sehr groß. Umso wichtiger sind ökonomische und pathologische Folgen, die bei Mensch
und Tier durch den Befall mit Larvenstadien entstehen können.
Bandwürmer vermehren sich mit Hilfe der
meistens in riesigen Mengen gebildeten Eier. Ungeschlechtliche Vermehrung tritt nur bei einigen
höheren Ordnungen auf. Der Lebenszyklus beruht
auf trophischen Beziehungen, d. h. alle Stadien
müssen oral aufgenommen werden.
Bei den Eucestoden gibt es im Wesentlichen
drei Entwicklungsstadien:
■ den adulten Bandwurm, der fast immer im
Darmtrakt seines Endwirtes lebt und über eine
geschlechtliche Reproduktion Bandwurmeier
produziert,
■ das Eistadium, das als Verbindungsglied zwischen dem End- und dem Zwischenwirt funktioniert. Im Ei befindet sich eine hexacanthe
Larve, die Onkosphäre,
■ das larvale Stadium (Metazestode) in einem
Zwischenwirt (selten zwei auf einander folgende Stadien in zwei Zwischenwirten). Die sehr
unterschiedlich gebauten Metazestoden werden
vom Endwirt oral aufgenommen.
Adulte Bandwürmer sind langgestreckt und flach
(Abb. 6-16). Sie erreichen je nach Gattung eine
Länge zwischen wenigen Millimetern (z. B. Echinococcus) und mehreren Metern (z. B. Taenia).
Die Bandwürmer besitzen am sehr dünnen Vorderende einen Skolex (Mehrzahl: Skolizes) mit
einem oder mehreren Haftorganen, die zur Verankerung in der Darmmukosa dienen. Die Form der
Haftorgane ist je nach systematischer Gruppe
unterschiedlich, beinhaltet jedoch meistens eine
Saugvorrichtung (Sauggrube oder Saugnäpfe)
sowie gelegentlich zusätzliche Häkchen, die sich
an einem ausstülpbaren Konus, dem Rostellum,
befinden und oft in Form einer oder mehrerer
Kränze angeordnet sind (Abb. 6-17). Auf den Skolex folgt ein Halsteil mit einer Sprossungszone
(= Proliferationszone) mit zahlreichen undifferenzierten Stammzellen. Es schließt sich eine Strobila an, die nach hinten hin breiter wird und aus
wenigen bis sehr vielen (Tausenden) Proglottiden
(„Bandwurmgliedern“) besteht. Jede Proglottis
enthält einen einzelnen (selten einen doppelten)
zwittrigen Geschlechtsapparat. Da Zestoden keinen Verdauungstrakt besitzen, geschieht die Nahrungsaufnahme über die Oberfläche, welche in
ihrem Grundplan dem Tegument der Trematoden
gleicht. Ausnahme bildet die Ausstülpung zahlrei-
120
aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS
Helminthen
Abb. 6-16 Strobila (nativ) eines Bandwurmes der
Gattung Hymenolepis.
Abb. 6-17 Skolex des Fuchsbandwurmes Echinococcus
multilocularis, mit 4 Saugnäpfen sowie einem doppelten
Hakenkranz (rasterelektronenmikroskopische Aufnahme).
(Bildquelle: A. Hemphill)
cher mikrovillärer Mikrotrichen, die durch Oberflächenvergrößerung zu einer Optimierung der
metabolischen Wechselwirkungen führen. Einen
äußersten Schutzschild gegen exogene Einflüsse
bildet die aus Kohlenhydraten bestehende Glykokalyx. Bandwürmer erscheinen wegen zahlreicher
ins Parenchym eingebetteter Kalkkörperchen
weiß. Mit einem Durchmesser von ca. 12–32 µm
bestehen diese aus anorganischen Substraten wie
Calcium- und Magnesiumcarbonat bzw. –phosphat, welche in einer organischen Matrix aus Lipiden, Glykogen und Mucopolysacchariden eingebettet sind. Kontraktile Myofibrillen sowie nicht
kontraktiles Myozyton bilden zusammen Muskelzellen und befähigen die Bandwürmer zu typischen peristaltischen Bewegungen. Das Nervensystem ist wie bei den Trematoden im lebenden
Zustand und im Totalpräparat nicht zu sehen. Es
besteht aus einem dichten Komplex von Ganglien
und Kommissuren im Skolex und aus zwei die
Strobila durchziehenden Strängen, die in jeder
Proglottis durch eine Kommissur verbunden sind.
Zum internen Transport von Molekülen dienen
Protonephridien. Ein dorsaler und ein ventraler
Exkretionskanal durchziehen lateral die gesamte
Strobila. Die Osmoregulation erfolgt über das Tegument. Die Geschlechtsorgane sind meistens
protandrisch, d. h. dass zunächst die männlichen
Organe im vorderen Teil der Strobila heranreifen,
während die weiblichen Organe vorwiegend im
hinteren Teil reif werden. Morphologisch gleicht
der Geschlechtsapparat prinzipiell demjenigen
der Trematoden mit (männlich) Hoden in Form
vieler kleiner Bläschen, Vasa efferentia, Vas deferens und Cirrusbeutel mit Cirrus sowie (weiblich)
Ovar, Vitellar, Ootyp, Mehlis’scher Drüsen und
Uterus. An die geschlechtsreifen Proglottiden
schließen die graviden („trächtigen“) Glieder an,
wobei die Cyclophyllida keine Uterusöffnung besitzen. Beim Freisetzen der graviden, distalen Proglottiden schnürt sich das Tegument irisblendenartig ein oder es erfolgt ein Abriss.
Entwicklung der Eucestodia: Die Entwicklung
der niederen Zestoden ist größtenteils unbekannt.
121
aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS
6 Grundzüge der Biologie von Parasiten
in bestehende, bei Tieren vorkommende Viruskrankheiten eindringen kann.
Weiteres Beispiel: Das West-Nile-Virus (WNV),
ein Virus das zunächst in Vogelpopulationen der
Alten Welt mit ihren Vektoren aus dem Culex pipiens–Komplex vorkam, ist vermutlich mittels eines
Irrgastes von Zugvögeln zur Ostküste der USA gelangt, wo Cx. pipiens als Vektor in großer Zahl vorkommen kann und sich deshalb in der lokalen Vogelwelt, besonders den Rabenvögeln rasch neue
Virusinfektionen aufbauten. Da nun Cx. pipiens
zwecks Blutaufnahme auch den Menschen anfliegt,
besteht ein Risiko, dass WNV sich auch in menschlichen Populationen etabliert; inzwischen sind klinische Fälle mit letalem Ausgang registriert worden.
Die HIV-Übertragung durch hämatophage Insekten, insbesondere Culicidae, ist bisher nicht nachgewiesen.
bleibt. Erst im Frühjahr, wenn das Lipid des Fettkörpers weitgehend aufgezehrt ist, suchen sie
einen Wirt auf, gewinnen Protein und treten in
ihren ersten gonotrophen Zyklus. Allerdings sind
die nomenklatorischen Begriffe nicht generell akzeptiert. Die hormonalen Aspekte der Diapauseregulation der Stechmücken sind noch weitgehend
unbekannt.
Bedeutung der Culicidae: Die Malaria, durch 4
Arten der Gattung Plasmodium verursacht, wird
von etwa 100 Anopheles-Arten übertragen. Zu erwähnen sind auch Hunderte anderer Plasmodienarten, welche von einer Vielzahl anderer Anopheles-Arten auf Wirbeltieren verbreitet werden.
Neben Plasmodien werden auch Filarien von
Stechmücken übertragen: bei 43 Spezies aus 16
Filariengattungen treten rund 60 Stechmückenarten als Vektoren auf (Tab. 6-9). Wuchereria bancrofti und Brugia malayi sind die bekanntesten
und häufigsten humanpathogenen Filarien, für
welche 33 Anopheles-, 17 Aedes-, 6 Culex-, und 7
Mansonia-Arten als Vektoren vorkommen. Außerdem wird eine Vielzahl anderer Filarienarten als
Parasiten von Haustieren sowie Amphibien, Reptilien, Rodentiern, Primaten durch Culiciden übertragen.
Die Arboviren haben sich ebenfalls an eine Vielzahl von Vektoren der Familie Culicidae adaptiert:
Ae. aegypti, die Gelbfiebermücke, ist ein ausgesprochen anthropophiler Vektor. Verwandte Arten,
zur Untergattung Stegomyia gehörend, sind ebenfalls Vektoren von YFV, haben aber teils andere,
nie ganz strenge Wirtspräferenzen. Dazu kommt
eine große Gruppe weiterer Flaviviridae sowie
verschiedene Enzephalitis-Viren (Togaviridae). Ae.
albopictus, eine asiatische Stegomyia–Art, wurde
seit 1989/90 durch Verschiffung alter Autoreifen
nach USA und Europa verschleppt. Sobald Regen
auf diese Reifen fällt, bilden sie günstige Brutplätze für diverse Stegomyia–Arten. Nun besteht die
Möglichkeit, dass diese anthropophile und stechlustige Spezies als zusätzlicher, neuartiger Vektor
Die Brachycera besitzen kurze Antennen mit einer
Borste (Arista) am 3. Antennenglied oder höchstens 8 nicht deutlich trennbare Geißelglieder
(Abb. 6-36). Die Nahrungsaufnahme erfolgt über
stechend-saugende oder leckend-saugende Mundwerkzeuge, bei einigen Myiasiserregern mit endoparasitisch lebenden Larven sind sie reduziert.
Die Kopfkapsel der Larven ist teilweise oder ganz
reduziert. Cephalopharyngealsklerit, Beborstung
und Bau der Stigmenplatten sind oft gattungsoder artspezifisch und werden häufig zur Artidentifizierung der Larven herangezogen (Abb. 637). Nach dem Schlupfverhalten der Puppen sind
2 Gruppen unterscheidbar: Orthorrhapha (Spaltschlüpfer; Puppen mit T-förmiger Bruchlinie; z. B.
Tabanidae) und Cyclorrhapha (Deckelschlüpfer;
Tönnchenpuppen mit ringförmiger Bruchlinie).
Human- und veterinärmedizinische Bedeutung
besitzen Brachycera als hämatophage Parasiten
(Tabanidae, Muscidae: Stomoxinae, Glossinidae,
Hippoboscidae), fakultative oder obligate Myiasis-
Abb. 6-36 Brachycera I.
1–5: Tabanidae: 1: Imago von Chrysops, 2: Kopf von
Chrysops, 3: Eigelege einer Tabanide, 4: TabanidenLarve, 5: Tabaniden-Puppe. 6: Braula coeca. 7: Flügel
einer höheren Fliege mit Calyptra (Pfeil). 8: Fühler einer
höheren Fliege mit Fühlerborste (Arista). 9–13:
Glossina: 9: Imago, 10: Mundwerkzeuge auseinander
gespreizt (von oben nach unten: Maxillarpalpus,
Labrum, Hypopharynx, Labium). 11: Flügeläderung
(getüpfelt: Discoidalzelle), 12: Fühler mit Arista,
13: Puparium.
14 und 15: Melophagus ovinus (Hippoboscidae), Imago
und Puparium. 16: Imago von Lystropodia (Nycteribiidae); (aus Lucius und Frank 1997).
6.4.3.4
Brachycera (Fliegen i. w. S.)
174
aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS
Arthropoda
2
4
1
5
3
6
7
8
10
11
12
13
9
14
15
16
175
aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS
8 Immunbiologie von Parasiteninfektionen
zu einer Verlangsamung des Parasitenwachstums
und zur Abtötung. Da fast alle Körperzellen IFN-γRezeporen besitzen, sind die meisten Zellen zur
Abwehr von Toxoplasmen befähigt, wobei die Mechanismen je nach Zelltyp unterschiedlich sind.
So steht bei Makrophagen die Produktion reaktiver Sauerstoffprodukte, z. B. H2O2, im Vordergrund. In humanen Fibroblasten werden die Parasiten hingegen durch eine Stoffwechseländerung
limitiert, die in anderen Zellen nicht beobachtet
wird: Hier induziert IFN-γ die Produktion eines
Enzyms, das Tryptophan abbaut, eine Aminosäure, die für das Wachstum der Toxoplasmen essenziell ist. Von murinen Makrophagen wurde die Herabregulation des Transferrin-Rezeptors beschrieben, was zu eingeschränktem Parasitenwachstum
aufgrund von Eisenmangel führt. Auch TNF-α und
NO beeinträchtigen das Parasitenwachstum.
Als Gegenreaktion gegen die zwar hoch wirksamen, aber auch gewebeschädigenden proinflammatorischen Antworten setzt nach kurzer Zeit die
Produktion antiinflammatorischer Zytokine ein,
u. a. von IL-10, das im Wesentlichen von Makrophagen produziert wird. IL-10 wirkt hauptsächlich durch Inhibition der IL-12-Sekretion von
Makrophagen, was zu einer Verringerung der Produktion von IFN-γ durch NK-Zellen und Lymphozyten führt. Ohne Produktion von IL-10, z. B. in IL10-defizienten Mäusen, sterben die Tiere sogar an
einer Infektion mit sonst avirulenten Toxoplasmen aufgrund überschießender Th1-Reaktionen
an einem klinischen Bild, das einem septischen
Schock ähnelt.
In der chronischen Phase der Infektion verharren die Toxoplasmen unter dem Druck von Th1Immunantworten im Bradyzoitenstadium. Die
Gehirnzysten liegen dabei ohne entzündliche zelluläre Infiltrate im Gewebe. Für die Aufrechterhaltung der Latenz ist von CD4+- und CD8+-Zellen
gebildetes IFN-γ notwenig, die durch Parasitenantigene restimuliert werden, welche aus den Zysten frei werden. Die IFN-γ-Sekretion wird auch
unterstützt durch IL-12, das von dendritischen
Zellen produziert wird. Durch IFN-γ- und TNF-αaktivierte Astrozyten, Mikrogliazellen und Makrophagen produzieren NO, das zumindest in der
Maus wesentlich an der Kontrolle des Zystenstadiums beteiligt ist. Fällt dieser Druck weg, z. B.
durch Behandlung von Mäusen mit Anti-IFN-γAntikörpern oder durch Immunsuppression von
Patienten, kommt es zu einer Reaktivierung der
Zystenstadien, d. h. die Bradyzoiten dedifferenzieren sich, teilen sich schneller und befallen umliegende Zellen oder verursachen eine systemische
Infektion. Im Gehirn von etwa 40 % von AIDS-Patienten kommt es nach Abfall der CD4+-Zellen
unter eine Schwelle von 100/µl durch Reaktivierung von Zysten zu einer fokalen nekrotisierenden Enzephalitis, oft mit tödlichem Ausgang, und
einer Disseminierung der Erreger (s. Kap. 8.2). Bei
den betroffenen Patienten tritt das Allel HLA-DQ3
häufiger als im Bevölkerungsdurchschnitt auf.
Vergleichbar ist bei Mäusen das verstärkte Auftreten von Toxoplasma-Enzephalitis mit dem Ld-Gen
in der D-Region des H-2-Komplexes gekoppelt, so
dass eine immunologisch bedingte genetische
Prädisposition für die Reaktivierung von Zysten
besteht.
Immunevasion ■ Der Modus des Eindringens in
die Wirtszelle und der Aufbau der parasitophoren
Vakuole bei T. gondii-infizierten Zellen sind ein
entscheidender Faktor für das Überleben des Parasiten. Eine hervorstechende Eigenschaft der
parasitophoren Vakuole ist ihre „Fusionsinkompetenz“, d. h. dieses Kompartiment verschmilzt
nicht mit Lysosomen. Damit ist T. gondii bei einer
Infektion von Phagozyten nicht deren Verdauungsenzymen ausgesetzt. Der Infektionsmodus
der apikomplexen Parasiten bewirkt auch, dass
Phagozyten nicht aktiviert werden, so dass keine
Produktion reaktiver Sauerstoffprodukte erfolgt.
Werden hingegen durch Antikörper opsonierte
Tachyzoiten von Makrophagen aufgenommen, erfolgt eine Aktivierung der Phagozyten und die
intrazellulären Parasiten werden durch reaktive
Sauerstoffprodukte und Verdauungsenzyme eliminiert.
Als intrazellulärer Parasit kernhaltiger Zellen ist
T. gondii im Prinzip durch zytotoxische T-Zellen
gefährdet, die Peptide im Kontext mit MHC-I-Molekülen erkennen. Obwohl die Membran der parasitophoren Vakuole als molekulares Sieb mit
einem Ausschlussvolumen von ca. 1400 kD fungiert und dadurch Peptide des Parasiten keinen
Eingang in den MHC-I-Präsentationsweg finden
dürften, wurde in bestimmten Situationen eine
Abtötung durch zytotoxische T-Zellen gezeigt. Als
Schutz gegen solche Mechanismen wird die Besiedlung von Neuronen aufgefasst, die wenig oder
240
aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS
Effektormechanismen und Immunevasion, Regulation von Immunantworten und Immunpathologie
Abb. 8-10 Immunregulation in der frühen Phase der
Infektion der Maus mit Toxoplasma gondii-Bradyzoiten.
Toxoplasmen durchdringen das Darmepithel und stimulieren Makrophagen zur Produktion von IL-12, das bei
NK-Zellen und (indirekt) bei CD8+-Zellen die Produktion
von IFN-γ induziert. Dieses aktiviert verschiedene Zell-
typen zur Abtötung intrazellulärer Parasiten, stimuliert
aber auch Makrophagen zur Produktion von TNF-α und
NO, was zu Nekrosen führt. Einzelheiten im Text (verändert nach Liesenfeld 1999: Immunobiology 201: 229–
239).
kein MHC-I exprimieren. Wie auch andere intrazelluläre Pathogene erschwert T. gondii die Präsentation von Antigenen im MHC-II-Kontext. Der
Wirkmechanismus beruht auf einer Hemmung
des Signaltransduktionsweges, der nach IFN-γ-Aktivierung normalerweise zur Hochregulation der
MHC-II-Expression führt.
gen, so dass große nekrotische Herde entstehen
können. Bei konnatal Infizierten, gelegentlich
auch bei normalen Patienten kann es zu Augenläsionen kommen, die durch Parasitenvermehrung
und daraus resultierende Immunpathologie bedingt sind. Konnatal Infizierte haben häufig sehr
geringe T-Zell-Antworten gegen T. gondii-Antigene, was auf eine Toleranz im Mutterleib zurückgeführt wird. Möglicherweise können sie deshalb
die Erreger nicht effizient kontrollieren, so dass
diese sich im immunprivilegierten Gewebe des
Augenhintergrundes vermehren und dabei Entzündungen hervorrufen, die zur Erblindung durch
Chorioretinitis führen können.
Immunpathologie ■ Die Immunpathologie bei
T. gondii-Infektionen ist bedingt durch überschießende proinflammatorische Reaktionen, die zu
Gewebeschädigung führen. Diese Immunpathologie kann sich im Darm, der Eintrittspforte der Erreger, manifestieren, wo es durch Überproduktion
von IFN-γ, TNF-α und NO zu Nekrosen kommen
kann, wie im Mausmodell gezeigt wurde (Abb. 810). Auch bei der Reaktivierung von Zysten im
Gehirn aufgrund des fehlenden Druckes von NO
stimulieren Komponenten der Tachyzoiten proinflammatorische Antworten, die zu lokalen Nekrosen führen. Durch Verletzung von Gefäßen und
Blutungen resultieren weiter reichende Wirkun-
8.1.2.6
Plasmodium falciparum
Plasmodium falciparum, der Erreger der Malaria
tropica des Menschen, ist aufgrund seiner immensen Bedeutung einer der am besten erforschten Parasiten (http://www.who.int/tdr/diseases/
malaria/default.htm). Das vollständige Genom
241
aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS
11 Grundzüge der Diagnostik
■
■
■
■
Cyclospora cayetanensis (rund, 8–10 µm Ø) rot
an. Gesucht wird bei 400facher Vergrößerung.
Nachweis von Mikrosporidien mittels Trichrom-Färbung: Die Trichrom-Färbung (Chromotrop- oder Weber-Färbung) wird zum lichtmikroskopischen Nachweis von Mikrosporidien-Sporen (Enterocytozoon bieneusi) eingesetzt. Die rotgefärbten Sporen von Enterocytozoon bieneusi lassen sich an der typischen Form
und Größe (1–1,5 µm) von den Sporen der Encephalitozoon-Arten (2–3 µm) differenzieren. Die
Durchführung der Trichrom-Färbung nach
Weber dauert etwas mehr als zwei Stunden. Gesucht wird bei 1000-facher Vergrößerung mit
der Ölimmersionsoptik. Mikrosporidien können
heute auch durch molekularbiologische Untersuchungen nachgewiesen werden.
Nachweis von „leichten“ Wurmeiern (z. B. Hakenwürmer, Ascaris, Trichuris) mit Flotationsverfahren: Die Stuhlprobe wird in gesättigter
Salz- (Kochsalz oder Zinksulfat) oder Zuckerlösung gut suspendiert, gesiebt (z. B. Wundgaze)
und einige Minuten stehen gelassen. Anschließend wird von der Oberfläche der Suspension
mit einer Metallöse Material entnommen, auf
einen Objektträger gebracht und mikroskopiert.
Nachweis von „leichten und schweren“ Wurmeiern mittels Telemann-Verfahren: Die Stuhlprobe wird mit etwa 7 ml verdünnter Salzsäure
(1 HCl konz. + 2–3 Teile Wasser) gut suspendiert, gesiebt (z. B. Wundgaze) und nach Zugabe
von etwa 7 ml Äther (und einem Schüttelvorgang) zentrifugiert (5 Minuten bei ca. 2000
Umdrehungen in einer üblichen Laborzentrifuge). Nach Abgießen von 3 Schichten des Pfropfs
werden aus dem Bodensatz Proben mittels Pipette oder Öse auf einen Objektträger gebracht
und mikroskopiert. Diese Methode ist für die
Anreicherung aller Wurmeier und -larven, nicht
aber für den Nachweis von Protozoen geeignet.
Nachweis von Protozoen und Wurmeiern mit
dem Merthiolat-Jod-Formaldehyd-Konzentrationsverfahren (MIFC) oder dem „Sodium acetate-Acetic acid-Formaldehyde“-Konzentrationsverfahren (SAF): Die Stuhlprobe wird mit etwa
10 ml frischer MIF-Lösung (1 Teil Lugol’sche Lösung + 15 Teile Merthiolat-Tinktur + Formaldehyd + Glyzerin + Aqua dest) suspendiert, gesiebt
und nach Zugabe von etwa 10 ml Ether und einem Schüttelvorgang zentrifugiert (5 Minuten
bei ca. 2000 Umdrehungen in einer üblichen
Laborzentrifuge). Nach Abgießen von 3 Schichten des Pfropfs werden aus dem Bodensatz Proben mittels Pipette oder Öse auf einen Objektträger gebracht und mikroskopiert. Diese Methode ist für die Anreicherung von Wurmeiern,
-larven und von Protozoenzysten geeignet. Nachteil dieser Methode: Merthiolat ist eine hoch
toxische organische Quecksilberverbindung. Alternativ – und mit identischer diagnostischer
Leistung – kann die SAF-Methode verwendet
werden. Dabei wird die Stuhlprobe in SAFStammlösung (Natriumacetat, Eisessig, Formaldehyd, Aqua dest.) suspendiert. Das weitere
Procedere ist identisch mit jenem des MIFCVerfahrens. Diese Methode ist für die Anreicherung von Wurmeiern, -larven und von Protozoenzysten geeignet; darüber hinaus gelten die
verwendeten Reagenzien als wesentlich umweltfreundlicher als jene, die im MIFC-Verfahren verwendet werden.
Vaginalabstrich, Präputialabstrich und Urethralsekret:
Zum mikroskopischen Nachweis von Trichomonas vaginalis (Trichomonadose) wird Vaginal- bzw.
Präputialschleim auf einem Glasobjektträger ausgestrichen und nativ im Dunkelfeld mikroskopiert.
Alternativ kann das Untersuchungsmaterial auf
dem Glasobjektträger luftgetrocknet, in Methanol
fixiert und nach Giemsa (oder anderen Farblösungen) gefärbt werden. Die Auswertung erfolgt mikroskopisch.
Zystenflüssigkeit:
Native Zystenpunktatflüssigkeit sollte niedrigtourig zentrifugiert und der Bodensatz auf Protoscolices oder Häkchen von Echinococcus spp. untersucht
werden. Für die Stammdifferenzierung sind molekularbiologische Untersuchungen einzusetzen.
Eine Auswahl humanmedizinisch relevanter diagnostischer Stadien von Protozoen und Helminthen zeigen die Abbildungen Abb. 11-1 bis 11-12.
Molekularbiologische Untersuchungen ■ Obwohl
mikroskopische und serologische Nachweismethoden nach wie vor die Grundsäulen der parasitologischen Laboratoriumsdiagnostik darstellen,
halten molekulare Methoden, insbesondere die
Polymerasekettenreaktion (PCR) zunehmend Ein-
348
aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS
Humanparasitologische Diagnostik
Abb. 11-1 Plasmodium falciparum, intraerythrozytäre
Trophozoiten (Ringformen), Originalgröße 3–5 µm
Giemsa-Färbung, Vergrößerung 1000fach
Abb. 11-4 Leishmania donovani, amastigote intrazelluläre Parasiten (teils extrazellulär liegend), Originalgröße 2–3 µm
Giemsa-Färbung, Vergrößerung 1000fach
Abb. 11-2 Plasmodium vivax, intraerythrozytärer
Trophozoit, Originalgröße 5–6 µm
Giemsa-Färbung, Vergrößerung 1000fach
Abb. 11-5 Entamoeba histolytica, zweikernige Zyste,
Originalgröße 13–15 µm
Heidenhain-Färbung, Vergrößerung 1000fach
Abb. 11-3 Trypanosoma brucei gambiense, trypomastigoter extrazellulärer Parasit, Originalgröße 22–25 µm
Giemsa-Färbung, Vergrößerung 1000fach
Abb. 11-6 Giardia lamblia, vierkernige Zyste,
Originalgröße 10–13 µm
Heidenhain-Färbung, Vergrößerung 1000fach
349
aus: Hiepe u. a., Allgemeine Parasitologie (ISBN 3830441010) © 2005 Parey in MVS
Herunterladen