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Werbung
06. Juni 2012, 12:26 Uhr
Zwiebelfisch
Werbung mit Spliss
Von Bastian Sick
Sprachliche Unsicherheiten und Fehler sind menschlich. Im Alltag sind sie daher verzeihlich. In
der Werbung hingegen sind sie nichts anderes als ein Zeichen mangelnder Professionalität.
Beim näheren Betrachten einer Shampoo-­Flasche der Marke Pantene Pro-­V entdeckte ich den Hinweis "Für
zu Schuppen neigendem Haar". Das machte mich stutzig, zumal es sich um eine äußerst gewagte
Konstruktion mit zwei aufeinanderfolgenden Präpositionen handelte. Von solchen grammatischen Kapriolen
sind viele Menschen überfordert. So offenbar auch die Werbetexter von Pantene Pro-­V, die sich prompt vom
Dativ in die Irre führen ließen. Richtig hätte es heißen müssen: "Für zu Schuppen neigendes Haar", denn die
Präposition "für" erfordert den Akkusativ, egal ob ein Shampoo "für seidiges Haar", "für strapaziertes Haar"
oder "für von Spliss geplagtes Haar" ist. Der Grammatikfehler auf der Shampoo-­Flasche symbolisiert den
Spliss unserer Werbekultur.
In der Werbung wird sehr viel Wert auf Gestaltung gelegt, aber immer weniger Wert auf sprachliche
Genauigkeit. Dabei ist die Sprache ein wichtiges Werkzeug der Werber, und in der Beherrschung seiner
Werkzeuge spiegelt sich die Professionalität eines Menschen.
Dass Rechtschreibkenntnisse in der Werbung heute alles andere als selbstverständlich sind, beweist auch die
jüngste Kampagne für Axe, die einen Effekt "FÜR'S HAAR" verspricht und dabei einen Apostroph verwendet,
der schon seit langem als falsch gilt. Vielen dürfte neu sein, dass man sich Axe jetzt auch in die Haare
schmieren kann. Für die Werbetexter von Axe schien hingegen nicht bekannt zu sein, dass man bei
Verschmelzungen der Präpositionen "in", "an", "auf" und "für" mit verkürztem "das" keinen Apostroph
benötigt: Die Schreibweisen "ins", "ans", "aufs" und "fürs" sind schon seit hundert Jahren Standard. Dass
man den Apostroph dort trotzdem immer wieder antrifft, liegt nicht an irgendeinem Reformchaos, sondern an
mangelnder Sachkenntnis der Texter. Ein Blick in den Duden oder auf Wikipedia hätte genügt, um diesen
Fehler zu vermeiden. Nun kann man vielleicht sagen: Das ist doch Pillepalle, das Häkchen ist völlig
unerheblich, es macht die Werbebotschaft ja nicht unverständlich. Aber hier geht es nicht "um's"
Schönreden, sondern ums Prinzip: Bei Werbekampagnen steht in der Regel viel Geld auf dem Spiel. Der
falsche "EFFEKT FÜR'S HAAR" war deutschlandweit über viele Wochen auf den teuersten Werbeflächen
plakatiert. Den Hersteller dürfte das ein Vermögen gekostet haben. Da kann man professionelle Arbeit
erwarten. Wenn ein Arzt ein Medikament verschreibt, erwarten wir doch auch, dass er genau weiß, was
dieses bewirkt, und nicht nur ungefähr. Von jedem Handwerker verlangen wir absolute Sorgfalt beim
Ausführen einer Reparatur, andernfalls bezahlen wir nicht. Von jedem Obsthändler erwarten wir kontrollierte
Ware, sonst kaufen wir woanders. Genauso sollte man von einem Werbetexter erwarten können, dass er
seine Wortwahl kontrolliert -­ zum Beispiel mit einem Blick ins Wörterbuch. Nur Amateure verlassen sich aufs
Rechtschreibprogramm. Profis überprüfen selbst!
Geradezu ironisch erscheint der Umstand, dass das Axe-­Plakatmotiv ohne den falschen Apostroph auch in
grafischer Hinsicht besser ausgesehen hätte, zumal in der zweiten Zeile dann zwei Wörter gleicher
Zeichenlänge gestanden hätten: "FÜRS HAAR" ist optisch ausgewogener und hätte dem Plakat mehr Ästhetik
verliehen als die von einem Häkchen durchbohrte Version.
Auch die Kampagne für die Zigarettenmarke American Spirit dürfte viel Geld gekostet haben. "Rauchen, was
die meisten denken, dass sie rauchen" heißt es dort reichlich verschwurbelt -­ und grammatisch entstellt.
Statt der Konjunktion "dass" wäre nämlich das Relativpronomen "das" richtig gewesen. Denn die Tatsache,
dass Raucher rauchen, steht außer Frage. Vielmehr geht es hier doch wohl um das Kraut, welches (also: das)
sie rauchen.
Auf einer anderen Shampoo-­Flasche von Pantene Pro-­V (diesmal "Color Protect & Volumen") fragt mich der
Hersteller: "SIE HABEN: Coloriertes oder gesträhntes Haar, das geschädigt ist UND ohne Volumen? SIE
MÖCHTEN: Coloriertes oder gesträhntes Haar, das geschädigt UND ohne Volumen ist?" Die Antwort lautet
selbstverständlich "Nein", und so stelle ich die Flasche seufzend zurück ins Regal.
Vielleicht ist die Zeit reif für ein wirksames Pflegemittel "Für zu Fehlern neigendes Deutsch"? Damit müsste
man in diesem Land Millionen verdienen können!
(c) Bastian Sick 2012
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