Hormonell aktive Tumoren des Verdauungstrakts

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Aktuelle Medizin
ÜBERSICHTSAUFSATZ
dung. Da sich die epithelausgekleideten Räume nicht über
die Hauptmuskelschicht hinaus erstrecken, handelt es sich nicht um
Divertikel. Die Befunde ähnelten
den abnormen Drüsenausführungsgängen bei chronischer Bronchitis
und den Veränderungen bei Colitis
cystica.
Ätiologie und Pathogenese dieser
Pseudodivertikulose sind noch unklar. Meist wird vermutet, daß eine
lokale Oesophagitis vorausgeht,
durch die entzündlichen Infiltrate
die Drüsenhälse komprimiert und
hierdurch die Drüsenampullen dilatiert werden. Diese Entzündung
mag teilweise auch für die allgemein verminderte Oesophagusmotilität und die Strikturbildung verantwortlich sein.
Andererseits ist durchaus auch
möglich, daß die lokalen entzündlichen Veränderungen auf die
Abnormität der Schleimdrüsen hin
entstanden sind. Weiter wurde
über Candidiasis als Ursache dieser Veränderungen berichtet. Bei
einem 83jährigen wurde auf Grund
des Biopsiepräparates sogar der
Verdacht auf ein Squamosazellkarzinom geäußert und eine Röntgenbestrahlung begonnen. Pz
Boyd, R. M., Bogoch, A., Greig, J. H., Trites, A. E. W.:
Esophageal intramural Pseudodiverticulosis
Radiology 113, (1974) 267-270
James H. Greig, M. D.
Department of Radiology,
Shaughnessy Hospital
Vancouver, B. C., Canada
Lupovitch, A., Tippins, R.:
Esophageal
intramural Pseudodiverticulosis:
A Disease of Adnexal Glands
Radiology 113 (1974) 271-272
Department of Pathology,
Holy Cross Hospital
4777 E. Outer Drive
Detroit, Mich. 48234
Beauchamp, J. M., Nice, Ch. M., Belanger,
M. A., Neitzschman, H. R.:
Esophageal intramural Pseudodiverticulosis
Radiology 113, (1974) 273-276
Department of Diagnostic Radiology
Charity Hospital of Louisiana
1532 Tulane Ave.
New Orleans, La. 70140
Hormonell aktive Tumoren
des Verdauungstrakts
Wolfgang Rösch, Ludwig Demling
Aus der Medizinischen Klinik mit Poliklinik
(Direktor: Professor Dr. Ludwig Demling)
der Universität Erlangen-Nürnberg
Hormonproduzierende Tumoren des Verdauungstrakts stellen ein
faszinierendes Kapitel der pathologischen Physiologie dar, bei dem
die Wirkung intestinaler Hormone auf den Organismus in pharmakologischer Dosierung von der Natur vorgezeichnet ist. Auch wenn
es sich um relativ seltene Krankheitsbilder handelt, erlaubt die klinische Symptomatik in vielen Fällen eine rechtzeitige Diagnosestellung. Moderne Radioimmunoassays tragen zur Frühdiagnostik dieser vorwiegend in der Bauchspeicheldrüse lokalisierten Tumoren
bei.
Als Friedrich Feyrter 1938 sein System der hellen Zellen als diffuse
endokrine epitheliale Organe im
Gastrointestinaltrakt vorstellte, waren nur wenige intestinale Polypeptidhormone bekannt. Heute werden
18 verschiedene Substanzen als
Hormonkandidaten (Grossmann,
1974) diskutiert, elektronenmikroskopisch und zytochemisch lassen
sich mindestens zwölf unterschiedliche endokrine Zellen nachweisen.
Auf Grund dieser Zellmasse stellt
heute der Verdauungskanal das
größte hormonell aktive Organ des
Menschen dar. Die radioimmunologische Bestimmung der Hormonspiegel, die bislang bei sieben Hormonen möglich ist (Gastrin, Sekre-.
tin, Cholezystokinin-Pankreozymin,
Enteroglukagon, Motilin, gastric inhibitory polypeptide (GIP), vasoactive intestinal polypeptide (VIP)), erlaubt interessante Einblicke in die
physiologische Bedeutung und die
gegenseitige Interaktion dieser
Hormone. Von entsprechender klinischer Bedeutung sind die Radio-
immunoassays bei der Diagnostik
hormonell aktiver Tumoren des
Verdauungstrakts, die aus Ansammlungen sogenannter APUD 1 )Zellen neuroektodermalen Ursprungs bestehen.
Entsprechend der entwicklungsgeschichtlichen Entstehung der einzelnen Darmabschnitte werden
Tumoren des Vorderdarms (Speicheldrüsen, Ösophagus, Magen,
Duodenum, Pankreas und Gallenwege) von denen des Dünn- und
Dickdarms, bei welchen es sich
fast ausschließlich um Karzinoide
handelt, differenziert; ferner wird
entsprechend der klinischen Symptomatik zwischen monohormonalen und multi-hormonalen Syndromen unterschieden. Im folgenden
sollen die wichtigsten Krankheitsbilder, die ihre Ursache in hormonell
aktiven Tumoren des Verdauungstrakts haben und die häufig durch
1
) APUD (amine content and/or amine
precurson uptake and decarboxylation)
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 43 vom 23. Oktober 1975 2965
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Tumoren des Verdauungstrakts
eine Entfernung des Tumors geheilt werden können, aufgeführt
werden. Die Tatsache, daß klinische Syndrome mit hormonellem
Hintergrund relativ selten sind, darf
allerdings nicht darüber hinweg-
täuschen, daß Adenome aus argentaffinen Zellen im Pankreas zum
Beispiel in 1,5 Prozent aller untersuchten Organe oder Karzinoide in
0,03 bis 0,5 Prozent aller entfernten
Wurmfortsätze zu finden sind.
Tabelle 1: Diagnostik des Zollinger-Ellison-Syndroms
Test
Hinweis auf Z.E.Syndrom
1-2 U/kg Sekretin
i.v. über 30 sec
1-3 U/kg/h Sekretin
30 ug/kg/h Glukagon
Das 1955 von Zollinger und Ellison
beschriebene Krankheitsbild eines
gastrin-produzierenden Tumors der
Bauchspeicheldrüse mit therapieresistenten peptischen Ulzera infolge einer gastralen Hypersekretion
hat unter den zu besprechenden
Krankheitsbildern die größte Bedeutung erlangt.
Klinik: Atypisch postbulbär gelege-
0
Magensekretionsanalyse:
nächtliche HCI-Produktion
Basalsekretion (BAO)
Basalkonzentration (BAC)
BAO : PAO*
BAC : MAC**
® Mukosabiopsie
® Serumgastrin
C) Stimulationstests:
12-15 mg Ca/kg i. v. über 3 h
2 mg/kg Ca i. v. als Bolus
Zollinger-Ellison-Syndrom:
> 100 mval HCI/12 h
> 15 mval HCl/h
> 100 mval HCl/1
> 0.6
> 0.6
Belegzellhyperplasie
> 100-200 pg/ml
> 80% der Histamin-stim. HCI
steiler Anstieg von HCI und
Gastrin
nach 5-10 min Verdoppelung des
Gastrins
Anstieg von Säure und
Serumgastrin
Anstieg von Säure und
Serumgastrin
* peak acid output (maximal stimulierte Sekretion)
maximal acid concentration (maximale Säurekonzentration unter Stimulationsbedingungen)
ne (25 Prozent) oder multiple (10
bis 20 Prozent) Ulzera sowie Ulkusrezidive nach chirurgischen Eingriffen sind ebenso verdächtig wie
eine exzessive Säuresekretion
(über 100 mval 2) nächtliche Nüchternsekretion; über 15 mval/h Basalsekretion; über 100 mval/1 basale Säurekonzentration; eine Basalsekretion, die 60 Prozent der stimulierten Sekretion erreicht). Häufig finden sich Durchfälle, die entweder auf eine direkte Schleimhautreizung durch Säure im Dünndarm
oder eine vermehrte Sekretinfreisetzung zurückgehen, entweder intermittierend oder mit einer Steatorrhoe (Inaktivierung der Enzyme
durch Säure) einhergehend oder
als profuse wässrige Durchfälle mit
Hypokaliämie.
Diagnostik: Die Diagnose beruht
Tabelle 2: Diagnostik des Insulinoms
Test
Hinweis auf Insulinom (Richtwerte)
0 Nüchternblutzucker
< 40 mg/100 ml
< 40 mg/100 ml
© BZ nach 15stündigem Fasten
® Seruminsulinspiegel
nach Fasten
nach 15 g Alkohol/h
® Proinsulinspiegel
0 Provokationstests:
100 g Glukose oral*
25 g Glukose i.v.
1 g Tolbutamid i.v. (25 mg/kg)** •
150 mg/kg L-Leucin p.o.
in 0.1 nHCI
1 mg Glukagon i.v. (20ug/kg) "*"
® Suppressionstests
600 mg Diazoxid/h i.v.
normale oder leicht erhöhte
Insulinwerte
> 25% des Plasmainsulins
Insulin
> 150 ,uU/m1
> 150 /./U/m1
> 120 ,uU/m1
> 40 ,uU/m1
> 150 4/m1 nach 5-10 min
Abfall des Plasmainsulins
* Blutentnahme nach 30', 60', 90', 120', 180'.
** Blutentnahme nü, nach 15', 30', 45', 60', 90', 120', 150', 180'.
**" Blutentnahme nü, nach 10', 20', 30', 45', 60', 90'.
heute weitgehend auf dem Nachweis erhöhter Serumgastrinspiegel,
da kritische Säurewerte und eine
Belegzellhyperplasie auch beim UIcus-duodeni-Leiden gefunden werden. Bei Serumgastrinwerten im
Grenzbereich werden Stimulationstests durchgeführt (Tabelle 1), da
sich gezeigt hat, daß Patienten mit
einem Zollinger-Ellison-Syndrom
auf gastrinsenkende Polypeptidhormone abnorm reagieren.
Bei 30 Prozent der Patienten gelingt eine angiographische Lokalisation des Pankreastumors, über
60 Prozent sind maligne. Bei über
50 Prozent finden sich multiple
Adenome bis hin zur diffusen Inselzellhyperplasie (Nesidioblastose),
so daß man heute mit Ausnahme
2
2966
Heft 43 vom 23. Oktober 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
) Milligramm äquivalent
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der in zwölf Prozent ektop in der
Duodenalwand gelegenen Tumoren
primär eine Gastrektomie, also die
Entfernung des Erfolgsorgans, anstrebt. Eine momentane, durch die
exzessive Säureproduktion bedingte Inoperabilität läßt sich durch
Histamin-H2-Rezeptor-Antagonisten
oder Somatostatingabe überbrükken.
Differentialdiagnose:
Differentialdiagnostisch ist vom Zollinger-Ellison-Syndrom eine G-Zell-Hyperplasie des Antrums (Polak, 1972) abzugrenzen, bei der es nach einer
proteinreichen Nahrung zu einer
exzessiven Gastrinfreisetzung
kommt, und die mit einer Zweidrittel-Resektion des Magens geheilt
werden kann.
Da das Pankreasadenom verschiedene Hormone wie Insulin, Glukagon, Serotonin, Melanozyten-stimulierendes Hormon (MSH) und
ACTH neben Gastrin produzieren
kann, sollten immer möglichst viele
Hormone analysiert werden. Wichtiger ist jedoch die Suche nach assoziierten Tumoren im Rahmen einer multiplen endokrinen Adenomatose (MEA 1), die sich in 20 bis
30 Prozent in Nebenschilddrüse,
Hypophysenvorderlappen, Nebenniere und Schilddrüse nachweisen
lassen, sowie nach einer familiären
Belastung in Richtung Ulkusdiathese und Nierensteinleiden (familiäre
endokrine Adenomatose — Wermer-Syndrom).
Verner-Morrison-Syndrom
(WDHA-Syndrom, Pankreatische
Cholera, Vipoma)
Klinik: Profuse wäßrige Durchfälle
mit Hypokaliämie und eine Achlorhydrie oder Hypochlorhydrie trotz
morphologisch intakter Magenschleimhaut kennzeichnen das
1958 von Verner und Morrison beschriebene Krankheitsbild, bei dem
sich ebenfalls ein Inselzelltumor
der Bauchspeicheldrüse findet. Ein
Drittel aller Patienten mit einem
gutartigen Adenom verstarben im
hypokalämisch bedingten Nierenversagen, bevor eine exakte Dia-
,s.,menumnizza_
Abbildung 1: Rezidivierende Anastomosenulzera bei 32jährigem Patienten
mit piuriglandulärem Syndrom (Gastrinom der Bauchspeicheldrüse und primärer Hyperparathyreodismus)
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 43 vom 23. Oktober 1975
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Tumoren des Verdauungstrakts
gnose gestellt werden konnte.
Die cholera-ähnlichen Durchfälle
mit einem Flüssigkeitsverlust von
vier bis sechs Litern und bis zu
300 mval Kalium/24 h führen zu
einer schweren metabolischen
Azidose. Weitere häufig zu beobachtende Symptome sind Flush
(25 Prozent), eine pathologische
Glukosebelastung (50 Prozent), eine Hyperkalzämie, eine Hypomagnesiämie mit Tetanie, eine atonische Gallenblase und Psychosen.
Diagnostik und Therapie: Das Rätsel, ob Sekretin, Enterogastrone,
Glukagon, Prostaglandine oder GIP
für die klinische Symptomatik verantwortlich zu machen sind, ist
durch die Untersuchungen von
Bloom (1973) weitgehend geklärt.
Sowohl im Serum wie in Tumoren
ließen sich große Mengen an vaso-
aktivem intestinalem Polypeptid
nachweisen, weshalb auch der
Name Vipoma geprägt wurde. Die
lebensbedrohliche Diarrhoe sistiert
unter einer Glukokortikoidtherapie
(Seif, 1975), die chirurgische Entfernung der meist benignen Geschwülste ist anzustreben.
Insulinom
Klinik: Das Krankheitsbild des insulinproduzierenden B-Zell-Tumors
der Bauchspeicheldrüse mit hypoglykämischen Anfällen, bedingt
durch eine Neuroglykopenie, ist
bereits seit 1927 bekannt. Trotzdem
vergehen im Schnitt immer noch
drei bis vier Jahre zwischen erster
Symptomatik und Diagnosestellung, wobei nicht wenige Patienten
wegen psychotischer oder paranoi-
Tabelle 3: Hormonproduzierende Tumoren des Verdauungstrakts
Krankheitsbild
Klinische
Symptomatik
Hormonproduktion
endokrin aktive
Zellen
Zollinger-Ellison-Synd rom
peptische
Ulzera
HCI-Hypersekretion
Durchfälle
Gastrin
D(?)-Zelle des
Pankreas
Verner-Morrison-Syndrom
WDHA-Syndrom
wäßrige Durchfälle
Hypokaliämie
Vasoactive
intestinal
polypeptide
(VIP)
? Pankreas
Pankreatische
Cholera
Vipom
A-, Hypochlorhydrie
Insulinom
Hypoglykämie
Psychose,
Paranoia
Demenz
Insulin
B-Zelle des
Pankreas
Glukagonom
nekrolytisches
Erythem
Stomatitis
Diabetes
mellitus
Glukagon
A-Zelle des
Pankreas
KarzinoidSyndrom
Serotonin
Flush
Bradykinin
Durchfälle
Endokardfibrose
2968
Heft 43 vom 23. Oktober 1975
der Züge in einer entsprechenden
Fachabteilung behandelt werden.
Die morgendliche Hypoglykämie
mit Blutzuckerwerten unter 40
mg°/o ist charakteristisch, sie ist jedoch selten so dramatisch wie die
iatrogen induzierte, sondern verbirgt sich in der chronischen oder
subchronischen Form zumeist hinter Änderungen der Persönlichkeitsstruktur, Gedächtnisschwund
und zunehmender Demenz. Seltener sind periphere Neuropathie
und progressive Muskelatrophie.
Diagnostik: Diagnostisch beweisend ist ein normaler oder leicht
erhöhter Seruminsulin-Spiegel zum
Zeitpunkt einer hypoglykämischen
Phase. Verschiedene Stimulationsund Suppressionstests (Tabelle 2)
erleichtern die Diagnose, eine angiographische Lokalisationsdiagnostik gelingt in rund 30 Prozent.
Bei den 10 bis 15 Prozent malignen
Insulinomen mit Lebermetastasen
kann eine Pharmakotherapie mit
Diazoxid (3 bis 8 mg/kg/d), Protamin-Zink-Glukagon, somatotropem
Hormon (STH) und Streptozotocin
(200 bis 1600 mg/m 2 Körperoberfläche) versucht werden, wobei beim
Diazoxid auf Nebenwirkungen wie
Knochenmarksdepression, Ödeme,
Hirsutismus und Hypertrichose,
beim Streptozotocin auf Nieren-,
Leber- und Knochenmarksschäden
zu achten ist.
Glukagonom
Enterochromaffine
Zellen des Darms
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
A-ZellGlukagon-produzierende
Tumoren der Bauchspeicheldrüse
stellen Raritäten dar, nicht zuletzt
auch deshalb, weil die klinische
Symptomatik nicht sehr charakteristisch ist.
Klinik: Zumeist bestehen ein Diabetes mellitus sowie bullöse oder
ekzematoide Hautveränderungen,
die mit Entfernung des Tumors
wieder verschwinden. Gewichtsverlust und Anämie sind häufig. Als
relativ typisch werden die Hautveränderungen im Sinne eines nekrolytischen wandernden Erythems
angesehen, wobei die Veränderun-
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Tumoren des Verdauungstrakts
gen innerhalb von 7 bis 14 Tagen
abheilen. Histologisch findet sich
eine Nekrolyse der Oberflächenanteile des Stratum Malpighi und eine
gerihggradige perivasale lymphozytäre Infiltration (Mallinson et al,
1974).
Diagnostik: Laborchemisch weisen
diese Patienten erniedrigte Aminosäurenspiegel im Serum und deutlich erhöhte Glukagonwerte auf.
Wird die Glukagonsekretion durch
Somatostatin unterdrückt, kommt
es zu einer Hypoglykämie.
0,5 mg Glukagon i. v. gegeben führen hingegen zu keinem Anstieg
der Insulin- oder Glukosespiegel.
Auf eine Stimulation mit Arginin
und Alanin wird gelegentlich eine
supranormale Glukagonfreisetzung
gesehen.
Differentialdiagnose: Auch bei diesem Tumor muß nach assoziierten
Adenomen im Rahmen einer multiplen endokrinen Adenomatose
gefahndet werden. Daneben ist differentialdiagnostisch an eine primäre oder sekundäre A-Zell-Hyperplasie bei Adenomen der Nebenschilddrüse, der Hypophyse und
des Nebennierenmarks zu denken.
Karzinoid-Syndrom
Abbildung 2 (oben): Inselzelladenom der Bauchspeicheldrüse— Abbildun g
(Mitte): „Riesenfaltengastritis" (glanduläre Hyperplasie) bei Zollinger
Ellison-Syndrom Abbildung 4 (unten): Karzinoid der Duodenalwand
2970
Heft 43 vom 23. Oktober 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Während Karzinoide mit Ausnahme
der Speiseröhre im gesamten Verdauungstrakt, mit besonderer Bevorzugung in Appendix, Ileum und
Rektum anzutreffen sind, ist das
Karzinoid-Syndrom weitgehend an
Lebermetastasen gebunden. 1953
wies Lembeck 5-Hydroxy-Tryptamin in einem Karzinoidtumor nach;
die klinische Symptomatik mit
Flush, Durchfällen, rechtsseitigen
Endokard- und Klappenveränderungen sowie Bronchokonstriktion
wurde lange Zeit auf dieses Amin
zurückgeführt, doch glaubt man
heute, daß eher Bradykinin, Histamin oder Prostaglandine hierfür
verantwortlich zu machen sind.
Ödeme, Pellagra-ähnliche Hautveränderungen, peptische Ulzera und
Arthralgien werden gelegentlich
beobachtet.
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DIE GLOSSE
Klinik: Während beim solitären
Karzinoid mit einem Durchmesser
zwischen 1,5 und 3,5 Zentimeter
die Primärsymptomatik allenfalls in
einer chronischen Lumenobstruktion beziehungsweise einer intestinalen Blutung bei Oberflächenexulzeration besteht, löst nach einer
Metastasierung eine Nahrungsaufnahme, insbesondere Alkohol, Aufregung sowie Palpation des Abdomens eine Flushsymptomatik mit
Tränenfluß, Hypotonie und Tachykardie aus, die sich durch alphaadrenerge Blocker verhindern
läßt.
Auf der anderen Seite lassen sich
diese Anfälle durch 10 ml konzentrierten Alkohol, 15 bis 20 «g Noradrenalin oder 5 bis 10 pg Adrenalin provozieren (Grahame-Smith,
1974).
Die häufig profusen Durchfälle, die
jedoch nur selten mit einer Malabsorption einhergehen, lassen sich
zumeist mit Methysergid (Deseril®),
einem 5-HT-Antagonisten, oder Parachlorophenylalanin, beherrschen.
Diagnose: Der Nachweis einer erhöhten Ausscheidung von 5-Hydroxyindolessigsäure im Urin orientiert grob über eine gesteigerte 5HT-Produktion, wobei der Patient
kein Chlorpromazin und keine Bananen zu sich nehmen sollte. Die
DifferentialDifferentialdiagnose:
diagnostisch muß ein Karzinoid
des Bronchus und der Ovarien
ausgeschlossen werden, die auch
ohne Lebermetastasen eine klassische Symptomatik hervorrufen
können.
Syndromose —
eine neue Krankheit
der modernen Medizin
Ferner muß noch erwähnt werden,
daß Karzinoide auch eine Reihe anderer Hormone wie Kortison, ACTH,
MSH, antidiuretisches Hormon
(ADH) und Insulin zu produzieren
vermögen.
Die ersten Fälle wurden vor etwa
100 Jahren von Neurologen beschrieben. Seither sind weit über
1000 bekannt und ihre Zahl wächst
von Jahr zu Jahr, allein 1966 bis
1973 um etwa 250. Blanchard nannte die Krankheit: „Taufsuchtssyndrom" (Syndrome de baptöme).
Fischer hatte es 1931 noch relativ
leicht, dieses infiltrierend wachsende Leiden der modernen Terminologie zu beschreiben, heute stehen
wir ziemlich fassungslos vor dem
eindrucksvollen Werk, das Prof. Dr.
Leiber und Frau Dr. Olbrich in der
Sammlung „Klinische Syndrome"
zusammengestellt haben. Ein Mikrozensus in diesem Walhalla der
Wissenschaftler läßt schätzen, daß
etwa 1270 der aufgeführten Syndrome mit Eigennamen belegt sind
(genaues Zählen ist aus Zeitgründen nicht möglich, das Buch enthält 975 Seiten!). Die Autoren geben selbst zu, daß die Zahl der
Syndrome kaum noch zu übersehen ist. Aber welcher Kollege sollte es dann? Und was droht dem
Staatsexamenskandidaten? Auf jeden Fall ist es ratsam, das Syndrom zu kennen, in das, um einen
modernen Ausdruck zu gebrauchen, der Name eines der Prüfer
involviert ist.
Die hormonproduzierenden Tumoren des Verdauungstrakts stellen
ein interessantes Spektrum der Endokrinologie dar, bei dem mit immer neuen Überraschungen zu
rechnen ist.
Die Weiterentwicklung von Radioimmunoassays und immunzytochemischen Untersuchungsmethoden
läßt die Klärung mancher noch pathogenetisch unklarer Erkrankungen des Verdauungstrakts erwarten. So konnten Polak et al (1975)
unlängst Somatostatin-produzierende Zellen in Pankreas und oberem
Verdauungstrakt nachweisen. Die
Anzahl der Hormonkandidaten und
die vielen, in ihrer Funktion noch
unklaren endokrinen Zellen im Verdauungstrakt, die möglicherweise
alle ein Tumoräquivalent besitzen,
läßt noch viel Raum für Spekulationen übrig.
quantitative Bestimmung von 5HTP, 5-HT und 5-HIE oder Bradykinin ist entsprechenden Laboratorien vorbehalten.
Literatur bei den Verfassern
Prognose: Die Prognose hängt zum
einen vom Ausmaß der Metastasierung, zum anderen von der kardialen Beteiligung ab, wobei das
Rechtsherzversagen häufig limitierend wirkt. Eine symptomatische
Therapie ist mit Alpha-Methyldopa,
das die 5-HT-Synthese hemmt, mit
Alpha-Blockern, die eine 5-HT Freisetzung verhindern, und mit Kallikrein-Inhibitoren denkbar. Ein
wechselnder Erfolg ist beim metastasierenden Karzinoid von einer
Streptozotocin-Therapie zu erwarten.
Anschrift der Verfasser:
Privatdozent
Dr. med. Wolfgang Rösch
Prof. Dr. med. Ludwig Demling
Medizinische Klinik mit
Poliklinik der Universität
Erlangen-Nürnberg
852 Erlangen
Krankenhausstraße 12
Horst Jungmann*)
Überraschend ist die Lektüre des
„Leiber-Olbrich". Allein mit dem
Schielen sind 66 Eigennamen verbunden. Angeborene Herzfehler
haben 55 Eigennamen in der Weltliteratur verankert. Einen der Rekorde halten die Knochenveränderungen. Nach dem Auszählen von
760 mit Eigennamen belegten Syndromen, die unter anderem mit
Knochenveränderungen einhergehen, tränten die Augen, der Verdacht auf eins der 66 mit Strabismus verbundenen Syndrome tauchte auf und der Glosseur gab auf. >
*) Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 43 vom 23. Oktober 1975 2971
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