Der vollständige Bericht zum - Deutsch - Hanns

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POLITISCHER SONDERBERICHT
Kirgisistan
Neues Engagement der Hanns-Seidel-Stiftung im
Bereich Parlamentarismus
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erlangte auch Kirgisistan wie die anderen
zentralasiatischen Staaten seine nationale Unabhängigkeit. Das Land wurde seit 1991 durch ein
Präsidialsystem regiert. Aber innerhalb von 20 Jahren gab es zwei Volksaufstände gegen dieses
Regime (2005 und 2010) und es wurde deshalb nach den Ereignissen vom April 2010
beschlossen, zu dem System der parlamentarischen Demokratie überzugehen. Es wurde hierzu
eine neue Verfassung vorbereitet, die am 27. Juni 2010 in einem Referendum vom kirgisischen
Volk angenommen wurde. Politische Parteien organisierten sich und nach einem sehr intensiven
Wahlkampf hat das neue kirgisische Parlament am 10. November 2010 seine Arbeit
aufgenommen. Nur hat Kirgisistan wie alle Länder in der Region noch sehr wenig Wissen und
Erfahrung bei dem Thema einer parlamentarischen Demokratie. Die Zentralasienvertretung der
Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) hat deshalb in ihrem Arbeitsprogramm für das Jahr 2011
festgeschrieben, dass sie dazu beitragen wird, Kirgisistan bei der Aufarbeitung dieser Defizite zu
unterstützen und allgemein einen positiven Beitrag für die weitere Entwicklung des
Parlamentarismus in Kirgisistan zu leisten.
Neuer Magisterstudiengang im Fachbereich „Management im parlamentarischen Bereich“
Für das Studienjahr 2011 hat die HSS zusammen mit der „Akademie für Management unter dem
Präsidenten der Republik Kirgisistan“ einen neuen zweijährigen Magisterstudiengang für den
Fachbereich „Management im parlamentarischen Bereich“ eröffnet. 30 Vertreter von kirgisischen
politischen Parteien, aus den politischen Fraktionen im kirgisischen Parlament, aus dem
Sekretariat des Parlamentspräsidenten, aus der Parlamentsverwaltung, aus dem Mitarbeiterstab
von Abgeordneten, aus der Staatspräsidentenverwaltung, aus dem Ministerpräsidentenamt, aus
staatlichen Institutionen, etc. werden dahingehend ausgebildet werden, dass sie den Begriff des
Parlamentarismus besser verstehen lernen und sich Kenntnisse/Fähigkeiten/Fertigkeiten
aneignen, um die parlamentarische Kultur in Kirgisistan „mit Leben zu erfüllen“.
Internationales Symposium zum Thema „Parlamentarische Demokratie: Möglichkeiten,
Risiken und Erfahrungen“
Dieses vom 19. bis 20. März 2011 stattfindende Symposium wurde von der kirgisischen
Managementakademie (HSS-Partnerorganisation) und der türkischen Manas-Universität in
Bischkek organisiert, wobei die HSS als „unterstützende Organisation“ auftrat.
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Ziel der Veranstaltung war
- die wissenschaftliche Untersuchung der parlamentarischen Demokratie (Politische
Parteien und innerparteiliche Demokratie; Prinzip der Gewaltenteilung und seine
Umsetzung; Mehrparteiensystem: Gerechtigkeit in der politischen Vertretung und
politische Stabilität; Koalitionskultur: Probleme und Lösungen; Funktion des Parlaments
und Beziehungen zwischen Regierung und Opposition; Parlamentarische ethische
Prinzipien und Disziplin);
- die Analyse der Unterschiede zwischen Präsidialsystem und parlamentarischem System;
- die Analyse des auf der neuen Verfassung basierenden kirgisischen parlamentarischen
Systems und der Möglichkeiten, dabei die Erfahrung anderer Länder zu nutzen;
- die Erarbeitung konkreter Vorschläge zur Weiterentwicklung des parlamentarischen
Systems in Kirgisistan.
Die von der kirgisischen Staatspräsidentin Rosa Otunbajewa eröffnete Veranstaltung war von
etwa 300 Teilnehmern besucht und zeitgleich im kirgisischen Fernsehen übertragen worden. Die
über zwei Tage verteilten 110 Vorträge und anschließenden Diskussionen zeigten, wie groß in
Kirgisistan das Interesse an dem Thema „Parlamentarismus“ ist. Kirgisische Politiker drückten
offen ihre Hoffnung aus, dass Europa bzw. Deutschland ihr Land weiter auf dem Weg zur
parlamentarischen Republik unterstützen wird.
Teilnahme von Eduard Lintner, parlamentarischer Staatssekretär a. D.
Auf Einladung der HSS hatte es Eduard Lintner, Abgeordneter des Deutschen Bundestags a. D.
und parlamentarischer Staatssekretär a. D., übernommen, am 18. März 2011 offiziell den neuen
zweijährigen Magisterstudiengang im Fachbereich „Management im parlamentarischen
Bereich“ zu eröffnen und dabei das Einleitungsreferat zu halten. In diesem betonte er, dass „es
vieler ergänzender und flankierender Schritte bedarf, um Parlament und Demokratie zu sichern
und praxisgerecht auszugestalten“. Gemäß Lintner „sind unter anderem Assistenzsysteme für die
Abgeordneten und das Parlament nötig, um sie in die Lage zu versetzen, sich ein eigenes, von
der Vorgabe der Regierung unabhängiges Urteil bilden zu können“. „Abgeordnete und Fraktionen
müssen mit den notwendigen Sach- und Personalmitteln ausgestattet werden. Und hierbei kann
der neue Magisterstudiengang Parlamentarismus einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von
menschlichen Ressourcen für den parlamentarischen Bereich leisten“, waren seine
abschließenden Worte. Der kirgisischen Managementakademie, dem Partner der HSS, empfahl
Lintner den Kontakt mit dem Bayerischen Landtag und auch mit der „Landeszentrale für
politische Bildung Bayern“: Hieraus könnten zusätzliche Themen für das existierende Curriculum
und Trainer für die laufende Ausbildung gewonnen werden. Informationsmaterial zum Thema
Parlamentarismus könnte erhalten und eventuell Praktikumsplätze in Bayern für die besten
kirgisischen Studenten des neuen Studiengangs bereitgestellt werden.
Im einleitenden Panel des Symposiums zum Thema „Parlamentarische Demokratie“
am 19. März 2011 referierte Lintner zum Thema „Das Parlament als Mittler zwischen Volk und
Regierung“. Er beschrieb dabei die Eckpfeiler einer parlamentarischen Republik (Prinzip der
Gewaltenteilung), er erklärte den Begriff der direkten bzw. repräsentativen Demokratie, er stellte
die Parteien als „Organisatoren der Demokratie“ dar und er ging detailliert auf die Funktion der
Abgeordneten ein. Er wies jedoch auch darauf hin, dass „Demokratie Zeit braucht und dieser
Prozess nicht allein durch das Umlegen eines Schalters von autoritärer Regierungsform zu
Demokratie realisiert werden kann“. Er beendete seine Ausführungen mit dem bekannten Wort
von Winston Churchill über die Demokratie: „Sie sei die schwierigste aller Staatsformen, aber
auch die einzig mögliche, d. h. verantwortbare“. Die Aussagen von Eduard Lintner fanden viel
Beachtung, nicht zuletzt deshalb, weil er nach 33 Jahren Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag
der erfahrenste Parlamentarier unter den Anwesenden war.
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Vor und während des Symposiums hatte Herr Lintner Gelegenheit zum Meinungsaustausch
mit
- dem ersten stellvertretenden kirgisischen Außenminister, Turatbek Dschunuschaliev;
- dem kirgisischen Abgeordneten und Leiter der Parlamentskommission für internationale
und zwischenparlamentarische Zusammenarbeit, Almasbek Baatyrbekov;
- dem stellvertretenden Leiter des kirgisischen Staatspräsidentenamts, Baynasarov
Sabyrbek Nurkulovic;
- dem
ersten
stellvertretenden
kirgisischen
Parlamentspräsidenten,
Asilbek
Tscheenbekov;
und
- dem Vorsitzenden der Partei Ata-Meken und Oppositionsführer im kirgisischen Parlament,
Ömürbek Tekebajew.
Gesprächsthemen waren dabei die Diskussion des aktuellen Stands der deutsch-kirgisischen
Beziehungen, der Entwicklung des Parlamentarismus in Kirgisistan und der Projektarbeit der
HSS in Kirgisistan bzw. Zentralasien.
Ausblick
Die von der HSS eingeleiteten Maßnahmen im Bereich „Parlamentarismus“ in Kirgisistan sind
notwendig, hoch willkommen und konnten einen erfolgreichen Start verzeichnen. Wieweit sie am
Ende von Erfolg gekrönt sein werden, kann heute niemand sagen. Aber es sollte keine
Diskussion darüber geben, dass Deutschland eine noch junge Republik wie Kirgisistan beim
Versuch des Aufbaus einer parlamentarischen Demokratie unterstützen sollte (siehe hierzu auch
„BMZ-Zentralasienkonzept“ vom April 2005 und die „EU-Zentralasienstrategie“ aus dem Jahre
2007).
Dass kirgisische Politiker mittlerweile verstanden haben, worum es beim Thema
Parlamentarismus geht, verdeutlicht die Aussage des Abgeordneten Omurbek
Abdyrakhmanov (Partei Ata-Meken) vom 5. März 2011(News Agency 24kg): „Parlamentarismus
ist die Zukunft der Welt. Alle zivilisierten Staaten haben parlamentarische Regierungen …. Das
parlamentarische System schafft auch eine dauerhaftere öffentliche Verwaltung. Vielleicht mögen
einige den Parlamentarismus nicht, aber bisher hat niemand etwas Besseres erfunden. Deshalb
glaube ich auch, dass der Parlamentarismus in Kirgisistan vielsprechend und auch stabil ist und
die Bürger zu einer entwickelten Gesellschaft machen wird.“
HERAUSGEBER: CHRISTIAN J. HEGEMER, LEITER IBZ
AUTOR: MAX GEORG MEIER
LAZARETTSTR. 33 – 80636 MÜNCHEN –
TEL.: +49 (0)89 1258-0 – FAX.:+49 (0)89 1258-359
E-MAIL: [email protected] – HOMEPAGE: WWW .HSS.DE
ERSTELLT AM: 23.03.2011
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