Prävention von sexueller Gewalt Schulung hauptamtliche Pastoral-Mitarbeiter - Bistum Münster Akademie Klausenhof Hamminkeln 10./11. Juni 2013 Referenten: Michael Siewering, DiplomSozialpädagoge, Familientherapeut, Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeut Carsten Feltkamp, Sozialpädagoge B SW Aussagen Betroffener „Wenn mir jemand nahe kommt, habe ich Angst, weil Papa immer Sex von mir wollte.“ „Immer wenn ich mich aufrege, muss ich mich ritzen, weil ich das sonst gar nicht aushalte.“ „Wenn ich sage, dass mein Pflegevater mich sexuell missbraucht, muss ich wieder ins Heim. Und meine Pflegeschwester auch.“ „Ich habe mich fett gefressen, dann finden Männer mich hässlich und wollen nichts mehr von mir.“ „Ich kann mich in der Schule gar nicht konzentrieren, weil ich immer denken muss, wie es Mama wohl geht.“ „Mit mir kann man es ja machen, schon meine Eltern fanden, dass ich zu nichts nutze bin.“ „Manchmal stelle ich mir vor, ich wäre tot. Dann bräuchte Mama nicht mehr so wütend auf mich zu sein.“ „Wenn mich jemand mag, bin ich immer total misstrauisch, ob der mich in Wirklichkeit nur verarscht. Das war früher schon bei meinen Eltern immer so.“ „ Immer wenn ich an meinen Bruder denke, glaube ich, dass ich mich übergeben müsste.“ „Ich muss immer andere verprügeln, nur dann bin ich stark und attraktiv.“ „Ich hasse meinen Körper, weil der mich daran erinnert, dass Papa ihn immer anfassen wollte.“ „Ich muss immer andere Jungs vergewaltigen, weil mein Bruder und seine Freunde das früher immer mit mir gemacht haben.“ „Ich muss mir jeden Tag mindestens hundert Mal die Hände waschen, seit mein Cousin Sex mit mir machte. Sonst kriege ich immer Nasenbluten.“ „Ich bin ständig wütend. Wenn mir einer zu nahe kommt, schlage ich zu. Das Leben ist echt scheiße.“ „Immer wenn ich einen Jungen mag, will der nur Sex von mir. Dann habe ich Angst und hasse ihn dafür.“ „Immer wenn ich daran denken muss, wie Papa seinen Penis in meinen Mund steckte, kriege ich wieder einen Asthma-Anfall.“ „Als der Richter dem Täter nur eine Bewährungsstrafe erteilte, fühlte ich mich wie vor den Kopf geschlagen.“ ● Definition Grenzverletzung Der Begriff „Grenzverletzung“ umschreibt ein einmaliges oder gelegentliches unangemessenes Verhalten, das nicht selten unbeabsichtigt geschieht. Dabei ist die Unangemessenheit des Verhaltens nicht nur von objektiven Kriterien, sondern auch vom subjektiven Erleben des betroffenen jungen Menschen abhängig. Grenzverletzungen sind häufig die Folge fachlicher bzw. persönlicher Unzulänglichkeiten einzelner Personen oder eines Mangels an konkreten Regeln und Strukturen. Definition Sexueller Übergriff Sexuelle Übergriffe passieren nicht zufällig, nicht aus Versehen. Sie unterscheiden sich von unbeabsichtigten Grenzverletzungen durch die Massivität und / oder Häufigkeit der nonverbalen oder verbalen Grenzüberschreitungen und resultieren aus persönlichen und /oder fachlichen Defiziten. Abwehrende Reaktionen der betroffenen jungen Menschen werden bei Übergriffen ebenso missachtet wie Kritik von Dritten. In einigen Fällen sind sexuelle Übergriffe ein strategisches Vorgehen zur Vorbereitung strafrechtlich relevanter Formen sexualisierter Gewalt. Sie gehören zu den typischen Strategien, mit denen insbesondere erwachsene Täter testen, in wie weit sie ihre Opfer manipulieren und gefügig machen können. Definition strafrechtlich relevante Formen sexualisierter Gewalt Die strafrechtlich relevanten Formen sexualisierter Gewalt an Minderjährigen und Schutzbefohlenen werden im 13. Abschnitt des Strafgesetzbuchs unter den „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ benannt. (gem. §§ 174ff. StGB sexueller Missbrauch etc.) Dazu gehören auch exhibitionistische Handlungen, die Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger und das Ausstellen, die Herstellung, das Anbieten und den Eigenbesitz von kinderpornographischen Materialien. ● Definition DKSB Rheine „Wir sprechen von sexuellem Missbrauch, wenn eine Person ihre Machtposition oder die Unwissenheit, das Vertrauen oder die Abhängigkeit eines Mädchen oder Jungen zur Befriedigung der eigenen sexuellen Bedürfnisse benutzt.“ ● Zusammenhang von Symptom und Ursache Verhalten des Kindes Interpretation Symptom Ursache Sexueller Missbrauch Symptombildungen Sexueller Missbrauch Gefühlsreaktionen Verhaltensreaktionen Symptombildung sexualisiertes Verhalten Sprachlosigkeit Angstträume plötzlich verändertes Verhalten Identifikation mit Frozen Watchfulnes dem Aggressor SelbstbeBauch/Kopfschmerzen Konzentrationszichtigung Ohnmacht störungen Waschzwang Schuld VertrauensVerAngst verlust Hass sozialer Promiskuität wirrung Essstörungen Asthma Rückzug Selbstsexueller Prostitution Ekel wertWut Missbrauch Allergien bes. im Depression Ververlust Genitalbereich meidung SuchtSuizidalität Wegverhalten Scham laufen Selbsthass Zweifel an Selbstverletzungen zwanghaftes der eigenen Zweifel an der Vermeidung von Masturbieren Wahrnehmung Geschlechtskörperl./emotionaler identität Einnässen Nähe Einkoten körperliche Verletzungen Wahrnehmungsstörungen, Hämatome Psychische Reaktionen wie Geschlechtskrankheiten Borderline, Schizophrenie Wundsein, Rötungen unnatürliche Erweiterungen Täterverhalten Blutungen, Ausfluss Hinweise auf sexuelle Kindesmisshandlung im Verhalten des Kindes 1. Körperliche Hinweise 2. Altersunangemessenes Wissen 3. Altersunangemessenes sexuelles Verhalten 4. Direkte Aussagen des Kindes 5. Indirekte Aussagen des Kindes ● Missbrauchsdynamik Täter Kind Autorität Zuwendung Bevorzugung Sexualisierung Umdeutung Geheimnisdruck Verantwortlichmachen Komplott massiver Missbrauch Abhängigkeit Genießen Verpflichtung Symptombildung Verwirrung mehr Verwirrung Schweigen Schuldgefühle Verantwortung für Familie Sprachlosigkeit Isolation nach außen In der Täter-Kind-Beziehung Funktion sexueller Übergriffe -Angstabwehr + durch Identifikation mit dem Aggressor -Verarbeitung + durch kindliches Rollenspiel mit Rollentausch + durch Reinszenierung der traumatischen Erfahrung -Spannungsregulation + über sexuelle Erregung und Entladung + als dysfunktionale Spannungsabfuhr -Kompensation + emotionaler Defizite + geringen Selbstwertgefühls Motivation sexueller Übergriffe -Angstmotivation: + Reinszenierung zur Abreaktion der mit den Opfererfahrungen verbundenen Ängste -Machtmotivation: + Kontrollbedürfnis von Situationen und Beziehungen zur Vermeidung der Hilflosigkeit der Opfererfahrung -Ärgermotivation: + aus der Frustration der Opfererfahrung + aus Wut und Rachebedürfnis -sexuelle Motivation + um den sexuellen Kick wieder zu erleben + zur dysfunktionalen Spannungsabfuhr Täter: Typologie Fixierter Typ: der pädophile Täter Primäre sexuelle Orientierung an Kindern Identifikation mit Kindern, nicht mit Erwachsenen, zumeist keine intensiven emotionalen Beziehungen zu Erwachsenen, zu einem größeren Prozentsatz verheiratet Regressiver Typ: der kompensierende Täter Primäre Orientierung an Erwachsenen, Identifikation mit Erwachsenen, Missbrauch dient oftmals der Kompensation von Stress und Misserfolg in der Beziehung zur/m eigenen PartnerIn Soziopathischer Typ: der sadistische Täter Missbrauch ist Ausdruck von Wut und Rache infolge zumeist massiver kindlicher Traumatisierung durch schwere Vernachlässigung und Gewalterfahrungen, die eigenen Täterintrojekte (Identifikationen mit dem Aggressor aus der Kindheit) richten sich primär auf Kinder Frauen als Täterinnen -Anteil der Frauen an der Gesamtgruppe Täter: je nach Statistik zwischen sechs und 15 % -Die Aussage: Frauen missbrauchen auf sanfte Weise (z.B. im Rahmen von Körperpflege) hat sich nicht bestätigt -Missbrauchsverhalten von Frauen unterscheidet sich nicht vom Missbrauchsverhalten von Männern -bzgl. einer frauenspezifischen Typologie liegen bisher keine Forschungsergebnisse vor -missbrauchende Frauen übernehmen bei emotionaler Abhängigkeit vom männlichen Täter oft eine assistierende Rolle: Zuführung des Kindes, Festhalten des Opfers, Führen der Videokamera, Ausführen von Anweisungen des männlichen Täters ● Persönliche Reflektion Frage: Was habe ich zu dem Thema sexualisierte Gewalt in meinem Leben schon gehört, erfahren und erlebt? Auftrag: Bilden Sie einen Satz aus der Essenz Ihrer Auseinandersetzung. Handlungsorientierungen bei Vermutung oder Kenntnisnahme von sexueller Gewalt Ruhe bewahren, nichts unternehmen den Informanten ernstnehmen und ihm Glauben schenken mir bewusst machen: ich kann das Problem nicht allein lösen darum: keine eigenen Ermittlungen anstellen das Opfer nicht mit meinem Verdacht konfrontieren den Täter nicht ansprechen die Eltern nicht informieren mit einer Person meines Vertrauens sprechen meinen Kenntnisstand schriftlich dokumentieren mir fachliche Hilfe holen bei der Ansprechperson/Fachkraft des Trägers bei der zuständigen Fachberatungsstelle dort nächste Schritte abklären: Beurteilung des Problems Meldung an das Jugendamt Meldung an die Polizei Meldung an den Bistumsbeauftragten Geschichte der Prävention früher: Warnung vor dem Fremden - uneffektiv bei der geringen Höhe der Fremdtäter 70 er Jahre: Feminismus, autonome Frauenbewegung Das Recht Nein zu sagen, Selbstverteidigungstrainings für Mädchen, Modelle kommen hauptsächlich aus den USA Verantwortung für die Abwendung eines Übergriffs kann nicht beim Kind liegen • • • • mittlerweile Prävention als pädagogisches Prinzip und Querschnittsaufgabe Selbstbehauptung, Persönlichkeitsentwicklung, Rechte, Grenzen Langfristige und effektive Prävention ruht immer auf drei Säulen: Eltern, Kinder, pädagogisch Tätige Systemisch gesehen ist wichtig alle Beteiligten im Bezugssystem des Kindes einzubeziehen Schwerpunkte der Prävention 1. Förderung des kindlichen Selbstwertbewusstseins Emotionale Sättigung des Kindes: - Förderung körperlich - emotionaler Nähe zwischen Kind und Bezugspersonen - Akzeptierendes Umgehen mit kindlichen und geschlechts- und alterstypischen Bedürfnissen 2. Förderung des kindlichen Körpergefühls: - schöne und schlechte Gefühle - schöne und schlechte Berührungen - schöne und schlechte Geschenke - schöne und schlechte Geheimnisse 3. Förderung eines aktiven und respektierenden Umgangs mit eigenen und fremden Grenzen (Nein sagen dürfen) 4. Förderung eines respektvoll – empathischen Sozialverhaltens Keine frechen Kinder, aber kritische und Selbstbewusste 5. Aktive Sexualpädagogik in Familie, Kindergarten, Schule, Jungen- und Mädchenarbeit Aufklärung, Was ist normal, was ist Kinder-,JugendErwachsenensexualität, Wissen bringt Sicherheit 6.Informationen über sexuellen Missbrauch Nicht alle Menschen sind lieb (Wie man sich Hilfe holen kann) Präventionsgrundsätze Dein Körper gehört Dir! Deine Gefühle sind wichtig Es gibt angenehme und unangenehme Berührungen Du hast das Recht Nein zu sagen Es gibt gute und schlechte Geheimnisse Sprich darüber, hole Hilfe Du bist nicht Schuld Präventionsthemen Grenzen Nein Sagen Gefühle Berührungen Angst Geheimnisse Hilfe Sexualpädagogik ●