Demenzformen. Diagnostik und Therapien.

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28.05.2016
Demenzformen, Diagnostik und
Therapien
Prof. Dr. H. Gutzmann
Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und psychotherapie
Agenda
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Epidemiologie
Diagnostik
Differenzialdiagnose
Verlauf
Risikofaktoren
Therapieoptionen
Spezielle Problemfelder
2
Agenda
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Epidemiologie
Diagnostik
Differenzialdiagnose
Verlauf
Risikofaktoren
Therapieoptionen
Spezielle Problemfelder
3
1
28.05.2016
Lebenserwartung
• Die Hälfte aller weiblichen Neugeborenen des Jahres 2007 in
Deutschland darf erwarten, 102 Jahre alt zu werden (Japan: 107)
• In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gingen 62% der
Lebensverlängerung auf verringerte Sterblichkeit bei Kindern bis
14 Jahre zurück
• Zwischen 1990 und 2007 gingen 79% der verlängerten
Lebenserwartung auf das Konto der über-65-jährigen
• Im letzten Jahrzehnt gab es eine Zunahme der Lebenserwartung
von 5-6 Stunden pro Tag
nach: Rott 2009
Fakten zu Demenzerkrankungen
•
Demenzen sind Erkrankungen, bei denen eine dauerhafte Einschränkung der
geistigen Leistungsfähigkeit auftritt, die nicht von Geburt an besteht
•
Jeder dritte Mensch älter als 65 Jahre hat mindestens leichte Schwierigkeiten mit
der geistigen Leistungsfähigkeit
•
Jeder dritte Mensch älter als 85 Jahre hat eine Demenzerkrankung
•
Das Alter ist somit der größte Risikofaktor für eine Demenz
•
Am 65. Geburtstag haben Männer die Perspektive, dass 16% von ihnen dement
werden, bei Frauen beträgt die Wahrscheinlichkeit 34,5% (wegen der größeren
Lebenserwartung)
•
2/3 der Demenzpatienten leben zuhause oder in der Familie
•
Mehr als 2/3 der Pflegeheimbewohner leiden an einer Demenz
•
nur 12 % der schwer, knapp 30 % der mittelschwer und auch nur etwa 60% der
leicht Demenzkranken können ohne Schwierigkeiten mehrere Stunden alleine
gelassen werden
Demenzprävalenz nach Alter und Geschlecht
40
35
Frauen
30
Männer
25
20
Alter ist der primäre Risikofaktor
15
10
5
0
60-64
65-69
70-74
75-79
80-84
85-89
90-94
über 95
Ziegler &Doblhammer2008
2
28.05.2016
Prävalenz von Demenzen und kognitiven Defiziten
in der Altenbevölkerung (65 +)
Demenz, leicht
(2,3 %)
Demenz, mittelschwer
oder schwer (5,7 %)
Leichte
kognitive
Störung,
keine Demenz
(16,8 %)
Unbeeinträchtigt
(75,2 %)
Quelle: Canadian Study of Health and Aging
Anzahl der Menschen mit Demenz in Deutschland
vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2050 *
Σ
934
1.163
1.416
1.689
1.922
2.290
(in 1.000)
Demenzkranke (in 1000)
2500
Altersgruppen
2000
85 +
1500
> 80LJ steigt das Demenzrisiko exponentiell
1000
500
80-84
75-79
0
2000
2010
2020
2030
2040
2050
70-74
65-69
Jahr
* nach der mittleren Variante der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung (2003)
unter Annahme gleich bleibender Erkrankungsraten (Bickel 2002)
Prozentuale Veränderung der über 80jährigen in den
16 Bundesländern 2006-2025
(nach Bertelsmann Demographie-Atlas 2008)
3
28.05.2016
Landkarte der Demenz
Auffallend ist die deutliche regionale Differenzierung
– entlang der Verteilung des Altenquotienten
2008
(Berlin-Institut 2011)
Landkarte der Demenz
In weiten Regionen Ostdeutschlands dürfte sich
die Zahl der Demenzkranken bis 2025 verdoppeln
2025
(Berlin-Institut 2011)
Lebenserwartung und Demenzrisiko sind schichtenabhängig
• Frauen mit Armutsrisiko leben im Vergleich zu
Angehörigen höherer Einkommensgruppen im
Durchschnitt acht, Männer sogar elf Jahre kürzer
• Demenzrisiko in 5-Jahres Etappen
–
–
–
–
3.6 auf 100 Personen (späte 1970s und frühe 1980s)
2.8 auf 100 Personen (späte 1980s und frühe 1990s)
2.2 auf 100 Personen (späte 1990s und frühe 2000s)
2.0 auf 100 Personen (späte 2000s und frühe 2010s)
Die Abnahme der Inzidenz um 44% gilt nur für HighschoolAbsolventen und bei Kontrolle vaskulärer Risikofaktoren
RKI 2016; Satizabal et al. 2016
4
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Krankheitsdauer
Krankheitsdauer beträgt wenige Monate bis mehr als 20 Jahre
Die häufig genannte Durchschnittsdauer von 6-9 Jahren trifft vor allem auf
relativ frühe Erkrankungen zu
Faustregel:
Mittlere Überlebenszeit verringert sich mit jedem Jahrzehnt
Auch Demenzkranke profitieren von der medizinischen Versorgung:
Unterschied im Erkrankungsalter um etwa 2 Jahre
Es werden mehr Jahre in und mit der Krankheit verbracht
Im Einzelfall ist eine Vorhersage der Dauer nicht möglich
spezifische Symptome sind ohne hohe Vorhersagekraft;
prognostisch bedeutsam sind die selben Faktoren wie in der
Allgemeinbevölkerung (höheres Alter, männliches
Geschlecht, somatische Begleiterkrankungen).
DIA ergänzt nach Bickel 2006
Epidemiologische Konsequenzen
• Dementielle Krankheitsbilder können zwar in jedem
Lebensalter auftreten, ihre Häufigkeit ist aber eng mit dem
Alterungsprozess verknüpft
• Vor dem 65. Lebensjahr liegt die Prävalenzrate unter
1%, um danach mit einer Verdopplungsrate alle 5-6 Jahre
auf über 40% bei über 100-jährigen anzusteigen.
• Angesichts des demographischen Wandels bedeutet das
bis zur Mitte dieses Jahrhundertes eine zu erwartende Zahl
Betroffener von über 2 Millionen.
• Auch die Zahl der Lebensjahre nach Eintritt der Erkrankung
wird durch die steigende Lebenserwartung der Kranken
zunehmen (Nepal et al. 2008)
14
Agenda
•
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Epidemiologie
Diagnostik
Differenzialdiagnose
Verlauf
Risikofaktoren
Therapieoptionen
Spezielle Problemfelder
15
5
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Vorgehen in der Demenzdiagnostik
1. Feststellung des Demenzsyndroms
• (Fremd-)Anamnese
• Psychopathologischer Befund
• Körperliche Untersuchung
• Neuropsychologische Untersuchung
• Bildgebung (cCT oder MRT)
2. Suche nach der Ursache des Demenzsyndroms
Definition der Demenz: ICD-10
1. Störungen des Gedächtnisses
Aufnahme und Wiedergabe neuerer Informationen
Verlust früher erlernter und vertrauter Inhalte
2. Störungen des Denkvermögens
Störung der Fähigkeit zu vernünftigen Urteilen
Verminderung des Ideenflusses
3. Kein Delir
4. Beeinträchtigung der Alltagsfähigkeiten
5. Mindestens seit 6 Monaten bestehend
Demenzverlauf: Erstes Stadium
• kaum auffällige, vom Patienten und seiner Umgebung
verdrängte Symptome
• Aktivitäten im täglichen Leben
reduziert, Vitalitätsverlust
• Gedächtnisbildung, Sprachverarbeitung, örtliche und
zeitliche Orientierung u. a. betroffen
• Patienten anfänglich mit Leidensdruck
6
28.05.2016
Demenzverlauf: Zweites Stadium
• deutlicher ausgeprägte Symptomatik
• Gedächtnisbildung, Sprachverarbeitung,
Alltagsfunktionen, örtliche / zeitliche
Orientierung, Wahrnehmung, Antrieb u. a. stark betroffen
• selbständige Lebensführung erheblich
eingeschränkt
• Unterstützung notwendig
Demenzverlauf: Drittes Stadium
• selbständige Lebensfähigkeit aufgehoben:
völlige Abhängigkeit
• hochgradige Störungen aller geistigen Funktionen
• jetzt zusätzlich körperliche Symptome:
Sturzgefahr, schleppender Gang, Verlust der Kontrolle
über Blase und Darm, Krampfanfälle u. a.
Endstadium:
• Körperlicher Verfall, Bettlägerigkeit, Infektionen
• häufigste Todesursache: Lungenentzündung
Mini Mental Status Test
Maximale Punkte
Gedächtnis/Merkfähigkeit
Globale Beurteilung der
kognitiven Leistungen
Begriffe wiederholen (z. B. Auto, Blume, Kerze)
100 - 7 = 93 - 7 = 86 - 7 = 79 ... etc.
oder „R A D I O“ rückwärts buchstabieren
Informationen über:
Gedächtnis, Sprache, ObjektObjektHandhabung, räumliche
Leistungen
keine Aussage über formales
Denkvermögen
geringer Zeitbedarf (ca. 10 Min.)
Beeinflussung durch
Intelligenzgrad
Bildungsniveau
3
Aufmerksamkeit
5
Gedächtnis/Erinnerungsfähigkeit
Begriffe aus
wiederholen
3
Sprache
Gegenstände bennennen (z. B. Armbanduhr, Stift)
2
Satz nachsprechen „Sie leiht ihm kein Geld mehr.“
1
Exekutiv
Exekutiv--Funktionen
3 Kommandos geben, 3 Handlungen ausführen
3
Schriftliche Anweisung lesen und befolgen lassen
1
Orientierung
Zeit (Jahr, Datum, Monat, Wochentag, Jahreszeit)
5
Ort (Stadt, Bundesland, Land, Praxis, Stockwerk)
5
Schreiben eines vollständigen Satzes
1
Motorische Funktionen
Zeichnen zweier sich schneidender Fünfecke 1
30
nach Folstein et al. 1975
7
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CERAD
1. Verbale Flüssigkeit – Kategorie „Tiere“
Bewertung:Richtige
Zeitintervalle:TIERE
0
D
a
15
D
a
16
......................... .........................
.........................
.........................
......................... .........................
.........................
.........................
......................... .........................
.........................
.........................
......................... .........................
.........................
.........................
......................... .........................
.........................
.........................
......................... .........................
.........................
.........................
......................... .........................
.........................
.........................
......................... .........................
.........................
.........................
......................... .........................
.........................
.........................
......................... .........................
.........................
.........................
......................... .........................
.........................
.........................
......................... .........................
.........................
.........................
0 - 15 Sekunden
16 - 30 Sekunden
30
45
D
a
31 – 45 Sekunden
31
60
D
a
46
46 – 60 Sekunden
Total
Consortiumto
Consortium
to Establish a RegistryforAlzheimer'sDisease
Uhrentest
• Aufgabe:
In einen Kreis Ziffern der analogen Uhr
mit bestimmter Uhrzeit einzeichnen
• Beurteilung:
Richtige Ziffern, regelmäßige
Abstände, Zeiger:
Anzahl, Länge, Winkel
• Empfindlich für:
visuell-räumliche Störungen bei
Demenz
23
Ziffern und Zeiger für 10 nach
in Kreis einzeichnen
fast blind, keine Demenz
mittelschwere Demenz
11 Uhr
leichte Demenz
24
schwere Demenz
8
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Agenda
•
•
•
•
•
•
•
Epidemiologie
Diagnostik
Differenzialdiagnose
Verlauf
Risikofaktoren
Therapieoptionen
Spezielle Problemfelder
25
Überlappung von DepressionsDepressions- und
Demenzsysmptomatik
Demenz
Amnestisches
Syndrom
(episod. Gedächtnis;
Wiedererkennen)
Aphasie
Apraxie
Agnosie
Abstraktes Denken
gestört
Urteilsfähigkeit
gestört
organische Wesensänderung
Antrieb
Energieverlust
Interessenverlust
Müdigkeit
Schlafstörung
Gewichtsverlust
Libidoverlust
psychomot. Agitiertheit
Verlangsamung
Konzentrationsstörung
Merkfähigkeitsstörung
(Wiedergabe)
Symptomatik der somatischen Multimorbidität
Depression
Verminderung des
Selbstwertgefühls
Schuldgefühle
Hoffnungslosigkeit
Gefühl der
Hilflosigkeit.
deprimiertes
Erscheinungsbild
Freude vermindert
Angst
emotionale
Ansprechbarkeit
vermindert
Abgrenzung Pseudodemenz vs. Demenz
Weist auf Depression hin
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
subj. Klagen stärker als obj.
Befunde, Pat. klagt viel über kogn.
Leistungsverluste
depr. Stimmung
Schuldgefühle u. Versagensangst
Schlaflosigkeit, selten nächtliche
Unruhe
famil. Häufung v. Depressionen
keine Orientierungsstörung
Aufmerksamkeit u. Konzentration
weitgehend erhalten
dysthyme Stimmung, Selbstabwertung
wenig Bemühung, leistungsfähig zu
bleiben
auffällige Leistungs-schwankungen bei
Aufgaben gleicher Schwierigkeit
Remission der Depression und der
kognitiven Störung
Weist auf Demenz hin
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Bagatellisieren, Leugnen kognitiver
Defizite
Affektlabilität
verneint, beschuldigt
andere, konfabuliert
nächtliche Unruhe
famil. Häufung der Demenz
desorientiert
Aufmerksamkeit und Konzentration
früh gestört
Stimmung eher
gleichgültig, kompensatorische Selbstüberschätzung
Freude an der Bewältigung auch
leichter Aufgaben
gleichmäßige Leistungsminderung bei
Aufgaben gleicher Schwierigkeit
Persistieren der kognitiven Störungen
bei Ansprechen auf antidepressive
Therapie
9
28.05.2016
Einteilung der Demenzen
Demenz-Formen
Hirnorganische
(primäre)
>90%
Neurodegenerativ
Nicht-hirnorganische
(sekundäre)
<10%
Vaskulär
Gemischt
(Degenerativ + Vaskulär)
nach Ebert 1999
Häufigkeit verschiedener Demenzformen
Alzheimer-Krankheit
5%
5%
VaskuläreDemenz
Demenz mit Lewy-Körperchen
Reine LBD 3 %
FrontotemporaleDemenz
Andere Demenzen
LBD mit AD
12 %
Vaskuläre
Demenz und
AD 10 %
60 %
Rein vaskuläre
Demenz 5 %
Gearing et al.(1995); Kosunen et al. (1996); Nagy et al. (1998)
Primär degenerative Demenzen
•Alzheimerdemenz
•Lewy-Body-Demenz
•FrontotemporaleDemenz
•Andere(Mb. Parkinson, Chorea Huntington, MSA)
10
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Klinische Kriterien für eine Alzheimer-Demenz
• Notwendige Symptome
• Unterstützende Symptome
•
Gedächtnisdefizit + and. kog. Funktion
allmählicher Beginn
Progrediente Verschlechterung
Keine Bewußtseinsstörung
Gestörte Alltagsfunktionen
Fehlen anderer Erkrankungen, die das
Syndrom möglicherweise begründen
könnten
•
Einbußen in den Bereichen
Sprache, Praxie, Auffassung
Verhaltensstörungen
Familienanamnese
Atrophie im cCT
NINCDS-ADRDA 1984
Hippocampusatrophie bei Alzheimer-Demenz
rechts: gesundes Gehirn, links:
Alzheimer-Demenz
Pfeile weisen jeweils auf den
Hippokampus, der beim Gesunden
kissenförmig aufgewölbt ist.
Die Atrophie in dieser Region ist
ein typischer Befund bei der
fortgeschrittenen AlzheimerDemenz
Lewy-Body-Demenz (LBD)
• Diffus im Kortex sogenannte Lewy-Körperchen, die als
pathologisches Zeichen des Morbus Parkinson in Hirnstamm und
Basalganglien beschrieben wurden.
• Klinik:
– Demenz-Syndrom
– OptischeHalluzinationen
– FluktuierendeVerwirrtheit
– ExtrapyramidalmotorischeSymptome
– Extreme Neuroleptika-Sensitivität
• DerBeginnkannallmählichoderplötzlicherfolgen;
rückblickendkannderBeginnauchzuerstalsDelirdiagnostiziertwor
densein
11
28.05.2016
Lewy-Body-Demenz (LBD)
FrontotemporaleDemenz
• Beginn normalerweise im 5. – 6. Lebensjahrzehnt
• In über 50% der Fälle familiäre Häufung.
• Der klinische Beginn ist schleichend
• Frühe Stadien sind gekennzeichnet durch
– Persönlichkeitsveränderungen
– Veränderungen des Sozialverhaltens
– Emotionale Gleichgültigkeit
– Fortschreitenden Sprachverlust
– Stereotypien
Frontotemporale Demenz (FTD)
12
28.05.2016
VaskuläreDemenzerkrankungen
•
Häufige Subtypen:
– Demenz nach zerebrovaskulärem Insult
– Strategische Infarkte (bilateraler Thalamusinfarkt, Gyrus angularis und N.
caudatus)
– Multiple lacunäre Insulte
•
Klinik:
– Plötzlicher Beginn
–
–
–
–
Schrittweise Progression
Dysexekutives Syndrom
Störung der Affektivität
Neurologische Fokalsymptome
• Mischformen häufig
Multi-Infarkt-Demenz
Vaskuläre Demenz: Die Pfeile weisen auf kleine Hirninfarkte,
die in ihrer Summe das klinische Bild bedingen.
MikroskopoderKlinik
Nach den Ergebnissen der Medical Research Council
CognitiveFunctionAgeingStudy (MRC-CFAS)*....
• Schließt die Diagnose einer Alzheimer-Demenz vaskuläre Veränderungen nicht
aus
• Finden sich Mikroskopische Auffälligkeiten von Alzheimer-Patienten auch bei
vielen gesunden alten Menschen
• Kann auf der Basis neuropathologischer Befunde das Bestehen einer klinischen
Demenz nicht vorausgesagt werden
*Prospektive neuropathologische Studie an älteren Personen (70-103 Jahre) in der
Allgemeinbevölkerung (Großbritannien), 2001
13
28.05.2016
Agenda
•
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•
•
Epidemiologie
Diagnostik
Differenzialdiagnose
Verlauf
Risikofaktoren
Therapieoptionen
Spezielle Problemfelder
40
NatürlicheEntwicklungneurodegenerativerErkrankungen
Präklinisch
Symptomatisch
Klinik
Neuronale Funktion
Diagnose
⌃
Zeit
MCI
Es gibt eine lange Periode neuronalen Funktionsverlusts noch ohne klinische Symptomatik.
DeKosky ST, Marek K. Science. 2003;302:830-834.
Demenzvs. Minimal Cognitive Impairment (MCI)
Demenzsyndrom
MCI
Defizite in mindestens 2
kognitiven Bereichen
(Gedächtnis, Orientierung,
Aufmerksamkeit,
Handlungsplanung, Lernen,
Benennen)
Gedächtnis- und
Konzentrationsschwierigkeiten
Defizite in nur einem Bereich
Selbständigkeit im Alltag
eingeschränkt
Selbständigkeit im Alltag erhalten
Mindestens 6 Monate
Dauer variabel
progredienter Verlauf
1/3-Regel (nach 2 Jahren):
33% besser, 33% gleich,
33% schlechter
14
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Agenda
•
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•
•
•
Epidemiologie
Diagnostik
Differenzialdiagnose
Verlauf
Risikofaktoren
Therapieoptionen
Spezielle Problemfelder
43
EinflüsseimLebenslauf
Frühe Jahre
Gene
Lebensstil &
Umgebung
Frühe bis mittlere
Jahre
Hirnentwicklung &
Reservekapazität
Sozioökonomische Faktoren
Erziehung
Atherosklerotische Risikofaktoren
Mittlere Jahre
Neurodegeneration
Lebensstil & Aktivität
Alter bei Beginn der
Symptomatik
Weitere Faktoren
Alter
Nach O´Connor 2007
7 bevölkerungsbezogene Risiken sollen mehr als 50%
aller Alzheimererkrankungen im Alter erklären
•
•
•
•
•
•
•
Niedrige Erziehung
Rauchen
Bewegungsmangel
Depression
mid-life Hypertonie
mid-life Übergewicht
Diabetes
19%
14%
13%
11%
5%
2%
2%
45
Barnes &Yaffe, LancetNeurology 2011
15
28.05.2016
Modifizierbare Risikofaktoren:
Maßnahmen evidenzbasiert empfohlen
Etgen et al. 2011
Was ist eine „mediterrane“ Kost?
• hoher Anteil an Fisch, Gemüse, Obst, Getreide
und ungesättigten Fettsäuren, besonders die
in Fisch enthaltenen Omega-3-Fettsäuren
• niedriger Anteil an Milchprodukten, Fleisch
und gesättigten Fettsäuren
• Der gemeinsame gesundheitliche Nutzen für
Herz, Kreislauf und Gehirn ist evident
Was bedeutet „körperlich“ aktiv?
• An den meisten Tagen der Woche 30 min körperliche
Aktivität über die übliche Bewegung hinaus
• Für die meisten Menschen ist mehr Aktivität hilfreicher
• Bei Übergewicht 60 min Aktivität an den meisten Tagen
ohne mehr zu essen
ein Tipp:
• Tanzen fordert Kopf, Körper und soziale Intelligenz
gleichermaßen
DietaryGuidelinesforAmericans, 2005
http://www.cfsan.fda.gov/~dms/fc05-toc.html
16
28.05.2016
Training nützt auch noch später
• Training vermag ein genetisches Risiko zu kompensieren
• Trainieren gesunde Angehörige mit, bleibt die Teilhabe länger
erhalten, es gibt weniger Stürze und mehr Unabhängigkeit
(Wraith&Riddle, 2008)
• Geringere Hippokampusatrophie bei trainierten
Alzheimerkranken (Honea et al., 2008)
Ist Alkohol ratsam?
• Bei geringem (Definition unterschiedlich, oft < 12 g
Alkohol/d ~ 0,1L Wein oder 1 Glas Bier) bis mäßigem
Alkoholkonsum wird überwiegend ein protektive
Wirkung auf die kognitive Leistung berichtet,
• dagegen wird bei hohem Alkoholkonsum eine
nachteilige Wirkung beschrieben.
• Ob hier tatsächlich ein kausaler Zusammenhang
besteht, kann durch die vorhandenen Studien nicht
belegt werden.
• Auch sind wichtige Details (Dauer, Menge und Art des
Alkohols) bisher nur unzureichend berücksichtigt.
Etgen et al. 2011
Genetische Biomarker
• Die bisher relevanteste Genvariante bei Alzheimer findet sich
auf dem Apolipoprotein-E-Gen, das für das entsprechende
Protein des Lipidstoffwechsels kodiert.
• Apo-E kann als das primäre Risikogen bei der sporadischen
Alzheimer-Demenz angesehen werden.
• Es gibt drei verschiedene Ausprägungsformen (Allele) dieses
Gens: E2, E3, E4
• E4 erhöht das Risiko etwa um den Faktor 3 bis 4 gegenüber
der Konstellation E3
• Keinanderes Gen ist von ähnlicherBedeutung
• ABER:
• 50% der spätmanifestierendenAD-Patienten weisen dieses
Risiko nicht auf
17
28.05.2016
KörperlicheAktivität und Demenzrisiko:
Genotyp-Effekte
Schuit et al., 2001
Agenda
•
•
•
•
•
•
•
Epidemiologie
Diagnostik
Differenzialdiagnose
Verlauf
Risikofaktoren
Therapieoptionen
Spezielle Problemfelder
53
Therapieziele
• Möglichst lange häusliche Versorgung
• Konsolidierung des Funktionsniveaus
• Minderung von Komplikationen/Zusatzerkrankungen
• Stabilisierung der Gesundheit der Pflegenden
• Bereitstellung der erforderlichen Hilfen
• Lebensqualität trotz Krankheit
18
28.05.2016
Dimensionen der aktuellen Demenztherapie
• Pharmakologisch und Nicht-pharmakologisch:Besserung von
Leistung und Funktion, Behandlung nichtkognitiver Symptome
• Individuell:
– Unmittelbar: Stützung von Wohlbefinden trotz chronischer
Krankheit
– Mittelbar: Stabilisierung durch Stützung der Angehörigen
• Sozio-ökonomisch: Verhinderung vorzeitiger
Heimunterbringung
• Motivational: Ermutigung von Angehörigen, Sorgfalt und
Interesse des Arztes
• Öffentlichkeit: Enttabuisierung, verstärkte Ressourcenallokation
Zweigleisige Therapieoptionen
Behandlung der Kernsymptomatik der Demenz
u.a. kognitive Störungen, Beeinträchtigung der Alltagstätigkeiten
Behandlung von nicht-kognitiven Verhaltensänderungen
z.B. Depression, Apathie, Wahn, Halluzinationen
Kognitives Kernsyndrom
19
28.05.2016
Alzheimer-Krankheit:
Kognition
Cholinerge Strategien:
•
Cholinesterase-Hemmer („Therapie der 1. Wahl“)
nicht-cholinerge Ansätze:
•
Glutamat-Modulatoren (Memantin)
•
Antioxidantien(Gingko)
•
Glucose-Stoffwechsel-”Enhancer” (Piracetam)
•
zentrale Ca++-Blocker (Nimodipin)
in der Erprobung / Entwicklung:
•
Cox-II-Hemmer (Antiphlogistika, NSAR)
•
Sekretasehemmer/-Modulatoren ( geringereβ-Amyloid-Bildung)
•
Impfung ( Bildung von Antikörpern gegen Amyloid)
•
Butyryl- (=Pseudo-) Cholinesterase-Hemmer
•
„dual bindingsite“ AChE-Inhibitoren
Kausale Therapie/Prophylaxe bisher kaum möglich
Therapie des cholinergen Defizits
• Plaques / Neurofibrillen
Schädigung von Nervenzellen
• dadurch Mangel an Botenstoff Acetylcholin
in bestimmten Gehirnstrukturen („cholinerge Neurone“)
• cholinerges Defizit
geht mit kognitiven
Alzheimer--Demenz
Alzheimer
Defiziten einher
• Cholinesterase-Hemmstoffe
können diesen Mangel bei
geschädigten Nervenzellen
teilweise ausgleichen
ACETYLCHOLINESTERASE
ACETYLCHOLIN, vermindert
Verminderte Signalübertragung
S3 LL: Cholinesterase-Hemmer
• sind wirksam in Hinsicht auf die Fähigkeit zur Verrichtung
von Alltagsaktivitäten, auf die Besserung kognitiver
Funktionen und auf den ärztlichen Gesamteindruck bei der
leichten bis mittelschweren Alzheimer Demenz und eine
Behandlung wird empfohlen.
• Es soll die höchste verträgliche Dosis angestrebt werden.
• Die Auswahl eines Acetylcholinesterase-Hemmers sollte sich
primär am Neben- und Wechselwirkungsprofil orientieren, da
keine ausreichenden Hinweise für klinisch relevante
Unterschiede in der Wirksamkeit der verfügbaren
Substanzen vorliegen
20
28.05.2016
S3 LL: Andere Therapien bei Alzheimer
Memantinist wirksam auf die Kognition,
Alltagsfunktion und den klinischen
Gesamteindruck bei Patienten mit moderater bis
schwerer Alzheimer-Demenz, eine Behandlung
wird empfohlen
Es gibt Hinweise für die Wirksamkeit von Ginkgo
BilobaEGb 761 auf Kognition bei Patienten mit
leichter bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz und
nicht-psychotischen Verhaltenssymptomen. Eine
Behandlung kann erwogen werden.
Keine Empfehlung für andere Therapien
S3 LL: Vaskuläre Demenzen
• Es gibt Hinweise für die Wirksamkeit von Ginkgo
BilobaEGb 761 auf Kognition bei Patienten mit
leichter bis mittelgradigervaskulärer Demenz und
nicht-psychotischen Verhaltenssymptomen. Eine
Behandlung kann erwogen werden
• Die Behandlung relevanter vaskulärer Risikofaktoren
und Grunderkrankungen, die zu weiteren vaskulären
Schädigungen führen, ist bei der vaskulären Demenz
zu empfehlen
• Es ist gerechtfertig Patienten mit einer gemischten
Demenz entsprechend der Alzheimer Demenz zu
behandeln.
S3 LL: Andere Demenzerkrankungen
• Es kann keine Behandlungsempfehlung bei Patienten mit
fronto-temporaler Demenz gegeben werden.
• Für die antidementive Behandlung der Lewykörperchen
Demenz existiert keine zugelassene oder ausreichend
belegte Medikation.
– Es gibt Hinweise für eine Wirksamkeit von Rivastigmin auf
Verhaltenssymptome und von Donepezil auf Kognition, den
klinischen Gesamteindruck und Verhaltenssymptome. Es gibt
ferner Hinweise für die Wirksamkeit von Memantin auf den
klinischen Gesamteindruck und Verhaltenssymptome, nicht aber
auf Kognition. Entsprechende Behandlungsversuche können
erwogen werden
21
28.05.2016
Verhaltenssymptome
Verhaltensstörungen bei AD
Häufigkeit in 5-Jahres-Stichprobe in %
nach Frölich, 2006
Ursachen von psychischen und Verhaltensstörungen
• alsFolgesomatischerErkrankungen
– Delir
– Stoffwechselstörungen
– Infektionen
– Schmerzen
– Wechselwirkungen von Medikamenten
• alsFolge des Krankheitsverlaufes
22
28.05.2016
Entwicklung von Verhaltensstörungen bei Demenz
Patienten in %
80
Unruhe
GestörterSchlaf-/
Wachrhythmus
60
Unsicherheit
Depression
40
Umherwandern
Erregung,
Feindseligkeit
20
Selbstmordgedanken
0
-40
Aggression
Sozialer
Rückzug
-30
-20
Angst
Stimmungsschwankungen
Beschuldigung
Halluzination
SozialeUnverträglichkeit
Wahn
-10
0
10
20
Monate vor / nach Diagnosestellung
30
Jost BC, Grossberg GT. JAGS 1996;44:1078–81
Die Vielschichtigkeit der „Behavioral and
Psychological Symptoms of Dementia“ (BPSD)
• Psychologische und Verhaltensstörungen sind integraler
Bestandteil von Demenz-Syndromen
• Sie gehen einher mit: schlechterer Nutzung der verbliebenen
Fähigkeiten, schlechterer Prognose, früherer
Institutionalisierung
• Sie bedeuten für den Patienten und seine Umgebung eine
erhebliche Belastung
• Viele dieser Störungen sind therapeutischen Interventionen
zugänglich, die individuelles Leid lindern und Kosten mindern
können
Finkel et al, 1998; Brodaty et al. 2003
Nichtmedikamentöse Interventionen
• Der Effekt nichtmedikamentöser - insbesondere psychosozialer Interventionen ist unstrittig
• Auch Patienten mit ausgeprägteren Demenzen sind für
psychosoziale Interventionen empfänglich
• Auch Angehörige/Betreuer sind als Zielgruppe viel versprechend
• Kognitive Stimulation, Verhaltens-Management, Sensorische
Integration, Musiktherapie und Psychoedukation sind am
besten abgesichert
23
28.05.2016
Medikamentöse Therapie von
psychischen Begleitsymptomen
•
Zur Stimmungsaufhellung
⇒Antidepressiva
•
Bei Impulskontrollstörungen
⇒Antiepileptika/Phasenprophylaktika
•
Bei Unruhe, Wahngedanken und
Sinnestäuschungen
⇒Neuroleptika
•
Mehrere Indikationsbereiche
⇒Cholinesterasehemmer
Neuroleptika und Demenz
• Neuroleptika werden häufig zur Behandlung von
herausforderndem Verhalten bei Demenz eingesetzt.
• Der nur mäßigen Wirksamkeit stehen schwerwiegende
Risiken gegenüber:
• so ist unter allen Neuroleptika erhöht
–
–
–
–
die Mortalität insgesamt
das Risiko für plötzlichen Herztod,
das Risiko Schlaganfallereignisse
das Risiko für venöse Thrombosen.
• Die Kognition kann sich verschlechtern
• Am wichtigsten ist aber, dass Neuroleptika nur bei klarer
Indikation zur Anwendung kommen!
Neuroleptika: Hauptfrage „Stimmt die Indikation?“
(1) Psychotische Symptomatik (Halluzination, Wahn)
Cave: Lewy-Body Demenz!
(2) SCHWERgradige Aggressivität bei Demenz
(3) SCHWERgradiges Delir
Keine Evidenz zur unspezifischen Gabe bei „Unruhe“
– Möglichst niedrig dosiert atypische NL (z.B. Risperdal 0,25-1 mg (einzig
für diese Indikation zugelassen!), Seroquel 12,5-50 mg), bei perakuter
Symptomatik und Delir evtl. auch kurzfristig Haloperidol; evtl.
ergänzend anfangs kurzwirksame Benzos oder niederpotente NL
Regelmäßiges Monitoring auf Wirkung und NW / Absetzversuche
24
28.05.2016
Therapie kognitiver und nichtkognitiver Störungen
Biologisches Substrat
(Med.Th./Pflege/Ph.Th.)
Psychische
Faktoren
(Training/
Psychotherapie)
Soziale Faktoren
(Angehörige/Betreuer)
Verhalten
Ökologisch/kontextuelle Faktoren
(Umweltgestaltung)
Agenda
•
•
•
•
•
•
•
Epidemiologie
Diagnostik
Differenzialdiagnose
Verlauf
Risikofaktoren
Therapieoptionen
Spezielle Problemfelder
74
Notwendige Vorbemerkungen
•
•
•
•
•
Viele Menschen mit schwersten körperlichen Einschränkungen
empfinden ihr Leben als vollwertig und können es häufig gelingend
gestalten
Selbst bei Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose, einer
unheilbaren Krankheit, die gekennzeichnet ist durch eine
fortschreitende und irreversiblen Schädigung der Nervenzellen, die für
die Muskelbewegungen verantwortlich sind, liegt die subjektiv
empfundene Lebensqualität vielfach im Bereich der Gesunden
Auch Demenzerkrankungen sind durch einen fortschreitenden Verlust
gekennzeichnet
Das Argument lautet dann: ein Mensch mit derartigen Einschränkungen
müsse zu Recht depressiv sein und habe, wenn er guter Stimmung
sei, nur an Reflexionsfähigkeit eingebüßt
Anmaßung auf Seiten der Gesunden scheint die Einschätzung der
Erkrankung zu bestimmen, solange man selbst nicht davon erfasst ist
75
Nach Förstl u. Gutzmann2009
25
28.05.2016
Lebensqualität als Konfliktpotential?
• Subjektive Gedächtnisstörungen können die Lebensqualität der
nicht dementen Altenbevölkerung erheblich beeinträchtigen
• Das gilt auch noch für frühe Demenzphasen, später nicht mehr
• Depression spielt bei beiden Gruppen dagegen eine
wesentliche Rolle für die erlebte LQ – auch bei Betreuenden!
• Menschen mit Demenz schätzen ihre LQ oft höher ein als ihre
Betreuer
• Die erlebte LQ ist auch eine Funktion des Anspruchsniveaus
• Das Anspruchsniveau der Demenzkranken sinkt oft im Rahmen
der Anpassung an die Erkrankung
• Das unterschiedliche Anspruchsniveau erklärt z.T. die
Diskrepanzen zwischen Betreuten und Betreuern
• Ziel: Adaptation auf beiden Seiten der Betreuungsdyade
76
Können Betreuende die LQ richtig einschätzen? I
•
•
•
•
•
•
Studien, die verglichen haben, wie Demenzkranke und deren
Betreuungspersonen die Lebensqualität der Erkrankten bewerten, fanden nur
schlechte bis mäßige Übereinstimmungen zwischen den Urteilen der
Patienten und der Betreuer.
Dabei schätzen die Betreuer die Lebensqualität der Patienten systematisch
schlechter ein als die Betroffenen selbst
Die Übereinstimmung der Urteile von Patienten und Betreuern ist jedoch nicht
in allen Dimensionen der Lebensqualität gleich schlecht.
Eine bessere Übereinstimmung findet sich bei direkt beobachtbaren Aspekten
(z.B. Funktionsniveau und körperliche Gesundheit)
Eine schlechtere bei subjektiven Aspekten (z.B. subjektives Wohlbefinden und
wahrgenommene Lebensqualität)
Partner zeigten eine höhere Übereinstimmung mit der Patientenperspektive
als Kinder der Erkrankten (Novella et al. 2001).
77
Nach: M. Weidekamp-Maicher 2010
Können Betreuende die LQ richtig einschätzen? II
•
•
•
•
•
Je schwerer die Erkrankung, umso schlechter wird jedoch die
Übereinstimmung.
Eigene depressive Verstimmungen und betreuungsbedingte Belastungen
lassen Angehörige die Lebensqualität der von ihnen versorgten
Demenzkranken schlechter bewerten
Auch wenn Angehörige sehr unter der Demenzerkrankung des Patienten
leiden, kann das ihre Lebensqualitätseinschätzung verfälschen
Auch Pflegepersonal beurteilt die Lebensqualität von Heimbewohnern
schlechter, wenn die Patienten abhängiger sind und mehr Verhaltensprobleme
haben
Aber auch die Einstellungen des Personals zur Demenz haben einen Einfluss
auf die Bewertungen der Lebensqualität der Betroffenen.
78
Nach: M. Weidekamp-Maicher 2010
26
28.05.2016
Drei häufige Problemfelder
Fixierungen
Psychopharmaka
„Nahrungsverweigerung“
Problemfeld Fixierungen
• In Deutschen Altenheimen werden 5-10% der Bewohner
„körpernah“ fixiert (Weyerer und Schäufele 2009).
• Unter Einbezug der Anwendung von Bettgittern erhöht sich der
Anteil der Bewohner, die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen
unterworfenen werden, auf 29-41% (Koczy et al. 2005)
• mobilitätsvermindernde Maßnahmen beschränken nicht nur
das Recht von auf Bewegungsfreiheit, sie erhöhen sogar das
Risiko zu stürzen (Guttman et al. 1999)
• Rehabilitationsmaßnahmen wie ein Balance- und Kraft-Training
können auch bei Demenzkranken zum Erhalt der Mobilität und
zur Sturzprophylaxe erfolgreich sein und gleichzeitig das
Fixierungsrisiko vermindern (Weyerer und Schäufele 2009).
Diagnosen und freiheitsbeschränkende Maßnahmen
nach Bredthauer et al. 2005
27
28.05.2016
Gründe für Maßnahmen bei Dementen
%
nach Bredthauer et al. 2005
Risikofaktoren für freiheitsbeschränkende Maßnahmen
•
•
•
•
Balance-Problem (Semitandem < 10 sek)
Mit Dingen werfen
Repetitive Manierismen
Ständig wiederholte Fragen
nach Bredthauer et al. 2005
Fazit 1
• 30% aller gerontopsychiatrischen Patienten waren
mindestens einer freiheitsbeschränkenden Maßnahme
ausgesetzt
• Das höchste Risiko für FBM trugen Männer mit kognitiven
Einschränkungen
• Die häufigsten Begründungen waren Unruhe und
Sturzrisiko
• Die meisten FBM wurden in den ersten beiden Tagen des
Aufenthalts angesetzt und lange durchgeführt
(bei > 50% über 14-18 Tage)
nach Bredthauer et al. 2005
28
28.05.2016
ProblemfeldPsychopharmaka
• Mehr als 40% aller Heimbewohner werden mit potenziell
bewegungseinschränkenden Psychopharmaka behandelt
• Zwangsbehandlung, etwa mit Neuroleptika, sind bei
Demenzkranken extrem selten nötig
• Wenn überhaupt, dann werden sie in akuten Situationen wie
Erregungszuständen erwogen
• Nur bei akuter Indikation (Rechtfertigungsgrund des Notstandes:
ausnahmsweise und kurzfristig) stellt die Behandlung des
einwilligungsunfähigen Patienten mit Neuroleptika keine
(strafbare) Körperverletzung dar
• Dauerbehandlungen über mehrere Tage und Wochen, sind in
keinem Fall vom Rechtfertigungsgrund des Notstandes gedeckt
Komorbidität der Verhaltenssymptome
Prozentualer Anteil der betroffenen Demenzkranken, bezogen auf die gesamte Stichprobe (n=326).
Hellgrau: keine BPSD. Grüntöne: Nur je eine der genannten, Balutöne: Je zwei der genannten,
Dunkelgrau: alle 3 Verhaltenssymptome vorhanden.
keine
nur Agitation
9,5
4,3
2,8
30,4
nur Depression
nur Apathie
15
Agitation und Apathie
10,1
3,1
24,8
Agitation und Depression
Apathie und Depression
alle 3
Majic et al. 2010
Verschreibungspraxis
% der behandelten dementen Bewohner
60
52,1
50
40
29,4
30
16,6
20
16,9
6,4
10
0
Neuroleptika
Antidepressiva
Antidementiva
Benzodiazepine
Antikonvulsiva
Majic et al. 2010
29
28.05.2016
Verhaltenssymptome und Psychopharmaka
88
Majic et al. 2010
Fazit 2
Über 90% der Bewohner litten an Verhaltenssymptomen,
Meist an einem oder mehreren gleichzeitig
Apathie war mit über 80% am häufigsten
52,1% erhielten Neuroleptika, 29,4% Antidepressiva, 16,6%
Antidementiva.
• differenzialtherapeutische Aspekte wurden in der
Verschreibungspraxis zu wenig beachtet („Neuroleptika sind
immer gut“)
• Durch Neuroleptika werden zahlreiche Patienten dem
erhöhten Risiko von zum Teil lebensbedrohlichen
unerwünschten Wirkungen ausgesetzt, ohne dass eine
adäquate Indikation vorläge
•
•
•
•
Internationaler NH-Vergleich
Feng et al. 2009
30
28.05.2016
Problemfeld„Nahrungsverweigerung“
Hunger und Durst anderer zu stillen ist ein
Grundelement unseres Sozialverhaltens und zudem
ein symbolischer Akt der Mitmenschlichkeit
Das Wort „Verweigerung“ beinhaltet den selbst
bestimmten Vorgang einer bewussten willentlichen
Ablehnung der Nahrungsaufnahme
Mögliche Probleme bei Demenzkranken:
Fehlendes Bewusstsein für Essen und Trinken
Keine Einsicht über die Folgen längeren
Nichtessens
Antriebsstörung bei Depression
Fehlende Fähigkeiten zum Schlucken
Bis zu 30% aller PEG-Anlagen erfolgen bei
Demenzkranken
Erhoffte Effekte einer PEG I
• Überlebenszeit verlängern
• Lebensqualität erhalten oder wieder
herstellen
• Aspirationspneumonie verhindern
• Druckulzera verhindern
• Folgen von Mangelernährung verhindern
Erhoffte Effekte einer PEG II
• Überlebenszeit verlängern?
– Mortalität : <1 Mo bis 54%, 3 Mo 78%, 6 Mo 81%
(Sanders ea 2000)
– Unabhängiger Risikofaktor für verkürzte
Überlebenszeit (Bourdel-Marchassonea 2000)
• Lebensqualität erhalten oder wieder herstellen?
– Kein Hinweis auf ADL-Verbesserung(Finucaneea 1999)
– Fremdeinschätzung (Angehörige): keine Veränderung
(McNabneyea 1994)
• Aspirationspneumonie verhindern?
– Nasensonde und PEG sind im Gegenteil unabhängige
Risikofaktoren für eine Aspirationspneumonie(Pick ea 1996)
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28.05.2016
Erhoffte Effekte einer PEG III
• Druckulzera verhindern?
– Keine Hinweise auf das Lindern bestehender oder das
Verhindern neuer Druckulzera (Finucaneea 2004)
• Folgen von Mangelernährung verhindern?
– In der Mehrzahl der Studien konnte ein solcher - oft
erwarteter - Effekt nicht belegt werden
– Bei Einzelfällen wurde aber auch eine
Gewichtszunahme beschrieben
Fazit 3
• Erhoffte Effekte einer PEG lassen sich nur im Ausnahmefall
verifizieren
• Eine PEG kann bei fortgeschrittener Demenz nicht als
lebenserhaltende Maßnahme gelten(Lacey 2004)
• Ist eine Trink- oder Nahrungsverweigerung ein nonverbaler
Willensakt?
• Nur wenn weder ein erklärter noch ein mutmaßlicher Wille zu
ermitteln ist, sollte nach allgemeinen Wertvorstellungen
entschieden werden
• Wenn kein eindeutiger Hinweis vorliegt, stellt eine PEG einen
Akt der ungerechtfertigten Körperverletzung dar. In diesem Fall
wäre es ethisch geboten, auf die Ernährung zu verzichten - auch
wenn dies den Tod des Patienten zur Folge hätte (Deutscher Juristentag 2006)
• ABER: Der fehlende Nachweis eines Nutzen ist kein Beweis
eines fehlenden Nutzens
(“Theabsence of proofis no proof of absence“)
• Gerade die hoch individualisierte Fragestellung entzieht sich
üblichen Studiendesigns
Zum Schluss:
• Demenzen sind häufig
– Gesundheitssystem und Gesellschaft sind aber noch nicht hinreichend
vorbereitet
• Demenzen sind eine Herausforderung für die gesamte
Gesellschaft
– Die Hauptlast tragen die Familien
• Es gibt Hoffnung, dass dies auch mehr und mehr
wahrgenommen wird
– 9/11: UN nennt Demenzen „an important cause of morbidity“
(von gleicher Relevanz wie Diabetes, Krebs, pulmonale und kardiovaskuläre Erkrankungen)
und fordert Länder zur Programmentwicklung auf
– Erkrankungen, die in der eigenen Altersgruppe häufiger sind, genießen
auch mehr positive Aufmerksamkeit
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28.05.2016
Herzlichen Dank für
Ihre Aufmerksamkeit!
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