07/10 ”VIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION” NR._____ Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Franz X. Heinz Redaktion: Prof. Dr. H. Holzmann, Prof. Dr. Th. Popow-Kraupp Department f. Virologie d. Med. Universität Wien 1095 Wien, Kinderspitalgasse 15 Tel. +43 1 40490-79500 Fax: +43 1 40490-9795 e-mail: [email protected] homepage: www.virologie.meduniwien.ac.at Ein Fallbericht: CMV Infektion eines Frühgeborenen Robert Strassl und Theresia Popow-Kraupp Das Humane-Cytomegalie-Virus (HCMV) gehört zur Familie der Herpesviridae. Es handelt sich um ein weltweit verbreitetes, doppelsträngiges DNS Virus (ds-DNS), dessen Übertragung durch den direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten (Blut, Speichel, Muttermilch, Urin, Tränenflüssigkeit, Genitalsekreten), Transplantaten oder Blutprodukten erfolgt. Die CMV-Erstinfektion bei immunkompetenten Patienten verläuft in über 90 % der Fälle komplikationslos und klinisch unauffällig. Nur bei wenigen Personen entwickelt sich das Bild einer mononukleoseartigen Erkrankung, die mit einer mild ausgeprägten Hepatitis einhergeht. Die Infektion ist charakterisiert durch eine lange Inkubationszeit (20-60 Tage) und der Tatsache, dass keine vollständige Viruselimination durch das Immunsystem stattfindet. Vielmehr entwickelt sich eine Viruslatenz, die zu einer lebenslangen Viruspersistenz führt. Die Labordiagnose einer durchgemachten Erstinfektion erfolgt durch den Nachweis virusspezifischer IgG-Antikörper, wobei die Seroprävalenz in westeuropäischen Industrieländern ca. 40-79% beträgt. Eine spezielle Bedeutung kommt der Cytomegalievirusinfektion in der Schwangerschaft zu. Pränatale (diaplazentar), perinatale (Zervixsekret) und postnatale (Muttermilch) Transmissionen des Virus von der Mutter auf das Kind sind möglich. Peri- und postnatal erworbene Infektionen verlaufen in der Regel relativ komplikationslos und zumeist ohne Langzeitfolgen, während die intrauterine Virusübertragung Erstinfektion der Mutter in der Schwangerschaft im Rahmen einer schwerwiegende Folgen für das ungeborene Kind nach sich ziehen kann. Nach epidemiologischen Untersuchungen Mit Unterstützung der Firmen Baxter, Novartis und Abbott. Copyright by Prof. Dr. Franz X. Heinz. Veröffentlichungen auch auszugsweise sind nur mit Genehmigung gestattet. machen ca. 0,2-1% der seronegativen Mütter eine Erstinfektion in der Schwangerschaft durch. Eine intrauterine Übertragung des Virus auf das Ungeborene findet in ca. 40% der Fälle statt, wobei ca. 10% der Kinder bei der Geburt klinisch auffällig sind (Petechien, Ikterus, Mikrozephalie). Von den bei der Geburt asymptomatischen Kindern entwickeln ca. 10% Langzeitfolgen, vor allem sensorineurale Hördefizite. Eine Virusreaktivierung bei bereits seropositiven Müttern tritt während der Schwangerschaft in ca. 10-30% der Fälle auf. Aufgrund der wohlgemerkt lückenhaften Datenlage wird das Risiko einer intrauterinen Übertragung in diesen Fällen mit ca. 1-3% angegeben, wobei klinische Auffälligkeiten bei ca. 1% der Kinder beobachtet werden. Unser aktueller Fall handelt von einem Frühgeborenen, dessen Mutter in der 14. Schwangerschaftswoche erstmalig im KH Braunau vorstellig wurde. Die Patientin präsentierte sich klinisch in einem schlechten Allgemeinzustand und hatte erhöhte Leberwerte. Im Rahmen der weiteren Abklärung wurde in der 15. Schwangerschaftswoche bei der Mutter eine CMV Erstinfektion diagnostiziert und es wurde unmittelbar mit der Hyperimmunglobulinpräparates intravenösen begonnen. Verabreichung Aufgrund eines eines frühen CMV- vorzeitigen Blasensprungs in der 18. Schwangerschaftswoche erfolgte die Transferierung an das Landeskrankenhaus Salzburg. Da die Schwangerschaft nicht mehr länger aufrecht erhalten werden konnte, musste das Kind dann in der 27. Schwangerschaftswoche per Kaiserschnitt entbunden werden. In dem bei der Geburt gewonnenen Nabelschnurblut konnten CMV spezifische IgG, jedoch keine virusspezifischen IgM Antikörper nachgewiesen werden. Das Frühgeborene war bei der Geburt auffällig und litt an Krampfanfällen, einem ausgeprägten Atemnotsyndrom, einer Retinopathie sowie einem pulmonalen Hypertensionssymptom, wie sie auch bei Kindern mit einer intrauterin erworbenen CMV Infektion beobachtet werden (Adler et al.; Journal of Clinical Virology 46S (2009) S54S57). In den Harnproben des Kindes aus der ersten Lebenswoche konnte mittels PCR jedoch keine virusspezifische DNS nachgewiesen werden, wodurch eine intrauterine Virusübertragung bei diesem Neugeborenen nicht bewiesen werden konnte. Das Kind entwickelte jedoch 4 Wochen nach der Geburt eine ausgeprägte Thrombopenie sowie Leukopenie. Im Rahmen der weiteren differentialdiagnostischen Abklärung wurden 07/10-2 VIR. EP. INF. NR. _______ Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Franz X. Heinz, Department f. Virologie d. Med. Universität Wien Redaktion: Prof. Dr. H. Holzmann, Prof. Dr. Th. Popow-Kraupp; Department f. Virologie d. Med. Universität Wien Mit Unterstützung der Firmen Baxter, Novartis und Abbott. Copyright by Prof. Dr. Franz X. Heinz. Veröffentlichungen auch auszugsweise sind nur mit Genehmigung gestattet. neuerlich Untersuchungen auf eine eventuell bestehende CMV Infektion durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt konnte das Virus sowohl im Blut als auch im Harn und Liquor in beträchtlichen Konzentrationen nachgewiesen werden, weshalb umgehend mit einer Gancyclovir Therapie begonnen wurde, auf die das Kind im weiteren Verlauf gut angesprochen hat. Da CMV üblicherweise nur bei intrauterin infizierten Kindern im Liquor nachgewiesen werden kann, stellte sich erneut die Frage nach einer eventuell kurz vor der Geburt erfolgten intrauterinen Virusübertragung. Weitere Rückfragen und Diskussionen mit den behandelnden Ärzten ergaben eine in der ersten Lebenswoche aufgetretene Hirnblutung. Der positive CMV Virusnukleinsäurenachweis im Liquor könnte somit durch eine gestörte Blut-Hirn Schranke bei der bestehenden CMV Virämie des Kindes im Rahmen einer peri- bzw. postnatalen Virusinfektion erklärbar sein. Um diese Hypothese weiter abzusichern und die intrauterine Virusübertragung, mit ihrer ungünstigeren Langzeitprognose noch weiter auszuschließen, haben wir die Untersuchung der PKU Karte des Kindes angeregt. Durch das negative Ergebnis dieser Untersuchung konnte eine Virämie bei Geburt und damit eine intrauterine Virusübertragung mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Obwohl der Infektionsweg in diesem Fall nicht definitiv abgeklärt werden konnte, sprechen doch alle erhobenen Befunde für eine peri- bzw. postnatale Infektion mit einer besseren Langzeitprognose für das Kind. Der eben beschriebene Fall zeigt, dass eine sinnvolle Interpretation von virologischen Befunden und die kausale Zuordnung zu einem bestehenden Krankheitsbild nur mit eingehenden klinischen Informationen und Rücksprache mit den behandelnden Ärzten möglich sind. Der kompetenten Reaktion der verantwortlichen Ärzte und der fächerübergreifenden Zusammenarbeit ist es somit zu verdanken, dass dieser Fall einen für Mutter und Kind relativ günstigen Ausgang gefunden hat. 07/10-3 VIR. EP. INF. NR. _______ Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Franz X. Heinz, Department f. Virologie d. Med. Universität Wien Redaktion: Prof. Dr. H. Holzmann, Prof. Dr. Th. Popow-Kraupp; Department f. Virologie d. Med. Universität Wien Mit Unterstützung der Firmen Baxter, Novartis und Abbott. 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