Apokalypse. Studien zu Franz Schmidt XIII. Symposion 1999, hg

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Apokalypse. Studien zu Franz Schmidt XIII. Symposion
1999, hg. von Carmen Ottner, Ludwig Doblinger KG:
Wien / München 2001, ISBN 3-900695-54-7, 383 S.
Das musikalische Werk des österreichischen Komponisten und
kurzfristigen Bruckner-Schülers Franz Schmidt (1874-1939) ist
wohl weithin unbekannt, sieht man einmal vom Zwischenspiel
seiner Oper Notre Dame ab, das häufig das Repertoire der
Sonntags- oder Kurkonzerte bereichert. Mit seinem opulenten
Oratorium Das Buch mit sieben Siegeln hingegen dürften die
wenigsten Hörer, kaum auch Musikwissenschaftler, wirklich
vertraut sein, noch nicht einmal, seit es 1987 zum allgemeinen
Erstaunen während der Salzburger Festspiele aufgeführt wurde.
Die Franz Schmidt-Gesellschaft, die es sich zur Aufgabe gemacht
hat, dem Werk dieses Komponisten u.a. dadurch Rechnung zu
tragen, daß sie Symposien veranstaltet, deren Teilnehmer sich
dezidiert mit einzelnen Werken auseinandersetzen, entschied
sich 1999, dieses umfangreiche Orchester- und Chorwerk in
den Mittelpunkt zu stellen, wohl auch eingedenk Erich Schenks
Auffassung, daß dessen Bedeutung nur von sehr weitblicken”
dem, geistesgeschichtlichem Standpunkt aus voll gewürdigt
werden kann“. (Zit. nach: Norbert Tschulik, Franz Schmidt,
Wien 1972, S. 72) Vom Komponisten selbst stammen Einige
”
Bemerkungen zum Text des Oratoriums“, im Faksimile abgedruckt im Anhang des nun vorliegenden Kongreßberichtes
(S. 375ff.), die letztlich in ihrer Kürze jedoch wenig Erhellendes für eine weiterreichende wissenschaftliche Erforschung
bieten.
Das Themenspektrum, das während dieses Symposiums entfaltet wurde, war dementsprechend vielfältig, und einige Aufsätze
und Diskussionsbeiträge, letztere wurden dankenswerterweise
mit aufgenommen, entbehrten auch nicht des notwendigen kritischen Abstandes, mit dem Werk und Komponist heute betrachtet
werden müssen. Wie ambivalent sich dies äußern kann, zeigt sich
beispielsweise anhand eines Überblicks von Presseveröffentlichungen, die sich u.a. auch auf die Salzburger Aufführung bezogen.
So charakterisierte etwa Sigrid Löffler in der Zeitschrift Profil
das Werk als dahinfrömmelndes Erbauungsspektakel“, das es
”
in Salzburg allein den szenischen Visionen George Taboris zu
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verdanken gehabt habe, daß ein Projekt entstanden sei, das es
gestattete, ein neues Licht auf die als bereits überkommen erschienene Komposition zu werfen, vor allem deshalb, weil die
Musik des katholischen Reichsschwärmers, Hitler-Verehrers und
”
Heilserwarters Franz Schmidt der ganzen Unheilserfahrung und
Versöhnungskraft des ungläubigen Juden Tabori ausgesetzt“ war
(S. 239). Ganz andere Töne wurden in einer wenig später erschienenen Rezension angeschlagen, in der die Rede war von der groß”
artigen Geschlossenheit des Werkes“, von der unerhörten Inspi”
riertheit in jedem Detail“, von der Anschaulichkeit der musika”
lischen Visionen“ (S. 240). Solch kontroverse Äußerungen führen
zwangsläufig (und glücklicherweise) zu entsprechenden Diskussionsbeiträgen, die sehr unterschiedliche Perspektiven und Sichtweisen eröffneten, u.a. auf den Zusammenhang zwischen der skeptischen Beurteilung des Werkes mit der immer stärker gewordenen Akzeptanz der Neuen Musik verwiesen, auch die ideologische
Herkunft und Ausrichtung zur Sprache brachten, die bei der Rezeption des Werkes berücksichtigt werden müssen.
Ein ganz wesentliches Augenmerk bei der Annäherung an das
Schmidtsche Buch mit sieben Siegeln muß selbstverständlich der
Anverwandlung des Textes gelten, wie sie der Komponist aus
der Johannes-Offenbarung für sein Oratorium vorgenommen hat.
Hier bieten sich vergleichende Ausblicke auf Weltuntergangsszenarien anderer sowohl literarischer als auch musikalischer Werke an, auch vor dem Hintergrund der These, daß apokalytische
”
Stimmungen [. . . ] ihre Entstehung den jeweiligen kulturellen, materiellen und politischen Verhältnissen“ verdanken (S. 21). Ein
solcher Ausgangspunkt enthält zweifellos eine gewisse Brisanz,
denn er macht es von vornherein unmöglich, die Musik lediglich
generell als die eines Spätromantikers zu klassifizieren, losgelöst
vom Text und den ethischen Grundauffassungen seines Schöpfers
und – was noch schwerer wiegen mag – auch losgelöst von seiner
politisch-ideologischen Haltung, die sich merkwürdig von einer
katholisch-engen Religiosität abgrenzt.
Möglicherweise enthält der noch immer nicht vollständig veröffentlichte, da im Privatbesitz befindliche, Briefwechsel des Komponisten mit dem Dirigenten Oswald Kabasta, erhellende Gedanken, die entsprechende Rückschlüsse erlauben würden. Mindestens der Schaffensprozeß konnte dokumentiert werden, so
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daß die Voraussetzungen für analytische Betrachtungen gegeben
sind. Inwieweit hieraus weitere Erkenntnismöglichkeiten resultieren könnten, bleibt zu fragen.
Edelgard Spaude
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