Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik Vorlesung: Rheumatologische Labordiagnostik Rheuma ist… Dr. med. Bernhard Schlüter Rheumatologische Systematik Diagnostische Latenz … eine Symptomdiagnose Deutsche Rheuma-Liga, 2001 12 Schmerz im Bewegungsapparat + Centrum für Laboratoriumsmedizin – Zentrallaboratorium – Universitätsklinikum Münster Albert‐Schweitzer‐Campus 1 D‐48149 Münster Tel.: 0251 83‐4721 Fax: 0251 83‐47225 [email protected] www.klichi.uni‐muenster.de 10 Funktionsbeeinträchtigung + 8 Jahre organbezogene Symptome … eine häufige Ursache für Arztbesuche 6 4 … ein wesentlicher Kostenfaktor im Gesundheitswesen 2 Gezielte Therapie erfordert exakte Diagnose! 0 RA Wintersemester 2016/17 -1- Aufgaben der Labordiagnostik -2- Systemische Rheumaerkrankungen Unterstützung des behandelnden Arztes in der Unterscheidung entzündliches / nicht-entzündliches Rheuma Immunpathologische Mechanismen Beurteilung der Entzündungsaktivität Autoimmunität Überwachung des Therapieerfolgs Genetische Prädisposition RF, ACPA, ANA, Antiphospholipid-AK, ANCA Komplement C3 und C4 Leukozyten, Kristalle -5- Blutbildveränderungen Extreme Leukozytose Polyglobulie Mikrozytose/Sphärozytose Fibrinogen/-Globuline niedrig (in)-direkter Keimnachweis -8- -7- C-Reaktives Protein DD akute vs. chronische Entzündung Erkennung einer Hypergammaglobulinämie ggf. Hinweise auf Krankheitsursache Leukozytose reaktive Linksverschiebung Thrombozytose Anämie Höheres Alter Schwangerschaft Anämie/Makrozytose Fibrinogen/-Globuline erhöht Mikrobiologie -6- Proteinelektrophorese Unspezifischer Suchtest Auslöser: Infektion/Autoimmunität/Tumor/Nekrose Variable Sensitivität (keine Ausschlussdiagnostik !) Diagnostisches Kriterium bei Polymyalgia rheumatica Trägheit Genetische Marker HLA-B27 Synovia-Analyse -4- Autoantikörper Prognosebeurteilung Fibromyalgie Erhöhte Blutsenkung Entzündungsmarker BSG, Blutbild, Serumproteinelektrophorese, CRP Entzündungsprozesse Bechterew -3- Übersicht diagnostischer Laborparameter Für die Labordiagnostik wichtige Aspekte: Früh- und Differenzialdiagnostik SLE Steckbrief: Rheumatoide Arthritis Diagnostisch wichtigstes Akutphaseprotein Kurze Serum-Halbwertzeit (20 h) Gute Zeitauflösung entzündlicher Prozesse Klinische Unspezifität Variable Sensitivität Entzündliche systemische Bindegewebserkrankung Volkskrankheit (Prävalenz ca. 1 %) Erosive Arthritis im Vordergrund Extraartikuläre Manifestationen Meist chronisch-progredienter Verlauf CRP bei RA in Frühphase überwiegend negativ! Leukopenie mit und ohneThrombopenie möglich (SLE, Sjögren- und Felty-Syndrom, UAW !) -9- Morgensteifigkeit Symmetrische Arthritis Hand- und Fingergelenke > 3 Gelenkregionen Rheumaknoten Gelenknahe Osteoporose/ Erosionen Rheuma-Faktor positiv - 10 - Rheuma-Faktor RA: Klassifikationskriterien (ACR 1987) Geschlechtsverhältnis F:M = 3:1 Beginn häufig im mittleren Lebensalter CRP-Anstieg kann bei Kollagenosen fehlen: hohe CRP-Werte sprechen hier für Infektion! Ursache unbekannt, familiäre Häufung - 11 - RF: Sensitivität und Spezifität RF: klinische Relevanz Latextest Gesunde > 60 Jahre Diagnostischer Marker für rheumatoide Arthritis IgM-RF - 12 - Gesunde Gesunde < 60 Jahre Lungenfibrose Prognostische Bedeutung Varia Sarkoidose Tbc Ungünstig: frühzeitiger Nachweis bzw. hohe Titer Infektion Lues Hepatitis Kein Marker für aktuelle Entzündungsaktivität IgG Rheuma Endokarditis M. Bechterew Serielle Bestimmungen bei positivem Test verzichtbar Sklerodermie SLE Mischkollagenose Für Frühdiagnostik nur bedingt tauglich ! Kryoglobulinämie Bei juveniler RA meist negativ ! Sjögren RA 0 20 40 60 80 100 RF-Häufigkeit [%] - 13 - - 14 - - 15 - - 16 - ACPA: klinische Relevanz ACPA: neue RA-Marker Antigen: Cyclische Citrullinierte Peptide Neue RA-Klassifikationskriterien 2010 Prädiktionsmodell für eine frühe RA Quelle: DGRH-Leitlinie, 2011 Vergleichbare Sensitivität zum RF Signifikant höhere Spezifität als RF Für Frühdiagnostik der RA geeignet Bei 1/3 der RF-negativen frühen RA-Fälle positiv Prognostische Relevanz Assoziation mit erosivem Verlauf Kombinierte Bestimmung mit RF vorteilhaft Verbesserte positive und negative Prädiktion Epitoperkennung auf verschiedenen enzymatisch modifizierten Proteinen (z.B. Filaggrin, Fibrin, Vimentin) Anti-KeratinAntikörper Setting: spezialisierte Ambulanz für Patienten mit Früharthritis in NL Eingeschlossen waren Patienten, die von den betreuenden Hausärzten auf Grund von mindestens zwei der folgenden Symptome überwiesen worden waren: Gelenkschmerz, Gelenkschwellung, Bewegungseinschränkung der Gelenke. Alle Patienten wurden innerhalb von 2 Wochen nach Überweisung von einem Rheumatologen untersucht (Visser 2002). Definitive RA bei einem Score > 6 (von 10 möglichen Punkten) - 17 - Steckbrief: Systemischer Lupus Erythematodes - 18 - Anti-Nukleäre Antikörper Systemischer Multiorganbefall Betroffen vor allem (Schleim)-Haut, Niere, ZNS Symmetrische, nicht-erosive Polyarthritis Zahlreiche Autoimmunphänomene Prävalenz ca. 0,05 % (5 auf 10.000) Frauen bis zu 10x häufiger betroffen Manifestation meist im mittleren Lebensalter Ursache unbekannt, familiäre Häufung - 19 - ANA: klinische Relevanz ANA: Differenzierung nach Antigen Diagnostischer Marker für SLE (u.a. Kollagenosen) Hohe Sensitivität Aktiver SLE bei negativen ANA unwahrscheinlich ! Eingeschränkte Spezifität u.a. bei RA, Autoimmunopathien, Tumoren, Medikamente Bei Älteren in 5 -10 % positiv ohne Krankheitswert ANA-Titer korreliert nicht mit Krankheitsaktivität Serielle Bestimmung bei positivem Test meist verzichtbar LE-Zellphänomen in vitro dsDNA Aktivitätsmarker: dsDNA-AK und Komplement Steckbrief: Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) CENP-B SS-B SS-A Scl-70 pSS SLE - 22 - U1-RNP Sm Indirekter Immunfluoreszenztest an HEp2-Zellen - 21 - - 20 - MCTD Jo-1 CREST SSc PM/DM - 23 - Anti-Neutrophile Cytoplasmatische Antigene - 24 - ANCA: klinische Relevanz (früher: Morbus Wegener) N = 126 SLE-Patienten; SLEDAI-Score 0 – 3 inaktiv, 4 – 7 milde aktiv, > 7 hoch aktiv 120 dsDNA-AK Bei GPA meist c-ANCA mit Spezifität für Proteinase 3 Granulombildung in der Gefäßwand („Granulomatose“) C3 C4 d s D N A -K o n z e n tra tio n [IU /m l] 140 Marker für primäre Vaskulitiden kleiner Gefäße Nekrotisierende Vaskulitis unbekannter Ursache 160 100 120 m g /d l 80 Hohe Krankheitsspezifität und variable Sensitivität Mehrorganbefall (Lunge, Niere, HNO, Haut, Gelenke) 80 100 60 Prävalenz ca. 0,01 % (1 auf 10.000) ANCA-Titer korreliert oft mit Krankheitsaktivität Hohe Rezidivneigung Einsatz zur Verlaufs- und Therapiekontrolle 60 40 40 20 0 Prognostische Relevanz Unbehandelt schlechte Prognose 20 ANCA-Persistenz trotz Therapie ⇒ hohe Rezidivgefahr 0 inaktiv milde aktiv hoch aktiv inaktiv milde aktiv hoch aktiv c-ANCA Zielantigen Proteinase 3 Typisch bei GPA Anstieg der dsDNA-AK und Komplementverbrauch weisen auf hohe Krankheitsaktivität ! - 25 - Steckbrief: Morbus Bechterew - 26 - Gruppe Extraartikuläre Manifestationen - 27 - B27+ [%] Rel. Risiko M. Bechterew 90 91 Prävalenz ca. 0,5 % M. Reiter 79 38 Manifestation meist im jüngeren Lebensalter Reaktive Arthritis 60 - 80 15 - 40 ca. 70 % Männer Arthritis bei CED 50 10 Seronegativ = RF-negativ Psoriasis-Arthritis 20 - 60 4 - 15 RA 8 1 Gesunde 9 1 - 28 - Fazit HLA-B27: klinische Relevanz Genetisches Risiko durch HLA-B27 Oligoarthritis + Achsenskelettbefall + Sakroiliitis Assoziation mit dem genetischen Merkmal HLA-B27 p-ANCA Zielantigen Myeloperoxidase Typisch bei MPA Den Rheumatest gibt es nicht ! Labormedizinische Parameter weisen Entzündung, Autoimmunität Differenzialdiagnose bei verdächtiger Symptomatik ! und eine genetische Prädisposition nach. Sensitivität und Spezifität dieser Parameter sind testabhängig. Die rheumatologische Diagnose wird daher immer im Kontext von Klinik und Labor gestellt. Rudwaleit & Sieper, Z Rheumatol, 2004 - 29 - - 30 - - 31 - - 32 -