Mediaevistik 29 · 2016 Edition wird einmal mehr unter Beweis gestellt, welche Bedeutung der Predigt nicht nur innerhalb der mediävistischen Germanistik, sondern weit darüber hinaus zukommt. So bleibt die Hoffnung, dass ausgehend von Referenzeditionen wie der vorliegenden weitere Predigtkonvolute erschlossen werden. Ralf Lützelschwab · Freie Universität Berlin Augsburger Str. 29 · D-10789 Berlin · [email protected] Philipp Sutner, Stephan Köhler, Andreas Obenaus (Hgg.) Gott will es. Der Erste Kreuzzug – Akteure und Aspekte. Expansion – Interaktion – Akkulturation. Globalhistorische Perspektiven, 29. Wien: Mandelbaum Verlag, 2016, 191 S., 2 Ill. Die Herausgeber haben sich mit dem vorliegenden Band das Ziel gesetzt „wichtige Akteure oder Akteursgruppen sowie ausgewählte Aspekte des Ersten Kreuzzugs näher [zu] beleuchte[n], um die Vielschichtigkeit dieses Phänomens aufzuzeigen“, ohne dabei eine „weitere ereignisgeschichtliche Abhandlung über den Ersten Kreuzzug“ zu liefern (S. 7). Es ist das Ziel, die Vielschichtigkeit des Ersten Kreuzzugs aufzuzeigen, und vielleicht – so die Herausgeber – auch einige Forschungslücken zu schließen (S. 10). Zur Erfüllung dieses Plans gliedert sich der Band in drei Teile: Nach der sehr kurzen Einleitung der Herausgeber und einer allgemeinen Heranführung an das Phänomen „Kreuzzug“ durch Michael Mitterauer wandert der Fokus in den folgenden fünf Beiträgen zu den Akteuren – Provenzalen, Normannen, Italiener, Byzantiner und Muslime – und schließlich zu den Aspekten Desertion, Entscheidungssituationen, Körper und zu guter Letzt Gewaltdarstellungen. Ergänzt 467 wird der Band durch eine Überblickskarte, die trotz des Drucks in Schwarzweiß übersichtlich daherkommt, sowie durch eine Zeitleiste, die das traditionelle Bild der Kreuzzüge als polito-militärisches Ereignis zeichnet, aber gerade für Einsteigerinnen und Einsteiger in die Geschichte der Kreuzzüge eine Orientierungshilfe sein mag. Inhaltlich müssen besonders die vier letzten Beiträge über die erwähnten Aspekte des Ersten Kreuzzugs hervorgehoben werden. Sie alle zeichnen sich durch eine mitunter detaillierte Quellenarbeit aus und lenken den Blick, ganz den Ansprüchen des Bandes folgend, wiederholt auf Gesichtspunkte, die von der Forschung bislang kaum angegangen worden sind. Es ist wohl Geschmackssache, ob einem der ausgeprägte soziologische Zugang mit seinen starken Gegenwartsbezügen zusagt, den Hans-Henning Kortüm in seinem Aufsatz verfolgt. Ob er so den mittelalterlichen Quellen bzw. Autoren gerecht wird, sei an dieser Stelle ebenfalls dahingestellt. Auf jeden Fall regt er wie die drei anderen Beiträge über Deserteure im Kreuzzugsheer, über die interessante Analyse der Entscheidungsfindung des Stephan von Blois ebenfalls mithilfe soziologischer Ansätze sowie über Beobachtungen zu funktionalen Aspekten des Schreibens über Körper zum Nachdenken an. Den selbstgesteckten Zielen weniger gerecht werden dagegen die Beiträge zu den Akteuren, da diese letztlich genau das darstellen, was der Band eigentlich vermeiden wollte, nämlich weitgehend chronologische Darstellungen der Ereignisse des Kreuzzugs unter spezieller Berücksichtigung der jeweiligen Ethnien bzw. Akteure. Die Argumentationslinien sind zwar durchaus akkurat, doch erfährt man nichts wirklich Neues zu den Geschehnissen. Diese Beiträge stützen 468 Mediaevistik 29 · 2016 sich denn auch stark auf die bisherigen Erkenntnisse der Forschung, was die Lektüre für Kennerinnen und Kenner der Materie mitunter etwas langatmig macht. Um dies mit nur einem Beispiel zu illustrieren: So finden sich weitgehend alle Informationen über die Situation der muslimischen Welt zur Zeit des Ersten Kreuzzugs (S. 98–113) bereits ausführlicher behandelt in Paul Cobb’s jüngst auch auf Deutsch erschienenem Werk Der Kampf ums Paradies. Eine islamische Geschichte der Kreuzzüge (Darmstadt 2015). Gleichwohl darf es als Verdienst des vorliegenden Bandes angesehen werden, den Blick auf die behandelten Akteursgruppen auch im deutschsprachigen Raum noch einmal zu schärfen. Eher unglücklich ausgefallen sind Auswahl und Aufbereitung des einleitenden Beitrags, der an das Wesen der Kreuzzüge heranführen soll. Michael Mitterauers „Der Krieg des Papstes“ stellt eine von den Herausgebern gekürzte Version eines Artikels dar, der bereits 1996 in den Beiträgen zur historischen Sozialkunde (26: 3, S. 116–128) erschienen ist. In den zwanzig Jahren, die seither ins Land gegangen sind, hat sich in der Kreuzzugsforschung hinsichtlich der nach wie vor umstrittenen Frage, was denn ein Kreuzzug eigentlich sei, doch einiges getan – Erkenntnisse, die in den „aktualisierten“ Artikel freilich nicht eingeflossen sind; die jüngste Publikation, die in der Literaturliste genannt wird, stammt aus dem Jahr 1995. Erstaunlich ist auch und gerade unter diesem Gesichtspunkt, dass der für diese Frage doch grundlegende Artikel von Ernst-Dieter Hehl („Was ist eigentlich ein Kreuzzug?“, Historische Zeitschrift 259: 2, 1994, S. 297–336) offenbar nicht berücksichtigt worden ist. Richtiggehend befremdlich wirkt aber das Fehlen jeglicher Anmerkungen und Literaturverweise im Text, was die akademische Beschäftigung mit dem Beitrag erschwert und wissenschaftlich gesehen sehr bedenklich macht. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Band in zwei Teile zerfällt (oder gar in drei, wird der etwas unglücklich ausgefallene Aufguss von Mitterauers Aufsatz von 1996 separat berücksichtigt), die die selbstgesteckten Ziele unterschiedlich gut erfüllen: auf der einen Seite jener der „Aspekte“, der wirklich neue und anregende Perspektiven eröffnet, auf der anderen Seite jener der „Akteure“, der zwar wesentliches Kontextwissen vermittelt, aber inhaltlich keine Neuigkeiten bietet. Die thematische Auswahl der Beiträge wirkt insgesamt eher willkürlich. Vermutlich hätte es dem Band gutgetan, sich entweder nur auf die Akteure oder nur auf die Aspekte zu konzentrieren, schon nur um eine einheitliche Diskussionsgrundlage zu schaffen. Andererseits ist es durchaus ein Verdienst der Herausgeber die für die Forschung nach wie vor vorhandene Breite des Themas „Erster Kreuzzug“ aufzuzeigen – gerade für den deutschsprachigen Raum, der das Feld der Kreuzzugsforschung lange weitgehend den französisch- und englischsprachigen Kolleginnen und Kollegen überlassen hat. Philippe Goridis · Historisches Seminar UZH · Karl Schmid-Str. 4 · CH-8006 Zürich · [email protected] Frauke Thielert. Paarformeln in mittelalterlichen Stadtrechtstexten. Bedeutung und Funktion. Deutsche Sprachgeschichte – Texte und Untersuchungen 5. Frankfurt a. M.: Peter Lang, 2016, 342 S. Der Druck dieser Bochumer Dissertation (2015) stellt eine willkommene Ergänzung zu den recht zahlreichen neuen Arbeiten zur